1659 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über den Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Sozial- und Beschäftigungspolitik auf EU-Ebene [395/A(E)]


Die Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. Februar 1997 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Nach Ansicht der Grünen kann die Europäische Union ohne ein koordiniertes Vorgehen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung keine Zustimmung der Bürger und Bürgerinnen Europas finden bzw. droht der Europäische Integrationsprozeß zu scheitern. Im Gegensatz zur Währungsunion und zur weitgehenden Integration im wirtschaftlichen Bereich ist eine europäische Sozialunion jedoch kein Anliegen der EU. Zum auf dem Dubliner EU-Gipfel im Dezember abgeschlossenen Stabilitätspakt zur Währungsunion, der Sanktionen für jene Mitgliedstaaten vorsieht, die die Vorgaben der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik, beispielsweise eine strenge Budgetdisziplin, nicht einhalten, gibt es auf sozialpolitischer Ebene kein Gegenstück.

Der von der Europäischen Kommission im Juni vorgelegte Entwurf für einen ,Vertrauenspakt‘ für Beschäftigung stellt nach Ansicht der Grünen zwar einen ersten Schritt zur Etablierung einer gemeinschaftlichen Beschäftigungspolitik dar, der schon viel früher hätte getan werden sollen. Die Grünen halten es jedoch für unzureichend, einen Vertrauenspakt für Beschäftigung zu schließen, der – wie dem vorliegenden Entwurf zu entnehmen ist – weder neue Kompetenzen für die Union schaffen soll, noch die Gemeinschaftsausgaben erhöht, noch neue Kriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion einführen soll. Angesichts von rund 20 Millionen Arbeitslosen und 50 Millionen an der Armutsgrenze lebenden Menschen in der EU geht es um mehr: die Reform der Währungsunion, die Arbeitslosigkeit und Sozialabbau in allen EU-Ländern verursacht bzw. verstärkt, sowie die Etablierung einer Sozial- und Beschäftigungsunion.

Sozialpolitik soll nach Ansicht der EU-Staats- und Regierungschefs jedoch subsidiär von den Nationalstaaten betrieben werden. Sozialpolitische Fortschritte auf EU-Ebene werden infolge des Einstimmigkeitserfordernisses in sozialen Fragen erschwert. Das Sozialprotokoll des Maastrichter Vertrages hat sich als keine Hilfe erwiesen, sogar ein opting-out ist möglich. Das Problem von nahezu 20 Millionen Arbeitslosen und 50 Millionen an oder unter der Armutsgrenze lebenden Menschen in der EU gerät zunehmend aus dem Blickfeld der Politik. Verbale Bekenntnisse zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sollen über den mangelnden Willen zu einer gemeinsamen Sozialpolitik und Hebung der sozialpolitischen Standards hinwegtäuschen.

Vor dem EU-Beitritt Österreichs hat die Bundesregierung versprochen, sich auf Ebene der Europäischen Union für eine aktive Sozial- und Beschäftigungspolitik einzusetzen. Sowohl der damalige Bundeskanzler Vranitzky als auch Vizekanzler Schüssel forderten die umgehende Bildung einer Europäischen Sozial- und Beschäftigungsunion, nicht zuletzt als notwendige Ergänzung zur Währungsunion. Im ,Vranitzky-Report zur WWU‘ wird die Sorge über einen drohenden Sozialabbau innerhalb der EU als Folge der Wirtschafts- und Währungsunion ausgedrückt. Auch in seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Viktor Klima wiederholt auf die Notwendigkeit der stärkeren Verankerung der Beschäftigungspolitik in der Gemeinschaftspolitik hingewiesen. Nach Ansicht Vizekanzler Schüssels mache die Budget­konsolidierung offensive Beschäftigungsmaßnahmen zur Zeit zwar schwieriger, angesichts der dramatischen Lage am europäischen Arbeitsmarkt wäre es aber sicherlich falsch, mit beschäftigungs­politischen Maßnahmen bis zum Inkrafttreten der Währungsunion zu warten.

Die Österreichischen Grundsatzpositionen für die EU-Regierungskonferenz enthalten ua. Forderungen nach verstärkter Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Das Arbeitspapier der österreichischen Delegation zur Beschäftigungspolitik enthält ebenfalls die Forderung nach Erweiterung des VEU um sozial- und beschäftigungspolitische Grundsätze, Ziele und Kompetenzen. Vorgesehen ist die Aufnahme eines Kapitels ,Beschäftigung‘ in den EU-Vertrag, das ua. das Ziel der Vollbeschäftigung und einer koordinierten Beschäftigungspolitik der Union enthält. Ebenso sind eine institutionelle Verschränkung der Räte ,Arbeit und Sozialfragen‘ und ,Wirtschafts- und Finanzfragen‘ sowie ein Sanktionssystem in Anlehnung an Art. 104c EGV im Fall der Nichteinhaltung bestimmter Vorgaben im Rahmen der Beschäftigungspolitik vorgesehen.


Nach Ansicht der Grünen stellt das vorliegende Arbeitspapier der österreichischen Delegation zur Beschäftigungspolitik einen ersten Schritt in Richtung Etablierung einer gemeinschaftlichen Sozial- und Beschäftigungspolitik dar. Die Grünen nehmen die Revision der Verträge über die Europäische Union im Rahmen der EU-Regierungskonferenz daher zum Anlaß, die Bundesregierung entsprechend ihrer Verantwortung und ihrer Versprechen hinsichtlich einer aktiven Mitbestimmung innerhalb der EU in Richtung einer sozialen Entwicklung aufzufordern, konkrete Forderungen zu formulieren.”

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den Antrag 395/A(E) in seiner Sitzung am 11. März 1999 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuß war der Abgeordnete Karl Öllinger.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein und Sigisbert Dolinschek.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 03 11

                                   Sophie Bauer                                                              Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau