1772 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Verfassungsausschusses


über die Regierungsvorlage (1757 der Beilagen): Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften

Durch den Vertrag von Amsterdam wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, den Gerichts­hof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Vorabentscheidungen im Rahmen der Dritten Säule zuständig zu machen. Diese Vorabentscheidungsbefugnis kommt dem EuGH aber nur hinsichtlich jener Mitgliedstaaten zu, die diese Zuständigkeit durch Abgabe einer Erklärung gemäß Art. 35 Abs. 2 EUV anerkannt haben.

Österreich hat sich – neben mehreren anderen Mitgliedstaaten – über diese Erklärung hinaus vorbehalten, im innerstaatlichen Recht eine Vorlagepflicht der letztinstanzlich entscheidenden Gerichte vorzusehen. Mit dem gegenständlichen Gesetzentwurf soll eine bundesweit einheitliche Grundlage für die Verpflich­tung der letztinstanzlichen Gerichte im Sinne des Art. 177 EGV (Art. 234 EGVn) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH geschaffen werden.

Der Verfassungsausschuß hat die erwähnte Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 4. Mai 1999 in Verhandlung genommen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

“Zum Titel:

Durch die Änderung des Titels soll verdeutlicht werden, daß sich das vorliegende Gesetz nur auf Vorlagebeschlüsse in den Bereichen bezieht, die nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam in der ,Dritten Säule‘ verblieben sind.

Zu § 1 Abs. 1:

Durch die vorgenommene Änderung soll unmißverständlich zum Ausdruck kommen, daß entsprechend der Judikatur des EuGH in Österreich sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden als letztinstanzliche Gerichte im Sinne des Art. 234 Abs. 3 EGVn (,… dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können …‘) in Frage kommen.”

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 05 04

                             Dr. Elisabeth Hlavac                                                           Dr. Peter Kostelka

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

Anlage

Bundesgesetz über die Einholung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. (1) Behörden, die letztinstanzliche Gerichte im Sinne des Art. 234 Abs. 3 des EG-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Amsterdam sind, haben eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen einzuholen, wenn anläßlich des Abschlusses eines Vertrages im Rahmen der Europäischen Integration durch Abgabe einer Erklärung das Recht vorbehalten wurde, innerstaatlich eine Verpflichtung zur Einholung einer solchen Vorabentscheidung vorzusehen.

(2) Der Bundeskanzler hat die jeweils aktuelle Liste der Verträge im Sinne des Absatzes 1 im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

§ 2. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich die Bundesregierung und der Bundesminister für Justiz, im übrigen der Bundeskanzler betraut.