1767 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 27. 5. 1999

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 23/1999, wird wie folgt geändert:

1. § 39c lautet:

§ 39c. (1) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann gemeinnützige Einrichtungen, die das Angebot

           1. qualitativer Elternbildung,

           2. von Mediation oder Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen

gewährleisten, auf Ansuchen fördern.

(2) Elternbildung, Mediation sowie Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungs­situationen sind unter Beachtung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse durch geeignetes Fachpersonal durchzuführen. Erforderlichenfalls kann der Bund zur entsprechenden Aus- und Weiterbil­dung des Fachpersonals beitragen. Zur Sicherung der kontinuierlichen Inanspruchnahme von Eltern­bildungsangeboten kann der Bund notwendige Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung durchführen.

(3) Bei allen Projekten zur Förderung der Elternbildung sowie der Kinderbegleitung ist eine Mitfinanzierung durch die Länder anzustreben.

(4) Auf die Gewährung von Förderungen besteht kein Rechtsanspruch. Förderungen und Aufwen­dungen nach Abs. 1 bis Abs. 3 sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu tragen.

(5) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat Richtlinien zur Förderung der Elternbildung zu erlassen, in denen das Nähere bestimmt wird. Die Richtlinien sind im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu veröffentlichen.”

2. § 40 Abs. 9 lautet:

“(9) Die flüssigen Mittel des Reservefonds für Familienbeihilfen sind von der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur nach dem Bundesgesetz vom 4. Dezember 1992, BGBl. Nr. 763/1992, auf ein Sonderkonto des Bundes unter der Bezeichnung “Reservefonds für Familienbeihilfen” im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie bestmöglich so anzulegen, dass darüber bei Bedarf verfügt werden kann.”

3. § 50m lautet:

§ 50m. Die §§ 39c und 40 Abs. 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/1999 treten mit 1. Jänner 2000 in Kraft.”

Vorblatt

Probleme:

1.  Unzureichende Förderung der Elternbildung sowie der Mediation und Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen.

2.  Es ist nicht gewährleistet, dass die Veranlagung der Mittel des Reservefonds für Familienbeihilfen bei der Österreichischen Postsparkasse bestmöglich erfolgt.

Lösung:

1.  Aufnahme der Förderung der Elternbildung sowie der Mediation und Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen in das FLAG 1967.

2.  Die Veranlagung der Mittel des Reservefonds für Familienbeihilfen soll durch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur bestmöglich erfolgen.

Alternativen:

Keine.

Kosten:

1.  Jährlich zirka 30 Millionen Schilling.

2.  Keine; allfällige Zinsengewinne können noch nicht prognostiziert werden.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Besonderheiten im Normerzeugungsverfahren:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Initiative für neue Berufsbilder.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil


Aus den Ergebnissen der Eltern-Kind-Forschung ist bekannt, dass Elternbildung eines der wichtigsten Instrumente zur Stärkung der elterlichen Kompetenz und der familiären Erziehungsfähigkeiten ist und somit die Basis der Primärprävention gegen verschiedenste Schwierigkeiten in der alltäglichen Eltern-Kind-Beziehung darstellt. Elternbildung bietet Information, Entlastung, Hilfe und Unterstützung und fördert dadurch die gewaltfreie Erziehung.

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie fördert seit dem Jahr 1995 jährlich gemeinnützige Einrichtungen, die Elternbildungsveranstaltungen durchführen. Durch diese Förderung des Bundes konnten in einzelnen Bundesländern die Angebote wesentlich ausgebaut, aber auch Schwerpunkt­modelle für Eltern in besonderen Situationen, wie beispielsweise für Eltern behinderter Kinder, Eltern in Scheidung oder Suchtpräventionsmodelle, durchgeführt werden.

Auch in dem durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, den Bundesminister für Inneres und den Bundesminister für Justiz gemeinsam im Jahr 1997 eingebrachten Vortrag an den Ministerrat wird die Verstärkung der Förderung im Bereich der “Elternbildung”, zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, zur Prävention von Beziehungs­schwierigkeiten und Entwicklungsstörungen, besonders aber als primäre Maßnahme gegen jede Form der Gewalt an Kindern, gefordert.

Am 16. und 17. April 1998 hat eine Studientagung zum Thema “Elternbildung – Anspruch – Grenzen – Verwirklichung” stattgefunden. Hiebei hat sich gezeigt, dass die fachliche Information, die soziale Interaktion und Kommunikation, der Erfahrungsaustausch unter den Eltern und die Erarbeitung konkreter Umsetzungsmöglichkeiten wichtige Voraussetzungen für langfristig wirkungsvolle Elternbildung sind. Auf Grund dieses Anspruches ist es notwendig, das Angebot der Elternbildungskurse zu vergrößern, aber auch durch eine gezielte und gelungene Öffentlichkeitsarbeit die Kontinuität der Inanspruchnahme von Elternbildungsangeboten zu sichern. Damit eng verbunden ist auch ein stark steigender Bedarf an nach den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen inhaltlich und methodisch-didaktisch umfassend aus- und fortgebildeten qualifizierten ElternbildnerInnen.

Bereits mit Entschließung des Nationalrates, E-156-NR/XVIII. GP, vom 14. Juli 1994 wurde die in verschiedensten Formen gegen Kinder ausgeübte Gewalt als großes gesellschaftliches Problem angesprochen und die Einrichtung von “Elternschulen”, die Methoden und Modelle zur gewaltfreien Erziehung vermitteln, angeregt, darüber hinaus wurde die Bundesregierung – im Interesse der Kinder und Jugendlichen – aufgefordert, auf Grund der Ergebnisse des Modellversuches “Partner- und Familien­beratung bei Gericht, Mediation und Kinderbegleitung bei Trennung oder Scheidung der Eltern” Vorschläge für legistische und organisatorische Maßnahmen zu einer verstärkten eigenverantwortlichen Lösung von Paarkonflikten und zu einer dem Wohl des Kindes gerecht werdenden Form der Aufrechterhaltung ihrer elterlichen Verantwortung auszuarbeiten.

Diese Erwägungen finden sich auch im Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, in dem die Förderung “entsprechender Angebote” zur vorbereitenden und begleitenden Elternbildung, zur Erleichte­rung der schwierigen Erziehungsaufgabe für Frauen und Männer, insbesondere im Sinne einer konkreten Hilfestellung und der Vermeidung von Konfliktsituationen von geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern, vereinbart worden ist.

Die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie durchgeführte wissenschaft­liche Begleitforschung [Neue Wege der Konfliktregelung: “Familienberatung bei Gericht – Mediation – Kinderbegleitung bei Trennung der Eltern” (Wien 1997)] brachte folgende Ergebnisse zutage:

–   in mehr als der Hälfte der Fälle von Mediation wurde eine gemeinsame Vereinbarung der Klien­ten/Klientinnen erreicht;

–   bei “nur” 18% der scheidungsbetroffenen Kinder waren keine psychischen Auffälligkeiten, bei 38% geringe psychische Auffälligkeiten, und bei 37% mittelgradige und bei 7% hochgradige psychische Auffälligkeiten feststellbar.

Den aktuellen Reformbestrebungen zum Ehe- und Scheidungsrecht (EheSchRÄG), wodurch erstmals das Konfliktregelungsmodell Mediation gesetzlich anerkannt werden soll, dienten diese Forschungsergebnisse als Sachentscheidungsgrundlagen. Mediation soll scheidungswilligen Parteien vom Gericht – unter gänzlicher Achtung des Prinzips der Freiwilligkeit – empfohlen werden können, wobei sich die Anwendung der Mediation nicht nur auf Scheidungsverfahren im engeren Sinn beschränken, sondern auch für Besuchsrechts- und Obsorgefälle vorgesehen werden soll.

Die Anwendung mediatorischer Instrumente in familienrechtlichen Konfliktsituationen erfolgt in völliger Akkordanz mit internationalen Tendenzen:

–   durch die Europaratsempfehlung R (98) 1 zur Familienmediation werden die Vertragsstaaten auf­gefordert, Mediation oder andere außergerichtliche Konfliktlösungsmethoden anzubieten, um Streitig­keiten zu verhindern oder aufzulösen oder um Kinder betreffende Rechtsstreitigkeiten vor Gericht möglichst zu vermeiden;

–   die Europäische Konvention über die Ausübung der Rechte des Kindes sieht eine Besserstellung der verfahrensrechtlichen Stellung von Kindern (bis zum 18. Lebensjahr) durch die Entwicklung von Konfliktbereinigungsverfahren, wie etwa Mediation, vor, um die Involvierung von Kindern und Jugendlichen in strenge gerichtliche Verfahren zu vermeiden.

Durch die Änderung des FLAG soll den politischen Forderungen entsprochen und zum einen der aus den praktischen Erfahrungen der bisher modellhaften Förderung nachgewiesenen Bedürfnislage von Familien im Bereich der Steigerung der Erziehungskompetenz, vor allem aber zur Förderung der gewaltfreien Erziehung, nachgekommen werden. Zum anderen soll nach erfolgreichem Abschluss des Modellprojekts “Familienberatung bei Gericht – Mediation – Kinderbegleitung bei Scheidung oder Trennung der Eltern” durch eine den erzielten Erfahrungen entsprechende, zielführende weitere Vorgangsweise einerseits das Angebot an Mediation vor allem im Hinblick auf die Scheidungs- und Kindschaftsrechtsreform (insbesondere durch den Aufbau einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Infrastruktur und der Unterstützung von Personen, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, nach sozialen Kriterien) und andererseits die Eltern- und Kinderbegleitung in Trennungs- oder Scheidungssituationen schrittweise etabliert werden.

Mit der durch diese Gesetzesinitiative vorgesehenen Möglichkeit der Förderung von Mediation sowie Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen sollen jene organisatorischen Bedingungen geschaffen werden, die gewährleisten, dass vor allem im Interesse von scheidungsbe­troffenen Kindern ein qualitativ hochwertiges, an fachlichen Standards orientiertes Angebot an Mediation sowie Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen durch entsprechende Förderungsmöglichkeiten bereitgestellt werden kann.

Die Zuständigkeit des Bundes für die Erlassung des vorliegenden Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 17 B-VG.

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 39c):

Elternbildung wird von verschiedenen Institutionen, überwiegend aber durch gemeinnützige Einrich­tungen angeboten. Diese sollen daher auf Antrag, nach vorgängiger Prüfung Förderungsmittel erhalten können.

Mediation und Eltern/Kinderbegleitung in Trennungs- oder Scheidungssituationen werden durch verschiedene, gemeinnützige Einrichtungen angeboten. Solche Einrichtungen sollen nach vorgängiger Prüfung hinsichtlich der bereits entwickelten und der sich weiter fortentwickelnden Anforderungen insbesondere in qualitativer Hinsicht und insbesondere nach dem Kriterium unterstützt werden, dass jenen Personen, denen die Inanspruchnahme dieser Angebote aus wirtschaftlichen Gründen nicht oder nur schwer möglich ist, der Zugang zu diesen ermöglicht wird. Die Leistung der Mediation soll darin bestehen, die Konfliktlösungskompetenz und insbesondere die elterliche Verantwortung von Betroffenen soweit zu stärken, dass diese selbst in die Lage versetzt werden, (eigen)verantwortliche Entscheidungen zur Neugestaltung ihrer Lebensrealität im Zusammenhang mit einer Scheidung zu treffen. Die Leistung der Eltern/Kinderbegleitung in Trennungs- oder Scheidungssituationen soll darin bestehen, den von einer Trennung oder Scheidung betroffenen Kindern die notwendige psychologische Hilfestellung zu bieten und sie bei der Bewältigung ihrer Probleme infolge einer Scheidung oder Trennung der Eltern zu stärken und zu stützen.

Da die elterliche Kompetenz sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen zusammensetzt, die von frühester Kindheit an auf unterschiedliche Art erworben und ausgebildet werden, muss auch Elternbildung auf unterschiedlichen Ebenen und mit verschiedenen Mitteln ansetzen. Dafür braucht es umfassender Fähigkeiten der ElternbildnerInnen, die in qualifizierter Ausbildung erworben werden müssen. Zur erfolgreichen Elternbildung gehört auch die Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu fachspezifischen Themen und im methodisch-didaktischen Bereich, aber auch eine qualifizierte Praxisbegleitung (beispielsweise Supervision). Diese Aufgaben kommen primär den Trägern von Elternbildungsangeboten zu. Erforderlichenfalls soll jedoch auch das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zur Aus- bzw. begleitenden Fort-/Weiterbildung der ElternbildnerInnen beitragen können.


Die bisherigen Elternbildungsangebote erreichen nur einen Teil der Eltern, vor allem werdende und junge Mütter. Durch eine effektive Informationskampagne sollen bestehende Schwellenängste abgebaut, das Image der Elternbildung gehoben und eine Verankerung im Bewusstsein der Öffentlichkeit erreicht werden. Besonders aber sind Väter zur Teilnahme an Elternbildungsangeboten zu motivieren.

Zu Z 2 (§ 40 Abs. 9):

Nach der derzeitigen Regelung sind die flüssigen Mittel des Reservefonds für Familienbeihilfen auf Konten bei der Österreichischen Postsparkasse zu halten. Da ab dem Jahr 2000 damit zu rechnen ist, dass der Reservefonds für Familienbeihilfen wieder über flüssige Mittel verfügt, sollte deren bestmögliche Veranlagung angestrebt werden. Dies ist durch die Befassung der Österreichischen Bundesfinanzierungs­agentur garantiert und trägt im Hinblick auf deren gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich den Grundsätzen des Bundeshaushaltsgesetzes vollinhaltlich Rechnung.