1803 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Unterrichtsausschusses
über den Antrag 438/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach
Die Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 16. April 1997 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
“Die derzeitige Privilegierung des konfessionellen Religionsunterrichts als Pflichtfach auf allen Schulstufen widerspricht dem liberalen Prinzip einer klaren Trennung von Kirchen und Staat. Gleichzeitig wird durch die Monopolisierung des Religionsunterrichtes und dessen abnehmende Attraktivität bei einem zunehmend größer werdenden Teil der SchülerInnen ein wesentlicher Bildungsauftrag – nämlich zu einer wertorientierten Erziehung beizutragen – gänzlich vernachlässigt. Wer mit den konfessionellen Glaubenshaltungen nicht einverstanden ist und sich daher abmeldet, findet kein Ersatzangebot vor. Aber gerade in einer Zeit, die geprägt ist von großer gesellschaftlicher Dynamik, von einer Fülle unterschiedlicher Lebensentwürfe, von zunehmender individueller Freiheit und der daraus folgenden Notwendigkeit, zu richtigen Entscheidungen zu gelangen – in einer solchen Zeit brauchen Jugendliche mehr denn je Hilfestellung zur ethischen Wertorientierung.
Ein ,Ethikunterricht‘ hätte darin seine wesentliche Aufgabe. Nicht durch das Präsentieren vorgefertigter Antworten – von welcher Konfession sie auch immer stammen mögen – kann jungen Menschen die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Orientierung mitgegeben werden. Hilfestellung zur ethischen Wertorientierung kann nicht ,verordnet‘ werden. Vielmehr geht es darum, Jugendliche mit unterschiedlichen Lebensordnungen, Kulturen, Wertemodellen zu konfrontieren, darüber zu diskutieren, verschiedene Sichtweisen argumentativ zu erarbeiten und dabei auch Kriterien moralischer Argumentation anwenden zu lernen. Zu moralischen Schlüsselfragen unserer Zeit, wie: Umgang mit Minderheiten, ethische Fragen der modernen Medizin, Gentechnik, usw. sollten keine vorgefertigten katholischen, evangelischen, islamischen (oder durch andere Konfessionen geprägte) Antworten gegeben, sondern vielmehr unterschiedliche Standpunkte erörtert werden. Allerdings sollte in einem solchen Fach auch über die verschiedenen Religionen informiert, ihre wesentlichen Prinzipien und Wertvorstellungen diskutiert werden. Darüber hinaus wären Themen der Lebensgestaltung sowie die Verantwortung für sich, den Nächsten und die Umwelt Gegenstand eines derartigen Unterrichtsfaches.
Ein so verstandener Ethikunterricht könnte viel dazu beitragen, Toleranz und Verständnis für das Anderssein und gleichzeitig ein gefestigtes und doch entwicklungsfähiges Wertegerüst bei jungen Menschen aufbauen zu helfen.
Insgesamt sollte die Diskussion über die Alternative Ethikunterricht – Religionsunterricht nicht aus der Perspektive einer gegenseitigen Verdrängung geführt werden, sondern aus dem gemeinsamen Problembewußsein für die Notwendigkeit, Fragen der Ethik, der Lebensgestaltung und der Religion im Rahmen des schulischen Bildungsauftrages so zu behandeln, daß sie nicht als notwendiger Lernstoff vergessen, sondern als spannende Erfahrung zur Entwicklung und Reifung der jungen Menschen beitragen können.”
Der Unterrichtsausschuß hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 6. Mai 1999 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuß war Abgeordnete Maria Schaffenrath.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek sowie die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 1999 05 06
Brunhilde Fuchs Mag. Dr. Josef Höchtl
Berichterstatterin Obmann