1619 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Familienausschusses


über die Regierungsvorlage (1556 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohl­fahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird (Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998)


Mit Entschließung vom 14. Juli 1994, E 157-NR/XVIII. GP, hat der Nationalrat die damalige Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie ersucht, dem Parlament bis Juni 1996 einen Bericht vorzulegen, der die genauen Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes in allen Bundesländern aufzeigt. Ein diesbezüglicher Bericht wurde fristgerecht vorgelegt und vom Nationalrat angenommen. Grundsätzlich wurde festgestellt, daß das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 auch heute noch tauglich ist, die gestellten Anforderungen zu bewältigen, jedoch wurden auf Grund der Erfahrungen der Praxis auch einige Änderungsvorschläge unterbreitet.

Der Nationalrat faßte überdies am 19. September 1996 einstimmig eine Entschließung, E 22-NR/XX. GP, mit der der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ersucht wurde, dem Nationalrat ehestens eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch die eine zentrale Stelle für die Meldung von Verletzungen beim Jugendwohlfahrtsträger und die entsprechende datenschutzrechtliche Absicherung solcher Meldungen geschaffen wird.

Der vorliegende Novellierungsentwurf soll dem aufgezeigten Reformbedürfnis sowie der verfassungs­konformen Umsetzung der Zielsetzungen der Nationalratsentschließung Rechnung tragen.

Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge fällt gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG in Gesetzgebung über die Grundsätze in die Kompetenz des Bundes. Zivilrecht und Gesundheitswesen fallen gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 6 bzw. 12 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz des Bundes.

Der Familienausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 11. Februar 1999 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuß war der Abgeordnete Matthias Ellmauer.

An der Debatte beteiligten sich neben der Ausschußobfrau die Abgeordneten Edith Haller, Klara Motter, Dr. Sonja Moser-Starrach, Brigitte Tegischer, Katharina Horngacher, Sigisbert Dolinschek, Karl Öllinger, Franz  Riepl, Elfriede Madl, Johann Schuster sowie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein.

Von den Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Dr. Sonja Moser-Starrach wurde ein Abänderungsantrag eingebracht, dem folgende Begründung beigegeben war:

”Zu Punkt 1:

Der Stellungnahme des Datenschutzrates vom 8. Februar 1999 zur Regierungsvorlage wird durch die Änderung entsprochen.

Zu Punkt 2:

§ 21a des Entwurfes sieht eine Bewilligungspflicht für Tageseltern sowie Tagesbetreuung in Gruppen vor. Die Einhaltung dieser Bestimmungen ist durch Strafen abzusichern.

Zu Punkt 3:

Die Änderung des Abs. 2 verfolgt den Zweck einer Harmonisierung mit den für die Angehörigen von medizinischen Gesundheitsberufen normierten Verschwiegenheitspflichten (vgl. zB § 54 ÄrzteG 1998). Weiters wird aber auch durch den neuen Abs. 3 hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Weitergabe von Informationen innerhalb der Jugendwohlfahrt Klarheit geschaffen.

Auf Grund der Qualifikation der meldepflichtigen bzw. -berechtigten Personen ist sichergestellt, daß begründetete Verdachtsmomente mitgeteilt werden. Es ist daher nicht zu erwarten, daß es zu einer Mehrbelastung der Jugendwohlfahrtsträger kommt.”


Ferner brachten die Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Dr. Sonja Moser-Starrach einen Entschließungs­antrag betreffend Gesprächsaufnahme mit den Ländern hinsichtlich Grundqualifikationen für Tageseltern mit folgender Begründung ein:

”Durch das Jugendwohlfahrtsgesetz soll ein Rahmen für die Tätigkeit der Tageseltern festgelegt werden. Dabei ist die fachliche Qualifikation sowie das Vorliegen der persönlichen und fachlichen Eignung der Tageseltern von großer Bedeutung.”

Bei der Abstimmung wurde die gegenständliche Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des Abände­rungsantrages der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Dr. Sonja Moser-Starrach mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Dr. Sonja Moser-Starrach wurde ebenfalls mit Stimmenmehrheit angenommen.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Klara Motter sowie ein Antrag der Abgeordneten Edith Haller auf Ausschußfeststellung fanden nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle

           1. dem  angeschlossenen Gesetzentwurf (Anlage 1) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

           2. die beigedruckte Entschließung (Anlage 2) annehmen.

Wien, 1999 02 11

                               Matthias Ellmauer                                                                Dr. Ilse Mertel

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage 1

Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird (Jugend­wohlfahrtsgesetz-Novelle 1998)


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl. Nr. 161, geändert durch Kundmachung BGBl. Nr. 259/ 1992, wird wie folgt geändert:

Artikel I

1. § 2 wird folgender Abs. 4 angefügt:

”(4) Der Jugendwohlfahrtsträger hat Meldungen über den Verdacht der Vernachlässigung, Mißhand­lung oder des sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen, welche gemäß § 37 oder auf Grund berufs­rechtlicher Ermächtigungen oder Verpflichtungen an den Jugendwohlfahrtsträger erstattet werden, personenbezogen zu erfassen und unverzüglich zu überprüfen. Diese Daten sind nur zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu verarbeiten, zu benützen, zu übermitteln oder zu überlassen. Unrichtige Daten sind von Amts wegen zu löschen.”

2. § 6 Abs. 1 und 2 lautet:

”(1) Die öffentliche Jugendwohlfahrt ist von Fachkräften durchzuführen, die für den jeweiligen Tätigkeitsbereich ausgebildet und geeignet sind. Für die erforderliche Fortbildung und Supervision ist vorzusorgen.

(2) Die Heranziehung sonstiger geeigneter Kräfte ist zulässig, sofern Art und Umfang der Tätigkeit keine Fachausbildung erfordern.”

3. Im § 11 lautet Abs. 2:

”(2) Soziale Dienste, etwa niederschwellige Angebote (§ 12 Abs. 1 Z 6), sind Minderjährigen insbesondere dann anzubieten, wenn dies für die Förderung des Wohles des Kindes zweckmäßiger und erfolgversprechender erscheint als die Gewährung von Hilfen zur Erziehung (§§ 26 ff).”

Der bisherige Abs. 2 erhält die Bezeichnung Abs. 3.

4. § 12 Abs. 1 lautet:

”(1) Als soziale Dienste sollen besonders angeboten werden:

           1. Bildung für werdende Eltern, Eltern und Erziehungsberechtigte zur Stärkung der Fähigkeit zur Pflege und Erziehung sowie zur Vorbeugung von Entwicklungsstörungen und Erziehungs­schwierigkeiten sowie von physischer, psychischer und sexueller Gewalt, etwa Elternschulen,

           2. allgemeine und besondere Beratungsdienste für werdende Eltern, Eltern, Erziehungsberechtigte und Minderjährige, besonders zur Förderung der gewaltlosen Erziehung und zum Schutz Minderjähriger, etwa Mutter- bzw. Elternberatung, Erziehungs- und Familienberatung, Kinder­schutzzentren,

           3. vorbeugende und therapeutische Hilfen für Minderjährige und deren Familien,

           4. Hilfen für Eltern, Erziehungsberechtigte und Minderjährige, besonders durch Einrichtungen zur Früherkennung und Behandlung abweichenden Verhaltens Minderjähriger,

           5. Hilfen für die Betreuung Minderjähriger, etwa durch Mutter-Kind-Wohnungen und Tagesbe­treuung (§ 21a),

           6. Betreuung Minderjähriger durch niederschwellige Dienste, etwa Streetwork, betreute Notschlaf­stellen,

           7. Pflegeplätze in Familien, Heimen und sonstigen Einrichtungen, besonders Kinderdörfern und sozialpädagogischen Wohngemeinschaften.”


5. Im § 16 Abs. 2 entfällt der letzte Satz.

6. Der bisherige Inhalt des § 21 erhält die Bezeichnung Abs. 1. Danach wird folgender Abs. 2 angefügt:

”(2) Die Landesgesetzgebung kann vorsehen, daß auch Personen, die mit dem betreuten Kind bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind, oder Vormündern, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befindet, eine Entschädigung bis zur Höhe des Pflegegeldes gewährt werden kann.”

7. Nach § 21 wird folgender § 21a mit Überschrift eingefügt:

”Tagesbetreuung

§ 21a. (1) Tagesbetreuung ist die Übernahme eines Minderjährigen unter 16 Jahren von anderen als bis zum dritten Grad Verwandten oder Verschwägerten, Wahleltern, dem Vormund oder anderen mit Pflege und Erziehung betrauten Personen zur regelmäßigen und gewerbsmäßigen Betreuung für einen Teil des Tages, die nicht im Rahmen des Kindergarten-, Hort- und Schulbetriebes erfolgt. Die Betreuung kann sowohl als individuelle Betreuung im Haushalt einer geeigneten Person (Tagesmutter, -vater) als auch in Gruppen in geeigneten Räumlichkeiten erfolgen.

(2) Tagesmütter, -väter und Gruppen bedürfen einer Bewilligung. Die Voraussetzungen für Bewilligung und Widerruf sind durch die Landesgesetzgebung festzulegen.

(3) Dem Jugendwohlfahrtsträger obliegt die Aufsicht über die Tagesbetreuung gemäß Abs. 1.”

8. Im § 22 Abs. 1 entfällt die Wortfolge ”und ganzjährig betrieben werden”.

9. Im § 27 Z 2 entfällt die Wortfolge ”zur Durchsetzung”.

10. § 28 Abs. 1 lautet:

”(1) Volle Erziehung umfaßt die Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, bei Personen gemäß § 21 Abs. 2, in einem Heim, in einer sonstigen Einrichtung (§ 12 Abs. 1 Z 7) oder durch nicht ortsfeste Formen der Pädagogik, sofern der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wurde.”

11. Nach § 31 Abs. 3 wird folgender Abs. 4 angefügt:

”(4) Hilfen zur Erziehung können nach Erreichung der Volljährigkeit mit Zustimmung des Jugend­lichen längstens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres fortgesetzt werden, wenn dies zur Sicherung des Erfolges bisheriger Erziehungshilfen notwendig ist.”

12. Im § 35 lauten die Ziffern 1 und 2 des Abs. 3:

”(3) Verwaltungsstrafen sind besonders vorzusehen für

           1. die unbefugte oder entgeltliche Vermittlung von Pflegeplätzen und die Vermittlung zur unbefugten Tagesbetreuung,

           2. die Aufnahme eines Pflegekindes unter 16 Jahren oder die Tagesbetreuung eines Minderjährigen unter 16 Jahren ohne die erforderliche Bewilligung,”

13. Im § 37 lauten die Abs. 2 und 3:

”(2) Ergibt sich für in der Begutachtung, Betreuung und Behandlung Minderjähriger tätige Angehörige eines medizinischen Gesundheitsberufes sowie für in der Jugendwohlfahrt tätige oder beauftragte Personen, die auf Grund berufsrechtlicher Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, der Verdacht, daß Minderjährige mißhandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell mißbraucht worden sind, haben sie, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Kindeswohles erforderlich ist, dem Jugendwohlfahrtsträger Meldung zu erstatten.

(3) Soweit die Wahrnehmungen der in der Jugendwohlfahrt tätigen oder beauftragten Personen, die auf Grund berufsrechtlicher Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, drohende oder sonstige bereits eingetretene Gefährdungen des Kindeswohles betreffen, sind diese zur Mitteilung an den Jugendwohlfahrtsträger berechtigt, soweit die Wahrnehmungen Minderjährige betreffen und die Information der Abwendung oder Beseitigung der Gefährdung dient. Weitergehende Ausnahmen von bestehenden Verschwiegenheitspflichten bleiben unberührt.”

Der bisherige Abs. 2 erhält die Bezeichnung Abs. 4.

14. § 40 lautet:

”§ 40. Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 33) nicht zustande kommt, entscheidet über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruches, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohl­fahrtsträgers das Pflegschafts(Vormundschafts)gericht im Verfahren außer Streitsachen. § 183 AußStrG ist hiebei sinngemäß anzuwenden.”


Artikel II

§ 42 Abs. 1 lautet:

”Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1999 in Kraft.”

Anlage 2

Entschließung

Im Zusammenhang mit der Beschlußfassung über das Jugendwohlfahrtsgesetz werden die Bundes­ministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz und der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ersucht, mit den Vertretern der Bundesländer hinsichtlich einer Regelung in Verhandlungen einzutreten, daß die Bewilligungserteilung für Tageseltern an das Vorliegen entsprechender Grundqualifi­kationen geknüpft wird.