1802 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Unterrichtsausschusses
über den Antrag 689/A(E) der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Integration von Schulversuchen in das Regelschulwesen
Die Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. Februar 1998 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
“Das Verständnis von Schulversuchen und ihre Funktion im Rahmen des österreichischen Schulsystems hat sich im Laufe der Jahre weitreichend verändert. Während das Schulorganisationsgesetz ihren Sinn in der ,Erprobung besonderer pädagogischer oder schulorganisatorischer Maßnahmen‘ (§ 7) sieht, haben sie in der schulpolitischen Realität den ursprünglichen Charakter eines pädagogischen Experimentes vielfach verloren. Schulversuche dienen vielmehr als Instrument zur Umsetzung pädagogischer Ideen und Modelle an einzelnen Schulstandorten. Der Politologe Anton Pelinka spricht im Zusammenhang mit Schulversuchen von der ,Suche nach einer Schulpolitik, die die Hürden der Zweidrittelregelung gleichsam unterläuft‘. Ohne direkte Veränderung der Schulgesetze soll auf diese Weise eine ,niederschwellige‘ Reformpolitik ermöglicht werden – unterhalb der Reizschwelle der Schulgesetze selbst, aber dennoch mit relevanten Folgen.
Damit dienen Schulversuche aber immer weniger als Motor für die Reform der Schulgesetzgebung, sondern mehr und mehr als Ersatz für eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen des Schulwesens. Allerdings ist diese Form der ersatzweisen Modernisierung der Schulrealität mit einem gravierenden Nachteil behaftet. Da die wesentliche Instanz zur Genehmigung von Schulversuchen bei den Landesschulräten bzw. beim Wiener Stadtschulrat liegt, führt die gegenwärtige Situation zu einer faktischen Föderalisierung der Schulpolitik. Die Übernahme von bestimmten pädagogischen oder schulorganisatorischen Modellen mittels Schulversuch ist vom Einverständnis des jeweiligen Landesschulrates abhängig – auch wenn der entsprechende Schulversuch in anderen Ländern längst zur Zufriedenheit der Beteiligten durchgeführt wird. Diese Form der schulpolitischen Föderalisierung bedeutet, daß die auf der jeweiligen Landesebene dominierende Partei die Möglichkeit erhält, Schule verstärkt nach ihren jeweiligen iedologisch geprägten Vorstellungen zu gestalten, anstatt den Wünschen der Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen nach den jeweils besten Modellen Rechnung zu tragen.
Eine Verbesserung der Situation ließe sich durch eine Systematisierung im Umgang mit Schulversuchen erreichen: Ein obligatorisches Evaluierungsverfahren innerhalb eines definierten Zeitraumes muß die Qualität und Sinnhaftigkeit eines Schulversuches auf wissenschaftlicher Basis klären. Wenn dieses Verfahren zu einer positiven Bewertung führt, erhält dieser Schulversuch den Status einer neuen Schulvariante. Das bedeutet, daß das entsprechende pädagogische oder organisatorische Modell bei gesicherter Finanzierung von jeder Schule, für die es geeignet ist, übernommen werden kann. Voraussetzung ist lediglich die Zustimmung des Schulgemeinschaftsausschusses bzw. des Schulforums, nicht aber die politische Genehmigung durch den Landesschulrat bzw. Wiener Stadtschulrat.”
Der Unterrichtsausschuß hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 6. Mai 1999 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuß war Abgeordnete Maria Schaffenrath.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Karl Öllinger, Dr. Gertrude Brinek, Maria Schaffenrath, Mag. Dr. Udo Grollitsch, DDr. Erwin Niederwieser sowie die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 1999 05 06
Brunhilde Fuchs Mag. Dr. Josef Höchtl
Berichterstatterin Obmann