163 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales
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betreffend den Bericht der Bundesregierung betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (III-5 der Beilagen)
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation hat am 22. Juni 1993 das gegenständliche Übereinkommen bzw. die gegenständliche Empfehlung angenommen.
Nach Art. 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, BGBl. Nr. 223/1949, ist jedes Mitglied verpflichtet, die von der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Urkunden den zuständigen Stellen im Hinblick auf ihre Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder durch andere Maßnahmen vorzulegen.
Das gegenständliche Übereinkommen bezweckt die Verhütung von Störfällen, an denen gefährliche Stoffe beteiligt sind, und die Begrenzung der Folgen solcher Störfälle. Das Übereinkommen gilt für störfallgefährdete Anlagen mit Ausnahme der nuklearen Anlagen und der Betriebe, die radioaktive Stoffe aufarbeiten sowie mit Ausnahme militärischer Anlagen und des Transports außerhalb des Standortes an einer störfallgefährdeten Anlage.
Das Übereinkommen enthält Bestimmungen über die von den Ratifikanten festzulegende und zu überprüfende in sich geschlossene Politik zum Schutz der Arbeitnehmer, der Bevölkerung und der Umwelt vor dem Risiko von Störfällen, über die Einrichtung eines Systems zur Ermittlung von störfallgefährdeten Anlagen auf der Grundlage eines Verzeichnisses von gefährlichen Stoffen sowie den Schutz der nach dem Übereinkommen vorgesehenen vertraulichen Informationen.
Das Übereinkommen enthält Bestimmungen betreffend die Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber bezüglich Ermittlung und Meldung störfallgefährdeter Anlagen an die zuständige Stelle sowie Errichtung eines anlagebezogenen Systems zur Abwehr von Störfallgefahren.
Weiters regelt das Übereinkommen die Verantwortlichkeiten der zuständigen Stellen in bezug auf Notfallvorsorge außerhalb des Standorts der Anlage, die Wahl des Standorts von störfallgefährdeten Anlagen und die Inspektion solcher Anlagen einschließlich des Rechts zur vorübergehenden Einstellung jedes Arbeitsganges bei unmittelbarer Gefahr eines Störfalles.
Ferner enthält das Übereinkommen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter. Insbesondere müssen diese in geeigneter Weise über die Gefahren und deren voraussichtliche Folgen unterrichtet werden und bei der Ausarbeitung der Sicherheitsanalyse, der Notfallpläne und -verfahren sowie der Störfallberichte angehört werden und Zugang zu diesen Unterlagen haben. Die Arbeitnehmer sollen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches und ohne irgendeinen Nachteil zu erleiden Gegenmaßnahmen treffen können und erforderlichenfalls die Arbeit unterbrechen, wenn sie auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung hinreichenden Grund zu der Annahme haben, daß die unmittelbare Gefahr eines Störfalls besteht, und je nach den Umständen ihren Vorgesetzten benachrichtigen oder Alarm auslösen, bevor sie eine solche Maßnahme treffen oder sobald wie möglich danach. Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sollen nicht nur das Recht haben, mit dem Arbeitgeber alle potentiellen Gefahren zu erörtern, die ihrer Ansicht nach einen Störfall hervorrufen können, sondern auch das Recht haben, die zuständige Stelle über diese Gefahren zu unterrichten.
Auf Grund des Übereinkommens hat ein exportierender Mitgliedstaat Informationen über das in seinem Land bestehende Verbot der Verwendung von gefährlichen Stoffen, Technologien oder Verfahren als potentielle Störfallquelle jedem importierenden Land zugänglich zu machen.
Die gegenständliche Empfehlung enthält ua. Vorschläge in bezug auf internationalen Informationsaustausch durch die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), Heranziehung der IAO-Richtliniensammlung über die Verhütung von industriellen Störfällen, Förderung von Systemen zur Entschädigung von Arbeitnehmern nach einem Störfall, Sicherheitsmaßnahmen zur Verhütung von Störanfällen durch ein nationales oder multinationales Unternehmen in all seinen Betrieben, ungeachtet des Ortes oder des Landes, in dem diese liegen.
Zur Frage der Ratifikation wird im gegenständlichen Bericht der Bundesregierung bemerkt, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten für eine Ratifikation des Übereinkommens eintritt, da aus der Sicht des Gewerberechts dessen Bestimmungen voll erfüllt sind. Das Bundeskanzleramt sowie die Bundesministerien für Umwelt, für Land- und Forstwirtschaft, für Finanzen, für öffentliche Wirtschaft und Verkehr und für Inneres haben keine Bedenken gegen eine Ratifikation geäußert. Das Bundesministerium für Inneres hat aber gleichzeitig festgehalten, daß die derzeitige innerstaatliche Rechtslage dem Übereinkommen nicht in allen Punkten entspricht und einer Mitwirkungsverpflichtung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Vollziehung des Übereinkommens über den Rahmen der Ersten Allgemeinen Hilfeleistungspflicht hinaus nicht zugestimmt wird.
Von den Interessentenvertretungen der Arbeitgeber befürwortete die Wirtschaftskammer eine Ratifikation, während die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer insbesondere darauf verwiesen, daß in Österreich derzeit das in Art. 5 geforderte System zur Übermittlung von störfallgefährdeten Anlagen nicht existiert, die in Art. 17 des Übereinkommens geforderte umfassende Standortpolitik gesetzlich nicht vorgesehen ist. Weiters wurde von den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer darauf hingewiesen, daß die derzeitige personelle Besetzung der Arbeitsinspektorate und der Bezirksverwaltungsbehörden nicht ausreicht, um die im Übereinkommen vorgesehenen Angelegenheiten überprüfen zu können.
In den eingelangten Äußerungen der Ämter der Landesregierungen wurden zum überwiegenden Teil keine Einwände gegen die Ratifikation vorgebracht. Seitens des Amtes der Burgenländischen Landesregierung wurden hinsichtlich des Art. 6 und des Art. 20 Bedenken geäußert, weil keine entsprechenden Vorkehrungen gesetzlichen Regelungen bestehen. Seitens des Amtes der Vorarlberger Landesregierung wurde darauf hingewiesen, daß es in Österreich derzeit keine Sachverständigen gibt, die in der Lage sind, Gutachten über Sicherheitsanalysen und Maßnahmenpläne abzugeben.
Abschließend wird zur Frage der Ratifikation im gegenständlichen Bericht darauf hingewiesen, daß derzeit eine Ratifikation des Übereinkommens nicht in Betracht kommt, da einige seiner Bestimmungen nicht gänzlich erfüllt sind.
Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 29. Mai 1996 in Verhandlung genommen. Berichterstatter im Ausschuß war der Abgeordnete Mag. Dr. Josef Trinkl. Nach einer Debatte, an der sich die Abgeordneten Karl Öllinger, Dr. Volker Kier, Mag. Herbert Haupt und Dr. Gottfried Feurstein sowie der Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums beteiligten, wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen.
Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht betreffend das auf der 80. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommene Übereinkommen (Nr. 174) über die Verhütung von industriellen Störfällen und Empfehlung (Nr. 181) betreffend denselben Gegenstand (III-5 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.
Wien, 1996 05 29
Mag. Dr. Josef Trinkl Annemarie Reitsamer
Berichterstatter Obfrau