1901 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

SAMMELBERICHT

des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen

 

über die Petitionen Nr. 32 bis 37, Nr. 39 bis 47, Nr. 49 und Nr. 51 bis 55 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14, 15 und 21

Inhaltsverzeichnis

 I... Der Berichtspflicht unterliegende Petitionen und Bürgerinitiativen

..... Abstandnahme von der weiteren Verhandlung im Sinne des § 100b Abs. 1

..... GOG.................................................................................................................................          Seiten  3 bis 26

II... Sonstiges

       1. Petitionen...................................................................................................................         Seiten 26 bis 65

       2. Bürgerinitiativen.......................................................................................................         Seiten 65 bis 70

VERZEICHNIS

der im Bericht enthaltenen Petitionen und Bürgerinitiativen

Petition Nr. 32

überreicht von den Abgeordneten Karlheinz Kopf und Dr. Gottfried Feurstein betreffend “Berggesetz”  ................................................................................................................................................ Seiten  3 bis  5

Petition Nr. 33

überreicht von den Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Mag. Johann Ewald Stadler betreffend den “Sofortigen Stopp der Rechtschreibreform”................................................................................................................................................           Seiten  5 bis  7

Petition Nr. 34

überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier betreffend “die Regierungs­vorlage für ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (938 der Beilagen)”                                    Seiten  7 bis 14

Petition Nr. 35

überreicht von den Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Dr. Harald Ofner betreffend “Schutz der Pensionen” ................................................................................................................................................ Seiten 15 bis 18

Petition Nr. 36

überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend “Abschaffung aller Tierversuche”   ................................................................................................................................................ Seiten 18 bis 21

Petition Nr. 37

überreicht vom Klubobmann Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Andreas Khol und sämtlichen Abgeordneten zum Nationalrat des Parlamentsklubs der Öster­reichischen Volkspartei “Gegen eine essentielle Verschlechterung und Verbüro­kratisierung des Vereinslebens”.........................................................................        Seiten 62 bis 64

Petition Nr. 39

überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen “Für einen konsequenten Vollzug des strengen österreichischen Waffengesetzes”...................................................................................        Seiten 22 bis 23

Petition Nr. 40

überreicht von den Abgeordneten Josef Edler, Otmar Brix, Kurt Eder, Anton Gaál, Dr. Kurt Heindl, Dr. Johannes Jarolim, Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Dr. Robert Rada betreffend “Die Wiener Nordostumfahrung muß rasch gebaut werden”....................................................................................................................        Seite 28

Petition Nr. 41

überreicht vom Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl (Österreichische Vereinigung Freier Bildungsstätten auf Anthroposophischer Grundlage, Wien) betreffend “Zukunft der Waldorfschulen in Österreich”               Seiten 56 bis 59

Petition Nr. 42

überreicht von den Abgeordneten Sophie Bauer, Josef Edler, Heinz Gradwohl, Franz Hums, Dr. Günther Kräuter, Ludmilla Parfuss und Heidrun Silhavy “Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege”                        Seiten 60 bis 62

Petition Nr. 43

überreicht vom Abgeordneten Karlheinz Kopf betreffend “Novelle zum Berg­gesetz”                                    Seiten 23 bis 24

Petition Nr. 44

überreicht von den Abgeordneten Gabriele Binder, Mag. Kurt Gaßner und Brigitte Tegischer betreffend “Jugendschutz- bzw. Jugendförderungsgesetze”..........................................................         Seiten 28 bis 30

Petition Nr. 45

überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Maria Rauch-Kallat, Mag. Johann Ewald Stadler, Theresia Haidlmayr und Dr. Volker Kier betreffend “Nein zur Bio-Medizin-Konvention”                            Seiten 39 bis 42

Petition Nr. 46

überreicht vom Abgeordneten Werner Amon betreffend “Jugendvolksbegehren”.         Seiten 30 bis 34

Petition Nr. 47

überreicht vom Abgeordneten Franz Koller “zur Aufrechterhaltung der wirt­schaftlichen Infrastruktur Obdachs, die Umfahrungsvariante vom 15. Dezember 1983, BGBl. Nr. 7/1984 zu errichten”...........         Seiten 24 bis 26

Petition Nr. 49

überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner betreffend “Free Biking: Freigabe der Forstwege für Mountainbiker”....................................................................................................................         Seiten 59 bis 60

Petition Nr. 51

überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Mag. Herbert Haupt, Klara Motter, Theresia Haidlmayr, Dr. Erwin Rasinger und Dr. Alois Pumberger betreffend “Hepatitis C”                                      Seiten 35 bis 38

Petition Nr. 52

überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend “Die Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen”.......................................................................................         Seiten 42 bis 56

Petition Nr. 53

überreicht vom Abgeordneten Georg Wurmitzer betreffend “Das bäuerliche Sozialversicherungsgesetz”              ................................................................................................................................................ Seiten 26 bis 28

Petition Nr. 54

überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Mag. Dr. Heide Schmidt betreffend “Das Recht von totgeborenen Kindern auf einen eigenen Namen”.........................................................        Seite 38

Petition Nr. 55

überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Karlheinz Kopf, Manfred Lackner und Ing. Wolfgang Nußbaumer betreffend “Einheitswert­erhöhung – Nein, danke!”................................         Seiten 64 bis 65

Bürgerinitiative Nr. 14

eingebracht von Gerda Matias betreffend “Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze”                             ................................................................................................................................................ Seiten 67 bis 70

Bürgerinitiative Nr. 15

eingebracht von Georg Rom betreffend “Aufhebung der Immunität”........................        Seite 26

Bürgerinitiative Nr. 21

eingebracht von Edeltraud Gatterer betreffend “Schaut nicht weg – Initiative zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch”..........................................................................................................................         Seiten 65 bis 66

Der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen hat sich zur Vorbereitung der Entscheidungen über die einzelnen Anliegen in vielen Fällen an die Bundesministerien, die Volksanwaltschaft und andere Behör­den bzw. Organisationen mit dem Ersuchen um Stellungnahmen gewandt.

 

Der Sammelbericht gliedert sich grundsätzlich in zwei Teile, nämlich in den, der die der Berichtspflicht unterliegenden Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt, und den Teil, der sich mit sonstigen Petitionen und Bürgerinitiativen befaßt.

I. Der Berichtspflicht unterliegende Petitionen und Bürgerinitiativen

Abstandnahme von der weiteren Verhandlung im Sinne des § 100b Abs. 1 GOG

Petition Nr. 32

überreicht von den Abgeordneten Karlheinz Kopf und Dr. Gottfried Feuerstein betreffend “Berggesetz”

Mit der gegenständlichen Petition überreichten die Abgeordneten Karlheinz Kopf und Dr. Gottfried Feuerstein ein Anliegen der Gemeindevertretung Lorüns dem Präsidenten des Nationalrates mit folgendem Wortlaut:

“Die Gemeindevertretung von Lorüns hat in ihrer letzten Sitzung am 7. November 1997 einstimmig nach­stehende Petition beschlossen und bittet Sie, diese dem Österreichischen Parlament zur Beschlußfassung vorzulegen.

Antrag

an das Österreichische Parlament zur Beschlußfassung:

An die Bundesregierung und die im Parlament vertretenen Parteien wird das Ersuchen gerichtet, das Berggesetz 1975 dahingehend zu novellieren, daß

1.  die im § 5 Berggesetz geregelte Kompetenz für grundeigene mineralische Rohstoffe wie Schotter, Sand, Steine, Kies usw. in die Gewerbeordnung zurückgeführt wird (wie vor der Novelle 1990),

2.  das Bergrecht an die Gewerbeordnung angegliedert wird,

3.  angemessene – den Belästigungen angepaßte – Anrainerbestimmungen normiert werden,

4.  die Gemeinden eine echte Parteistellung erhalten,

5.  die Gemeinden eine Baubewilligung auch für Bergbauanlagen erteilen müssen und

6.  der Stand der Technik für derzeit bergrechtlich bewilligte Anlagen gesetzlich verankert wird.”

Der Österreichische Städtebund nahm zu den Petitionen 32 und 43, die inhaltsgleich sind, wie folgt Stellung:

“Die Unzufriedenheit der Gemeinden hinsichtlich der Auswirkung der Genehmigungen nach dem Berggesetz hat nach der Novelle 1990, mit der auch der Abbau von Zuschlagstoffen in dieses Gesetz miteinbezogen wurde, erheblich zugenommen und fand auch ihren Niederschlag in zahlreichen Resolutionen. Auch im Zuge der Begutachtung einer Novelle zum Berggesetz im Jahre 1997 wurde von Städten und Gemeinden die unbefriedigende Rechtslage – keine adäquate Parteistellung der Gemeinden – neuerlich aufgezeigt.

Im Rahmen der Gespräche innerhalb der Bundesregierung wurden die Interessensvertretungen der Gemeinden – der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund – zu einer Äußerung hinsichtlich der vorgesehenen Parteistellung der Gemeinden eingeladen. Beide Gemeindebünde haben auch einen Formulierungsvorschlag für die Ausgestaltung der Parteistellung der Gemeinden nach dem Berggesetz vorgelegt, weil zu diesem Zeitpunkt eine Einbeziehung in die Gewerbeordnung nicht zur Diskussion stand.

Vom grundsätzlichen Standpunkt wäre zu bemerken, daß auch hinsichtlich der Änderung der Rechts­grundlage für die Genehmigung des Schotterabbaues – nämlich die Transferierung in die Gewerbe­ordnung – seitens des Österreichischen Städtebundes keine Einwände bestehen, wenn auch in diesem Gesetz die für das Berggesetz vorgesehene Regelung der Parteistellung der Gemeinden bzw. die ,Verbotszonen‘ in gleicher Weise aufgenommen werden.

Inwieweit das Berggesetz der Gewerbeordnung angegliedert werden soll, vermag nach dem derzeitigen Stand keine detaillierte Äußerung abgegeben werden. Es zeigt sich jedoch, daß die Berücksichtigung der örtlichen und regionalen Raumplanung mit einem entsprechenden Recht der Durchsetzung seitens der Gemeinden im Berggesetz deutlich verstärkt werden muß.

Zur Baubewilligung der Bergbauanlagen darf darauf verwiesen werden, daß eine solche Regelung im Zusammenhang mit den Überlegungen im Rahmen der Bundesstaatsreform gesehen werden muß.”

Der Österreichische Städtebund legte zur Information eine Abschrift derjenigen Bestimmungen im Berggesetz bei, welche die Parteistellung der Gemeinden betrifft und die die Zustimmung der Gemeinden finden könnten, welche hier aber nicht abgedruckt werden.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gab folgende Stellungnahme ab:

“Zu den Petitionen Nr. 32 und 43, mit denen die Gemeindevertretung Lorüns bzw. der Stand Montafon eine Novellierung des Berggesetzes 1975 beantragen, wird bemerkt, daß die Forderungen in diesen Petitionen in keiner Weise die für den Bergbau maßgebliche Rechtslage berücksichtigen. Im einzelnen ist unter Bedachtnahme auch auf den derzeitigen Stand der Arbeiten betreffend den Entwurf einer Berggesetznovelle 1998 auszuführen:

Zu Punkt 1:

Durch eine Rückführung der Mineralrohstoffwirtschaft auf den Zustand vor der Berggesetznovelle 1990 würde die durch die Novelle 1996 zum Berggesetz 1975 den Gemeinden eingeräumte Parteistellung verloren gehen, da nach dem Gewerberecht die Gemeinden in vergleichbaren Bewilligungsverfahren keine Parteistellung haben. Ferner wird bei dieser Forderung übersehen, daß auch bei der angeregten ,Rückführung‘ bestimmter grundeigener mineralischer Rohstoffe in der Gewerbeordnung die Mineralroh­stoffwirtschaft weiterhin verfassungsrechtlich dem Kompetenztatbestand ,Bergwesen‘ zuzuordnen ist. Das bedeutet unter anderem, daß die Angelegenheiten des Kompetenztatbestandes ,Bergwesen‘ in unmittel­barer Bundesverwaltung zu führen sind und hinsichtlich der Raumordnung das Kompetenzfeststellungs­erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1954, Slg. 2674, zum Tragen kommt.

Zu Punkt 2:

Die geltende Gewerbeordnung berücksichtigt die Eigentümlichkeit des Bergbaus nicht und wäre mangels der erforderlichen Rechtsinstitute auf diesen auch nicht anwendbar.

Zu Punkt 3, 4 und 6:

Diese Forderungen sind bereits nach geltendem Bergrecht weitgehend erfüllt, da den Anrainern (Nach­barn) unter anderem sowohl in Verfahren betreffend die Bewilligung von Bergbauanlagen als auch in Verfahren betreffend die Genehmigung eines Aufschluß- und Abbauplanes für grundeigene mineralische Rohstoffe Parteistellung zukommt, wenn ihr Leben oder ihre Gesundheit oder ihre Sachen gefährdet oder sie unzumutbar belästigt werden. Ferner kommt der Gemeinde sowohl im Verfahren zur Erteilung einer Gewinnungsbewilligung als auch im Verfahren zur Genehmigung eines Aufschluß- und Abbauplanes Parteistellung zu. Auch ist dem Bergrecht seit jeher der Grundsatz des Standes der Technik immanent. So ist der Bergbauberechtigte unter anderem nach § 134 Abs. 3 des Berggesetzes 1975 von sich aus verpflichtet, die Bergbautätigkeiten so auszuüben, daß nach dem Stand der Technik vermeidbare Emissionen unterbleiben. Ferner sind nach § 146 des Berggesetzes 1975 Bewilligungen für Bergbau­anlagen nur dann zu erteilen, wenn unter anderem beim Betrieb derartiger Anlagen keine Abfälle entstehen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar oder nicht verwertbar sind. Auch sind von derartigen Anlagen ausgehende Emissionen nach dem Stand der Technik zu begrenzen.

In Ausarbeitung befindet sich derzeit ein Entwurf einer Berggesetznovelle, der weitere Verbesserungen für die Nachbarn und eine im Punkt 4 der Resolution verlangte ,echte‘ Parteistellung der Gemeinden vorsieht, die diese berechtigt, die Raumordnung als subjektives Recht geltend zu machen.

2

Zu Punkt 5:

Nach der Rechtsprechnung des Verfassungsgerichtshofes sind Bergbauangelegenheiten, die in einem unlöslichen Zusammenhang mit dem Bergbau stehen, in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Dies hat seinen Grund darin, daß zur Herstellung der betreffenden Anlagen eher bergbautechnische als bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Die Schaffung einer landesrechtlichen Baubewilligungs­pflicht für typische Bergbauanlagen wäre daher verfassungswidrig.

Zu den Ausführungen des Standes Montafon in seinem der Petition Nr. 43 zugrundeliegenden Schreiben vom 25. März 1998, daß eine Nichtberücksichtigung der Flächenwidmungspläne der Gemeinden einen nicht akzeptierbaren Eingriff in die Gemeindeautonomie darstelle, wird noch darauf hingewiesen, daß in den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ausgearbeiteten Entwurf einer Novelle zum Bergesetz 1975 ua. eine stärkere Berücksichtigung der Raumplanung der Gemeinden, einschließlich des Rechtes der Gemeinden, die Raumplanung im Verfahren zu Erteilung einer Gewinnungsbewilligung als subjektiv öffentliches Recht der Gemeinde geltend zu machen, vorgesehen ist.”

Die Volksanwaltschaft legte folgende Stellungnahme vor:

“Die Volksanwaltschaft behandelte im Jahr 1997 29 Beschwerden aus dem Bereich ,Bergrecht‘. 26 Be­schwerdeführer wandten sich mit dem Ersuchen um Hilfestellung in einem anhängigen Gewinnungs­bewilligungsverfahren an die Volksanwaltschaft (VA 73-WA/97 – VA 98-WA/97). Ein Einschreiter zog bei der Volksanwaltschaft befürchtete Beeinträchtigungen durch die geplante Erweiterung einer Schotter­grube in Beschwerde (VA 99-WA/97). Der Bürgermeister einer Gemeinde in Salzburg beschwerte sich bei der Volksanwaltschaft über Beeinträchtigungen der ortsansässigen Bevölkerung durch die geplante Erweiterung von Steinbrüchen (VA 209-WA/97). Zwei Einschreiterinnen wandten sich wegen unzumut­barer Nachbarschaftsbelästigungen durch einen genehmigten Steinbruch in Niederösterreich an die Volksanwaltschaft (VA 217-WA/97).

Im übrigen verweist die Volksanwaltschaft auf ihre aus Anlaß des Entwurfes einer Berggesetz-Novelle 1998 auch an den Nationalrat übermittelten Stellungnahme vom 14. Oktober 1997, Zl. VA 6100/9/97.”

Diese Stellungnahme ist im Zusammenhang mit der inhaltsgleichen Petition Nr. 43 abgedruckt.

Die gegenständliche Petition wurde gemeinsam mit Petition Nr. 43 verhandelt.

Einstimmiger Beschluß in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 33

überreicht von den Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Mag. Johann Ewald Stadler betreffend den “Sofortigen Stopp der Rechtschreibreform”

Mit der gegenständlichen Petition überreichten die Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Mag. Johann Ewald Stadler ein Anliegen des Rings Freiheitlicher Jugend dem Präsidenten des Nationalrates mit folgendem Wortlaut:

“Wir fordern:
,Sofortigen Stopp der Rechtschreibreform‘

Ungewisse Entwicklung in Deutschland

Der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) appelliert angesichts der immer breiter werdenden Ablehnung der geplanten Rechtschreibreform, deren Umsetzung noch einmal ernsthaft zu überdenken. Vor allem sollte die ungewisse Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland abgewartet werden, wo derzeit zahlreiche Gerichtsentscheidungen nicht nur die Umsetzung der Rechtschreibreform blockieren, sondern ihr weiteres Schicksal selbst in Frage stellen.

Sinnhaftigkeit fraglich

Abgesehen von den juristischen Bedenken gegen die übereilte Umstellung bezweifelt der RFJ deren Sinnhaftigkeit. Der für das Gelingen der Reform unabdingbare breitest mögliche Konsens ist nicht gegeben. Die Reform ist in Wirklichkeit ,etwa so konsensbildend wie der Vorschlag, den Geschmack der Teebutter durch die Beimengung von Glasscherben zu veredeln‘, wie es ein Kommentar in der Zeitung ,Die Presse‘ treffend formuliert hat.

Durchsetzung fraglich

Warum quält man Schüler mit einem ,Reformwerk‘, dessen einmal gelernte und verinnerlichte Regeln später völlig irrelevant bleiben, weil Schriftsteller, Verlage sowie die wichtigsten Zeitungen im Lande – darunter das bürgerliche Leitmedium ,Die Presse‘ – die alte Schreibweise dezidiert beibehalten werden?

Gegenteil von Vereinheitlichung

Im übrigen ist das Gegenteil einer vorgeblich angestrebten Vereinheitlichung festzustellen: Es herrscht heillose Verwirrung bei der Interpretation der neuen Regeln, Lexikaverlage können sich untereinander nicht einigen, und eine weitere Verunsicherung der schreibenden Bevölkerung ist vorprogrammiert. Sprache sollte Instrument einer breiten Kommunikation sein, diese wird aber durch das neue Regelwerk eher gestört als gefördert.

Sprachverfall nicht aufgehoben

Viel wichtiger als eine sündteure Rechtschreibreform, die in Wahrheit niemand will, scheint dem RFJ, dem Verfall unserer deutschen Muttersprache entgegenzuwirken, der mit dem wachsenden Einfluß neuer Medien wie Computer und Internet untrennbar verbunden ist. Initiativen zur Verbesserung des Deutsch­unterrichts zwecks Beendigung des unwürdigen Kniefalls vor einer ,Bildchen-Sprache‘, die das natürliche Sprachempfinden nachhaltig unterläuft, ist dringend geboten.

Der Ring Freiheitlicher Jugend fordert daher zusammenfassend den sofortigen Stopp der Rechtschreibreform, zumindest so lange, bis die Entwicklung in Deutschland geklärt ist. Bis dahin schlägt er eine Rückbesinnung auf den Wert der organisch gewachsenen Sprache als Kulturträgerin vor, auch und gerade im Hinblick auf die Europäische Union, in der an die 100 Millionen Deutschsprechende das Recht haben, daß ihre Sprache von den offiziellen Stellen ausreichend berücksichtigt wird und innerhalb Europas ein ebenso einheitliches Erscheinungsbild bietet wie etwa Französisch.”

Das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten gab zu dieser Petition folgende Stellungnahme ab:

“zu 1

Im Gegensatz zur Petition des ,Ringes Freiheitlicher Jugend‘ gibt es keine juristische Ungewißheit in Deutschland und in Österreich. Am 14. Juli 1998 hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in den Schulen als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht faßte die Begründung im wesentlichen dahin­gehend zusammen, daß die Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Verfassung nicht gehindert sei, Regelungen über die richtige Schreibung der deutschen Sprache für den Unterricht in den Schulen zu treffen. Für die Einführung der Rechtschreibreform in einem deutschen Bundesland bedarf es demnach keiner über die allgemeinen Lernzielbestimmungen des Landesschulgesetzes hinausgehenden gesetzlichen Grundlage. Die Grundrechte von Eltern und Schülern würden durch diese Neuregelung nicht verletzt.

Auch in Österreich hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juni 1998 vier Individualan­träge, die sich gegen die Umsetzung der Rechtschreibreform im Schulbereich wandten, zurückgewiesen.

In der Schweiz und in Liechtenstein wurden bereits die erforderlichen Vorbereitungen für die Umsetzung der Rechtschreibreform zum vereinbarten Termin getroffen.

Von einer ungewissen juristischen Situation kann deshalb nicht die Rede sein.

zu 2

Unsere Rechtschreibung geht auf die Zweite Berliner Konferenz 1901 zurück. Im Laufe von bald 100 Jahren ist sie immer komplizierter und widersprüchlicher geworden. Die nunmehr vorliegende Neuregelung enthält wesentlich weniger Regeln als die alte und vor allem weniger Ausnahmen und Unterregeln. Wer sich mit der Neuregelung vertraut macht, erkennt, daß die Rechtschreibung in sich logischer ist und die Handhabung erleichtert. Eine Umfrage des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zeigt, daß die neue Rechtschreibung derzeit an nahezu allen Volksschulen unterrichtet wird und rund drei Viertel aller Volksschulen methodisch-didaktische Erleichterungen beim Erlernen der neuen Rechtschreibung feststellen, was durch die Abnahme der Fehlerzahl bestätigt wird. Durch diese Umfrage wurde die Sinnhaftigkeit der Rechtschreibreform eindrucksvoll bestätigt.

zu 3

Wie in Österreich wird auch in Deutschland, der Schweiz und in Liechtenstein die neue Rechtschreibung ab dem kommenden Schuljahr an allen Schulen unterrichtet. Auch im Rahmen der Bundesverwaltung und der Länderverwaltungen sind die Vorbereitungsarbeiten für die Einführung der neuen Rechtschreibung angelaufen. Ein Regelungsbedarf besteht lediglich für das Schulwesen und die öffentliche Verwaltung. Am 23. Juli 1998 hat Bundeskanzler Mag. Viktor Klima die Bundesregierung über die Rechtschreib­reform informiert und die Bundesminister und Bundesministerinnen eingeladen, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich in geeigneter Weise für die Umsetzung der neuen Rechtschreibung Sorge zu tragen. Dieser Antrag wurde angenommen.

An eine allgemeine Verpflichtung der Bürger und Bürgerinnen zur Einhaltung der Rechtschreibreform ist nicht gedacht. Genauso wie das Regelwerk von 1902, das bisher für unsere Rechtschreibung bestimmend war, soll allerdings auch das neue als Vorbild für alle anderen Bereiche wirken, wo eine allgemein gültige Regelung wichtig ist, wie etwa Druckereien, Verlagen, Zeitungsredaktionen usw.

Neben den Schulbüchern, die mit Beginn des heurigen Schuljahres zum Großteil bereits umgestellt vor­liegen, bringen die österreichischen Kinder- und Jugendbuchverlage seit dem Frühjahr 1997 die Neuer­scheinungen in der neuen Rechtschreibung auf den Markt. Überdies haben die meisten Tageszeitungen erklärt, daß auch sie die neue Rechtschreibung anwenden werden, wenn die Nachrichtenagenturen die neue Rechtschreibung einführen werden, was vermutlich im Jahr 1999 der Fall sein wird.

Seitdem bekannt ist, daß die neue Rechtschreibung ab 1. August 1998 gültig ist, haben viele Firmen, Verwaltungsstellen, aber auch Privatpersonen Unterlagen beim Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten angefordert, mit der Absicht, die neue Rechtschreibung im öffentlichen und privaten Bereich anzuwenden. Somit kann erwartet werden, daß sich das gesamte Schriftsystem im Zeit­raum der vorgesehenen Übergangsfrist umstellen wird und daß von mangelnden Durchsetzungsmöglich­keiten oder geringer Akzeptanz keine Rede sein kann.

zu 4

Am 1. Juli 1996 wurde in Wien die ,Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung‘ von der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und Regie­rungsvertretern aus Belgien, Deutschland, Italien, Liechtenstein, Rumänien, der Schweiz und Ungarn unterzeichnet. Folgender gemeinsamer Zeitplan wurde in Aussicht genommen:

Die Umsetzung der Rechtschreibreform soll mit 1. August 1998 beginnen, und es ist eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen. Diese gemeinsame Vorgangsweise zeigt, daß die neue Recht­schreibung für den gesamten deutschsprachigen Raum gilt. Was die unterschiedliche Interpretation der neuen Regeln durch die Wörterbuchverlage betrifft, so hat sich herausgestellt, daß die Unterschiede von den Gegnern der Rechtschreibreform maßlos übertrieben werden. Abgesehen davon, daß es auch früher Unterschiede zwischen den Wörterbüchern gegeben hat, sind einzelne Differenzen auf zulässige, in unterschiedlichem Umfang aufgenommene Varianten zurückzuführen. Einige beruhen jedoch auch auf Irrtümern und falschen Regelauslegungen der Verlage. Eine internationale Expertenkommission bear­beitet in Zusammenarbeit mit den Wörterbuchverlagen mögliche unterschiedliche Interpretationen, die in späteren Auflagen korrigiert werden können.

zu 5

Eine verbesserte Rechtschreibung allein wird den vom ,Ring Freiheitlicher Jugend‘ befürchteten Sprach­verfall nicht aufheben können. Allerdings kann durch klarere, übersichlichere und logischere Recht­schreibregeln eine größere Sicherheit bei den Schreibenden erreicht werden. Daneben gibt es eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Deutschunterrichtes, die unabhängig von der neuen Rechtschreibung an den Schulen laufend Anwendung finden.

Anschließend wird festgehalten, daß keine Veranlassung besteht, die Einführung der Rechtschreibreform zu stoppen.”

Beschluß mit Stimmenmehrheit in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 34

überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier betreffend die “Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (938 d. B.)”

Mit der gegenständlichen Petition überreichte der Abgeordnete Dr. Volker Kier dem Präsidenten des Nationalrates ein von rund 500 Bürgerinnen und Bürgern unterschriebenes Anliegen mit folgendem Wort­laut:

“Dem Nationalrat liegt unter 938 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP die

Regierungsvorlage

eines Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften vor, welche am 10. Dezember 1997 im Parlament zur Abstimmung gelangen soll (Kurier vom 8. 11. 1997, S. 8).

Das geplante Gesetz greift massiv in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte ein, wie insbesondere das Recht auf Gleichbehandlung sowie auf selbständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegen­heiten (Art. 15 StGG). Darüber hinaus wird auch die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers gravierend beeinträchtigt, weil die freie Religionsausübung in Hinkunft an eine besondere Rechtsstellung der Religionsgemeinschaft geknüpft wird, was zu einer Diskriminierung hunderttausender Österreicher im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben führen würde. (Siehe im einzelnen Anhang über die Ver­fassungskonformität der Regierungsvorlage)

In den wenigen zum Gesetzentwurf eingeholten juristischen Stellungnahmen wurden eine Reihe von verfassungs- und völkerrechtlichen Bedenken erhoben. Trotzdem soll das Gesetz, das die sensible Materie der Grund- und Menschenrechte betrifft, offenbar rasch parlamentarisch ,durchgezogen‘ werden, bevor seine Problematik öffentlich wahrgenommen wird.

Wir sind der Auffassung, daß die Regierungsvorlage verfassungswidrig ist und im Falle ihrer Beschluß­fassung dem internationalen Ansehen Österreichs schaden wird, wie dies auch kürzlich im Falle Rußlands geschehen ist, wo die Vorbereitung eines der Regierungsvorlage sehr ähnlichen Gesetzentwurfes zu heftigen internationalen Reaktionen führte.

Eine breite öffentliche Diskussion und die Prüfung des Gesetzentwurfes durch Verfassungsexperten auf dem Gebiete der Grund- und Freiheitsrechte, insbesondere durch die Institute für Staats- und Verfassungsrecht sowie das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte sind unumgänglich.

Da ein Grund zur dringlichen Erledigung nicht zu erkennen und eine Beschlußfassung in der ersten Hälfte des Jahres 1998 ohne weiteres möglich ist, sollte eine parlamentarische Enquete zur Frage der Rechts­stellung der Religionsgemeinschaften durchgeführt werden und jedenfalls im Rahmen der Ausschuß­beratungen ein Expertenhearing stattfinden. Im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit wäre es ein Fehler, wenn die Regierungsvorlage im Unterrichtsausschuß lediglich formell behandelt und dem Plenum des Nationalrates trotz der bisher geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zur Beschluß­fassung weitergeleitet würde.

Wir unterstützen daher mit unserer Unterschrift nachdrücklich folgende Forderungen:

1.  Einholung von Stellungnahmen von Verfassungs-, Völkerrechts- und Menschenrechtsexperten zum geplanten Gesetz sowie öffentliches Hearing der Experten im Rahmen der Beratungen des Unterrichts­ausschusses.

2.  Durchführung einer parlamentarischen Enquete zur Frage der Säkularität des Staates und der Rechts­stellung der Religionsgemeinschaften im österreichischen Recht.

3.  Verwirklichung des Verfassungsgebotes der Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Anerkennung.

4.  Aufhebung des Klubzwangs bei der Abstimmung in diesem Bereich, da Religion eine persönliche und keinesfalls eine politische oder parteibezogeene Angelenheit ist.

Anhang
zur Petition betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes
über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften

Zur Verfassungskonformität der Regierungsvorlage

1. Allgemeines:

Nach ganz herrschender Auffassung stellen religiöse Gemeinschaften Gebilde sui generis dar, welche ihr Vorhandensein aus der Religiosität des Menschen, somit aus seiner Natur, herleiten. 1) Die österreichische Bundesverfassung schützt nicht nur die Religionsausübung des einzelnen, sondern regelt auch das Ver­hältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften.

Gampl 2) hat aus der österreichischen Verfassungsordnung abgeleitet, daß die Säkularität des Staates als Grundprinzip der österreichischen Verfassung anzusehen ist, welches nur unter den erschwerten Bedin­gungen des Art. 44 Abs. 3 B-VG verändert werden könnte. Dieser Auffassung ist bisher kaum – zumin­dest nicht mit schlüssigen Argumenten – widersprochen worden 3).

Unmittelbar aus diesem Grundprinzip der österreichischen Verfassung, aber auch aus Art. 15 StGG folgt das Verbot eines Staatskirchentums (VfSlg. 1 430) und die grundsätzliche Parität und Neutralität des Staates gegenüber den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (Klecatsky in Grundrechte II, 498). Darüber hinaus enthält diese Bestimmung als eine besondere Form des Gleichheits­satzes die Verpflichtung, allen Religionsgemeinschaften unter den selben Voraussetzungen die gesetzliche Anerkennung zu gewähren. Das Anlegen unterschiedlicher Maßstäbe wäre verfassungswidrig 4).

Letztlich ergibt sich aus der Säkularität des Staates und aus der ausdrücklichen Garantie in Art. 15 StGG die Autonomie jeder Kirche und Religionsgesellschaft in ihren inneren Angelegenheiten, unabhängig davon, ob eine Anerkennung vorliegt oder nicht. Eine in den religionsgemeinschaftlichen Autonomie­bereich fallende Angelegenheit kann daher vom Staat weder geregelt noch zur Voraussetzung der Erlangung der Anerkennung oder Erlangung der Rechtspersönlichkeit erhoben werden (VfSlg. 3 657).

2. Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen:

Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) beschäftigt sich seit ihrer Gründung intensiv mit Fragen der Religionsfreiheit sowie Religionsausübungs- und Vereinigungsfreiheit; dies nicht zuletzt im Hinblick auf die in den totalitären Ostblockstaaten jahrzehntelang praktizierte Diskriminierung religiöser Gemeinschaften, welche keine Möglichkeit hatten, rechtlich anerkannt zu werden und mit den vom jeweiligen Regime akzeptierten offiziellen Kirchen gleichgestellt zu werden.

Im Schlußdokumet des Wiener Folgetreffens der Vertreter der Teilnehmerstaaten der KSZE vom 15. Jänner 1989 haben sich alle Teilnehmerstaaten der KSZE, somit auch Österreich, völkerrechtlich ver­pflichtet, eine Reihe von Garantien der Menschenrechte und Grundfreiheiten einzuhalten. Um die Freiheit des Einzelnen zu gewährleisten, sich zu seiner Religion und Überzeugung zu bekennen und diese auszuüben, haben sich die Teilnehmerstaaten verpflichtet, unter anderem wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um eine auf Religion oder Überzeugung gegründete Diskriminierung gegen Personen oder Gemeinschaften zu verhindern, sowie religiösen Gemeinschaften von Gläubigen, die im verfassungs­mäßigen Rahmen ihres Staates wirken oder zu wirken bereit sind, auf ihren Antrag hin die Anerkennung jenes Status einzuräumen, der in ihrem jeweiligen Land für sie vorgesehen ist (Punkt 16, 16.1, 16.2 des Schlußdokumentes). 5)

Damit haben alle Teilnehmerstaaten deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie als Teil des Rechtes, sich zu seiner Religion und Überzeugung zu bekennen und dieses auszuüben, das Recht auf freie Bildung religiöser Gemeinschaften von Gläubigen anerkennen. 6) Ein wesentlicher Teil der Religionsausübung besteht wohl bei allen Gläubigen in dem Bestreben, sich mit gleichgesinnten Gläubigen zu vereinigen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Wenn einer religiösen Gemeinschaft von Gläubigen keinerlei Möglich­keit eröffnet wird, sich in einer Rechtsform zu konstituieren, in welcher andere Religionsgemeinschaften bestehen, verletzt dies das in Artikel 9 normierte Recht der einzelnen Gläubigen, die Religion in Gemein­schaft mit anderen auszuüben.

Die Verpflichtung, religiösen Gemeinschaften von Gläubigen die Anerkennung jenes Status einzu­räumen, der in ihrem jeweiligen Land für sie vorgesehen ist, schließt eine Differenzierung zwischen ,guten‘ und ,bösen‘ Religionsgemeinschaften und die Schaffung rechtlich unterschiedlicher Konsti­tuierungsmöglichkeiten aus. Dies muß um so mehr gelten, wenn durch diese Differenzierungen einige Religionsgemeinschaften weitgehend privilegiert werden, wohingegen andere in ihrer Rechtsposition erheblich eingeschränkt werden.

3. Verletzung des Säkularitätsprinzips der Bundesverfassung; Eingriff in die religionsgemeinschaft­liche Autonomie (Art. 15 StGG):

Artikel 15 Staatsgrundgesetz garantiert den gesetzlichen anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften die selbständige Regelung ihrer inneren Angelegenheiten, welche damit dem staatlichen Einfluß entzogen sind.

Innere Angelegenheiten sind jene, die den Wesenskern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen die Religionsgemeinschaften bei der Verkündigung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze ohne Autonomie eingeschränkt wären. Insbesondere zählen dazu Verfassung, Organisation und religiöse Satzung, Regelung der Mitgliedschaft und das theologische Selbstverständnis. 7) Daß die Glaubens- und Sittenlehre den Wesenskern der (jeder staatlichen Regelung und Beurteilung entzogenen) inneren Angelegenheiten darstellt, folgt aus dem verfassungsrechtlichen Grundprinzip der Säkularität des Staates, welche dem Staat – da wesensmäßig auf einer völlig anderen Ebene – jede Beurteilung einer religiösen Auffassung als ,richtig oder falsch‘ bzw. ,gut oder böse‘ verbietet.

Eine in den religionsgemeinschaftlichen Autonomiebereich fallende Angelegenheit kann vom Staat weder geregelt werden noch auch zur Voraussetzung der Erlangung der Anerkennung erhoben werden. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall zu, da der Gesetzentwurf als Voraussetzung der Anerkennung die Erlangung der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft durch viele Jahre hindurch fordert. Soweit dieses Gesetz eine (inhaltliche) Überprüfung der Religionslehre und des Gottesdienstes vorsieht und darüber hinaus besondere Normen für die Statuten aufstellt, sind diese Regelungen verfassungswidrig, weil sie in den verfassungsrechtlich garantierten Autonomiebereich eingreifen. 8)

4. Verletzung der (religiösen) Vereinigungsfreiheit:

Gemäß Art. 9 MRK hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des Einzelnen, unter anderem seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat auszuüben.

Ein wesentlicher Teil der damit normierten Freiheit der Religionsausübung besteht in der Möglichkeit, mit Gleichgesinnten eine rechtsfähige religiöse Gemeinschaft zu gründen (Guradze, ,Die Europäische Menschenrechtskonvention‘, 135; E 8652/79, DR 26, 89, 92). 9)

Ein Eingriff in diese verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ist nur möglich, wenn dieser Eingriff eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer darstellt (Art. 9 Abs. 2 MRK).

Die Erläuterungen zum Gesetzentwurf lassen nun jeden Hinweis darauf vermissen, aus welchen Gründen die im Gesetz vorgesehene Beschränkung der religiösen Vereinigungsfreiheit diesen verfassungs­rechtlichen Vorgaben entsprechen sollte (vgl. unten, Ausführungen zu § 5 der Regierungsvorlage).

5. Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG; § 2 StGG):

Abgesehen von der Verletzung der bereits erörterten speziellen Verfassungsnormen widerspricht der vorliegende Gesetzentwurf in mehrfacher Hinsicht dem (allgemeinen) verfassungsgesetzlich gewähr­leisteten Recht auf Gleichheit. Dieses verbietet unsachliche Differenzierungen sowie Verstöße gegen den Vertrauensschutz und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

a)  Gemäß § 1 Abs. 3 PartG, BGBl. 404/1975, ist die Gründung politischer Parteien frei, ihre Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden. Zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit einer politischen Partei genügt die Veröffentlichung einer Satzung in einer periodischen Druckschrift sowie die Hinterlegung dieser Satzung beim Bundesministerium für Inneres. Als einzige (inhaltliche) Voraussetzung normiert das Gesetz, daß aus der Satzung ersichtlich sein muß, welche Organe die politische Partei hat und welche hievon zur Vertretung nach außen befugt sind, sowie welche Rechte und Pflichten die Mitglieder besitzen (§ 1 Abs. 4 leg.cit.).

     Mit diesem Gesetz wurde für politische Parteien eine an keinerlei inhaltliche Vorgaben gebundene Möglichkeit geschaffen, Rechtspersönlichkeit zu erlangen. Diese Regelung entspricht dem ver­fassungsgesetzlich geschützten Recht auf volle Vereinsfreiheit und geht über das in Art. 11 MRK garantierte Recht auf Vereinigungsfreiheit hinaus.

     Ein Gesetz widerspricht dem Gleichheitssatz, wenn die in Betracht kommende Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Jede unsachliche Unterscheidung ist unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig (vgl. VfSlg. 11 013 ua.). Dies trifft auf den vorliegenden Gesetzentwurf zu, soweit die Erlangung der Rechtspersönlichkeit von inhaltlichen Kriterien der Religionslehre und des Gottes­dienstes abhängig gemacht wird.

     Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die Gründung von Vereinigungen weltanschau­licher und politischer Natur anders behandelt werden sollte als von Vereinigungen religiöser Natur. 10) Dem entspricht es, daß sowohl religiöse als auch nicht religiöse Weltanschauungen in der österreichischen Rechtsordnung weitgehend gleich behandelt werden. 11) Lediglich bei der Gründung rechtsfähiger Vereinigungen wird ein eklatanter Unterschied gemacht, indem für die Gründung reli­giöser Gemeinschaften erheblich höhere Anforderungen normiert werden als für politische Parteien.

     Die Differenzierung zwischen religiösen Bekenntnisgemeinschaften und sonstigen Weltanschauungs­gemeinschaften ist grob unsachlich, da für die Gründung derartiger Gemeinschaften dann drei völlig unterschiedliche Modelle zur Verfügung stehen würden:

     – die an keinerlei inhaltliche Prämissen geknüpfte Gründung als politische Partei lediglich durch Hinterlegung einer Satzung beim Bundesminister für Inneres;

     – die (einfache) Vereinsgründung durch Anzeige bei den Vereinsbehörden unter Vorlage der Statuten, wobei drei Personen zur Gründung des Vereines ausreichen; und

     – die Gründung einer ,religiösen‘ Bekenntnisgemeinschaft nach Prüfung von Inhalt und Praxis des Religionsbekenntnisses unter erschwerten Verfahrensbedingungen und durch mindestens 300 Mitglieder.

b) Unverhältnismäßig und damit unsachlich ist die im Gesetz vorgesehene ,Wartefrist‘ von zumindest 10 Jahren, soweit sie Religionsgemeinschaften betrifft, welche seit Jahrzehnten in Österreich tätig und bestens bekannt sind.

c)  Wesentliche Bestimmungen des Gesetzes sind derart schwammig formuliert, daß sie infolge mangeln­der Bestimmtheit verfassungswidrig sind.

6. Unzulässige Abweichung vom AVG (Art. 11 Abs. 2 B-VG):

Das gesamte, im Gesetzentwurf vorgesehene Verfahren zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit und auch zur Verhinderung weiterer Anerkennungen widerspricht Art. 11 Abs. 2 B-VG, wonach Verfahrensregeln, welche von denen des AVG abweichen, in einzelnen Gesetzen nur getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Davon kann keine Rede sein.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

1. Zur Überschrift und  zu § 1:

Der Gesetzentwurf kreiert für ein Gebilde, welches im gewöhnlichen Sprachgebrauch als ,Religionsge­meinschaft‘ bezeichnet wird, einen völlig neuen, bisher in der gesamten staatskirchenrechtlichen Literatur nicht verwendeten Begriff der ,religiösen Bekenntnisgemeinschaft‘. 12) Die Erläuterungen begründen dies mit der Notwendigkeit, eine möglichst deutliche Unterscheidung zwischen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und Religionsgemeinschaften herbeizuführen. Da sich jedoch die Bezeichnungen ,gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft‘ einerseits und ,staatlich einge­tragene Religionsgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit‘ andererseits deutlich unterscheiden, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, eine neue, völlig ungewöhnliche Bezeichnung zu erfinden, noch dazu, wenn diese vom gebräuchlichen und durchaus positiv besetzten Begriff der ,Religionsgemeinschaft‘ in negativer Hinsicht unterscheidet und damit offen diskriminierend ist.

2. Zu § 2 der Regierungsvorlage:

Das in dieser Bestimmung normierte Anmeldesystem ist dem Vereinsrecht nachgebildet. Es unterscheidet sich von diesem allerdings in zwei wesentlichen Punkten:

–   Die Untersagungsfrist ist um ein Vielfaches verlängert und

–   kann durch das Absenden einer ,Einladung‘ zur Ergänzung bzw. Stellungnahme beliebig oft erstreckt werden.

Beide Abweichungen vom Anmeldesystem des Vereinsrechtes, welches die Konstituierung von Weltan­schauungsgemeinschaften regelt, sind sachlich nicht gerechtfertigt; schon gar nicht deren Kumulation. Selbst wenn daher – wie die Erläuterungen glaubhaft zu machen versuchen – ,schwierige Sachverhalts­feststellungen und Würdigung des Sachverhaltes erforderlich‘ wären, würde dies allenfalls eine etwas längere Frist rechtfertigen, jedoch nicht eine Vervielfachung (!) der Frist und beliebige (!) Erstreckungs­möglichkeit. Hinzu kommt, daß aufgrund der bisherigen jahrzehntelangen Handhabung von Anerken­nungsanträgen durch die Behörde die Befürchtung, daß die gegebene Erstreckungsmöglichkeit auch weithin ausgenutzt werden wird, wohl mehr als begründet erscheint.

Es liegt daher jedenfalls eine Verletzung des Gleichheitssatzes in Form einer unsachlichen Differen­zierung zwischen religiösen Gemeinschaften und (nichtreligiösen) Weltanschauungsgemeinschaften vor; ganz abgesehen von der nicht zu rechtfertigenden Differenzierung zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit durch politische Parteien aufgrund des PartG.

3. Zu § 3 der Regierungsvorlage:

Die vorgesehene Mindestmitgliederzahl von 300 Personen beim Gründungsakt ist völlig willkürlich.

Aus heutiger Sicht nicht mehr aufrechtzuerhalten ist auch das in Absatz 3 festgeschriebene Ausschließ­lichkeitsrecht. Es ist kein sachlicher Grund zu sehen, weshalb eine Person nicht mehreren Religions­gemeinschaften angehören sollte, so wie jedermann auch mehreren Vereinen mit vielleicht durchaus unterschiedlichen Zielsetzungen angehören kann. Wenn daher beispielsweise ein Angehöriger der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft die Auffassung vertritt, er könne auch einer anderen Religionsgemeinschaft angehören, so läßt sich dagegen kein vernünftiger Einwand vorbringen; im Gegenteil: auch die Zugehörigkeit zu mehreren Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungs­gemeinschaften ist grundrechtlich geschützt.

Eine andere Frage ist, ob eine Religionsgemeinschaft ein Mitglied aufnehmen möchte, welches einer anderen Religionsgemeinschaft angehört. Hierbei handelt es sich jedoch um eine interne Angelegenheit der betreffenden Religionsgemeinschaft; eine gesetzliche Regelung wäre jedenfalls verfassungswidrig.

4. Zu § 4 der Regierungsvorlage:

§ 4 Abs. 1 Z 2 verlangt – völlig unsystematisch und im Gegensatz zu allen verwandten Regelungen – eine Darstellung der Religionslehre in den Statuten der betreffenden Religionsgemeinschaft. Zur Frage des (überholten) Ausschließlichkeitsgrundsatzes darf zur Vermeidung einer Wiederholung auf die Ausführun­gen oben zu Punkt 3. verwiesen werden.

Auch Ziffer 3 dieser Bestimmung ist problematisch, da die religiösen Pflichten der Gläubigen einer Religionsgemeinschaft wohl nicht in den Statuten geregelt werden sollten. Diese stellen vielmehr die Rechtsgrundlage der Religionsgemeinschaft dar, wohingegen die innerreligionsgemeinschaftlichen religiösen Pflichten typischerweise Bestandteile der Glaubens- und Sittenlehre sind. Sollten wirklich in den die äußeren Rechtsverhältnisse regelnden Statuten Verpflichtungen zu kirchlichen Handlungen festgeschrieben werden, wie etwa der wöchentliche Besuch der Messe, die Verpflichtung zur regel­mäßigen Ablegung der Beichte und Empfang der Kommunion? Da derartige religiöse Pflichten rechtlich nicht durchsetzbar sind (und auch nicht sein sollen), haben sie in der Rechtsgrundlage einer Religions­gemeinschaft auch nichts verloren. Es liegt ein Verstoß gegen die religionsgemeinschaftliche Autonomie sowie eine Verletzung des Säkularitätsprinzips der Bundesverfassung vor.

5. Zu § 5 der Regierungsvorlage:

Diese Bestimmung soll dem Kultusminister die Möglichkeit geben, ,den Erwerb der Rechtspersönlichkeit zu versagen‘, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen, welche in Z 1 genannt sind. Nach den erläu­ternden Bemerkungen soll ,Abs. 1‘ dem Artikel 9 der MRK entsprechen. Dies trifft jedoch nicht zu. Diese Bestimmung ermöglicht vielmehr eine Untersagung, wenn ,die in einer demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen‘ gefährdet sind. Demgegenüber läßt jedoch Artikel 9 Abs. 2 MRK nur solche Maß­nahmen zu, welche in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz verschiedener Rechtsgüter not­wendig sind. Soweit der Wortlaut dieser Bestimmung über den Eingriffsvorbehalt des Art. 9 Abs. 2 MRK hinausgeht, ist er schlicht verfassungswidrig.

Sollte jedoch – was die erläuternden Bemerkungen andeuten – lediglich ein Versehen vorliegen, und eigentlich geplant worden sein, den Eingriffsvorbehalt der MRK wörtlich zu übernehmen, so ist auch eine derartige Vorgangsweise verfassungswidrig, da damit die verfassungsrechtlich gebotene Interessen­abwägung ,vorverlagert‘ wird. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die von ihm erlassenen generellen Normen so zu fassen, daß sie für die Vollziehung eine ausreichende Determinierung enthalten und die verfassungsrechtlichen Schranken präzisieren.

3

6. Zu § 11 Abs. 1 der Regierungsvorlage:

Diese Bestimmung ist im vorliegenden Gesetzentwurf deplaziert, weil sie sachlich in das Gesetz betreffend die Anerkennung der Religionsgesellschaft gehört. Darüber hinaus aber ist sie aus mehrfachen Gründen verfassungswidrig und verfehlt:

6.1.  Der § 11 Z 1 führt im Zusammenhang mit der Regelung im § 2 Abs. 2 des Entwurfes zu einer jahrzehntelangen faktischen Sistierung des Anerkennungsgesetzes, was völlig unsachlich ist.

        Diese Bestimmung mag vielleicht noch in bezug auf neue, bisher völlig unbekannte Glaubensgemein­schaften sachlich gerechtfertigt erscheinen, doch stellt sich auch in einem solchen Fall die Frage, ob eine derart lange Frist sachlich zu rechtfertigen und verhältnismäßig ist. 13)

        In bezug auf alteingesessene bzw. seit Jahrzehnten bekannte Glaubensgemeinschaften (wie etwa die Anglikanische Kirche, die Baptisten-Kirche, die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die Koptisch-Orthodoxe Kirche usw.) entbehrt die Bestimmung einer sachlichen Rechtfertigung und widerspricht damit dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot.

        Selbst wenn man die genannte Bestimmung nicht als materiellrechtliche Vorschrift, sondern als eine spezielle verfahrensrechtliche Vorschrift betreffend das Verfahren nach dem AnerkennungsG ansieht, ist sie verfassungswidrig. Eine Verlängerung der im AVG vorgesehenen Halbjahresfrist auf 10 Jahre (!), weil die Behörde, wie sie in den Erläuterungen meint, so lange braucht, um den rechtserheblichen Sachverhalt zu ermitteln, ist nicht erforderlich und verstößt daher gegen Art. 11 Abs. 2 B-VG. Dies muß um so mehr gelten, wenn es sich um alteingesessene Religionsgemeinschaften handelt.

6.2.  § 11 Z 2 legt eine Mindestmitgliederzahl für die Anerkennung von 2 vT der Bevölkerung, somit etwa 16 000 Personen, fest. Die erläuternden Bemerkungen lassen jede Begründung für diese Mindest­anzahl vermissen. Dort wird lediglich ausgeführt, daß die Anzahl der Angehörigen ,wichtig‘ sei.

        Von den insgesamt 8 aufgrund des AnerkennungsG in Österreich jemals anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften erreicht höchstens eine, nämlich die Altkatholische Kirche, die nunmehr vorgesehene Mindestmitgliederanzahl. Alle anderen Kirchen und Religionsgesellschaften verfügen entweder über keine Mitglieder in Österreich, oder jeweils weniger als 1 vT der Einwohner Öster­reichs. 14) Die vorgesehene Bestimmung ist daher grob gleichheitswidrig, da sie weitere Anerken­nungen verhindert, obwohl praktisch alle aufgrund des Gesetzes anerkannten Kirchen und Religions­gesellschaften nur einen Bruchteil der nunmehr geforderten Mindestmitgliederanzahl aufweisen.

6.3.  § 11 Z 3 regelt eine Materie, welche zu den Kernbereichen der inneren Angelgenheiten gehört; sie greift daher in den religionsgesellschaftlichen Autonomiebereich ein und ist verfassungswidrig.

6.4.  § 11 Z 4 des Entwurfes ist verfassungswidrig, weil es sich bei dem Terminus ,positive Grundein­stellung gegenüber Staat und Gesellschaft‘ um einen völlig unbestimmten und wertausfüllungs­bedürftigen Begriff handelt. Eine genauere Definition ist schon deshalb erforderlich, weil in Österreich anerkannte Religionsgemeinschaften in ihrem religiösen Selbstverständnis sogar auf eine Veränderung der staatlichen Ordnung bzw. der Gesellschaftsordnung bedacht sind und Gesellschafts­modelle nicht nur propagiert, sondern zum Teil auch umgesetzt haben, welche der derzeit bestehen­den verfassungsrechtlichen Grundordnung widersprechen. 15)

        Der Entwurf in der vorliegenden Form ist mangels Bestimmtheit verfassungswidrig und daher un­vollziehbar.

6.5.  Besonders problematisch ist § 11 Z 5 des Entwurfes, wenn er offenbar Religionsgemeinschaften von vornherein ausschließen will, welche sich ,kritisch‘ gegenüber anderen etablierten Religions­gemeinschaften äußern. Darüber hinaus ist völlig unklar, wann eine ,Störung des Verhältnisses zu anderen Kirchen und Religionsgesellschaften‘ vorliegen soll. Kriterien hierfür sind nicht erkennbar.

        Soweit damit eine Einschränkung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Meinungsäußerung verbunden ist, ist die vorgeschlagene Bestimmung per se verfassungswidrig.

        Die österreichische Rechtsordnung enthält genau determinierte und durchaus wirksame Bestim­mungen zum Schutz des religiösen Friedens. 16) Soweit strafbare Handlungen gegen den religiösen Frieden oder Mediendelikte vorliegen, welche einer Religionsgemeinschaft zurechenbar sind, bedarf es keiner gesonderten ,Anerkennungsvoraussetzung‘, da in diesem Fall bereits die allgemeinen Voraussetzungen (§ 1 Z 1 AnerkennungsG) eine ausreichende Handhabung bieten.

7. Zu § 11 Abs. 2 der Regierungsvorlage:

Völlig verfehlt ist die Regelung im zweiten Satz des § 11 Abs. 2 des Entwurfes, womit – entgegen dem ausdrücklichen Begehren des Antragstellers – Anträge auf Anerkennung plötzlich als völlig anders geartete Erklärungen, nämlich als Anträge gemäß § 3 des Entwurfes, behandelt werden sollen. Dies ist völlig unsachlich und widerspricht darüber hinaus Art. 11 Abs. 2 B-VG, da eine derartige Regelung dem AVG völlig fremd ist, zumal sie in die Parteienautonomie eingreift. Die Kultusbehörde möchte durch diese völlig verfehlte Regelung offenbar vermeiden, über die vorliegenden Anerkennungsanträge formal entscheiden zu müssen, was eine Anfechtung dieser Entscheidungen und Überprüfung der Verfassungs­konformität des Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof ermöglichen würde. Dies stellt einen eklatanten Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip der Verfassung dar.

Völlig unverständlich ist auch, weshalb ein bereits seit Jahrzehnten unerledigt gebliebener Anerkennungs­antrag plötzlich erst mit dem Tag des Inkraftretens des Gesetzes eine Umdeutung erfahren soll, zumal die Behörde wohl in der Vergangenheit ausreichend Zeit hatte, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.

8. Zu § 11 Abs. 3 der Regierungsvorlage:

Diese Bestimmung stellt sich als ein punktuelles Maßnahmengesetz aus Anlaß eines konkreten beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahrens (B 2287/97) dar, durch welche verhindert werden soll, daß der Verfassungsgerichtshof nach 120 Jahren erstmals die Möglichkeit erhält, die Verfassungs­mäßigkeit des AnerkennungsG und der Vollziehung dieses Gesetzes durch die Behörde zu überprüfen. Es liegt nicht nur eine Desavouierung des Verfassungsgerichtshofes vor, sondern eine eklatante Verletzung des rechtsstaatlichen Prinzips sowie der verfassungsgesetzlich vorgesehenen Gewaltentrennung.”

Das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten übermittelte dazu folgendes Schreiben:

“Der Antrag wurde eingebracht, um im Zuge der parlamentarischen Beratungen grund- und verfassungs­rechtliche Aspekte breit zu diskutieren. Diese verfassungsrechtlichen Fragen wurde im Rahmen der parlamentarischen Behandlung auch ausführlich erörtert und die Regierungsvorlage, welche den Gegenstand der Petition darstellt, im Nationalrat beschlossen (BGBl. I Nr. 19/1998).

Es darf darauf hingewiesen werden, daß verfassungsrechtliche Bedenken bzw. Grundrechtswidrigkeiten nur mehr in einem Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art. 140 B-VG vor dem VfGH geltend gemacht werden können, wobei eine entsprechende Beschwerdelegitimation gegeben sein muß.”

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wies zu der gegenständlichen Petition Nr. 34 darauf hin, “daß die den Gegenstand dieser Petition bildende Regierungsvorlage in der Zwischenzeit zu einer Beschluß­fassung des Nationalrates geführt hat (BGBl. I Nr. 19/1998), sodaß die vorliegende Petition inhaltlich obsolet geworden sein dürfte.”

Bereits mit Schreiben vom 11. Dezember 1997 übermittelte die Volksanwaltschaft folgende Stellung­nahme:

“Die Problematik der Säumnis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst bei der gesetzlichen Anerkennung von Religionsgesellschaften war im Jahre 1992 Gegenstand einer Beschwerde bei der Volksanwaltschaft (VA 50-UK/92).

Im Siebzehnten und Neunzehnten Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat hat die Volksanwalt­schaft auf die unbefriedigende Situation, die durch die divergierende Rechtsprechung von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof zur Frage der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemein­schaften gegeben war, hingewiesen und die gesetzliche Verankerung eines Anspruches auf individuelle Durchsetzung bei negativer Beurteilung der Anerkennungsvoraussetzungen durch das Kultusamt ange­regt. Diese Anregung hat die Volksanwaltschaft auch im Zwanzigsten Bericht an den Nationalrat wiederholt.”

Einstimmiger Beschluß in der Sitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 35

überreicht von den Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Dr. Harald Ofner betreffend “Schutz der Pensionen”

Die vorliegende Petition, mit welcher ein Anliegen des Österreichischen Seniorenringes aufgegriffen wurde, fordert den Entwurf eines Verfassungsgesetzes zum Schutz der Pensionen. Weiter wörtlich:

“Die österreichische Bundesregierung hat als Ergebnis der Klausur von Rust eine umfassende und einschneidende Pensionsreform angekündigt, die im Ergebnis deutliche Kürzungen der Pensions­leistungen und eine weitere Verringerung der jährlichen Pensionsanpassung bedeuten würde. Insbe­sondere von den angekündigten weiteren Verschlechterungen der Anpassung und der erkennbaren Absicht, durch die Pensionsreform bereits die Budgets der nächsten Jahre deutlich zu entlasten, sind alle Bezieher von Altersversorgungsleistungen und diejenigen, die bereits kurz vor dem Ruhestand stehen, stark verunsichert.

Die Unterzeichner meinen, daß ein wesentlicher Teil des Generationenvertrages die Sicherheit ist, mit den Personen, die ihr Leben lang für die Versorgung der Großeltern- und Elterngeneration Beiträge bezahlt haben, davon ausgehen können, selbst eine Altersversorgung zu erhalten, die den Regelungen entspricht, die im letzten Drittel ihres Arbeitslebens (also in einem Zeitraum, in dem Eigenvorsorge nur mehr sehr beschränkt möglich ist) gegolten haben. Ebenso müssen alle, die schon eine Ruhestandsleistung beziehen, sicher sein können, daß diese Leistung nicht durch eine unter der Inflationsrate liegende Anpassung sukzessive in ihrer Kaufkraft schwindet, also wertmäßig verringert wird. Die Unterzeichner halten es daher angesichts der angekündigten drastischen Reformen im Pensionsrecht für erforderlich, für die­jenigen, die schon eine Altersvorsorgungsleistung erhalten oder in den nächsten Jahren in den Ruhestand treten, eine garantierte Beibehaltung der gewährten Leistung und zumindest für alle Bezieher niedriger und mittlerer Leistungen eine Anpassung mindestens mit der Inflationsrate zu garantieren.

Die Unterzeichner fordern daher mit nachstehender

Petition

den Nationalrat auf:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat umgehend den Entwurf eines Verfassungsgesetzes zum Schutz der Pensionen zuzuleiten, mit dem

           1. die zuerkannten Leistungen sowie die erworbenen Anwartschaftsrechte jener, die bereits einen Großteil ihrer Lebensarbeitszeit hinter sich gebracht haben und ihre Beitragsleistungen nach dem bestehenden System erbracht haben und

           2. eine mindestens der Inflationsrate entsprechende jährliche Anpassung zumindest für alle, die nur niedrige und mittlere Leistungen erhalten

garantiert werden.

Durch Jahrzehnte zahlen Menschen für ihre Pension ein, tragen Frauen die Doppelbelastung von Beruf und Haushalt. Nun will die Regierung die Pensionsansprüche kürzen, indem sie den Durchrechnungszeit­raum verlängert. Setzt man statt der besten 15 die besten 20 Jahre ein, um die Pension zu berechnen, so heißt das: fünf schlechtere Jahre fließen in die Berechnungsgrundlage für die Pension ein. Das bedeutet, daß die Pension geringer wird. Dies trifft alle jene hart, die ein wechselndes Schicksal zu erleiden hatten und daher oft auch schlechter verdient haben. Besonders gilt dies aber für Frauen, wenn sie sich ihren Familien und Kindern gewidmet haben und daher kaum 20 Jahre mit guter Beitragsgrundlage erreichen.

Die Unterzeichneten fordern daher:

           1. Wohlerworbene Rechte der Pensionisten und jener, die jahrzehntelang für ihre Pension gezahlt haben, sind zu wahren und verfassungsrechtlich zu sichern.

           2. Die Anpassung des Pensionsalters der Frauen an jenes der Männer darf nur in der Form erfolgen, daß dabei die Kindererziehungszeiten pensionsbegründend angerechnet werden.

           3. Durchrechnungszeiträume dürfen nicht erhöht werden, da dadurch gerade Frauen – die vielfach teilzeitbeschäftigt und geringfügig beschäftigt sind – benachteiligt würden.”

Zu der gegenständlichen Petition nahm das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst im Schreiben vom 6. Juli 1998 wie folgt Stellung:

“Zum ersten Punkt der Petition:

In diesem Punkt wird die Forderung erhoben, durch ein ,Verfassungsgesetz zum Schutz der Pensionen‘ zuerkannte Leistungen sowie erworbene Anwartschaftsrechte zu garantieren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 12.186/1989, VfSlg. 12.732/1991, VfGH 13. Juni 1997, B 4870/96) unter anderem können gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitsgrundsatz in Konflikt geraten, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten. Dies gilt insbesondere, wenn die Normunterworfenen im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage bereits Dispositionen getroffen haben und sich nunmehr mit erheblichen Eingriffen konfrontiert sehen und nicht mehr auf die geänderte Rechtslage einstellen können. Diese Rechtsprechung ist somit insbesondere in Bereichen relevant, die von langfristigen Dispositionen abhängig sind, wie etwa für das Pensionsrecht. Auch in diesem Fall mißt der Verfassungsgerichtshof gesetzliche Regelungen, die in Pensionsansprüche mindernd eingreifen, am Gleichheitsgrundsatz. Weiters gilt zu sagen, daß nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an sich sachliche Zielsetzungen (etwa die Entlastung des Bundeshaushaltes oder die Schaffung von Arbeitsplätzen) Eingriffe nicht jedweder Art und jedweder Intensität in erworbene Rechtspositionen ermöglichen.

Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings auch ausgesprochen, daß Eingriffe in erworbene Rechtsposi­tionen durch Übergangsvorschriften gemildert würden (vgl. etwa VfSlg. 12.568/1990). Was die Dauer derartiger Übergangsvorschriften betrifft, so kann keine generelle Aussage getroffen werden, man wird jedoch annehmen dürfen, daß eine Proportionalität zwischen der Intensität des Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition und der Länge der Übergangsvorschrift besteht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof für den Gesetzgeber als ,bewegliches System‘ dar, die einerseits erworbene Rechtspositionen (wie etwa Anwart­schaften) vor plötzlichen und erheblichen Eingriffen schützt, andererseits dem Gesetzgeber aber auch einen Gestaltungsspielraum offen läßt, Änderungen vorzunehmen.

Was nun die Schaffung eines Bundesverfassungsgesetzes zum Schutze der Pensionen betrifft, ist vom Standpunkt des Verfassungsrechtes auszuführen, daß ein derartiges Bundesverfassungsgesetz im wesent­lichen keine über die dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Vertrauensschutz hinausgehende Bedeutung haben würde. Hinzuzufügen ist, daß im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1998, G 363/97 ua., auch der verfassungsrechtliche Eigentums­schutz zum Schutz der hier in Rede stehenden Aussprüche ins Treffen geführt werden kann.

Zur zweiten Forderung der Petition:

Was die Forderung betrifft, durch Bundesverfassungsgesetz eine jährliche Pensionsanpassung um minde­stens die Inflationsrate vorzusehen, weist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst darauf hin, daß es sich hierbei um eine verfassungspolitische Frage handelt, die dieses nicht zu beantworten vermag.”

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übermittelte mit Schreiben vom 11. August 1998 folgende Stellungnahme:

“I. Zur an den Nationalrat gerichteten ,Petition zum Schutz der Pensionen‘:

Zu Punkt 1 (Entwurf eines Verfassungsgesetzes zum Schutz zuerkannter Leistungen sowie erwor­bener Anwartschaftsrechte jener, die bereits einen Großteil ihrer Lebensarbeitszeit hinter sich gebracht haben und ihre Beitragsleistungen nach dem bestehenden System erbracht haben):

Die österreichische Bundesverfassung kennt grundsätzlich kein Verbot für den einfachen Gesetzgeber, in bestehende Rechte und Anwartschaften auf Leistungen der sozialen Sicherheit einzugreifen. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß es keinen verfassungsrechtlichen Schutz sogenannte ,wohlerworbener Rechte‘ gebe.

Dennoch ist der Einzelne durch verfassungsgesetzlich gewährte Grundrechte, insbesondere durch den sogenannten ,Gleichheitssatz‘ sowie durch das Gebot des ,Vertrauensschutzes‘, im Einzelfall in seinen Ansprüchen und Anwartschaften vor Eingriffen durch den Gesetzgeber geschützt. Eine Schmälerung von bestehenden Ansprüchen und Anwartschaften auf Leistungen der sozialen Sicherheit kann daher zwar nicht infolge Verletzung einer spezifischen Norm, die dies verbietet, wohl aber infolge Verletzung allgemeiner Rechte im Verfassungsrang unzulässig sein.

Jeder Eingriff in wohlerworbene Rechte bedarf einer ausreichenden sachlichen Begründung. Diese muß dann besonders überzeugend sein, wenn der gesetzgeberische Eingriff in Anwartschaften und Ansprüche erfolgt, die auf einer jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu einem Sicherungssystem beruhen. Die bei den langjährig Zugehörigen zu einer bestimmten Pensionsregelung entstandenen Erwartungen dürfen nicht durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen des Gesetzgebers (wesentlich) beein­trächtigt werden, weil sich diese Personen nachträglich meist nicht mehr auf die geänderten Umstände einstellen können.

Gesetzgeberische Eingriffe in langfristige Anwartschaften und in bereits entstandene Ansprüche aus Sicherungssystemen sind also nicht unzulässig; sie bedürfen aber einer besonderen sachlichen Begrün­dung und/oder dürfen nicht plötzlicher Art sein. Selbst ein an sich legitimes Motiv des Gesetzgebers kann nicht jedwede Art eines gesetzgeberischen Eingriffs in jedweder Intensität rechtfertigen.

Der Verfassungsgerichtshof bekennt sich zu einer Abgrenzung, die offenbar mehrere Aspekte zu berück­sichtigen hat:

Welche Bedeutung und Dringlichkeit kommt dem durch den Eingriff verfolgten Ziel zu? Wie hart trifft der Eingriff den Pensionisten oder den langjährig einem Sicherungssystem Zugehörigen? In Durch­führung dieser Abwägung ist insbesondere zu prüfen, ob der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck

           a) durch diesen Eingriff überhaupt oder

          b) auch durch schonendere Mittel

erreicht werden kann. Die hiebei vorzunehmenden Bewertungen lassen dem Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Entscheidungsspielraum.

Die Novellen zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und zu den Parallelgesetzen enthalten regel­mäßig umfassende Übergangsbestimmungen, sodaß eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährlei­steter Rechte weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Zu Punkt 2 (Entwurf eines Verfassungsgesetzes, welches eine mindestens der Inflationsrate entspre­chende jährliche Anpassung zumindest für alle, die nur niedrige und mittlere Leistungen erhalten, garantiert):

Die im Rahmen der 51. Novelle zum ASVG eingeführte sogenannte Nettoanpassung nimmt erstmalig auch Bezug auf die Entwicklung der Verbraucherpreise.

§ 108d Abs. 1 ASVG normiert, daß bei der Berechnung des für die Festsetzung des Anpassungsfaktors maßgebenden Anpassungsrichtwertes auch die Inflationsrate als Untergrenze eingeht; die Festsetzung des Anpassungsfaktors kann allerdings vom berechneten Anpassungsrichtwert abweichen – insofern muß die Pensionsanpassung nicht zwingend dem Verbraucherpreisindex folgen. Auch die Berücksichtigung einer allenfalls niedrigeren Steigerung der Bruttoeinkommen findet gemäß § 108d Abs. 1 ASVG bei der Berechnung des Anpassungsrichtwertes Eingang.

Eine automatische Festsetzung der Pensionsanpassung mit einem der erwähnten Faktoren (Verbraucher­preisindex, Bruttolohnsteigerung) ist damit allerdings nicht verbunden, da das System der Nettoanpassung andere Faktoren mit in Betracht zieht und zudem dem Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum im Sinne einer Bandbreitenregelung eröffnet hat.

Insofern ist die in Punkt 2 erhobene Forderung zwar in das System der Nettoanpassung integriert, dies führt aber nicht zwangsläufig zu den geforderten Anpassungen.

II. zur ,Petition an die Bundesregierung‘:

Zu Punkt 1 (Sicherung wohlerworbener Rechte):

Siehe dazu Punkt I/1.

Zu Punkt 2 (Anrechnung von Kindererziehungszeiten):

Zeiten der Erziehung eines Kindes werden bereits nach derzeitiger Rechtslage pensionsbegründend und -erhöhend berücksichtigt:

Gemäß § 227a ASVG werden jeweils 48 Monate (vier Jahre) pro Kind, beginnend jeweils von der Geburt des letztgeborenen Kindes, als Ersatzzeit angerechnet. Diesen Zeiten wird eine einheitliche Bemessungs­grundlage (Wert 1998: 6 586 S) zugrunde gelegt. Diese einheitliche Bemessungsgrundlage ist jedes Jahr mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Als spezifische Ausgleichsmaßnahmen zur Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes (siehe dazu unten Punkt 3) wird diese einheitliche Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung mit Wirkung ab 1. Jänner 2000 durch Koppelung an den Ausgleichszulagen­richtsatz für Alleinstehende (Wert 1998: 7 992 S) deutlich erhöht.

Überschneiden sich Zeiten der Kindererziehung und andere Beitragsmonate, wird für diese sich über­schneidenden Zeiten die normale Bemessungsgrundlage und die einheitliche Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung zusammengezählt. Durch diese Regelung wird bewirkt, daß auch bei Versicherten, die während der Kindererziehung einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, die Kinder­erziehungszeit leistungssteigernd berücksichtigt wird.

Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist grundsätzlich jener Person zu gewähren, die das Kind erzogen hat. Anspruch besteht jeweils nur für eine Person. Die Reihenfolge ist im Gesetz festgelegt: danach hat die Person, die Karenzgeld bezieht bzw. bezogen hat, den Vorrang. Für den Fall, daß kein Karenzgeld bezogen wurde oder beiden Elternteilen Karenzgeld zugestanden ist, steht der Anspruch der weiblichen Versicherten zu, die jedoch zugunsten des Mannes darauf verzichten kann.

Zu Punkt 3 (Keine Erhöhung von Durchrechnungszeiträumen):

Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2003 wird der Pensionsbemessungszeitraum gemäß § 238 ASVG schritt­weise von derzeit 15 Jahre auf maximal 18 Jahre erhöht, wobei das genaue Ausmaß der Erhöhung vom jeweiligen Zeitpunkt des Pensionsantrittes vor dem Regelpensionsalter abhängt. Für Versicherte, die erst zum gesetzlichen Regelpensionsalter (Frauen: 60, Männer: 65) in den Ruhestand treten, werden somit weiterhin die besten 15 Jahre zur Pensionsberechnung herangezogen.

Auch hier sorgen großzügige Übergangsbestimmungen für die Vermeidung sozialer Härten:

Gemäß § 572 Abs. 10 ASVG erfolgt die Erhöhung des Durchrechnungszeitraumes für Versicherungsfälle, in denen der Stichtag nach dem 31. Dezember 2002 liegt, zunächst schrittweise um zwei Versiche­rungsmonate pro Jahr. Das höchstmögliche Ausmaß von 216 Versicherungsmonaten wird somit erst im Jahr 2020 erreicht. Selbstverständlich bleiben einmal zuerkannte Pensionen von späteren Erhöhungen des Durchrechnungszeitraumes unberührt.

Gemäß § 572 Abs. 10a ASVG ist bei Pensionen mit Stichtag nach dem 31. Dezember 2002 und vor dem 1. Jänner 2020 zusätzlich eine Vergleichsrechnung mit der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Methode der Pensionsberechnung anzustellen (15 besten Jahre), wobei die nach den neuen Regeln zu ermittelnde Pensionshöhe nur bis zu gewissen Höchstgrenzen von der alten Rechtslage abweichen darf (sogenannte ,Deckelung‘).

Die Erhöhung des Durchrechnungszeitraumes ist für den weiteren Bestand der gesetzlichen Pensionsver­sicherung unbedingt notwendig und insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der intergenerativen Gerechtigkeit ein unverzichtbarer Bestandteil des Pensionskonzeptes 2000 der Bundesregierung.”

Beschluß mit Stimmenmehrheit in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 36

überreicht vom Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend “Abschaffung aller Tier­versuche”

Die erwähnte Petition hat folgendes Anliegen der Helene Klotz zum Inhalt:

“Immer wieder protestieren Menschen gegen den Mißbrauch von Tieren für die sinnlosen Tierversuche. Jeder, der nur ein wenig informiert ist, weiß, daß – wie im Conterganprozeß von zwei Wissenschaftlern unter Eid ausgesagt wurde – die Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf Menschen übertragbar sind. Darum ist der Menschenversuch gesetzlich vorgeschrieben, wobei es auf Grund der falschen Ein­schätzung schon zahlreiche Todesopfer gegeben hat.

In der Liste der E-Nummern ist angeführt, welche Schäden die Substanzen, die sich dahinter verbergen, in den Tierversuchen angerichtet haben. Trotzdem sind sie in den Lebensmitteln enthalten. Formaldehyd, das im Tierversuch Krebs hervorgerufen hat, findet in der Möbelindustrie weiterhin Verwendung, wie die Erzeuger der Meinung sind, weil es bei Ratten Schäden verursacht hat, muß es nicht auch beim Menschen so sein.

Schon 1989 hat bei einer Fachtagung in Linz der Richter Dr. Wolfgang Kossak vom OLG Linz (welche Funktion mag er wohl bei der Pharmaindustrie haben?) verkündet, daß Tierversuche unabdingbar sind für Ärzte, Pharmafirmen und Spitalserhalter, die sonst mit teuren Schadenersatzprozessen rechnen müßten. Und das ist der einzige Grund für Tierversuche, nämlich sich von der Produkthaftung zu drücken! Die Erzeuger krankmachender Medikamente werden nicht verurteilt, weil ,alles im Tierversuch getestet ist, wie es der Gesetzgeber vorschreibt‘. Jeder, der etwas erzeugt, hat die Haftung für sein Produkt. Nur wo es um unsere Gesundheit geht, gibt es keine Produkthaftung. Gibt das nicht endlich zu denken?

Vielleicht gelingt es Ihnen, dazu beizutragen, daß die vielen Ersatzmethoden, die eine ehrliche Aussage­kraft für Menschen haben, endlich angewandt werden.”

Der Petition waren 11 527 Unterschriften gegen Tierversuche sowie 601 Unterschriften für eine tier­versuchsfreie Universität Graz beigelegt.

Den Unterschriften betreffend Abschaffung aller Tierversuche war folgendes Schreiben beigefügt:

“An alle involvierten Minister Österreichs!

Wir, die Unterzeichneten, treten für die sofortige Abschaffung aller Tierversuche ein und fordern die Änderung diesbezüglich gesetzlicher Bestimmungen. Bestimmungen, die unendliches Leid für die Tiere mit sich bringen!

Insbesondere ein generelles (ohne jegliche Ausnahmeregelungen) Verbot aller Toxizitäts- und Draize-Tests, welche einer Massenexekution von Wehrlosen gleichkommt!

Dies nicht nur aus moralischen, sondern auch aus methodenkritischen Gründen. Aufgrund der anatomischen, physiologischen, psychischen, metabolischen, biorhythmischen Verschiedenartigkeit von Mensch und Tier sind Ergebnisse aus Tierversuchen für die Humanmedizin nicht verwendbar und sogar schädlich!

Unzählige Arzneimittelkatastrophen (Phenylbutazon, Suloctidil, Phenacetin, Metamizol, Nomifensin, Diphesatin, Tambocor …) und der katastrophale, globale Zustand der Umwelt sind der stichhaltige und unwiderlegbare Beweise dafür!

Wir brauchen und wünschen uns eine ursachen- und patientenbezogene Forschungs- und Behandlungs­methode, aber keine Veterinärmedizin für Menschen, die akute Symptome durch chronische Krankheiten existiert. Nutznießer dieses kostenintensiven Systems sind nicht wir – um die es da angeblich geht – sondern die chemisch-pharmazeutische Industrie!”

Den Unterschriften betreffend eine tierversuchsfreie Universität Graz war folgendes Schreiben beigefügt:

“Mit Bestürzung mußten wir erfahren, daß das Ziel, eine Universität in Österreich zu haben, die aus­schließlich tierversuchsfreie Methoden in der wissenschaftliche Forschung anwendet, von seiten des Wissenschaftsministeriums sowie des Nationalrates verhindert wurde!

Tierversuche sind nicht nur aus moralischen Gründen abzulehnen, sie sind auch keinesfalls auf Menschen übertragbar! Sie stellen zudem ein unkalkulierbares Risiko für uns Menschen dar, da die Verschieden­artigkeit von Mensch und Tier auf Grund der anatomischen, physiologischen, psychischen, metabo­lischen, biorhytmischen Unterschiede … zu groß sind!

Laut TVG 1988, § 17, FÖRDERUNG VON ERSATZMETHODEN, heißt es:

§ 17. Die gemäß § 1 zuständigen Bundesminister haben nach Maßgabe des jeweiligen Bundesfinanz­gesetzes unter Bedachtnahme auf den Stand der Wissenschaft die Ausarbeitung anderer Methoden und Verfahren (Ersatzmethoden) im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 2 zu fördern. Dabei soll angestrebt werden, wissenschaftlich aussagefähige Ersatzmethoden zu entwickeln, die eine Verringerung der Anzahl oder der Belastung der Versuchstiere ermöglichen oder Tierversuche überhaupt ent­behrlich machen.

Wir fordern hiermit, daß endlich tierversuchsfreie Methoden – unserer Sicherheit zuliebe – angewendet werden und bitten Sie hiermit, die Abgeordneten sowie die Mitglieder der Bundesregierung dahingehend zu informieren. Vielen Dank im voraus!”

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gab zu dieser Petition folgende Stellung­nahme ab:

“Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ist mit der Vollziehung des Tierversuchs­gesetzes 1988, BGBl. Nr. 501, lediglich in Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie betraut.

Grundsätzlich ist auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten der Ansicht, daß Tier­versuche nur im absolut notwendigen Ausmaß durchgeführt werden sollen. Der gänzlichen Abschaffung von Tierversuchen stehen jedoch wirtschafts-, gesundheits- und umweltpolitische sowie rechtliche Hindernisse entgegen.

Standortpolitischer Nachteil: Abweichen von internationalen Zulassungsstandards, Notwendigkeit der mehrfachen Antragstellung:

Durch ein Verbot von Tierversuchen würde Österreich von den international üblichen Zulassungsbestim­mungen abweichen. Erzeuger der im Gegenstand interessierenden Produkte müßten beispielsweise für den österreichischen Markt nach den (abweichenden) österreichischen Bestimmungen, für den US-Markt hingegen nach den Bestimmungen der US-Food and Drug Administration (FDA) erneut um Zulassung ansuchen. Nach den Zulassungsbestimmungen der FDA sind Tierversuche zum Nachweis der notwen­digen Ergebnisse ausdrücklich und verpflichtend gefordert, sodaß den Antragstellern das Nachreichen von Tierversuchsergebnissen und die dadurch bedingten zeitlichen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten nicht erspart bleiben.

Die verpflichtenden Tierversuche würden in anderen Staaten durchgeführt werden, sodaß durch das österreichische Verbot Tierversuche im Ergebnis nicht verhindert werden könnten.

Auf Grund der zumeist großen Produktinvestitionen und der finanziell sehr aufwendigen Zulassungs­verfahren ist nicht anzunehmen, daß die Zulassung nur für den (verhältnismäßig kleinen) österreichischen Markt für technologie- und forschungsintensive Unternehmen wirtschaftlich rentabel ist.

Aus industrie- und standortpolitischer Sicht birgt diese Konsequenz die Gefahr in sich, daß sowohl die Erzeugung solcher Produkte als auch die für solche Zulassungen notwendigen Forschungsarbeiten nicht mehr in Österreich erfolgen, sondern gleich in Staaten mit einer attraktiven Marktgröße verlagert werden.

Maßnahmen zur Beschränkung von Tierversuchen auf das notwendige Mindestmaß:

Nach den derzeit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wurde bereits alles unternommen, um die Anzahl der Tierversuche auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Auf EU-Ebene werden seit dem Jahre 1967 die Stoffe nach gefährlichen Eigenschaften klassifiziert und Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen. Grundlage dafür bieten die Vorschriften über die Stoff­prüfungen (Prüfmethoden) des Anhangs V (Regierungsvorlage 67/548/EWG) zur Stoffrichtlinie:

A. Für bereits existierende und geprüfte Chemikalien sind keine Tierversuche notwendig.

B. Für neue Stoffe ist ein Anmeldesystem mit Pflicht zur Vorlage von Prüfungsunterlagen vorgesehen. Dabei sollen nicht notwendige Mehrfachprüfungen (Tierversuche) zur Feststellung des Gefahrens­potentials vermieden werden. Dies wird realisiert, indem ua.

     –   eine wechselseitige Anerkennung der Prüfergebnisse in der Gemeinschaft festgeschrieben wurde,

     –   für einen Folgemelder die Verpflichtung entsteht, bei der Anmeldebehörde zwecks Vermeidung von Tierversuchen Auskünfte darüber einzuholen, ob bereits in der Gemeinschaft Ergebnisse aus Tierversuchen vorliegen.

     –   ein ausdrückliches, strafbedrohtes Verbot von Mehrfachtierversuchen festgeschrieben wurde.

Weiters bestehen hinsichtlich einiger Produktbereiche bereits EG-Regelungen über das Verbot von Tier­versuchen. Mangels anerkannter Ersatzmethoden ist ein solches Verbot aus den zuvor genannten Gründen allerdings durchführbar, weshalb auch die relevanten EG-Bestimmungen noch nicht in Kraft gesetzt werden konnten. Solange daher keine Ersatzmethoden zum Tierversuch von der EU oder der OECD anerkannt sind, wird es keine tierversuchsfreien Prüfungen geben.”

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr übermittelte folgende Stellungnahme:

“Im Zusammenhang mit einer Stellungnahme zur gegenständlichen Petition Nr. 36 betreffend ,Abschaf­fung aller Tierversuche‘ überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic darf zunächst einmal auf die Beantwortung von parlamentarischen Anfragen der letzten Jahre betreffend ,Tierversuche‘, insbesondere auch gestellt von Frau Abgeordneter MMag. Dr. Petrovic (so zB Nr. 1147/J-NR/1995 oder Nr. 1894/J-NR/1995), die parlamentarischen Beratungen zu dem Antrag 40/A(E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Einrichtung einer tierversuchsfreien For­schungsstätte an der Karl-Franzens-Universität Graz (siehe hiezu auch 570 der Beilagen zu den Sten.Prot. d. NR XX.GP) sowie auch auf diverse Informationen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, jetzt: Wissenschaft und Verkehr zu Angelegenheiten der ,Tierversuche‘ und zu Ersatz­methoden zum Tierversuch hingewiesen werden.

Sachlich unrichtig und unbegründet ist die in der Petition im ersten Absatz enthaltene Feststellung, ,daß das Ziel, eine Universität in Österreich zu haben, die ausschließlich tierversuchsfreie Methoden in der wissenschaftlichen Forschung anwendet, von seiten des Wissenschaftsministeriums sowie des National­rates verhindert wurde!‘ Wie schon anläßlich der Diskussion um ,eine tierversuchsfreie Universität Graz‘ ausführlich dargestellt (siehe zB Unterausschuß bzw. Ausschuß für Wissenschaft und Forschung des Nationalrates in seiner Sitzung am 16. September 1997 und den Entschließungsantrag XX.GP.-NR 40/A(E) vom 31. Jänner 1996 der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend Einrichtung einer tierversuchsfreien Forschungsstätte an der Karl-Franzens-Universität Graz), diskutiert und festgestellt wurde, ist eine ,Universität, die ausschließlich tierversuchsfreie Methoden in der wissenschaftlichen Forschung anwendet‘, nach dem Stand der Wissenschaften jedenfalls derzeit nicht realisierbar, noch vom Standpunkt von Wissenschaft und Forschung vertretbar.

Tierversuche sind – wie schon oftmals dargestellt – bekanntlich auf wissenschaftlicher Grundlage und unter den strengen Bestimmungen des Tierversuchsgesetzes, Versuche am sogenannten ,biologischen Modell‘. Tatsache ist weiters, daß Tierversuche nur einen Baustein im Rahmen einer wissenschaftlichen Entwicklung bedeuten und dieser wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung zahllose Fortschritte im Interesse der Gesundheit von Mensch und Tier zu verdanken sind.

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Tatsache ist aber auch und sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß in allen Wissen­schaftsbereichen heute große Anstrengungen unternommen werden, sogenannte Alternativ- und Ersatz­methoden überall dort zur Anwendung zu bringen, wo dies nach dem Stand der Wissenschaften möglich ist.

Diese Zielsetzung wird auch ausdrücklich durch die österreichische Tierversuchsgesetzgebung normiert und in seiner Umsetzung verfolgt, wonach Tierversuche nur unter den sehr eingeschränkten Voraus­setzungen des Tierversuchsgesetzes (siehe hiezu § 3 Tierversuchsgesetz: ,Zulässigkeit von Tier­versuchen‘) und insbesondere auch nur dann zulässig sind, wenn die angestrebten Versuchsziele nicht durch andere Methoden und Verfahren bzw. in den Fällen der beruflichen Ausbildung durch sonstige Lehrbehelfe, insbesondere durch Film und andere audiovisuelle Mittel erreicht werden können.

Tatsache ist weiters, daß insbesondere von den Wissenschaftern und Forschern selbst immer stärker für Alternativen zum Tierversuch, dh. für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch eingetreten wird, was auch vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr sehr unterstützt wird.

Zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch erfolgt im Sinne des § 17 Tierversuchsgesetz seit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes regelmäßig die Ausschreibung betreffend Ersatzmethoden sowie die Vergabe eines Staatspreises für Ersatzmethoden zum Tierversuch.

Durch die ,Ausschreibung betreffend Ersatzmethoden zum Tierversuch‘ wird gemäß § 17 des Tier­versuchsgesetzes unter Bedachtnahme auf den Stand der Wissenschaften zu Auftragsarbeiten oder Forschungsprojekten mit der Zielsetzung eingeladen, wissenschaftlich aussagefähige Ersatzmethoden zu entwickeln und/oder zu validieren, die eine Verringerung der Anzahl oder der Belastung der Versuchs­tiere ermöglichen oder Tierversuche überhaupt entbehrlich machen.

Seit 1990 wurden vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, jetzt Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr insgesamt 23 Forschungsaufträge mit einem Gesamtvolumen von 30,967 Millionen Schilling vergeben; derzeit vier Anträge für Forschungsprojekte mit einem Gesamt­volumen von etwa 3,877 Millionen Schilling in Begutachtung. Über Ergebnisse von Forschungsaufträgen zu Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch wird auch laufend in der Kommission gemäß § 13 Tierversuchsgesetz berichtet.

Durch die Ausschreibung und Vergabe eines Staatspreises für Ersatzmethoden zum Tierversuch werden alljährlich besondere Forschungsleistungen oder Ergebnisse, die diesen Zielsetzungen entsprechen, durch einen derartigen Staatspreis ausgezeichnet und gewürdigt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl der Tierversuche in Österreich im letzten Jahrzehnt um weit mehr als die Hälfte abgenommen hat und eine eindeutig sinkende Tendenz aufweist. Wie aus der zuletzt veröffentlichten Tierversuchsstatistik 1997 – veröffentlicht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung am 28. Juni 1998 (= jährlich für das Vorjahr zu veröffentlichende Statistik gemäß dem Tier­versuchsgesetz) hervorgeht, wurden 1997 insgesamt 168 696 Versuchstiere verwendet, dh. um mehr als 17 Prozent weniger als im Vorjahr 1996 (203 825). Gegenüber 1991 ist die Zahl der verwendeten Versuchstiere sogar bereits auf fast ein Drittel (!) reduziert; damals wurden noch 482 166 Versuchstiere verwendet.

Diese deutliche Reduktion der Zahlen bei den für Tierversuche verwendeten Tiere (vorwiegend Ratten und Mäuse) – Verringerung um 65% seit 1991 – ist auf wenigstens zwei miteinander in Verbindung stehenden Entwicklungslinien bei Tierversuchen zurückzuführen: Einmal auf die sogenannten ,Drei R‘, dh. auf ,Reducement‘ (Reduktion), ,Refinement‘ (Verbesserung der wissenschaftlichen Methoden) und ,Replacement‘ (Ersatz von Tierversuchen durch andere wissenschaftliche Methoden) bei Tierversuchen durch Wissenschafter, Forscher und wissenschaftliche Praktiker selbst, sowie die Bemühung – wo dies möglich ist – Ersatzmethoden zum Tierversuch zur Anwendung zu bringen. Zum zweiten auf eine restriktive Haltung aller zuständigen Behörden bei der Genehmigung von Tierversuchen auf Grund des strengen Tierversuchsgesetzes in Österreich, wonach – wie schon ausgeführt – Tierversuche nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig sind und ausdrücklich nur zu genehmigen sind, wenn die angestrebten Versuchsziele nicht durch andere Methoden und Verfahren (Ersatzmethoden) erreicht werden können.”

Beschluß mit Stimmenmehrheit in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 39

überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen “Für einen konsequenten Vollzug des strengen österreichischen Waffengesetzes”

Die erwähnte Petition, welche 90 000 Personen durch ihre Unterschrift unterstützt haben, hat folgenden Inhalt:

“Zur Zeit wird von mancher Seite in der Öffentlichkeit eine grundlegende Verschärfung des Waffenrechts gefordert. Hiebei wird übersehen, daß das neue, dem europäischen Recht entsprechende, in Teilbereichen sogar strengere österreichische Waffengesetz erst mit 1. Juli des Vorjahres in Kraft getreten ist. Eine weitere Verschärfung würde, wie jede Anlaßgesetzgebung, dazu beitragen, Waffenbesitzer und Waffen in die Illegalität zu treiben. Mit einem konsequenten Vollzug des geltenden Gesetzes könnte hingegen der öffentlichen Sicherheit ohne massive und sachlich ungerechtfertigte Eingriffe in bestehende Rechte gedient werden.

Diese Petition tritt dafür ein, daß das geltende Waffengesetz in allen Punkten umgesetzt und vor allem auch konsequent vollzogen wird. Insbesondere wird daher

–   eine sofortige Information aller Waffenbesitzer über die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung von Waffen und Munition,

–   der sofortige, planmäßige Kampf gegen illegale Waffen,

–   die konsequente Überprüfung von auffällig gewordenen Waffenbesitzern,

–   die Umsetzung des vom Waffenfachhandel gemachten Vorschlags eines verstärkten Angebots von Schulungskursen über den Umgang mit Waffen (,Waffenführerschein‘) gefordert.

Jede neuerliche Verschärfung des geltenden Waffengesetzes, insbesondere ein schon gefordertes Total­verbot von Waffen, wird ebenso abgelehnt, wie die Einführung einer ,Waffensteuer‘.”

Das Bundesministerium für Inneres nahm wie folgt Stellung:

“Die in der Petition zum Ausdruck gebrachten Anliegen decken sich weitgehend mit den Intentionen des Bundesministers für Inneres im Hinblick auf eine noch effektivere Vollziehung des Waffengesetzes 1996.

Zur Erreichung dieses Zieles ist beabsichtigt, eine Verordnung zu erlassen, mit der folgende Regelungen getroffen werden:

Eine Intensivierung der wechselseitigen Information zwischen den Waffenbehörden einerseits sowie den Waffenbehörden und Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes andererseites wird die Voraussetzung dafür schaffen, daß auf Verhaltensweisen von Waffenbesitzern, die auf Gewaltbereitschaft oder besonders sorglosen Umgang mit der Sicherheit anderer schließen lassen, rasch in geeigneter Weise reagiert werden kann.

Im Bereich der Belehrung über richtige Verwahrung oder Handhabung von Schußwaffen soll den ein­schlägig Gewerbetreibenden ein neues Betätigungsfeld eröffnet werden. Neben allgemeinen Regelungen über eine sichere Verwahrung wird der Rechtsanwender motiviert, freiwillig die Unterweisung durch einen Gewerbetreibenden in Anspruch zu nehmen.

Dem Anliegen, daß sich Waffenbesitzer einer Schulung im Umgang mit Schußwaffen unterziehen sollen, wird insoweit Rechnung getragen, als einem Betroffenen nahegelegt wird, den – im Zuge der Über­prüfung seiner Verläßlichkeit notwendigen – Nachweis für seine Kenntnisse in der sachgemäßen Hand­habung von Waffen in einer bestimmten Form zu führen, nämlich durch die Bestätigung eines einschlägig Gewerbetreibenden, daß er eine entsprechende Schulung absolviert hat (,Waffenführerschein‘).

Unter Mitwirkung des Waffenhandels wird dabei folgende Vorgangsweise angestrebt: Bei erstmaliger Prüfung der Verläßlichkeit (= Antragstellung) absolviert der Betroffene eine allgemeine Grundschulung, bei jeder nachfolgenden Verläßlichkeitsprüfung wird er den sachgemäßen Umgang mit seiner Waffe unter Beweis zu stellen haben. Diese Schulungen werden neben theoretischen Unterweisungen über tech­nische Details auch praktische Übungen einschließlich der Abgabe von scharfen Schüssen umfassen müssen.

Soweit die ,Bekämpfung illegaler Waffen‘, das sind Waffen, für die dem Eigentümer die waffenrechtliche Bewilligung fehlt, mit Mitteln des Waffengesetzes überhaupt zielführend ist, richten sich die Bemühungen des Bundesministers für Inneres in erster Linie auf die vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten zur Legalisierung nicht gemeldeter Schußwaffen (,Goldene Brücke‘). Betroffene sollen auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht und dabei angeleitet werden. Darüber hinaus bleibt die Bekämpfung illegaler Waffen, insbesondere des Handels mit ihnen, eine Aufgabe der Sicherheits- und Kriminalpolizei, bei der die Effektivität der Maßnahmen wesentlich von einer engen internationalen Zusammenarbeit der Sicher­heitsbehörden abhängt. Dies kommt auch durch das von Schengener Gremien ins Leben gerufene Projekt ,Illegaler Waffenhandel‘ zum Ausdruck, das unter intensiver Mtiarbeit von Vertretern des Bundes­ministeriums für Inneres vorangetrieben wird.”

Einstimmiger Beschluß in der Sitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 43

überreicht vom Abgeordneten Karlheinz Kopf betreffend “Novelle zum Berggesetz”

Mit der gegenständlichen Petition überreichte der Abgeordnete Karlheinz Kopf ein Anliegen des Standes Montafon dem Präsidenten des Nationalrates mit folgendem Wortlaut:

“Die Bürgermeister der zehn Montafoner Gemeinden (Standesvertretung) haben in der Sitzung am 17. März 1998 einstimmig nachstehende Petition beschlossen und bitten Sie, diese dem Österreichischen Parlament zur Beschlußfassung vorzulegen.

Antrag

an das Österreichische Parlament zur Beschlußfassung:

An die Bundesregierung und an die im Parlament vertretenen Parteien wird das dringende Ersuchen gerichtet, das Berggesetz 1975 dahingehend zu novellieren, daß

1.  die im § 5 Berggesetz geregelte Kompetenz für grundeigene mineralische Rohstoffe wie Schotter, Sand, Steine, Kies usw. in die Gewerbeordnung zurückgeführt wird (wie vor der Novelle 1990),

2.  das Bergrecht an die Gewerbeordnung angegliedert wird,

3.  angemessene – den Belästigungen angepaßte – Anrainerbestimmungen normiert werden,

4.  die Gemeinden eine echte Parteistellung erhalten,

5.  die Gemeinden eine Baubewilligung auch für Bergbauanlagen erteilen müssen und

6.  der Stand der Technik für derzeit bergrechtlich bewilligte Anlagen gesetzlich verankert wird.

Die geplante Novelle zum Berggesetz steht in krassem Widerspruch zu einer bürgernahen Verwaltung. Eine Nichtberücksichtigung der Flächenwidmungspläne der Gemeinden stellt einen nicht akzeptierbaren Eingriff in die Gemeindeautonomie dar. Eine Verlagerung der Zuständigkeit für die vor Ort benötigten Rohstoffe Sand, Kies, Steine und Schotter von der Bezirkshauptmannschaft zur Berghauptmannschaft Innsbruck ist mit keinerlei sachlichen Argumenten zu begründen.

Für Ihre Unterstützung unseres Anliegens bedanken wir uns im voraus und hoffen, daß mit ihrer Hilfe die Novellierung des Berggesetzes im Interesse einer bürgernahen Verwaltung im Sinne unseres Antrages vorgenommen wird.”

Die Volksanwaltschaft bezog zur Petition Nr. 43 wie folgt Stellung:

“Seit mit der Berggesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 355/1990, die Zuständigkeiten von der Gewerbe­behörde zur Bergbehörde verschoben wurden, sieht sich die Volksanwaltschaft immer wieder mit Beschwerden von Anrainern konfrontiert, die das Bergrecht als Instrumentarium zur Zurückdrängung ihrer nachbarlichen Interessen erleben. Aber auch Gemeinden artikulieren ihre Beschwerden dann, wenn eine durch die Änderung der Zuständigkeit bedingte Verschlechterung der Möglichkeiten ihrer Rechts­durchsetzung erlebt wird. Auffällig ist das intensive Bemühen der betroffenen Gemeinden in Richtung Verhinderung eines beabsichtigten Abbaues. Die Volksanwaltschaft hat in ihren Berichten an den österreichischen Nationalrat [Fünfzehnter Bericht der VA, Seite 143, Sechzehnter Bericht der VA, Seite 191, Bericht der VA (1993) an den Nationalrat, Seite 263 f, Bericht der VA 1995 an den österreichischen Nationalrat, Seite 140] Kritik an der bestehenden gesetzlichen Regelung geübt.

Die Volksanwaltschaft hat aber auch aus Anlaß des Entwurfes einer Berggesetz-Novelle 1998 im Begutachtungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben. Das diesbezügliche Schreiben der Volksanwalt­schaft an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Oktober des Vorjahres, Zl. VA 6100/9/97-Ha, darf ich Ihnen in Ablichtung zur Kenntnis bringen. Auch die Volksanwaltschaft fordert den Entfall des unzeitgemäßen Berggesetzes bei gleichzeitiger Unterordnung der maßgeblichen Sachverhalte unter die Gewerbeordnung.”

Dieser Stellungnahme war folgendes Schreiben an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegen­heiten beigelegt:

“Die Volksanwaltschaft erstattet aus Anlaß des vorliegenden Entwurfes einer Berggesetz-Novelle 1998 nachstehende Stellungnahme:

Ziele des Gesetzesvorhabens

Als Ziele dieses Gesetzesvorhabens werden Begriffe wie Harmonisierung der Bestimmungen des Berg­gesetzes mit der überörtlichen Raumordnung der Länder, Einbeziehung sämtlicher Rohstoffe in den Geltungsbereich des Berggesetzes, Einräumung einer umfassenden Parteistellung der Gemeinden, Ökolo­gisierung des Berggesetzes und umfassende Deregulierungen im Berggesetz genannt.

Allem voran sei angemerkt, daß ein Beibehalten der derzeitigen ineffizienten Zustände auch von der Volksanwaltschaft nicht gewünscht wird.

Die Volksanwaltschaft begrüßt daher grundsätzlich das Bestreben nach Verwaltungsentlastung und Ent­bürokratisierung. Die Bemühungen zur Ausweitung der Parteistellung und zur Harmonisierung des Berggesetzes mit der überörtlichen Raumordnung der Länder sind aus der Sicht der Volksanwaltschaft positiv hervorzuheben. Die Volksanwaltschaft bezweifelt allerdings, ob die Bergbehörde angesichts der Einbeziehung von weiteren derzeit vom Berggesetz noch nicht erfaßten grundeigenen mineralischen Rohstoffen in das Bergrechtsregime und angesichts der Stärkung der Parteienrechte in den Verfahren zur Genehmigung von Arbeitsprogrammen oder von Gewinnungsbetriebsplänen die gesteckten Ziele ohne Erhöhung des Sach- und Personalaufwandes wird erreichen können.

Kritik der Volksanwaltschaft

Schon im Sechzehnten Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat für das Jahr 1992, Seite 190 ff, kritisierte die Volksanwaltschaft die ex lege-Gewinnungsbewilligung nach § 238 Abs. 5 Berggesetz für den Abbau von mit der Berggesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 355/1990, neu hinzugekommenen grund­eigenen mineralischen Rohstoffen.

Obwohl diese Regelung auf seiten der Grundnachbarn auf völliges Unverständnis stieß, ist im vorliegenden Entwurf (§ 238a) im Hinblick auf die Einordnung der sonstigen mineralischen Rohstoffe unter die grundeigenen mineralischen Rohstoffe erneut eine solche rechtspolitisch bedenkliche Übergangsregelung enthalten.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach Auffassung der Volksanwaltschaft darüber hinaus auch nicht geeignet, die Akzeptanz der Bevölkerung und das Vertrauen der Bürger in das Bergrecht zu erhöhen. Aus der Sicht der Volksanwaltschaft wird das Bergrecht von den betroffenen Anrainern unverändert als Instrumentarium zur Zurückdrängung ihrer nachbarlichen Interessen erlebt. Auch der vorliegende Entwurf ändert nichts daran, daß das Bergrecht den modernen Anforderungen an Effizienz und Bürgernähe nicht gerecht wird.

Vorschlag der Volksanwaltschaft

Angesichts der massiven Kritik der Anrainer am Bergrecht bezweifelt die Volksanwaltschaft, ob der vorliegende Entwurf der Berggesetz-Novelle 1998 überhaupt dem Erfordernis einer zeitgemäßen, effizienten und bürgernahen Verwaltung wird gerecht werden können. Die Volksanwaltschaft bleibt daher bei ihrem schon im Bericht der Volksanwaltschaft an den österreichischen Nationalrat für das Jahr 1995, Seite 140, herangetragenen Vorschlag nach Entfall des unzeitgemäßen Berggesetzes bei gleichzeitiger Unterordnung der maßgeblichen Sachverhalte unter die Gewerbeordnung.

25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme werden auch dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.”

Die gegenständliche Petition wurde gemeinsam mit Petition Nr. 32 verhandelt.

Einstimmiger Beschluß in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Petition Nr. 47

überreicht vom Abgeordneten Franz Koller “zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Infrastruk­tur Obdachs die Umfahrungsvariante vom 15. Dezember 1983, BGBl. Nr. 7/1984, zu errichten”

Diese Petition hat folgenden Wortlaut:

“Die Unterzeichner ersuchen, zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Infrastruktur Obdachs, die Umfahrungsvariante vom 15. Dezember 1983, BGBl. Nr. 7/1984, zu errichten. Da die verordnete Variante vom 16. Dezember 1997, BGBl. Nr. 397/1997, eine wesentlich kostspieligere und aufwendigere Variante darstellt und eine wirtschaftliche Beeinträchtigung mit sich bringt, ist diese umgehend und ersatzlos einzustellen.

Die Petition stützt sich auf nachstehende Gründe:

Bereits seit Jahrzehnten wird am Bau der Umfahrung Obdach geplant. Die Variante von 1983 wurde von den Beteiligten grundsätzlich als positiv bewertet, da einerseits die am Nordrand Obdachs gelegene OMV-Tankstelle in diese Planung eingebunden war, andererseits sowohl die Wirtschaftlichkeit des Projektes als auch die Trassenführung bei der Bevölkerung akzeptiert wurde.

Das neue Projekt würde einen erheblichen Mehraufwand erfordern, so wäre diese Variante länger, es müßten drei Wohnhäuser abgelöst und geschliffen werden, und die OMV-Tankstelle wäre wirtschaftlich benachteiligt.

Dieser erhebliche Mehraufwand stünde in keiner Relation zu der dadurch erreichten Lärmberuhigung.

Es fehlt bei dieser Variante auch eine Kosten-/Nutzenrechnung, noch hatte die Bevölkerung die Möglich­keit, bei dieser Erweiterung ihre Meinung kundzutun.”

Das Bundesministerium für Finanzen gab dazu folgende Stellungnahme ab:

“Das bezughabende Bauvorhaben ist im genehmigten Bauprogramm 1998 mit Gesamtkosten von 223,8 Millionen Schilling enthalten. Wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, bei welchem die Zuständigkeit für die Bundesstraßenverwaltung liegt, mitgteilt hat, wurde die volle Bautätig­keit bereits aufgenommen. Gemäß der Bauratenverteilung sind vorbehaltlich dem Baufortschritt für das Jahr 1998 54 Millionen Schilling vorgesehen.

Nähere Stellungnahmen kann das Bundesministerium für Finanzen nicht abgeben, weil die Zuständigkeit ausschließlich in den Bereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten fällt.”

Vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie langte folgende Stellungnahme ein:

“Es wird darauf hingewiesen, daß die Zuständigkeit im Bereich Bundesstraßen beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw. im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung beim Land Steier­mark liegt. Die Umfahrungsvariante wurde noch vor dem Inkrafttreten des UVP-Gesetzes verordnet. Auf Grund der Nichtbefassung des ho. Ressorts standen auch keine Unterlagen über die konkreten Planungen zur Verfügung, sodaß keine detaillierte Beurteilung erfolgen kann. Grundsätzlich wird im Zusammenhang mit Straßenbauvorhaben auf die Maßnahmenempfehlungen des Nationalen Umweltsplans zum Thema ,Verkehrsplanung und Verkehrsorganisation‘ verwiesen.

Zum Thema Straßenverkehrslärm wird im Nationalen Umweltplan angemerkt, daß wesentliche Reduk­tionspotentiale auch durch eine geeignete Raumordnung und eine Änderung des Fahrverhaltens der Verkehrsteilnehmer bestehen.

Dabei ist aus Sicht des Lärmschutzes eine Bündelung der Verkehrswege der unterschiedlichen Verkehrs­träger mit ausreichendem Abstand zu bewohnten Gebieten oder passiven Lärmschutzmaßnahmen wie etwa Lärmschutzwänden oder Einhausungen anzustreben. Ebenso ist es zu vermeiden, daß Flächen in Wohngebiete umgewidmet werden, wenn diese an bestehenden emissionsträchtigen Verkehrswegen liegen.

Im Rahmen einer objektiven Beurteilung der Umweltauswirkungen von Umfahrungsvarianten sollte grundsätzlich eine Gegenüberstellung der folgenden Punkte durchgeführt werden:

–   Verkehrsleistungen im Netz (Gesamt, Schwerverkehr), unter gesonderter Ausweisung der Verlage­rungswirkungen nicht nur von anderen Straßenrouten, sondern auch von anderen Verkehrsmitteln (ÖV, Fußgänger, Radfahrer) sowie des induzierten Kfz-Verkehrs,

–   Treibstoffverbrauch im Netz,

–   CO2-Emissionen im Netz,

–   Luftschadstoff-Emissionen im Netz,

–   Flächenverbrauch,

–   Unfallbilanzen,

–   Veränderung der Verkehrsmittelwahl,

–   Auswirkungen auf die internationalen Verkehrsströme,

–   Veränderung der Erreichbarkeiten,

–   Veränderung der Raumstruktur,

–   Lärm.”

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr teilte mit, daß es “zwar für die grundsätzliche Verkehrspolitik und den Straßenverkehr, nicht jedoch für den Bau und die Erhaltung von Straßen zuständig ist.

Soweit das angesprochene Projekt der Umfahrung von Obdach ho. bekannt ist, entspricht dieses offensichtlich in weit höherem Maße den Zielen der österreichischen Verkehrspolitik als die ursprünglich verordnete Trasse, indem auf Grund der geplanten Anlageverhältnisse ein wirksamerer Lärmschutz sowie höhere Verkehrssicherheit gewährleistet sind. Die Neutrassierung ist übrigens in Übereinstimmung mit den Wünschen der ansässigen Bürgerinnen und Bürger erfolgt.”

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gab folgende Stellungnahme ab:

“Die Umfahrung von Obdach wird gemäß der mit BGBl. Nr. 7/1984 vom 10. Jänner 1983 verordneten Trasse errichtet, verlängert um den mit BGBl. II Nr. 397/1997 vom 16. Dezember 1997 verordneten Streckenabschnitt.

Für diese Verlängerung der Umfahrung in Richtung Norden waren Aspekte der Verkehrssicherheit, der Schulwegsicherung und der Lebensqualität der Anrainer entscheidend. Hiefür ist auch vorgängig eine Wirkungsanalyse erstellt worden, die die Kostengünstigkeit dieser Planung untermauerte.

Im Zuge des Bürgerbeteiligungsverfahrens war die betroffene Bevölkerung eingebunden.

Die Zufahrt zu der im Norden gelegenen OMV-Tankstelle wird weiterhin – mit geringem Umweg – möglich sein. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Infrastruktur Obdachs ist nicht gegeben.”

Beschluß mit Stimmenmehrheit in der Ausschußsitzung am 19. März 1999.

Bürgerinitiative Nr. 15

eingebracht von Georg Rom betreffend “Aufhebung der Immunität”

Das Anliegen der Bürgerinitiative wurde wie folgt formuliert:

“Der Nationalrat wird ersucht, die sofortige Aufhebung der Immunität für alle Abgeordneten, Richter, hohen Beamten zu beschließen, damit solche Verbrechen nicht mehr vorkommen: ,Amtsmißbrauch, Betrug, Vernachlässigung der Amtspflicht.‘

Da unsere Abgeordneten, Richter, hohe Beamte Menschen von Welt sind, brauchen sie bestimmt nicht solche Privilegien. Keiner ist berechtigt, den anderen zu beleidigen. Sollte ein schwarzes Schaf tatsächlich darunter sein, kann sofort eingeschritten werden, und die Gleichberechtigung ist hergestellt.”

Einstimmiger Beschluß in der Ausschußsitzung am 1. Juli 1998.

II. Sonstiges

Nachstehend werden jene Petitionen und Bürgerinitiativen aufgezählt, die der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen in Verhandlung genommen hat und die nicht unter dem Abschnitt I anzuführen sind. Dies betrifft jene Petitionen und Bürgerinitiativen, die aufgrund eines Ersuchens des Ausschusses vom Präsidenten des Nationalrates einem anderen Fachausschuß zugewiesen worden sind, sowie jene, für die der Ausschuß lediglich beschlossen hat, daß der Nationalrat seinen diesbezüglichen Bericht durch Kenntnisnahme erledigen möge:

1. Petitionen:

a)  Zuweisung an einen anderen Ausschuß:

Ausschuß für Arbeit und Soziales

Petition Nr. 53

überreicht vom Abgeordneten Georg Wurmitzer betreffend “Das bäuerliche Sozialversicherungs­gesetz”

Der Abgeordnete Georg Wurmitzer hat folgendes Anliegen des Josef Müller dem Präsidenten als Petition überreicht.

“Seit vielen Jahren kämpfe ich unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes wegen der meiner Meinung nach ungerechtfertigten Einbeziehung meiner Person in die bäuerliche Pensionspflichtversicherung mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1988.

In Entsprechung des Art. II Abs. 1 der 2. Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 532/1979, war ich bis kurz vor Vollendung des 52. Lebensjahres von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG befreit, weil der Gesetzgeber zwar die Nachrangigkeit der Bauernpensionsversicherung mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1980 aufgehoben hat, aber auf Antrag eine Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht für Beschäftigte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zuließ.

Ich habe im Vertrauen auf den Weiterbestand dieser Rechtslage einen derartigen schriftlichen Antrag gestellt, dem die Sozialversicherungsanstalt der Bauern mit Bescheid vom 20. Mai 1980 auch Folge geleistet hat. Ohne, daß in meinen Verhältnissen eine Veränderung eingetreten ist, hat der Gesetzgeber ohne Übergangsbestimmungen für ältere Personen die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungs­pflicht durch Art. III der 11. Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 611/1987, welche ab 1. Jänner 1988 wirksam wurde, aufgehoben. Ab diesem Zeitpunkt besteht daher unabhängig davon, ob bereits eine Pflichtver­sicherung oder andere Pensionsversicherungen, ein Beamtenverhältnis oder der Bezug von einer eigenen Pension oder eines Ruhegenusses gegeben ist, auch die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG, soferne der bewirtschaftete land(forst)wirtschaftliche Betrieb einen entsprechenden Einheitswert überschreitet. Bei der Pflichtversicherung nach dem BSVG schneiden Beamte besonders schlecht ab, weil unabhängig von der Höchstbeitragsgrundlage der volle Pensionspflichtbeitrag fällig ist.

Diese Gesetzesänderung jenseits meines 50. Lebensjahres hat für meine Person einen sehr wesentlichen negativen Eingriff in meine Lebensplanung bewirkt. Berater der bäuerlichen SVA haben mir 1988 vor­gegaukelt, daß ich ohnehin nach 10 Jahren eine Erwerbsunfähigkeitspension bekommen würde, weshalb eine Scheinverpachtung des Betriebes für mich auch nicht in Frage gekommen ist. Durch das Strukturan­passungsgesetz 1996 ist diese Pensionsaussicht für mich vorerst einmal bis auf das Jahr 2003 verschoben. Das heißt im Klartext, daß ich beinahe das 68. Lebensjahr erreicht haben muß, um trotz bestehender 90%iger Invalidität eine Erwerbsunfähigkeitspension zu erhalten. In diesem Fall noch von einem Sozialgesetz zu sprechen, ist gelinde gesagt eine Zumutung. Ich meine vielmehr, daß ein derartiges Gesetz schon nahe an ein menschenverachtendes Gesetz herankommt.

Abgesehen davon, daß mir monatlich zirka 4 000 S aus der Tasche gezogen werden, ist es unwahr­scheinlich, daß ich das Pensionsanfallsalter erreichen werde, zumal ich zusätzlich noch an einem schwe­ren Gefäßleiden, hervorgerufen durch die kaputte Hüfte, in Verbindung mit einer Beinlängendifferenz von rund 5 cm, laboriere.

Die Volksanwaltschaft, an die ich mich um Hilfe gewandt habe, hat bereits vor Jahren meinen Fall als unbilligen Härtefall bezeichnet und hat in ihrem 12. Tätigkeitsbericht an den Nationalrat versucht, dem Gesetzgeber vor Augen zu führen, daß es angezeigt gewesen wäre, für Versicherte, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, die Ausnahme von der Pflichtversicherung weiterhin beizubehalten. Auch in ihrem nunmehrigen 20. Bericht greift die Volksanwaltschaft auf den Seiten 57, 58 und 59 meinen Fall auf, was in mir einen Funken Hoffnung aufkommen läßt.

So erlaube ich mir, hiermit an den Nationalrat die

Petition

zu richten, zu beschließen, daß durch entsprechende Übergangsbestimmungen insbesondere jene Ver­sicherten, welche nach Vollendung des 50. Lebensjahres aufgrund des Art. III Abs. 1 BSVG in der Fas­sung BGBl. Nr. 611/1987 ab 1. Jänner 1988 erstmals in die Pflichtversicherung nach dem BSVG einbe­zogen wurden, dadurch geschützt werden, daß die bis 30. August 1996 geltenden Rechtsvorschriften des BSVG weiter anwendbar bleiben.”

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nahm zur Petition Nr. 53 wie folgt Stellung:

“Die im Zuge der Pensionsreform durch die 11. Novelle zum BSVG erfolgte Änderung hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung nach dem BSVG hing bekanntlich mit dem von der Bundesregierung verfolgten Ziel zusammen, das Nettodefizit des Bundes im Jahre 1988 zu senken. In diesem Zusammenhang mußte auch im Bereich der Pensionsversicherung der Bauern eine Reduktion des Bundeszuschusses herbeigeführt werden. Dieser Forderung wurde im Bereich des BSVG zum Teil mit der genannten Beseitigung von Ausnahmebestimmungen von der Pflichtversicherung in der Pensionsver­sicherung entsprochen.

Daß durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, die Wartezeit für die vorzeitige Alters­pension wegen Erwerbsunfähigkeit verlängert wurde, ist sicherlich gerechtfertigt, wenn man bedenkt, daß dieses Pensionsleistung einen erleichterten Zugang vorsieht. andererseits wird auch darauf hingewiesen, daß das relativ niedrige durchschnittliche Pensionsantrittsalter ua. auch durch den hohen Anteil der jeweils neuen Pensionen wegen Erwerbsunfähigkeit (vor allem bei Männern) bestimmt wird.

Zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Pensionsversicherung mußten durch das Struktur­anpassungsgesetz 1996 einschneidende Maßnahmen gesetzt werden, welche das Versicherungsprinzip stärken und auch die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Pensionsver­sicherung erschweren.

Auf Grund der Dringlichkeit der Reformmaßnahmen, die in den anderen Sozialversicherungsgesetzen ebenfalls erfolgten, mußte eine Änderung der Lebensplanung als zumutbar erachtet werden. Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nimmt jedoch in Aussicht, eine Lösung des Problems bei nächster sich bietender Gelegenheit zur Diskussion zu stellen.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 8. Juni 1999:

Ersuchen um Zuweisung an den Ausschuß für Arbeit und Soziales.

Bautenausschuß

Petition Nr. 40

überreicht von den Abgeordneten Josef Edler, Otmar Brix, Kurt Eder, Anton Gaál, Dr. Kurt Heindl, Dr. Johannes Jarolim, Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Dr. Robert Rada betreffend “Die Wiener Nordostumfahrung muß rasch gebaut werden”

In dieser Petition wird die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für wirtschaft­liche Angelegenheiten, aufgefordert, für einen baldigen Bau der Nordostumfahrung zu sorgen:

“Die Ostregion erstickt im LKW-Verkehr.

–   Der LKW-Verkehr hat seit der Ostöffnung explosionsartig zugenommen; 1997 betrug die Zuwachsrate bereits 37%; über die Ostgrenzen kamen 1997 täglich 2 400 Schwer-LKW.

–   Studien der EU prognostizierten Wachstumspotentiale für die Ostregion im LKW-Transit von mindestens 30% in den nächsten 5 bis 10 Jahren.

–   Die Südosttangente als einzige ,Umfahrungsstraße‘ Wiens ist die meistbefahrene Straße Öster­reichs; an Spitzentagen zählt man rund 180 000 Fahrzeuge; davon sind über 20 000 LKW.

Der Ausbau unbedingt notwendiger Wien-Umfahrungen ist unumgänglich, um der Stadt eine ökologische und ökonomische Zukunft zu sichern. Die Südumfahrung Wiens B 301 scheint nun gesichert zu sein. Für den Nordosten der Stadt, besonders für die Donaustadt, ist jedoch noch keine Erleichterung in Sicht. Die rasche Errichtung einer Nordostumfahrung mit einer ökologisch vertretbaren Donauquerung ist ein unabdingbares Anliegen für die gesamte Ostregion und besonders für die Donaustadt.

Anliegen:

Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, wird aufgefordert, für einen baldigen Bau der Nordostumfahrung zu sorgen.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Bautenausschuß.

Familienausschuß

Petition Nr. 44

überreicht von den Abgeordneten Gabriele Binder, Mag. Kurt Gaßner und Brigitte Tegischer betreffend “Jugendschutz- bzw. Jugendförderungsgesetze”

Die vorliegende Petition, mit welcher ein Anliegen der Sozialistischen Jugend Schwertberg aufgegriffen wurde, fordert den Gesetzgeber auf, im Bereich des Jugendschutzes den Kontakt mit den Landes­gesetzgebern zu suchen, anstelle des Jugendschutzes die Jugendförderung in den Mittelpunkt zu stellen, die Einrichtung von Jugendbeteiligungs- bzw. -mitbestimmungsmodellen zu fördern und bundesweit einheitliche Jugendförderungsbestimmungen anzustreben.

Dazu wörtlich:

“Viele interessierte und engagierte Jugendliche beklagen sich darüber, daß die Jugendschutz- bzw. Jugendförderungsgesetze in den einzelnen Bundesländern zum Teil für die gleiche Altersgruppe unter­schiedlichste Bestimmungen enthalten. Für die Jugendlichen ist dies – genau so wie  für Erwachsene – nur schwer zu verstehen.

Beim – von der SJ Schwertberg und den Jungen SozialdemokratInnen OÖ organisierten – 2. Schwert­berger Jugendforum zum OÖ Jugendschutzgesetz wurde unter anderem auch diese Thematik diskutiert. Aufbauend auf den Ideen und Wünschen der DiskussionsteilnehmerInnen – und vor allem der Jugendlichen – dürfen wir diese Petition an Sie richten.

Die Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich Jugendschutz ist gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG Landes­sache. Diese sogenannte Generalklausel zugunsten der Länder ist also die Grundlage für die bereits erwähnten verschiedenen Jugendschutzgesetze in den einzelnen Bundesländern.

Wir richten aber unsere Petition trotzdem an den Bundesgesetzgeber  und fordern ihn auf …

… im Bereich des Jugendschutzes den Kontakt mit den Landesgesetzgebern zu suchen

anstelle des Jugendschutzes die Jugendförderung in den Mittelpunkt zu stellen

… die Einrichtung von Jugendbeteiligungs- bzw. -mitbestimmungsmodellen zu fördern

bundesweit einheitliche Jugendförderungsbestimmungen anzustreben.

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Wir können uns beispielsweise vorstellen, im Bereich des Jugendschutzes bzw. der Jugendförderung die Grundsatzgesetzgebung dem Bund und die Erlassung von Ausführungsgesetzen bzw. die Vollziehung den Ländern zuzugestehen.

Wir hoffen, daß unser Anliegen – und somit auch jenes vieler Jugendlicher – behandelt wird und würden uns freuen, wenn die Anregungen und Ideen der jungen Menschen verwirklicht werden könnten.

Zwei Beispiele für ihr Ziel verfehlende Jugendschutzbestimmungen:

1.  Der Sohn eines Linzer Richters wollte eine Veranstaltung im Linzer Posthof besuchen. Da diese ,rund um die Uhr‘ lief, entschied der Vater unter Hinweis auf das geltende OÖ Jugendschutzgesetz, sein Sohn müsse abends zeitgerecht nach Hause kommen, was der Sohn auch tat. Er bekam die Erlaubnis, die Veranstaltung zeitig früh wieder zu besuchen. Der 17½jährige Sohn wurde um 4.45 Uhr früh bei der Bushaltestelle von der Polizei angehalten und angezeigt. Vater und Sohn wurden von der Polizei und auch von der Bezirksverwaltungsbehörde bestraft.

2.  Ebenfalls in Linz wurde ein Jugendlicher zwei Monate vor seinem 18. Geburtstag um 2 Uhr früh auf dem Weg nach Hause – er hatte mit seiner Band geprobt – von der Polizei angehalten und angezeigt. Auch hier wurden sowohl der Vater als auch der Sohn von der Polizei und der Bezirksverwaltungs­behörde bestraft.”

Das Bundeskanzleramt – Verfassungsdienst gab folgende Stellungnahme ab:

“Eine Übertragung der ,Angelegenheiten des Jugendschutzes und der Jugendförderung‘ in den Art. 12
B-VG bedürfte nach Art. 44 Abs. 1 und 2 B-VG einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und der mit Zweidrittelmehrheit zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates; ob eine entsprechende Initiative zur Verbundlichung dieser Kompetenz Aussicht auf Erfolg hätte, erscheint nach Einschätzung des Bundes­kanzleramtes-Verfassungsdienst zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt zweifelhaft.

Zur Frage, ob eine Übertragung der ,Angelegenheiten des Jugendschutzes und der Jugendförderung‘ in den Art. 12 B-VG rechtspolitisch zweckmäßig wäre, wird angeregt – sollte dies nicht bereits geschehen sein – die Bundesministerien für Inneres, für Justiz und für Umwelt, Jugend und Familie im Hinblick auf die Jugendförderung, allenfalls auch das Bundesministerium für Finanzen zu befassen, deren Wirkungs­bereich von dieser Kompetenzänderung berührt wäre.”

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie gab dazu folgende Stellungnahme ab:

“Der Kontakt zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie und den zuständigen Landesräten und Landesrätinnen betreffend Angelegenheiten des Jugendschutzes und der Jugend­förderung besteht seit vielen Jahren. So wurde im Jahre 1996 eine gemeinsam mit den Ländern in Auftrag gegebenen Studie ,Harmonisierungsbedarf der Jugendschutzgesetzgebung‘ von Univ.-Prof. Dr. Johannes W. Pichler (Hg.) erstellt und 1997 veröffentlicht. Das gegenständliche Thema befand sich auch bereits wiederholt auf der Tagesordnung der regelmäßig stattfindenden Landesjugendreferentenkonferenz.

Die aktuellen Änderungen der entsprechenden Landesgesetze respektive die Diskussion über anstehende Änderungen dieser Gesetze sehen durchwegs vor, die Jugendförderung gegenüber dem Jugendschutz in den Mittelpunkt zu stellen.

Seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie wurde im Jugendbereich das Thema Mitbestimmung zum Schwerpunktthema der österreichischen EU-Präsidentschaft gemacht. Bereits in Vorbereitung der Präsidentschaft gab es eine intensive Kooperation zwischen dem ho. Ressort und den Jugendreferaten der Länder mit dem Ziel, die Einrichtung von Jugendbeteiligungs- und Jugendmit­bestimmungsmodellen zu fördern. Diese Bemühungen werden auch nach der EU-Präsidentschaft weiter­geführt werden.

Der sich derzeit in Ausarbeitung befindliche 3. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich steht unter dem Schwerpunktthema Jugendförderung. Neben einer Bedarfsanalyse der Angebote der außerschulischen Jugendarbeit werden hierbei auch Modelle zur Selbstevaluation von Jugendorganisationen entwickelt, welche als Grundlage für einheitliche Förderungsvergaben dienen könnten. Darüber hinaus wird derzeit mit Unterstützung des ho. Ressorts und der Landesjugendreferate ein internationaler Vergleich der Jugendförderungsgesetzgebung durchgeführt.

Zusammenfassend wird festgestellt, daß seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie sowie der Landesjugendreferate der in der Petition angesprochene Handlungsbedarf bereits erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Familienausschuß.

Der Familienausschuß hat seine Verhandlungen über die Petition am 11. Mai 1999 aufgenommen und zur weiteren Vorberatung einen Unterausschuß eingesetzt.

Petition Nr. 46

überreicht vom Abgeordneten Werner Amon betreffend “Jugendvolksbegehren”

Mit der gegenständlichen Petition überreichte der Abgeordnete Werner Amon ein Anliegen der “Jungen ÖVP” dem Präsidenten des Nationalrates mit folgendem Wortlaut:

“Petition

Jugendvolksbegehren mit folgenden Forderungen:

–   Keine weiteren Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen.

–   Weitere Maßnahmen zur Absicherung der Pensionen für die heute unter 40jährigen. Die steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge, damit diese auch für niedrige Einkommensbezieher ermöglicht wird.

–   Verstärkte Investitionen in die Bereiche Forschung, Bildung und Entwicklung.

     Keine Einführung von Studiengebühren und Schulgeldern.

     Das Festlegen von Höchststudienzeiten, um nicht das ,ewige‘ Studieren zu fördern.

–   Anhebung der Anfangsbezüge im privaten und öffentlichen Bereich bei gleichzeitiger Abflachung der Einkommenskurve im Alter (das Lebenseinkommen bleibt insgesamt aber unverändert).”

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten übermittelte zur genannten Petition folgende Stellungnahme:

1. Keine weiteren Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen

Die vorjährigen Budgetverhandlungen waren von dem Gedanken getragen, die Budgetdefizite und somit auch die Neuverschuldung zu senken. Auch in den künftigen Budgets werden diese Ziele verfolgt werden.

2. Weitere Maßnahmen zur Absicherung der Pensionen für die heute unter 40jährigen. Die steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge, damit diese auch für niedrige Einkommensbezieher ermöglicht wird.

Für die Pensionen ist das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. für die steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge das Bundesministerium für Finanzen zuständig.

Damit auch langfristig die Pensionen gesichert werden, sollte die jüngste Reform nicht als vollkommen abgeschlossen gelten, sondern – so wie jede wirtschaftspolitische Entscheidung – laufend diskutiert, an Änderungen der gesamtwirtschaftlichen Situation angepaßt und wo immer es möglich ist, verbessert werden.

3. Verstärkte Investitionen in die Bereiche Forschung, Bildung und Entwicklung. Keine Einführung von Studiengebühren und Schulgeldern. Das Festlegen von Höchststudienzeiten, um nicht das ,ewige‘ Studieren zu fördern.

Die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie Bildung sind auch im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, für dessen Erstellung das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gemein­sam mit dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales verantwortlich war, sehr stark angesprochen. Primär wird dabei auf die Effizienzsteigerung abgezielt, weniger auf eine bloße Erhöhung der Staatsausgaben in diesen Bereichen. Im Bildungsbereich gibt es für das Auffangnetz für Jugendliche, die keinen Lehrplatz finden, sowie zur Vorbeugung der Schülerabweisung an BMHS in den nächsten beiden Schuljahren zusätzliche Mittel. Verstärkte Investitionen in den genannten Bereichen werden nach Maßgabe der Budgetmittel sicher zu überlegen sein.

Bereits im vergangenen Jahr wurde eine Reihe konkreter Maßnahmen im Zusammenhang mit der Technologieoffensive der Bundesregierung gestartet. So wurden 1997 zusätzlich zu den laufenden Förderbudgets eine Milliarde Schilling aus Privatisierungserlösen für die Forschungs- und Technologie­förderung zur Verfügung gestellt. In den Budgets 1998 und 1999 werden für Technologie insgesamt 1,4 Milliarden Schilling zusätzlich bereitgestellt. Ebenso soll in den Folgejahren einer Weiterentwicklung der Forschungs- und Technologieförderung Rechnung getragen werden.

Mittel aus der ersten Technologiemilliarde wurden im Wirtschaftsministerium zur Stärkung bestehender Förderungsinstrumente sowie für schwerpunktmäßige Technologie- und Forschungssonderprogramme verwendet. Beispielsweise sind hier die Eigenkapitaloffensive im High-Tech-Bereich, Impulsförderungs­programme für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die Einrichtung einer Patentverwertungsstelle sowie ein Programm zur Förderung der Einrichtung von industrienaher Kompetenzzentren und Kompetenzzentrums-Netzwerken zu erwähnen.

Für Studiengebühren, Schulgelder sowie Höchststudienzeiten ist das Bundesministerium für wirtschaft­liche Angelegenheiten nicht zuständig.

4. Anhebung der Anfangsbezüge im privaten und öffentlichen Bereich bei gleichzeitiger Abflachung der Einkommenskurve im Alter (das Lebenseinkommen bleibt insgesamt aber unverändert)

Dazu ist im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung folgendes festgehalten: ,Vereinbarung der Sozial­partner sollten zum Abbau bestehender Mobilitätshindernisse durch Änderungen der gegenwärtigen Lohn- und Einkommensstrukturen (Lebenseinkommensverläufe) beitragen.‘ ”

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr bezog dazu wie folgt Stellung:

“1. In den vergangenen Jahren war eine Schwerpunktsetzung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, die räumliche Kapazität der Universitäten den steigenden Studentenzahlen anzugleichen. Außerdem wurden in diesem Prozeß auch die Einrichtungen, wie Labors, Studentenarbeitsplätze, Hörsaal­ausstattung, Bibliotheken, modernisiert. Das Raumprogramm bzw. Universitätsausbauprogramm konnte plangemäß weitgehend erfüllt werden, wobei in den nächsten Jahren noch eine Reihe von Universi­tätsbau- und Ausbauprojekten vorgesehen sind, die insbesondere der Abdeckung des noch vorhandenen Raumbedarfs und Schaffung zeitgemäßer Arbeitsbedingungen für Wissenschaft, Forschung und Lehre (so zB Neubau für die Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Wien, Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien) dienen, sowie für Verbesserungen und Erneuerungen (so zB Ersatz für die Montagebauten der Universität Salzburg in der Akademiestraße), Generalsanierungen und Standard­anhebungen (wie zB das sogenannte Schwakhöferhaus der Universität für Bodenkultur) oder für die Einrichtung neuer Organisations-, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen (wie zB Institut für molekulare Strukturbiologie) der Universität Wien.

Die für die Einrichtung aufgebrachten Budgetmittel werden nicht gekürzt und können künftighin für den Austausch von veralteten Geräten bzw. für die Ausstattung von Labors, Studentenarbeitsplätzen usw. verwendet werden. Somit wird auch künftighin gewährleistet, daß für den Investitionsbereich der Universitäten und Kunsthochschulen dem Bedarf entsprechend Budgetmittel zur Verfügung stehen werden.

2. Eine Einführung von Studiengebühren ist seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr nicht vorgesehen.

Mit dem Inkrafttreten des Universitäts-Studiengesetzes (UniStG) am 1. August 1997 wurde die bis dahin geltende Höchststudiendauer (dreifache gesetzliche Studiendauer je Studienabschnitt) abgeschafft. Begründet wurde dies mit der bisherigen faktischen Unvollziehbarkeit auf Grund großzügiger Ausnahme­regelungen. So wurde auch ein entscheidender Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung geleistet.”

Vom Bundesministerium für Finanzen langte folgende Stellungnahme ein:

“Keine weiteren Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen.

Die Bundesregierung hat durch verschiedene, der Budgetkonsolidierung dienenden Maßnahmen, wie Privatisierung, Verkauf von Forderungen und Reorganisation von Finanzierungsgesellschaften,die Ver­schuldensquote (in der Relation zum BIP) vom 69,5% im Jahre 1996 auf etwa 66,1% im Jahre 1997 gesenkt. Bis Ende 1999 soll diese Quote auf unter 65% zurückgehen.

In diesem Zusammenhang ist auf die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Technologie- und Forschungspolitik und auf die ökologischen Maßnah­men (zB Wasserversorgungs- und Entsorgungseinrichtungen), die langfristig wirken und die Basis für die zukünftige wirtschaftliche und ökologische Entwicklung bedeuten, hinzuweisen.

Weitere Maßnahmen zur Absicherung der Pensionen für die heute unter 40jährigen. Die steuer­liche Begünstigung der Eigenvorsorge, damit diese auch für niedrige Einkommensbezieher ermög­licht wird. Um den hohen Standard des österreichischen Pensionssystems über das Jahr 2000 hinaus – vor allem auch für die jungen Menschen – sicherzustellen, wurde die Pensionsreform 1997 in Form des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 beschlossen. Im Rahmen permanenter Weiterent­wicklung wird das bestehende System hinsichtlich Finanzierung und Verteilungsgerechtigkeit auch weiterhin an die Herausforderungen der Zukunft angepaßt werden, wobei letztendlich ausschlaggebend sein wird, ob die Reformmaßnahmen von der Bevölkerung als angemessen und sozial gerecht erachtet werden. Unter diesem Aspekt wird auch in Zukunft im Zuge von Anpassungsmaßnahmen auf eine aus­gleichende Behandlung aller Generationen Bedacht zu nehmen sein.

Ein bedeutender Aspekt der langfristigen Sicherung der Pensionen besteht auch darin, die derzeit bestehende Eindimensionalität der Pensionsvorsorge zu beseitigen und die gesetzliche Pensionsver­sorgung durch die betriebliche und private Altersvorsorge zu ergänzen. In diesem Sinne wird ua. ab dem Jahr 2000 auch für die Vertragsbediensteten des Bundes eine eigene betreibliche Pensionskasse des Bundes bestehen. Die Bundesregierung nimmt damit auch als Dienstgeber ihre Verantwortung für die Sicherung der zukünftigen Pensionen wahr.

Die steuerliche Förderung der Pensionsvorsorge wurde von der Steuerreformkommission in einem eigenen Arbeitskreis – der seine Arbeiten weitgehend abgeschlossen hat – überprüft. Nach dem der­zeitigen Stand wird als Ergebnis ein neues Modell der steuerlichen Pensionsvorsorge vorgeschlagen werden. Weitergehende Angaben dazu sind vor dem Vorliegen des abschließenden Berichtes der Steuer­reformkommission nicht möglich.

Verstärkte Investitionen in die Bereiche Forschung, Bildung und Entwicklung. Keine Einführung von Studiengebühren und Schulgeldern. Das Festlegen von Höchststudienzeiten, um nicht das ,ewige‘ Studieren zu fördern. Diese Angelegenheiten betreffen primär nicht den Kompetenzbereich des Bundesministeriums für Finanzen.

Anhebung der Anfangsbezüge im privaten und öffentlichen Bereich, bei gleichzeitiger Abflachung der Einkommenskurve im Alter (das Lebenseinkommen bleibt insgesamt aber unverändert). Hinsichtlich des öffentlichen Bereiches – nur dieser berührt Kompetenzen des Bundesministeriums für Finanzen – ist auf folgendes hinzuweisen:

Das derzeit dem Begutachtungsverfahren zugeleitete neue Vertragsrecht sieht eine deutliche Anhebung der Anfangsbezüge vor und verringert drastisch die bisherige Alterslastigkeit der Einkommensverteilung für öffentlich Bedienstete. Für hervorgehobene Verantwortung wird unabhängig vom Dienstalter des Vertragsbediensteten eine einheitlich hohe, an der Bedeutung der Verantwortung orientierte Funktions­zulage gebühren. Dazu soll zur Abgeltung hervorragender individueller Leistungen eine Leistungsprämie treten können.

Diese Umverteilung des Aktiveinkommens ist naturgemäß für längere Zeit mit beträchtlichen jährlichen Mehrkosten verbunden, weil Eingriffe in gesetzliche Ansprüche dienstälterer Bediensteter nicht vorge­nommen werden können.

Wie bereits ausgeführt, wird diese Reform des Vertragsbedienstetenrechtes für jene Vertragsbediensteten, die in das neue Schema optieren, ab dem Jahr 2000 von einer vom Dienstgeber und allfällig vom Dienst­nehmer zu speisenden Pensionskasse flankiert sein.”

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nahm wie folgt Stellung:

“Zu Forderung 2: Weitere Maßnahmen zur Absicherung der Pensionen für die heute unter 40jährigen. Die steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge, damit diese auch für niedrige Einkom­mensbezieher möglich ist.

Die hohe Qualität des österreichischen Pensionssystems wird von allen Studien – von österreichischen wie auch internationalen – belegt. Gerade der Altersvorsorge in Österreich wird darin ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Sie zeichnet sich aus durch

–   hohe Nettoersatzraten als Ersatz für Erwerbseinkommen,

–   eine bedarfsgerechte Mindestsicherung,

–   eine effizient gestaltete Umlagefinanzierung,

–   eine hohe Anpassungsfähigkeit an sich ändernde gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmen­bedingungen.

Kein System der Altersvorsorge kann jedoch losgelöst von den zukünftigen wirtschaftlichen, gesellschaft­lichen und demographischen Rahmenbedingungen betrachtet werden:

Die sich immer schneller verändernden Faktoren

–   Beschäftigungssituation bzw. Arbeitsmarktentwicklung,

–   personelle Einkommensentwicklung und gesamtwirtschaftliche Einkommensentwicklung (Lohnquote),

–   Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes

bergen Risken in sich, die eine zeitgemäße Anpassung des Systems notwendig werden lassen.

Die jüngst beschlossene Pensionsreform (ASRÄG 1997) hat daher zum Ziel, unser qualitativ sehr gut ausgebautes Alterssicherungssystem zu bewahren und auch für künftige Generationen zu sichern. Sozial verträgliche Änderungen innerhalb des Systems (ohne auf ein anderes umzusteigen) sollen die Akzeptanz erhöhen und die Finanzierbarkeit in Zukunft erleichtern.

So wird zB seit Jahren auf Grund demographischer Berechnungen vorausgesagt, daß in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung massiv steigen wird. Während im Jahr 2000 rund 20 Prozent der Bevölkerung bereits über 60 Jahre alt sein wird, wird der Anteil der über 60jährigen im Jahr 2050 bereits rund 35 Prozent betragen. (ÖSTAT, IlASA; 1996 Prognose). Daraus wird abgeleitet, daß ein zahlenmäßig geringer werdender aktiver Bevölkerungsteil im Umlagesystem eine immer größer werdende Zahl von Pensionisten finanzieren wird müssen.

Weil befürchtet wird, daß das in Zukunft nicht möglich sein wird, verlieren viele 20- bis 40jährige das Vertrauen in den Generationenvertrag und rechnen nicht damit, zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung über die gleichen Rechtsansprüche verfügen zu können wie die jetzigen Pensionisten. Dies führt zu Vor­behalten gegen hohe Beitragsleistungen, und zwar umso mehr, als die Aktiveinkommen im Durchschnitt in den letzten Jahren weniger steigen als die Pensionen.

Neue Arbeitsformen und neue Erwerbsbiographien könnten in Zukunft das bisherige Pensionssystem inso­fern gefährden, als bestimmte Erwerbsformen nicht der Pflichtversicherung unterliegen und daher für das Umlagesystem nicht entsprechende Beiträge aufgebracht werden können. Dies kann am Beispiel der Entwicklung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse veranschaulicht werden. Wurden Ende 1994 noch rund 128 000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse verzeichnet, so stieg deren Zahl Ende 1996 auf rund 154 000. Mitte 1997 waren beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger bereits rund 170 000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gemeldet. Diese Entwicklung entspricht einer Steigerung von rund 33% innerhalb weniger Jahre.

Erwerbsbiographien mit unterschiedlich langen Arbeitszeiten und längeren Arbeitszeitunterbrechungen stehen mit der bisherigen Systematik der Pensionsberechnung in Widerspruch, die sich an einem kontinuierlichen Arbeitsleben orientiert. Es könnte in Hinkunft der Fall eintreten, daß durch diese unterbrochenen Erwerbsbiographien das Verhältnis zwischen “Lebensbeitrag” und “Lebenspension” noch viel ungünstiger wird und damit ebenfalls der Generationenvertrag aufs Spiel gesetzt wird.

Zusätzlich zu seinem ursprünglichen Zweck, Einkommensersatz im Alter und bei Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit zu leisten, wurde dem Pensionssystem im Laufe der Zeit noch eine Vielzahl anderer Zwecke übertragen, die es alle gleichzeitig erfüllen soll.

Die beschlossenen Maßnahmen des ASRÄG 1997 zielen auf die Erhöhung der Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und zwischen der jungen und alten Generation ab. Darüber hinaus soll die Effizienz, Akzeptanz, Transparenz und langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems sicher­gestellt werden.

Das Maßnahmenpaket verfolgt im wesentlichen drei Ziele:

–   Angleichung der Systeme: Schon in der Vergangenheit wurden Schritte in diese Richtung gesetzt. Die Unterschiede in der Altersversorgung können zwar nicht mit einem Schlag beseitigt werden, es soll jedoch versucht werden, etwa durch die Einführung von “Durchrechnungszeiträumen” für die Pensionsbemessung im Beamtenrecht eine schrittweise Angleichung zu bewirken.

–   Stärkung des Generationenvertrages: Um die künftigen Beitragsbelastungen der jetzt Erwerbs­tätigen in Grenzen zu halten und um die Finanzierbarkeit des Pensionssystems langfristig zu sichern, soll der Anstieg der Neupensionen gebremst werden. Das bedeutet, daß die Nettoersatzrate durch Verlängerung des Bemessungszeitraumes und durch eine Neuordnung des Steigerungsbetrages etwas vermindert wird. Dennoch ist zu erwarten, daß künftige Neupensionen über dem Durchschnitt der jetzt bestehenden Pensionen liegen. Das heißt, daß in absoluten Zahlen gesehen keineswegs eine Pensionskürzung stattfinden wird, sondern nur die Steigerung der Pensionen geringer ausfallen wird als nach dem bisherigen System. Bei einer positiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwick­lung wird das Pensionssystem damit so weit entlastet, daß die Finanzierung in den nächsten Jahrzehnten wesentlich erleichtert wird.

–   Mehr Transparenz der Ziele: Das klare Ziel der Altersversorgung ist, während des Alters oder während der Berufsunfähigkeit oder Invalidität das entgangene Erwerbseinkommen zu ersetzen. Das bedeutet, daß Anrechnungen für die Pension aus sozialpolitischen Gründen (Familienpolitik, Arbeits­marktpolitik, Gesundheitspolitik, Wehrpolitik) mit einem Beitrag versehen sein müssen, der dem jeweiligen Zweck klar zugeordnet ist.

–   Auf die im Rahmen des Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetzes 1997 beschlossenen Maßnahmen braucht hier im Detail nicht eingegangen werden: sie können als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden.

Aus heutiger Sicht sind daher auf absehbare Zeit weitere Maßnahmen zur Absicherung der Pensionen für die heute unter 40jährigen nicht erforderlich: dies schließt natürlich nicht aus, daß immer wieder Adaptierungen an die sich stetig ändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu erfolgen haben.

Kurz- und mittelfristig ist es ungleich wichtiger, die Beschäftigungsmöglichkeiten gerade auch für Jüngere zu erhöhen und die Abstimmung von Pensionssystem und Arbeitsmarkt zu optimieren. Es ist nahezu unbestritten, daß die weitere positive Fortentwicklung des Beschäftigungssystems in Österreich wie auch in Europa von eminenter Bedeutung für die Finanzierung des Sozialschutzes ist.

In diesem Zusammenhang sei abschließend auf die vielfältigen Maßnahmen gerade in der jüngeren Vergangenheit bzw. auf die m Rahmen des NAP ins Auge gefaßten Maßnahmen, die das Ziel haben, der Jugend noch bessere Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten, verwiesen.

Die steuerliche Begünstigung der Eigenvorsorge fällt nicht in den Kompetenzbereich des Bundes­ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales: sie wird derzeit im Rahmen der Steuerreformdebatte ohnedies auch mitdiskutiert. Aus der Sicht des Bundesministeriums für Arbiet, Gesundheit und Soziales ist die private Eigenvorsorge als Ergänzung durchaus sinnvoll, sie kann jedoch nie die staatliche Altersvorsorge ersetzen. In diesem Sinne ist es auch ziemlich fragwürdig, ob mit einer besseren steuerlichen Absetzbarkeit gerade den Beziehern niedriger und niedrigster Einkommen geholfen wäre: derartige steuerliche Begünstigungen haben sehr oft den Charakter einer Umverteilung von ,unten nach oben‘.

Gerade für die in der Petition angesprochenen Niedrigverdiener ist die Aufrechterhaltung des vollen staatlichen Sozialschutzes von weitaus größerer Bedeutung als erweiterte, aber nicht wahrnehmbare Möglichkeiten der privaten Vorsorge.

Zu Forderung 4: Anhebung der Anfangsbezüge im privaten und öffentlichen Bereich, bei gleich­zeitiger Abflachung der Einkommenskurve im Alter (das Lebenseinkommen bleibt insgesamt aber unverändert)

Lohnverhandlungen bzw. Lohnabschlüsse, dies inkludiert ua. sowohl Lohnerhöhungen wie auch die Ausgestaltung der altersspezifischen Entlohnungskurven, fallen grob gesprochen in das Tätigkeitsgebiet der Sozialpartner bzw. der jeweiligen Kollektivvertragspartner.

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales erlaubt sich aber trotzdem darauf hinzu­weisen, daß auch auf diesem Gebiet in den letzten Jahren vieles in Bewegung geraten ist: Man denke hier nur an die neuen Gehaltsschemata im öffentlichen Dienst wie auch an einige Lohnabschlüsse im privaten Bereich, die insgesamt zu einer Abflachung des Senioritätsprinzips bei der Entlohnung führten bzw. führen werden.

Gerade bei dieser Abflachung gilt es aber, wie bei anderen Maßnahmen auch, auf die sogenannte ,Sandwichgeneration‘ acht zu geben, das ist jene Generation, die von der Abflachung im höheren Alter schon negativ betroffen wäre, aber umgekehrt von der Erhöhung im jüngeren Alter noch nicht positiv profitiert hätte.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Familienausschuß.

Der Familienausschuß hat seine Verhandlungen über die Petition am 11. Mai 1999 aufgenommen und zur weiteren Vorberatung einen Unterausschuß eingesetzt.

Gesundheitsausschuß

Petition Nr. 51

überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Mag. Herbert Haupt, Klara Motter, Theresia Haidlmayr, Dr. Erwin Rasinger und Dr. Alois Pumberger betreffend “Hepatitis C”

Mit der gegenständlichen Petition wurde ein Anliegen der Hepatitis Liga Österreich e.V. dem Präsidenten des Nationalrates folgenden Inhalts überreicht:

“Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus verursacht in den meisten Fällen über lange Zeiträume nach Infektion keine Beschwerden. Dadurch und durch viele anikterische Verläufe wissen die meisten an Hepatitis C erkrankten Menschen nichts von ihrer Infektion. 80% Chronizität, bei zirka 20% tritt nach zirka 20 Jahren eine viral bedingte Leberzirrhose auf, zeigt die bedrohliche Situation dieser Erkrankung. Fachleute sprechen davon, daß zur Zeit gerade einmal 10% der Infizierten bekannt ist, davon sich zirka 1,5% in Therapie (Interferon & Ribavirin) befinden. 90% der Infizierten scheinen somit nichts von ihrer lebensbedrohenden Erkrankung zu wissen. Dabei wäre nach Ansicht der Fachleute eine Therapie kurz nach Infektion am erfolgversprechendsten.

Erst seit 1992 sind Testverfahren auf Hepatitis-C-Antikörper möglich, deshalb wurden vor diesem Zeit­raum die meisten Menschen durch Blut- und Blutprodukte, aber auch durch den Einsatz von Mehr­wegspritzen infiziert. Die allseits geläufige Bezeichnung “Transfusionshepatitis” belegt die einstige Bedeutung dieser Infektionswege, welche durch die Tatsache, daß Blutkonserven laut Auskunft des ÖRK heutzutage noch immer mit dem Risiko Hepatitis-C auf diesem Weg zu bekommen im Verhältnis 1 : 20 000 überproportional hoch ist und durch den von uns seit einem Jahr geforderten PCR Test drastisch vermindert werden kann.

Durch die Entwicklung und laufenden Verbesserungen der Nachweisverfahren und wenn diese auch gemäß dem letzten Stand der Wissenschaft eingesetzt werden, wäre das bisherige Hepatitis-C-Infektions­risiko bei der Übertragung von Blut- und Blutprodukten weitgehend zu beseitigen. Sämtliche andere Infektionswege, bei zirka 50% aller Fälle sind diese nicht nachweisbar, daher sind vor allem durch die große Anzahl der sich nicht der bestehenden Infektiosität bewußten Menschen Neuinfektionen zB bei Zahnärzten Tür und Tor geöffnet, sind aufgrund mangelnder Forschung heute noch nicht bekannt.

Aus diesem Grund fordern die Unterzeichner dieser Petition den österreichischen Nationalrat auf, unver­züglich Maßnahmen zu setzen, um die Hepatitis-C-Infektion in allen Bereichen, in denen eine mögliche Gefahr zur Weiterverbreitung dieser ansteckenden Infektionserkrankung besteht, effizient und nachhaltig zu bekämpfen und weitestgehend zu beseitigen. Weiters fordern die Unterzeichner den Nationalrat und die Bundesregierung auf, eine zufriedenstellende Regelung für eine Entschädigung, sowie der sozialen Absicherung der unverschuldet an Hepatitis-C erkrankten Menschen zu treffen.

Insbesondere fordern die Unterzeichner:

   1.  gezielt Aufklärung der österreichischen Bevölkerung durch das Gesundheitsministerium, um den 90% an Hepatitis C erkrankten Menschen die Möglichkeit einer Therapie zu ermöglichen,

   2.  Informationsfolder bzw. adäquate Schulungen für alle Menschen in medizinischen Berufen über den Krankheitsverlauf und mögliche Therapieformen der Hepatitis C, um die Diskriminierung einzudäm­men und den schlechten Wissenstand über HCV generell zu heben,

   3.  Konkrete Vorschläge der Regierung, welche finanziellen und sozialen Maßnahmen zur Absicherung der an Hepatitis C erkrankten Menschen zu treffen sind,

   4.  Die gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Zusammenarbeit für alle Einrichtungen zur Klärung der bisher bekannten HCV Epidemien,

   5.  Wesentliche Aufstockung der Förderungs- und Forschungsmittel für die Hepatitis C Forschung, welche laut parlamentarischer Anfrage an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, Dr. Caspar Einem, zur Zeit nur 612 000 S jährlich betragen,

   6.  Dem jeweils neuesten wissenschaftlichen Standard entsprechende Tests, zur Zeit die PCR-Testung, zur Vermeidung der Infektion durch Blutprodukte,

   7.  Detaillierte Vorschriften für die Pharmaindustrie, die dem letzten wissenschaftlichen Standard ent­sprechenden Tests bei Blutderivaten einzusetzen,

   8.  Reihenuntersuchungen bei allen Blut- und Plasmaspendern,

   9.  Das routinemäßige Screening aller Empfänger von Blutkonserven vor dem Jahr 1992,

10.  Aufnahme in die Reihe der meldepflichtigen Erkrankungen und lebenslanger Ausschluß der an HCV Erkrankten für Blut- oder Plasmaspende,

11.  Die Erarbeitung und bindende Vorschreibung von Hygienestandards für Zahnärzte, Dentisten, Fuß­pfleger, Kosmetiksalons, Tattoo- und Piercingstudios, kurz aller Institutionen, wo bei der Tätigkeit offenes Blut zu erwarten ist, zur Verhinderung der HCV Infektion,

12.  Orientierung an den internationalen Vorgangsweisen der Länder mit besserem Maßnahmenstandard als Österreich, wie am Beispiel der irischen oder kanadischen Regierung zur Entschädigung der HCV Infizierten,

13.  Österreichische Vorbildwirkung im gesamteuropäischen Raum im Umgang mit der HCV,

14.  Integrierung eines Vorstandsmitgliedes der Hepatitis Liga Österreich in die Gremien zur Blut­sicherung,

15.  Unterstützung der Tätigkeit der Hepatitis Liga Österreich e.V. zum Wohle der Patienten durch Förderungsmittel aus dem “Fonds gesundes Österreich”,

16.  Zusammenarbeit und Unterstützung durch alle maßgeblichen Stellen auf Länder- und Bundesebene bei der Abhaltung des 1. österreichischen Leberschutztages am 11. September 1998 und der in Zu­kunft stattfindenden Informationsveranstaltungen durch die Hepatitis Liga Österreich,

17.  Einführung der verbindlichen Meldepflicht bei chronischer Hepatitis C zur besseren epidemiolo­gischen Übersicht bei der Entwicklung dieser, große Teile der Gesamtbevölkerung bedrohenden Infektionskrankheit.

18.  Schaffung eines Soforthilfefonds analog dem Modell HIV/Hämophile,

19.  Zusätzliche Einrichtung von “Leberambulanzen” mit dazugehörigen Informationsstellen,

20.  Offizielle Stellungnahme der Bundesregierung zur Hepatitis C Problematik in Österreich, Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und Bearbeitung dieser Petition.”

Zu dieser Petition Nr. 51 übermittelte das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales folgende Stellungnahme:

“Zu 1. und 2.:

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreibt durch die Herausgabe von Infor­mationsbroschüren über Hepatitis, die an die Allgemeinbevölkerung und an die Angehörigen medizini­scher Berufe gerichtet sind, die in den Punkten 1 und 2 geforderte Information. Auf die beiliegenden Broschüren wird hingewiesen.

Zu 3., 12. und 18.:

Für Menschen, die an Hepatitis C erkrankt sind, finden ebenso wie für die an anderen schweren Erkran­kungen leidenden Patienten(innen) sämtliche sozialrechtlichen Bestimmungen (zB soziale Krankenver­sicherung) Anwendung. Spezifischen Regelungen nur für eine Gruppe von Patienten(innen) steht der verfassungsgesetzliche Gleichheitsgrundsatz entgegen. Im Hinblick auf die mit HIV/AIDS verbundene besondere Ausgrenzung der Betroffenen kann kein Vergleich mit dem auf diesem Gebiet bestehenden Unterstützungsfonds gezogen werden.

Zu 4., 13. und 17.:

Nach dem Epidemiegesetz besteht eine gesetzliche Meldepflicht für jede Erkrankung, jeden Sterbefall und jeden Verdachtsfall an Hepatitis C. Derzeit laufen auch die Vorbereitungen für die Einführung einer Einzelfallmeldung bei Hepatitis C. Diese Einzelfallmeldung wird im Rahmen des europäischen Netzwerks zur Überwachung von Infektionskrankheiten europaweit einzuführen sein. Österreich gehört zu jenen Ländern, die bereits in der Planungsphase und Machbarkeitsstudie zur Überwachung der Hepatitis C voll eingebunden sind.

Zu 5.:

Aus der Grundlagenforschung zur Entwicklung von Therapien und Impfstoffen bei viralen Erkrankungen ergibt sich ein derartiger Anforderungskatalog, daß Ergebnisse nur durch internationale Abstimmung der Forschungsaktivitäten erbracht werden können. Im Rahmen des 5. Rahmenprogramms für Forschung und Technologieentwicklung der Europäischen Union wurden unter dem Bereich der Lebenswissenschaften für den Teilbereich Erforschung viraler Infektionskrankheiten für die kommenden drei Jahre insgesamt rund eine Viertelmillion EURO zur Verfügung gestellt.

Zu 6. bis 8.:

Die einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere das Blutsicherheitsgesetz, BGBl. I Nr. 44/1999 und die Blutspenderverordnung, BGBl. II Nr. 100/1999 sowie das Arzneimittelgesetz fordern selbstver­ständlich die Erfüllung jenes Standards, der sich aus dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft ergibt. Für die zur direkten Transfusion ohne Virusinaktivierungsverfahren vorgesehenen Blutprodukte wurde ab 2. April 1999 eine Hepatitis C-Virusgenombestimmung mittels PCR zunächst erlaßmäßig vorgeschrieben. Bei der ersten Novelle zur Blutspenderverordnung wird diese Untersuchung in die Verordnung aufgenommen werden. Gemäß der Empfehlung des Committee for Proprietary Medicinal Products (CPMP) betreffend Introduction of Nuclein Acid Amplification Technology (NAT) for the Detection of Hepatitis C Virus RNA in Plasmapools (CPMP/BWP/390/97) dürfen ab 1. Juli 1999 nur mehr solche Produkte in Verkehr gebracht werden, deren Ausgangsplasmapool auf Hepatitis C-Virus­genom mittels PCR geprüft und als negativ befunden wurde. Diese Empfehlung wurde den betroffenen Verkehrskreisen auch mit Erlaß des Ressorts bekanntgemacht.

Zu 9.:

In Österreich werden jährlich zirka 400 000 Blutkonserven verabreicht. Im Hinblick auf die vor einigen Jahren noch weiter gezogene Indikationsstellung für die Verabreichung von Fremdblut ist davon auszu­gehen, daß diese Zahl vor 1992 noch deutlich höher war. Schon daraus ergibt sich, daß die unter 9. erhobene Forderung bereits aus organisatorischen Gründen nicht umgesetzt werden kann.

Zu 10.:

Wie bereits erwähnt, zählt Hepatitis C zu den nach dem Epidemiegesetz meldepflichtigen Krankheiten. Nach § 5 Abs. 1 Z 3 lit. g der Blutspenderverordnung ist eine bestätigte Infektion mit Hepatitis C Virus ein dauernder Ausschließungsgrund von Blut- und Plasmaspenden.

Zu 11.:

Angehörige der Gesundheitsberufe sind nach den für sie geltenden Regelungen zur Einhaltung des Stan­dards, der sich aus den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ergibt, verpflichtet. Dazu zählen auch einschlägige Hygienestandards einschließlich Standards für das Sterilisieren bzw. Autooklavieren von Medizinprodukten. Um das Bewußtsein und das Wissen im speziellen über Hepatitis anzuheben, wurde aber, wie in der Stellungnahme zu Punkt 1. und 2. bereits erwähnt, durch das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales eine Informationsbroschüre herausgegeben, die sich an die Ange­hörigen der medizinischen Berufe richtet.

Derzeit ist eine vom Obersten Sanitätsrat eingesetzte Expertengruppe mit der Ausarbeitung von fach­lichen Anforderungen zB beim Piercen befaßt, um Infektionsrisken bei dieser Tätigkeit zu minimieren. Das Ergebnis wird an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten herangetragen werden, da die Umsetzung nur im Rahmen des Gewerberechts erfolgen kann.

Zu 14.:

Das Beratungsorgan der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales in allen Fragen des Gesundheitswesens ist der Oberste Sanitätsrat. Dessen Mitglieder sind durch die Frau Bundesministerin für die Funktionsperiode 1. Jänner 1999 bis 31. Dezember 2001 bestellt worden.

Weiters ist im Ressort eine Arbeitsgruppe “Blut” eingerichtet, der neben Vertretern des Ressorts Vertreter der European Association of the Plasma Products Industry (EAPPI), der Interessengemeinschaft Plasma (IG-Plasma), der Wirtschaftskammer Österreich, des Österreichischen Roten Kreuzes, der Österreichi­schen Gesellschaft für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, des Bundesinstitutes für Arznei­mittel und der Österreichischen Hämophiliegesellschaft angehören. Bei Bedarf werden weitere Experten beigezogen. Es ist durchaus denkbar, im Zusammenhang mit bestimmten Fragestellungen auch einen Vertreter der Hepatitis Liga Österreich einzuladen.

Zu 15.:

Eine Förderung bestimmter Vorhaben der Hepatitis Liga, die auf Grund des Bundesgesetzes über Maß­nahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information (Gesundheitsförderungs­gesetz – GfG), BGBl. I Nr. 51/1998, zu den spezifischen Aufgaben des Fonds Gesundes Österreich ge­hören, durch diesen Fonds ist nicht ausgeschlossen. Es liegt an den Vertretern der Hepatitis Liga, Projekte an den Fonds heranzutragen, eine Entscheidung erfolgt allein durch den Fonds Gesundes Österreich.

Zu 16.:

Nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten ist eine finanzielle Unterstützung von Informationsver­anstaltungen der Hepatitis Liga durch das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht ausgeschlossen, darüber hinaus ist das Ressort auch gegenüber anderen Anliegen betreffend Zusammen­arbeit auf dem Gebiet von Hepatitis offen.

Zu 19.:

Die Vollziehung auf dem Gebiet des Krankenanstaltenwesens fällt in den ausschließlichen Wirkungs­bereich der Länder, sodaß die konkret angesprochene Frage der Organisation von spezifischen Ambulan­zen nicht von Bundesseite beantwortet werden kann.

Zu 20.:

Die vorstehenden Ausführungen stellen die Stellungnahme des zuständigen Bundesministeriums zur Petition der Hepatitis Liga dar.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 8. Juni 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Gesundheitsausschuß.

Ausschuß für innere Angelegenheiten

Petition Nr. 54

überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Mag. Dr. Heide Schmidt betreffend “Das Recht von totgeborenen Kindern auf einen eigenen Namen”

Mit der gegenständlichen Petition überreichten die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Mag. Dr. Heide Schmidt ein Anliegen der Altkatholischen Kirche Österreichs dem Präsidenten des Nationalrates mit folgendem Wortlaut:

“Totgeborene Kinder dürfen in Österreich keinen Namen haben. Sie werden gewissermaßen als ,Sache‘ behandelt. Diese Umstand bedeutet für die Eltern oft eine schwere psychische Belastung. Fast immer haben beide Elternteile zu dem ungeborenen Kind eine innige Beziehung entwickelt, die auch über den Tod des Kindes Bestand hat. Zusätzlich zum tragischen Ereignis einer Totgeburt sind Eltern damit konfrontiert, daß ihr totes Kind offiziell namenlos sein muß. Für die Trauerarbeit der Eltern ist ein Beweis über die kurze Existenz ihres Kindes von großer Bedeutung. Der Geburts-/Totenschein ist oft das einzige, was den Eltern von ihrem Kind bleibt.

Eine Totgeburt und der Schmerz der Eltern sind nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Durch die Verweigerung eines offiziellen Namens für totgeborene Kinder wird dieses Tabu noch verstärkt. Die Eltern fühlen sich von der Öffentlichkeit in ihrem Schmerz nicht verstanden.

Es gibt für totgeborene Kinder lediglich einen Auszug aus dem Sterbebuch, in dem der Vorname mit ,-x-‘ angegeben wird, ebenso der Familienname ,-x-‘. Auch die Religionszugehörigkeit wird mit ,-x-‘ angegeben, selbst wenn die Kinder notgetauft wurden. Während bei ehelichen Kindern sowohl die Mutter als auch deren Ehemann als Vater angegeben werden, scheint bei unehelichen Kinder der Vater nicht auf, auch wenn er noch während der Schwangerschaft die Vaterschaft anerkannt hat. Im Sterbebuch wird lediglich der Tag der Totgeburt und das Geschlecht des Kindes vermerkt. Weitere Angaben werden vom Personenstandsgesetz, § 28 Abs. 2 ausgeschlossen.

In Deutschland wurde vor kurzem das Personenstandsgesetz diesbezüglich geändert. Nunmehr ist es möglich – falls die Eltern es wünschen –, Vor- und Familiennamen des Kindes einzutragen, und zwar mit dem Vermerk, daß das Kind totgeboren wurde.

Durch eine einfache gesetzliche Änderung nach diesem Beispiel könnten auch in Österreich totgeborene Kinder auf Wunsch der Eltern einen Namen bekommen. Den Eltern könnte damit ihr Schmerz und die Bewältigung des tragischen Ereignisses erleichtert werden. Durch eine gesetzliche Regelung könnte auch das gesellschaftliche Tabu, mit dem die betroffenen Eltern konfrontiert sind, aufgebrochen werden.

Die UnterzeichnerInnen dieser Petition ersuchen den Nationalrat der Republik Österreich, durch einschlägige Gesetzesänderungen sicherzustellen, daß totgeborene Kinder auf Wunsch ihrer Eltern als Personen mit eigenen Vor- und Familiennamen registriert werden können.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Ausschuß für innere Angelegenheiten.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat diese Petition in seiner Sitzung am 11. Mai 1999 in Verhandlung genommen und mit dem Bericht 1828 der Beilagen miterledigt.

Justizausschuß

Petition Nr. 45

überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Maria Rauch-Kallat, Mag. Johann Ewald Stadler, Theresia Haidlmayr und Dr. Volker Kier betreffend “Nein zur Bio-Medizin-Konvention” mit folgendem Wortlaut:

“Das Ministerkomitee des Europarates – ein Zusammenschluß von 40 demokratischen europäischen Staaten – beschloß nach mehr als fünfjähriger Beratung der ,Bio-Ethik-Konvention‘ am 19. November 1996 diese Konvention unter dem Titel ,Bio-Medizin-Konvention‘. Österreich hat im Ministerkomitee dieser Konvention zugestimmt. Sie wurde bislang von Österreich nicht ratifiziert.

Helfen Sie mit zu verhindern, daß diese diskriminierende und menschenverachtende Konvention von Österreich ratifiziert wird!

Sinn und Inhalt der Bio-Medizin-Konvention

Diese Konvention sollte erstmals Mindeststandards auf multilateraler Ebene festlegen zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin.

Es bleibt jedem Mitgliedstaat des Europarates vorbehalten, darüber hinaus gehende Schutzbestimmungen gesetzlich zu verankern. Enthalten sind Regelungen

–   zur medizinischen Forschung,

–   zur Organentnahme zu Transplantationszwecken bei lebenden Personen,

–   zur Embryonenforschung.

In manchen Bereichen hat Österreich in der nationalen Gesetzgebung wesentlich strenger formulierte Schutzbestimmungen.

Gefahren der Konvention und mögliche negative Folgewirkungen

Die Gefahr dieser Konvention wird erst klar, wenn man die Folgen der einzelnen Bestimmungen überlegt. Als Beispiel der Artikel 17 über ,Protection of persons not able to consent to research‘ (einwilligungs­unfähige Personen), Absatz 2: ,Exceptionally and under the protective conditions prescribed by law (…) such research may be authorised [,In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzbestimmungen kann Forschung (…) zugelassen werden …‘]. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Artikel 20 über die ,Entnahme regenerierbaren Gewebes‘.

Durch diese Artikel wird in ,Mindeststandards‘ Forschung und Organentnahme an einwilligungsunfähigen Personen zugelassen. Die Forschung selbst muß für die betroffenen Personen nicht zwangsläufig nutzbringend sein, sondern darf – im Gegenteil – sogar gesundheitliche Risken bergen. Zu diesen Perso­nen zählen Kinder, altersdemente, geistig und psychisch behinderte Menschen und Komapatienten.

Noch verhindern Österreichs Gesetze, daß diese beiden Artikel an ,einwilligungsunfähigen‘ Personen Forschung und Organentnahme zulassen.

Utopie oder Zukunft der Forschung?

Eine Skizzierung der schlimmsten möglichen Folgen liest sich wie grausamste Science-fiction: Mitgliedstaaten des Europarates ohne bestehende Schutzbestimmungen ratifizieren diese Konvention nicht und anerkennen damit keine ,Mindeststandards‘. Sie bekommen dadurch einen ,Forschungsvor­sprung‘ gegenüber Ländern wie Österreich. Die medizinische Forschung in Österreich will nicht ,diskriminiert‘ werden und übt Druck auf die Regierung aus.

Die Regierung hält diesem Druck nicht Stand und schafft die derzeit bestehenden Schutzbestimmungen für ,einwilligungsunfähige‘ Personen – etwa die Sachwalterschaft – ab.

Ab diesem Zeitpunkt gilt auch in Österreich nur noch der ,Mindststandard‘ der Bio-Medizin-Konvention. Die oben zitierten Ausnahmefälle werden geschickt argumentiert, und schon sind auch in unserem Staat geistig behinderte Menschen, altersdemente Menschen, Komapatienten und Kleinkinder freigegeben für medizinisch riskante Forschung.

Weitere Kritikpunkte

Die Forschung an ,überschüssigen‘ Embryonen – etwa aus Reagenzglasbefruchtung – wird in der Bio-Medizin-Konvention nicht eindeutig untersagt.

Ein gravierender Mangel ist auch das Fehlen von Datenschutzbestimmungen etwa im Hinblick auf die Ergebnisse von genetischen Tests.

Wehren wir uns!

Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) ist Dachorganisation der öster­reichischen Behindertenverbände und vertritt in mehr als 75 Mitgliedsverbänden etwa 400 000 behinderte Menschen. Die ÖAR gründete ein Plattform gegen die Ratifizierung der Bio-Medizin-Konvention in der bestehenden Form. Eingeladen zur Teilnahme wurden nicht nur Behindertenorganisa­tionen, da – schon aus grundsätzlichen Erwägungen – nicht nur behinderte Menschen davon betroffen sind.

Eine Aufklärungsaktion über die Gefahren der und Diskriminierungen in der Bio-Medizin-Konvention mit dem aktuellen Wortlaut wurde gestartet. In ganz Österreich liegen Unterschriftenlisten gegen die Ratifizierung auf, die Nationalratspräsident Dr. Heinz Fischer übergeben und deren Ergebnis allen österreichischen Parlamentariern und der Bundesregierung mitgeteilt wird.

Die politische Position der ÖAR

Die Bio-Medizin-Konvention des Europarates darf in der vorliegenden Form von Österreich nicht ratifiziert werden.

Es ist keinesfalls zu akzeptieren, daß

–   Österreich Mindeststandards akzeptiert, die eindeutig diskriminierende Passagen gegenüber einwilli­gungsunfähigen Personen enthalten,

–   Österreich durch eine Ratifizierung die Freigabe von Menschen zu Forschungszwecken in anderen Staaten billigt,

–   Österreich bereit ist, in einer multilateralen Konvention geringere ethische Maßstäbe anzusetzen als bei innerstaatlichen Schutzbestimmungen.

Der Leiter der Abteilung für Menschenrechte im Außenministerium, Klaus Fabian, erklärte am 4. April 1997 gegenüber der Austria Presse Agentur, vor einer Unterzeichnung sollte das Verständnis für die Bio-Medizin-Konvention verbessert werden …”

Der Petition beigeschlossen war folgende Argumentation der Lebenshilfe Österreich:

“Es ist richtig, daß in wenigen Punkten die österreichische Rechtsordnung im Fall einer Ratifizierung verbessert werden müßte. Diese Tatsache muß nicht zwangsläufig als Argument für die Konvention bzw. ihre Ratifizierung interpretiert werden. Man könnte daraus ebenso ein Versäumnis des österreichischen Gesetzgebers ablesen. Als Beispiele seien folgende Passagen der Konvention genannt:

–   Artikel 2: ,Vorrang des menschlichen Lebewesens gegenüber dem bloßen Interesse der Gesellschaft oder Wissenschaft‘.

–   Artikel 11: ,Jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes ist verboten.‘

–   Artikel 21: Verbot des finanziellen Gewinns bei Organentnahmen.

Artikel 17 – Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Forschungsvorhaben

Abs. 2: In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbestim­mungen darf Forschung, deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person nicht von unmittelbarem Nutzen sind, zugelassen werden, wenn (…)

ii)  die Forschung bringt für die betroffene Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich.

–   Pro-Argument: Das österreichische Arzneimittelgesetz verhindert für viele Personengruppen fremdnützige Forschung.

–   Kritik 1: Das Arzneimittelgesetz umfaßt nicht alle Personengruppen, die als ,einwilligungsunfähig‘ definiert werden können (etwa Komapatienten).

–   Kritik 2: Solange die Konvention diese juristischen Schlupflöcher offenläßt, haben Forschungsunter­nehmen die Möglichkeit, in andere Staaten mit weniger strengen innerstaatlichen Gesetzen auszu­weichen.

–   Kritik 3: Die Begriffe ,minimales Risiko‘ und ,minimale Belastung‘ sind nicht näher definiert. Als Beispiel für diese Begriffe wurde die psychische Belastung jener Personen angeführt, die vor einer her­kömmlichen Impfung Angst haben. Es ist allerdings ungeklärt, ob eine Maßnahme an einem schwerst­verletzten Patienten, die das Leben möglicherweise um einige Tage verkürzen könnte, ebenfalls unter ,minimales Risiko‘ oder ,minimale Belastung‘ fällt.

–   Pro-Argument: Manche Krankheiten/Behinderungen könnten nur an jenen Menschen erforscht werden, die an dieser Krankheit leiden/mit dieser Behinderung leben.

–   Kritik 1: Auch diese Personen haben Menschenrechte und Menschenwürde, diese Argumentation macht sie zu Menschen zweiter Klasse.

–   Kritik 2: Nicht nur die medizinische Forschung selbst, auch die Forschungsmethoden unterliegen einem Fortschritt. Wäre Forschung an einwilligungsunfähigen Personen zugelassen, gäbe es für die Forschung keine Veranlassung, nach neuen Methoden zu suchen.

–   Kritik 3: Die Menschheit wird zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob all jenes tatsächlich in der Praxis angewandt werden müsse, was Forschung und Wissenschaft (theoretisch) bereits ermöglichen. Im Sinne der Menschenrechte sollte sich auch die Forschung Grenzen setzen.

Artikel 18 Abs. 2: Die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten.

–   Pro-Argument: Die österreichische Rechtsordnung verbietet jegliche Forschung an Embryonen.

–   Kritik 1: Die Konvention ist nicht ausreichend. Bei jeder in-vitro-Fertilisation entstehen mehrere Embryonen. Diese wurden zwar nicht für Forschungszwecke eigens erzeugt, können aber nach der Konvention verwendet werden.

–   Kritik 2: Auch in diesem Fall gilt: Was in Österreich verboten ist, kann in anderen Staaten zugelassen bleiben. Ein Ausweichen der Forschung auf andere Staaten ist damit möglich.

Datenschutz bei genetischen Tests

–   Pro-Argument: Das österreichische Gentechnikgesetz verbietet die Weitergabe von genetischen Analysen an Arbeitgeber, Versicherer und deren Beauftragte und Mitarbeiter.

–   Kritik 1: Der Datenschutz ist nicht ausreichend, Bestimmungen über Aufbewahrung und Vernichtung der Ergebnisse fehlen.

–   Kritik 2: erneut der internationale Aspekt.

Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen

–   Pro-Argument: Das Verbot ist eindeutig und sogar klarer formuliert als ein US-Gesetzesvorschlag, der nur eine bestimmte Art des Klonens verbietet.

–   Kritik 1: Das Zusatzprotokoll verbietet ,Eingriffe, die auf die Schaffung eines Menschen, der genetisch identisch ist mit einem anderen lebenden oder toten Menschen‘. Das Gesetz verbietet jedoch nicht die Schaffung einer Variation eines Menschen durch genetische Veränderungen.

–   Pro-Argument: Österreich muß die Konvention insgesamt ratifizieren, um das Zusatzprotokoll ratifizieren zu können.

–   Kritik 1: Die vermeintlich positiven Aspekte eines Zusatzprotokolls dürfen die negativen Aspekte der gesamten Konvention nicht aufheben.

–   Kritik 2: Ein umfassendes Klonierungsverbot kann auch über den Weg eines innerstaatlichen Gesetzes erreicht werden.

Zusammenfassung:

Österreich darf die Konvention in der bestehenden Fassung keinesfalls ratifizieren. Der ,Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin‘ ist nicht ausreichend formuliert.

Ein internationaler Mindeststandard – so wünschenswert er wäre – darf keinesfalls Personen zu Menschen zweiter Klasse degradieren.

Mangelnde Definitionen dürfen im Zusammenhang mit dem leiblichen Wohlbefinden nicht dazu führen, daß zum Beispiel erst im nachhinein ausjudiziert werden muß, ob ein bereits durchgeführtes Forschungs­vorhaben rechtlich einwandfrei war.”

Etwa 45 000 Personen haben folgendes Anliegen unterschrieben:

“NEIN zur Bio-Medizin-Konvention!

Am 19. November 1996 beschloß das Ministerkomitee des Europarates die ,Bio-Medizin-Konvention‘. Damit sollte ein Mindeststandard für 40 europäische Staaten geschaffen werden, wie Menschenrechte und Menschenwürde auch in Biologie und Forschung zu schützen sind.

Aber Kleinkinder, geistig und psychisch behinderte Menschen, altersdemente Personen, Alzheimer-Patienten, Menschen im Koma sind laut dieser Konvention für Forschungszwecke freigegeben – nicht etwa für Forschung, die der jeweiligen Person hilft, sondern Forschung, die nur für andere Menschen von Nutzen ist, aber für die betroffene Person sogar mit gesundheitlichen Risken verbunden sein kann.

Österreich hat im Europarat dieser Bio-Medizin-Konvention zugestimmt. Mit unserer Unterschrift fordern wir den Nationalrat auf, die Konvention in der vorliegenden Fassung abzulehnen.

Die Bio-Medizin-Konvention betrifft uns alle. Denn jeder kann heute nach einem Autounfall ins Koma fallen; denn niemand ist davor gefeit, an Alzheimer zu erkranken; und jeder wäre damit morgen schon ein mögliches Opfer für medizinische Experimente.

NEIN zu menschlichen Versuchskaninchen!”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Justizausschuß.

Der Justizausschuß hat die gegenständliche Petition auf die Tagesordnung vom 9. Juni 1999 gestellt.

Petition Nr. 52

überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend “die Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen”

Der Abgeordnete Mag. Johann Ewald Stadler hat die gegenständliche Petition dem Präsidenten des Nationalrates unter Anschluß von zahlreichen Unterschriften überreicht.

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten übermittelte folgende Information über seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugend­lichen:

“Aktivitäten Österreichs auf internationaler und regionaler Ebene zur Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch von Kindern

Der Schutz der Kinder ist ein zentrales Thema für Österreich und war ein wichtiges Thema der Öster­reichischen EU-Präsidentschaft. Ziel Österreichs war es, übergreifende und umfassende Initiativen zum Schutz der Jugend und Kinder in Gang zu setzen. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Thema Kinderpornographie im Internet. Neue Impulse zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch, wirt­schaftlicher Ausbeutung und Gewalt wurden gesetzt.

Die Marschrichtung wurde dabei durch die Schwerpunktsetzung zum Thema Kinderrechte, insbesondere der Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet, im Rat Allgemeine Angelegenheiten (RAA) und bei der Europakonferenz am 5. und 6. Oktober 1998 vorgegeben. Schwerpunkte auf EU-Ebene waren dabei insbesondere die Koordinierung der horizontalen und säulenübergreifenden Aspekte (Justiz, Audio­visuelles, Telekommunikation): die rasche Umsetzung des Aktionsplans zur sicheren Nutzung des Internet, der österreichische Vorschlag für eine Gemeinsame Maßnahme zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet, und die Fortführung des Daphne-Programms zur Unterstützung von NGOs im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Weiters wurde der Schutz von Kindern beim Besuch der Amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright am 3. September thematisiert, wobei Außenminister Schüssel und Albright den Entschluß faßten, eine verstärkten Zusammenarbeit zwischen der EU und den US zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet zu fördern. Erstes Ergebnis ist der Entschluß, welcher auf dem Gipfel EU-USA am 18. De­zember 1998 indorsiert wurde, eine internationale Konferenz “Kampf der die Kinderpornographie im Internet” abzuhalten. Die Konferenz, welche im Rahmen des transatlantischen Dialogs EU-US stattfindet, ist vom 29. September bis 1. Oktober 1999 geplant. An der Konferenz werden zirka 300 hoch­rangige Vertreter der Ministerien für Justiz und Inneres sowie Vertreter von internationalen und regiona­len Organisationen, der Industrie (Internet-Service-Providers), und nicht-staatlicher Organisationen teil­nehmen. Neben Teilnehmern aus Europa und Nordamerika werden auch Regierungsvertreter und Experten aus anderen Ländern eingeladen.

Die Konferenz soll einen Beitrag zur Sensibilisierung und Mobilisierung der Weltöffentlichkeit leisten sowie die Zusammenarbeit und Koordination der verschiedenen involvierten Stellen, insbesondere zwischen den Polizeibehörden und der Industrie, fördern. Ziel der Konferenz soll es sein, auf weltweiter Ebene Impulse in drei Stoßrichtungen zu geben: Verbesserung der Zusammenarbeit der Justiz- und Straf­verfolgungsbehörden; Propagierung von Verhaltenscodices der Internet-Provider-Industrie; Förderung der Schaffung von weiteren Hotlines (über die Hotlines können Vorfälle von Kinderpornographie im Internet gemeldet werden) sowie der Vernetzung der Hotlines untereinander.

Auf UN-Ebene erhob die EU vor der 53. UN-Generalversammlung die Forderung eines verstärkten weltweiten Schutzes von Kindern, wobei ein Schwerpunkt der Schutz der Kinder vor sexuellem Miß­brauch war. Erstmals wurde unter der österreichischen Präsidentschaft eine EU-Koordination zur Vor­bereitung der nächsten Tagung der Arbeitsgruppe zum Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention über Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie in die Wege geleitet.

Auch im Rahmen des Europarats war Österreich gegen die sexuelle Ausbeutung der Kinder aktiv. So zB hat das Ministerkomitee des ER Mitte 1998 die Lancierung eines Kinderprogrammes beschlossen, in dem auf österreichischer Initiative ein Punkt über die sexuelle wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern im Internet aufgenommen wurde. Für die Umsetzung dieses Punktes ist das Expertenkomitee über Verbrechen im Cyberspace zuständig, welches seit April 1997 gemeinsam mit Regierungsvertretern aus Nordamerika und Japan an einer internationalen Konvention über Verbrechen im Cyberspace arbeitet. Aufgrund eines diesbezüglichen Auftrages des Leitungsausschusses für Verbrechensfragen wurde Mitte September 1998 beschlossen, einen speziellen Artikel über die Verteilung von kinderpornographischem Material in die geplante Konvention über Verbrechen im Cyberspace aufzunehmen.”

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie nahm folgendermaßen Stellung:

“Im Kampf gegen den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen wurde gerade in den letzten Jahren eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen verankert und andere diesbezügliche Maßnahmen und Projekte initiiert. Eine Vielzahl der vorgesehenen Maßnahmen ist bereits umgesetzt worden bzw. befindet sich gerade im Stadium der Verwirklichung.

I. Gesetzliche Maßnahmen

a)  Zur Umsetzung der Entschließung des Nationalrates E 22-NR XX.GP vom 19. September 1996 er­folgte auf Initiative des ho. Ressorts eine Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 (BGBl. I Nr. 53/1999), die Meldepflichten und Maßnahmen zur Datenerfassung im Falle von physischer oder sexueller Gewalt umfaßt.

b) Seitens des Bundesministeriums für Justiz (va. Strafrechtsänderungsgesetze 1996 und 1998, Gewalt­schutzgesetz und Exekutionsordnung/EO) sowie des Bundesministeriums für Inneres (va. Gewalt­schutzgesetz und Sicherheitspolizeigesetz/SPG) wurden nachstehend genannte Gesetzesinitiativen gesetzt.

     1.  Das ,Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie‘, kurz GewaltschutzG (BGBl. Nr. 159/1996, die angesprochenen Maßnahmen sind seit 1. Mai 1997 in Kraft) sieht – im Gegensatz zu der bis dahin vorherrschenden Vorgangsweise, ein Kind, das Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden ist, durch Fremdunterbringung vor weiteren Übergriffen zu schützen – Möglichkeiten vor, den Täter bzw. die Person, von der eine akute Gefahr droht, aus der Wohnung des Kindes zu weisen. Dies kann durch eine polizeiliche ,Wegweisung‘, ev. mit weiterwirkendem ,Betretungsverbot‘, für 7 bis 14 Tage, (§ 38a SPG) oder eine gerichtliche Maßnahme (,Einstweilige Verfügung‘, für maximal drei Monate, auf Antrag des gesetzlichen Vertreters des Kindes oder des Jugendwohlfahrtsträgers, § 382b Exekutionsordnung) geschehen.

          Hervorzuheben ist, daß eine Wegweisung bzw. Einstweilige Verfügung (EV) nicht erst nach erfolgtem Angriff auf das Kind vorgenommen werden kann, sondern bereits dann, wenn ,auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs, anzu­nehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor‘ (§ 38a SPG) bzw. wenn ,einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar‘ gemacht wird. Durch die weite Definition des Begriffs ,naher Angehöriger‘ in § 382b/3 EO sind Kinder vor Übergriffen ihrer Eltern, Pflegeeltern, Geschwister und bestimmter weiterer Angehöriger geschützt.

     2.  Mit dem StrafrechtsänderungsG 1996 (in Kraft seit 1. März 1997) wurden die Strafdrohungen für ,Kinderpornographie‘ (§ 207a StGB, ,Pornographische Darstellungen mit Unmündigen‘) erhöht: Der Strafrahmen für das Grunddelikt beträgt nun zwei Jahre (statt vorher ein Jahr), für die gewerbs­mäßige Begehung oder die Begehung als Mitglied einer Bande drei Jahre. Diese Strafdrohungen sind selbstverständlich gegenüber anderen, strengeren Strafdrohungen (insbesondere [schwerem] sexuellen Mißbrauch an Unmündigen, §§ 206, 207 StGB, siehe dazu unten) subsidiär.

          Zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Ausland – insbesondere in Staaten, in denen kein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium zur Bekämpfung damit im Zusam­menhang stehender Delikte besteht – wurden durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 die Bestimmungen über das internationale Strafrecht  ergänzt: Sexualdelikte gegen Unmündige (§§ 206 und 207 Strafgesetzbuch) sowie insbesondere der Straftatbestand der Kinderpornographie (§ 207a Strafgesetzbuch) können bei Begehung im Ausland unabhängig vom Recht des Tatortes – also insbesondere auch bei Straflosigkeit im Tatortstaat – nach österreichischem Recht und von österreichischen Gerichten abgeurteilt werden (§ 64 Abs. 1 Z 4a StGB; dies gilt für Österreicher, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben; bei Auslandsösterreichern und Ausländern ist eine entsprechende Strafnorm im Tatortstaat erforderlich, bei letzteren überdies Nichtauslieferung).

     3.  Änderungen vor allem im materiellen Sexualstrafrecht, aber auch im Strafprozeßrecht brachte das StrafrechtsänderungsG 1998 (in Kraft seit 1. Oktober 1998):

          Die so genannten ,beischlafsähnlichen‘ Mißbrauchshandlungen an unmündigen Minderjährigen (= Kinder bis zu 14 Jahren) wurde dem Beischlaf gleichgestellt; dies führt zu einer Verdoppelung der Strafandrohung und somit auch der Verjährungsfrist auf zehn Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt bei bestimmten Sexualdelikten, die an Kindern und Jugendlichen verübt werden, erst mit Erreichen der Volljährigkeit zu laufen. Um die Stellung der Opfer von Sexualdelikten im Straf­verfahren zu verbessern und so eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden, wurde die Möglichkeit der ,Schonenden Vernehmung‘ für Opfer von Sexualdelikten ausgebaut (diese ist nun für unmün­dige Opfer zwingend, nicht nur wie bisher auf Antrag vorzunehmen.)

II. Regierungsbeschlüsse

Am 30. April 1997 und 10. Dezember 1998 beschloß die Bundesregierung zwei Maßnahmenkataloge gegen ,Gewalt in der Gesellschaft‘ usw. und ,gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie im Internet‘. Dieses Maßnahmenkataloge/Aktionspläne (s. Beilagen 1 und 2), sehen spezielle Maßnahmen zur Verhinderung von sexuellem Mißbrauch, aber auch zur Hilfe für betroffene Opfer vor. Zu nennen sind beispielsweise der Ausbau von spezialisierten Beratungsstellen, das Angebot von Therapieplätzen und die Erprobung der Prozeßbegleitung für Opfer, aber auch Entwicklung von Konzepten zur Arbeit mit Gewalt­tätern sowie Reformen des Sexualstrafrechtes, Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt in den (neuen) Medien uvm.

III. Sonstige Maßnahmen

a)  Im Rahmen der Plattform gegen die Gewalt in der Familie wurden verschiedene Projekte gefördert, die die Verhinderung von Gewalt und Mißbrauch bzw. die Erhöhung der Aufdeckungsrate zum Ziel haben. Es sind dies primärpräventive Projekte mit Kindern und Jugendlichen, sowie Fortbildungsmaß­nahmen für KindergärtnerInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und MitarbeiterInnen von Familienberatungsstellen.

b) Jene Gelder, welche die Bundesregierung im Dezember 1997 zur Verdoppelung der Spenden im Rahmen der Aktion Licht ins Dunkel bereitgestellt hat, wurden in Höhe von mehr als acht Millionen Schilling auf Vorschlag des Familienministeriums Gewaltschutzeinrichtungen für die Realisierung von Opferschutzprojekten zugeteilt (zB für die längerfristige Arbeit mit Kindern, die Opfer von Gewalt geworden sind).

c)  Im Interesse eines nachhaltigen Opferschutzes hat das Familienressort 1996 begonnen, sich mit täterbezogenen Konzepten und Maßnahmen auseinanderzusetzen. Seit 1998 führt die Informations­stelle für Männer in Wien ein Modellprojekt zur Arbeit mit sexuell mißbrauchenden Männern durch, das sich an im Ausland gewonnenen Erkenntnissen orientiert und vom Familienministerium gefördert wird. Das Projekt ist auf zirka drei Jahre angelegt und wird wissenschaftlich evaluiert. Weiters wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie eine Literaturstudie über die im europäischen und angloamerikanischen Raum vorhandenen Programme und Konzepte in Auftrag gegeben, die mittlerweile vorliegt und eine Orientierungshilfe für den Aufbau von Täterarbeit in Österreich dar­stellt. Zur Entwicklung von Strategien in der Arbeit mit Gewalttätern wurde im Familienministerium eine Expertengruppe eingerichtet, in der Behörden, Opferschutzeinrichtungen und Institutionen, die mit Tätern arbeiten, über Ziele, Rahmenbedingungen und Inhalte von Täterarbeit diskutieren. Diese Experten haben ua. Standards für die Täterarbeit bei sexueller Gewalt gegen Kinder entwickelt, die demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

d) Um den Schutz von Gewaltopfern zu verbessern, hat sich das ho. Ressort an der Förderung des Modellprojektes ,Prozeßbegleitung für sexuell mißbrauchte Kinder‘ beteiligt. Ergebnisse aus diesem Modellprojekt, das im Frühjahr 1998 begonnen worden ist, werden im Februar 2000 vorliegen. Kindern und Jugendlichen, die Opfer von sexuellem Mißbrauch geworden sind, wird sowohl psycho­soziale als auch juristische Unterstützung und Begleitung vor, während und nach einem Strafprozeß kostenlos angeboten.

e)  wurde die Studie “Sexueller Mißbrauch bei Kindern – Zur Psychodynamik der unmittelbaren Inzestfolgen” gefördert, welche die therapeutische Aufarbeitung von sexuellem Mißbrauch beschreibt.

f)  Eine Reihe von Einrichtungen, die im Bereich der Intervention und Prävention von Gewalt an Kindern tätig sind, sowie Kinderschutzzentren und einschlägige Beratungsstellen wurden gefördert.

g) Im September 1996 hat das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie die von der Schweiz übernommene und auf österreichische Verhältnisse adaptierte Wanderausstellung ,(K)ein sicherer Ort – Sexuelle Gewalt an Kindern‘ in Wien präsentiert und mit einer Fach-Enquete ,Erkennen – Verstehen – Helfen‘ eröffnet. Die Ausstellung dient primär der Prävention, soll aber auch als Forum für eine neue Diskussion und Meinungsbildung dienen, um die gesellschaftliche Entwicklung, ebenso wie den Umgang mit sexueller Gewalt an Kindern und die Situation der Opfer zu beeinflussen. Die Ausstellung wurde mittlerweile an insgesamt 27 Orten gezeigt.

h) 1997 wurde das Handbuch ,(K)ein sicherer Ort – Sexuelle Gewalt an Kindern‘ herausgegeben und zielgruppenorientiert verteilt. Auf Grund des großen Interesses erfolgte bereits Ende 1989 eine zweite, aktualisierte Auflage. Das Handbuch ist eine Dokumentation zur Wanderausstellung, in dem aber auch rechtliche und statistische Unterlagen bzw. eine Literaturliste und ein österreichweites Verzeichnis an Hilfseinrichtungen zu finden sind.

i)   Zur Sensibilisierung der einschlägigen Berufsgruppen wurden die Folder ,Gewalt am Kind. Erken­nen – Verstehen – Helfen. Hinweise für pädagogische Berufe‘ und ,Gewalt am Kind. Erkennen – Verstehen – Helfen. Hinweise für medizinische Berufe‘ herausgegeben. Diese beinhalten einen Systemkatalog zur systematischen Darstellung sozialer, psychischer und körperlicher Anzeichen, die auf Mißhandlung, sexuellen Mißbrauch und Vernachlässigung hindeuten.

IV. Sonstiges

Es darf darauf hingewiesen werden, daß auch seitens des Bundesministeriums für Unterricht und kultu­relle Angelegenheiten bewußtseinsbildende Maßnahmen (Medienpaket für den Unterricht) gesetzt worden sind.”

Dazu legte das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zwei Vorträge an den Ministerrat bei, die ebenfalls abgedruckt werden:

“Vortrag an den Ministerrat

Präambel

Gewalt, vor allem die gegen Frauen und Kinder gerichtete Gewalt, aber auch die gegen behinderte und ältere Menschen, ist ein brennendes gesellschaftliches Problem. Frauen und Kinder, behinderte und ältere Menschen aller sozialen Schichten und jeden Alters können, unterschiedslos ob am Land oder in der Stadt, von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen sein. Obwohl die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder seit geraumer Zeit einen politischen Schwerpunkt der sachlich zuständigen Mitglieder der Bundesregierung darstellt, ist Gewalt in unserer Gesellschaft weiterhin ein verbreitetes Phänomen und verlangt ein nachhaltiges und entschiedenes Vorgehen aller maßgeblichen Kräfte.

Der Gewalt gegen Frauen – ein nach unserer Auffassung intolerabler Ausdruck von Macht im Verhältnis der Geschlechter zueinander – muß, neben allen notwendigen konkreten Maßnahmen zur unmittelbaren Bekämpfung der Gewalt, durch den Abbau bestehender Diskriminierungen von Frauen generell verstärkt entgegengewirkt werden. Wo soziale und ökonomische Abhängigkeiten zu Gewaltbeziehungen, und überkommene Norm- und Rollenbildvorstellungen dazu führen, daß Gewalt im privaten Bereich von manchen noch als ,Kavaliersdelikt‘ angesehen wird, ist es Aufgabe der politisch Verantwortlichen dem nachdrücklich entgegenzuwirken.

Darüber hinaus ist dem absoluten Gewaltverbot als tragendem Prinzip im Verhältnis von Erziehungs­berechtigten, Lehrern, Erziehern und Arbeitgebern gegenüber den in ihrer Obhut stehenden Kindern und Jugendlichen verstärkt Beachtung zu verschaffen. Nachdem die Anwendung von Gewalt gegen Kinder und die Zufügung körperlichen und seelischen Leides als Mittel der Kindererziehung seit dem Jahr 1989 ausdrücklich untersagt ist, können weder Eltern noch sonstige Erziehungspersonen eine solche körperliche Mißhandlung von Kindern als Mittel zur Kindererziehung rechtfertigen.

Durch gezielte Förderung von Jugendprojekten mit gewaltpräventiver Ausrichtung ist der Gewalt von und unter Jugendlichen entgegenzuwirken.

Zur Realisierung des Schutzes der körperlichen Sicherheit im familiären Bereich wurden durch das am 1. Mai 1997 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz (BGBl. Nr. 759/1996) neue Strukturen geschaffen, wonach vor allem die Kooperation zwischen den Gerichten und den Sicherheitsbehörden bei Gewaltvor­kommnissen in der Familie verbessert und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zusätzliche Befugnisse zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie übertragen wurden. Dieses Gesetzesinstrument ist das Ergebnis des gemeinsamen Vortrages an den Ministerrat betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt in der Familie, welchen die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten, der Bundesminister für Justiz, der Bundesminister für Inneres und die (damalige) Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie am 28. Juni 1994 mit dem Ziel eingebracht hatten, den Anspruch von Menschen auf Schutz vor dem weitverbreiteten und in verschiedenen Ausprägungen auftretenden Phänomenen der Gewalt in der Familie zu verwirklichen.

Flankierend zu den gesetzgeberischen Maßnahmen wurden große Anstrengungen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit unternommen: So ist es etwa in mehr als zwei Jahrzehnten Aufklärungsarbeit in erster Linie durch die Frauenbewegung und durch eine engagierte Frauenpolitik gelungen, ein öffentliches Bewußtsein zur Problematik der Gewalt gegen Frauen zu schaffen. Darüber hinaus stellen die Ende 1992 gestartete Anti-Gewalt-Kampagne der Bundesregierung, die Gründung der ,Plattform gegen die Gewalt in der Familie‘ durch das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie und die Parlamentarische Enquete ,Gewalt in der Familie‘, sowie die Enquete ,Frauen und Recht‘, deutliche Bekenntnisse der politisch Verantwortlichen gegen Gewalt in der Gesellschaft dar. In Erinnerung gerufen wird schließlich, daß die internationale Staatengemeinschaft bei der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking ein entschiedenes Bekenntnis zur Bekämpfung der gegen Frauen gerichteten Gewalt abgegeben hat.

Und nicht zuletzt hat die vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie betriebene intensive Behandlung des ,UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes‘ (E 156 NR-XVIII. GP.) zu einem sozialpolitischen Bewußtsein und zu einem neuen Verständnis des Schutzbedarfes und des rechtlichen Anspruches von Kindern auf Schutz gegen die mannigfachen Formen von Gewalt geführt.

Es gibt Anzeichen dafür, daß sich die anhaltende Diskussion des Gewaltthemas und die verstärkte Wahrnehmung der politischen Verantwortung für diese Problematik unter anderem in einer verstärkten Bereitschaft, Gewalttaten, die sich im privaten Bereich ereignet haben, zu melden oder bei den Behörden anzuzeigen, niedergeschlagen hat. Diese Zwischenbilanz ist Anlaß und Grund genug, in der Öffentlichkeit weiterhin mit Nachdruck auf das anhaltende Gewaltproblem in unserer Gesellschaft und auf die zunehmende Bereitschaft und Entschiedenheit der Behörden, auf solche Anzeigen angemessen zu reagieren, hinzuweisen.

Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit zeigen allerdings nur allzu deutlich, wie unvollkommen die bestehenden Instrumentarien trotz der erzielten Fortschritte im Kampf gegen Gewalt sind und welcher Handlungsbedarf auf den unterschiedlichen Ebenen weiterhin vorhanden ist.

Ausgehend von der fortdauernd virulenten Problematik führen die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie eine Medien­offensive zur Sensibilisierung für das Thema Gewalt gegen Kinder durch, wie vom Nationalrat mit der Entschließung E-22 NR/XX. GP verlangt.

Im selben Sinn begrüßten die LandesfamilienreferentInnen auf ihrer Konferenz vom 23. Mai 1997 die aktuellen Maßnahmen gegen die Gewalt in der Familie, insbesondere das neue Gewaltschutzgesetz, und forderten weitere Aktivitäten zur Prävention und Bewußtseinsbildung in Koordination mit den Ländern.

Das Phänomen ,Gewalt‘ muß, um in seiner gesamten Dimension erkannt zu werden, in einer Informa­tionsgesellschaft wie der unseren auch im Zusammenhang mit den neuen Informationstechnologien und der alltäglichen medialen Darstellung von Gewalt betrachtet werden. Die staatliche Verantwortlichkeit in diesem Bereich drückt sich in den verschiedenen medienspezifischen Gesetzen sowie in den Jugend­schutzbestimmungen der Länder in mannigfacher Weise aus. Da die technische Entwicklung der jüngsten Zeit bis vor kurzem ungeahnte neue Möglichkeiten der medialen Verbreitung von Informationen aller Art hervorgebracht hat, ist eine Überprüfung und Ergänzung der bestehenden Präventions- und Kontroll­instrumente durch entsprechende neuartige Ansätze erforderlich, um der gewaltfördernden Darstellung und der Verharmlosung von Gewalt unter Achtung der verfassungsgesetzlich verankerten Meinungs- und Pressefreiheit in angemessener Weise zu begegnen.

Nachdem die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder wie auch gegen andere Personengruppen, wie etwa behinderte oder ältere Menschen, für die zuständigen BundesministerInnen seit geraumer Zeit zu Arbeitsschwerpunkten gezählt hat, soll dieses politische Bekenntnis durch die weitere Initiierung von Maßnahmen sowie die Unterstützung von Projekten zur Prävention vor und – zur Eindämmung von Gewalt fortgesetzt werden. Da sich Gewalt in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Zusammen­hängen und Formen zeigt, wird neben den verschiedenen ressortspezifischen Maßnahmen die Zusammen­arbeit der mitbetroffenen Ressorts, die in der Vergangenheit bereits zu konstruktiven Ergebnissen geführt hat, ausgeweitet und die Einbeziehung der mit dieser Thematik befaßten nichtbehördlichen Stellen und NGO’s – deren Bedeutung sich die Bundesregierung bewußt ist -weiter verstärkt werden.

Aus den dargelegten Gründen und Erwägungen unternimmt es die Bundesregierung, der Gewalt in der Gesellschaft mit dem folgenden, akkordierten Bündel an präventivwirkenden, interventionistischen, rehabilitativen, therapeutischen sowie öffentlichkeitsbezogenen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Zugleich werden die Länder, Städte und Gemeinden aufgerufen, diese Bestrebungen im Rahmen ihrer jeweiligen Wirkungsbereiche umzusetzen.

Opferschutz

 1.    Der Aspekt des Opferschutzes – insbesonders wenn es um sexuelle Gewalt gegen Kinder und Frauen geht – ist zu verstärken. Ergänzend zum bestehenden Interventionsinstrumentarium des Gewalt­schutzgesetzes ist daher die Einrichtung und der Ausbau von mit qualifiziertem Personal aus­gestatteten Interventionsstellen voranzutreiben. Interventionsstellen sollen Opfer beraten und ihnen dabei helfen, behördliche Angebote in Anspruch zu nehmen, sowie das koordinierte Vorgehen der Sicherheits-, Justiz- und anderen Behörden sowie nichtbehördlichen Stellen – insbesondere durch deren laufende Information – unterstützen. Hiezu zählt auch die Begleitung von Opfern in Verfahren.

 2.    Gewaltexponierten minderjährigen Kindern wird die notwendige Soforthilfe und soziale Begleitung dadurch verstärkt gewährt, daß das System von Kinderschutz- und Krisenzentren, (ambulanter) Kinder- und jugendpsychologischer Beratung, Unterbringung bei Pflegeeltern, heilpädagogischen Wohngemeinschaften sowie Notschlafstellen bedarfsgerecht ausgeweitet wird.

        Zum Zweck der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen als Opfer seelischer, körperlicher, emotionaler, sozialer und sexueller Gewalt sind im erforderlichen Umfang Therapieplätze anzubieten.

 3.    Andere, auf den Umgang mit der Problematik der Gewalt in der Familie spezialisierte Einrichtungen (Frauen- und Familienberatungsstellen, Notrufe für vergewaltigte Frauen und Mädchen, Beratungs­stellen für sexuell mißbrauchte Mädchen und Buben) sollen allen Menschen, die deren Hilfe und Unterstützung in Anspruch nehmen wollen, in ganz Österreich zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus soll für einen bedarfsgerechten Ausbau von Frauenhäusern in allen Bundesländern gesorgt werden.

 4.    Mit E-22 NR/XX. GP vom 19. September1996 hat der Nationalrat den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie um eheste Zuleitung einer Regierungsvorlage, durch die eine zentrale Stelle für die Meldung von Verletzungen beim Jugendwohlfahrtsträger und die entsprechende datenschutz­rechtliche Absicherung solcher Meldungen geschaffen werden soll, ersucht. In Entsprechung dieser Entschließung wurde ein (allgemeines) Begutachtungsverfahren zur Novellierung des JWG 1989 (§ 2a) eingeleitet. Mit diesem parlamentarischen Handlungsauftrag soll eine Verbesserung des Schutzes von Kindern vor (wiederholten) Gewalthandlungen durch eine Intensivierung der Ko­operation zwischen der öffentlichen Jugendwohlfahrt und solchen Institutionen/Personen, die auf Grund ihrer Berufsausübung fundierte Verdachtsmomente oder Kenntnis von Gewalt an Kindern erhalten, bewirkt werden.

 5.    Um Verletzungen und/oder körperliche und psychische Auffälligkeiten bei Kindern besser als Mißhandlung erkennen zu können, wird ein Symptomkatalog zur systematischen Darstellung sozialer, psychischer und körperlicher Anzeichen, die auf Kindesmißhandlung, sexuellen Kindesmißbrauch oder Vernachlässigung hindeuten, vorbereitet (,Anzeichen von Gewalt an Kindern erkennen!‘). Dieser Katalog von Anzeichen von Gewalt an Kindern soll ÄrztInnen und sonstigem medizinischem Personal, aber auch anderen Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten, zur Verfügung gestellt werden.

 6.    Um dem grundlegenden und umfassenden Informationsbedarf von ÄrztInnen bezüglich familiärer Gewalt und allfälliger Interventionsmöglichkeiten zu entsprechen, wird ein Fortbildungscurriculum für ÄrztInnen entwickelt. Darin sollen unter anderem unmittelbare und nachhaltige, körperliche und psychische Folgeerscheinungen sowie Anzeichen von Gewalterfahrung ausführlich erläutert, sowie mögliche Interventionsmaßnahmen und deren zu erwartende Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen aufgezeigt werden.

 7.    Die verschiedenen mit Opfern von Gewalt konfrontierten Berufsgruppen unterliegen unterschied­lichen Handlungsaufträgen (Verpflichtung zur Verschwiegenheit – Ermächtigung zur Anzeige – Verpflichtung zur Anzeigeerstattung). Um die bisweilen damit verbundene Unsicherheit im Spannungsfeld von Opferschutz und Vertrauensschutz zu verringern, wird die Möglichkeit der Optimierung der verschiedenen behördlichen und nichtbehördlichen Funktionen überprüft.

 8.    Überprüft werden soll, wie weit die Erstzugriffsmöglichkeiten bei sexuellem Kindesmißbrauch einer Verbesserung bedürfen.

 9.    a) Die Verwirklichung der gesetzgeberischen Intentionen zur möglichst schonenden Behandlung von Kindern als Opfer von (sexueller) Gewalt im Strafverfahren ist dahingehend zu überprüfen, ob dieses Ziel – insbesondere die Vermeidung wiederholter Vernehmungen – erreicht worden ist.

        b) In der Berichterstattung über Gewalt sind die Intimsphäre und die Persönlichkeitsrechte der Opfer zu wahren.

10.   Eine Prozeßbegleitung für Kinder und deren Bezugspersonen im Strafverfahren zu deren juristischen, psychologischen und sozialen Betreuung soll im Rahmen eines Modellprojektes erprobt werden.

Täterarbeit

11.   Die ,Täterarbeit‘ hat durch die Entwicklung und Förderung von täterbezogenen Maßnahmen gegen Gewalttätigkeit (zB Formen der Gruppenarbeit, Anti-Gewalt-Training, Psychotherapie) sowie durch den Aufbau spezieller ,Anti-Gewalt-Zentren‘ zu erfolgen; dazu sind Konzepte und konkrete Modell­projekte zu Anti-Gewalt-Trainings für Täter sowie Konfliktstrainingsprogramme für die zu Gewalt­tätigkeiten neigenden Personen unter Beiziehung von ExpertInnen und unter Berücksichtigung inter­nationaler Erfahrungen zu entwickeln und zu fördern. Angestrebt wird ein intensiver Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den mit ,Täterarbeit‘ befaßten Stellen und den Interventions­stellen.

Sexualstrafrecht, Menschenhandel, Waffenrecht

12.   Die vom Bundesminister für Justiz eingesetzte Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts wird im Rahmen der Reformbestrebungen

        a) im Bereich des materiellen Strafrechts den besonderen Unwert von Straftaten gegen Kinder und Minderjährige gegen ihre geistige, seelische, körperliche und insbesondere sexuelle Integrität be­rücksichtigen (zB durch Überprüfung der Strafrelationen bei verschiedenen Formen von sexueller Gewalt an Kindern, bzw. durch eine von flankierenden Maßnahmen begleitete Verlängerung der Verjährungsfrist über das Erreichen der Volljährigkeit des Opfers hinaus);

        b) im Bereich des Strafverfahrensrechts auf die besondere Schutzbedürftigkeit insbesondere von minderjährigen Opfern von Sexualdelikten Bedacht nehmen.

13.   Menschenhandel, insbesondere der Handel mit Frauen und Kindern zu deren sexueller Ausbeutung, stellt einen massiven Verstoß gegen die Menschenrechte dar. Um diesem Phänomen entgegen­zutreten, sind konkrete, spezifische Maßnahmen, wie Beratungsangebote, Opferschutzeinrichtungen und die Entwicklung von Programmen zum Schutz von durch Menschenhandel betroffenen Personen (,Gefährdetenschutz‘) zu ergreifen. Durch Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit gegen den Kinder- und Frauenhandel ist jede Form unmenschlicher Ausbeutung, vor allem die sexuelle Ausbeutung von Kindern, Jugendlichen und Frauen, mit Entschlossenheit zu bekämpfen.

        Bei all diesen Bestrebungen ist auf die besondere Situation der gegen Angehörige von Minderheiten, insbesondere gegen Migrantinnen, behinderte und ältere Menschen, gerichtete Gewalt ein besonderes Augenmerk zu richten.

14.   Um den mißbräuchlichen Gebrauch von Waffen gegen die körperliche Integrität von Menschen möglichst zu unterbinden,

        a) ist die Beschränkung des Vertriebs von sogenannten ,Softguns‘ auf den konzessionierten Waffen­handel strengstens zu vollziehen,

        b) sind die Voraussetzungen zum Erwerb und Besitz von Waffen weiter zu verschärfen,

        c) sind die Bestimmungen betreffend die sichere Aufbewahrung von Waffen verstärkt zu kon­trollieren,

        d) ist die Verläßlichkeit von Waffenbesitzern hinsichtlich der Aufbewahrung von Waffen regelmäßig zu überprüfen,

        e) ist eine darüber hinausgehende Effektivierung des waffenrechtlichen Instrumentariums vorzuneh­men.

Schulung und Forschung

15.   Zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, zur Prävention von Beziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen, besonders aber für primäre Maßnahmen gegen jede Form der Gewalt an Kindern, sind Methoden und Modelle zur gewaltfreien Erziehung im Bereich der ,Elternbildung‘ verstärkt zu fördern.

16.   Die besonderen Schulungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der StaatsanwältInnen sowie der Straf- und FamilienrichterInnen im Bereich der Gewalt in der Familie sind zu intensivieren und die berufsspezifische Fortbildung für die anderen mit Opfern von Gewalt (im familiären Bereich) befaßten Berufsgruppen, wie insbesondere LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, KindergärtnerInnen, TherapeutInnen, Freizeit- und SozialpädagogInnen auszubauen.

        Angestrebt wird die Einbeziehung einer spezifischen Schulung zum Thema ,Gewalt im privaten Bereich‘ in die einschlägigen Grundausbildungen.

17.   Im Bereich der Bundespolizeidirektionen und der Landesgendarmeriekommanden soll eine spezia­lisierte Funktion zur Bearbeitung familiärer Gewalt (außer Erstintervention) geschaffen werden.

        Forschungsvorhaben zu den folgenden Bereichen werden in Angriff genommen:

18. a) Die Auswirkungen des ,Gesetzes zum Schutz vor Gewalt in der Familie‘ werden mit den Methoden der empirischen Sozialforschung evaluiert.

        b)  Die Ursachen und Hintergründe von Gewalt allgemein und von sexueller Gewalt sowie von den unterschiedlichen Formen der sexuellen Ausbeutung von Kindern, Jugendlichen und Frauen sollen wissenschaftlich eingehend untersucht werden.

        c)  Zu untersuchen und durch internationale Erfahrungen zu verifizieren/falsifizieren ist der Umgang mit Tätern und mit zu Gewalttätigkeit neigenden Personen.

Sensibilisierung und Vernetzung

19.   Die Öffentlichkeit ist für die Gewaltthematik weiter zu sensibilisieren. Durch Anti-Gewalt-Infor­mationskampagnen soll Gewalt jeglicher Art von der Öffentlichkeit geächtet werden; die Schul­behörden werden in ihrem Zuständigkeitsbereich Wege zum gewaltfreien Umgang mit Konflikten aufzeigen, von den Jugendwohlfahrtsträgern werden die Leistungen der Kinder- und Jugendpsycholo­gischen Beratungsdienste verstärkt bekanntgemacht.

20.   Zum Zwecke einer verstärkt akkordierten Vorgangsweise soll unter Berücksichtigung der bestehen­den Strukturen und Initiativen (wie zB ,Plattform gegen die Gewalt in der Familie‘, Gewaltpräven­tionsbeirat, ,Gegen Gewalt Handeln‘ ua.) die Vernetzung in der Zusammenarbeit der mit der Prävention, Intervention und Postvention von Gewalt befaßten behördlichen und nichtbehördlichen Stellen – unter Berücksichtigung der Europäischen Integration, der Länder und Gemeinden – inten­siviert werden.

Gewalt in den Medien

Um der Gewalt in den Medien wirksam zu begegnen,

21.   a) ist die Förderung von gewaltfreien und (pädagogisch) wertvollen Computer- und Videospielen zu forcieren (,Positivprädikatisierung‘);

        b) sind die gesetzlichen Mittel zur Einschränkung der Verbreitung von gewalttätigen und zu Gewalt auffordernden Darstellungen, Texten und Spielen in Massenmedien, bei Video- und Computer­spielen auszuschöpfen und erforderlichenfalls auszubauen;

        c) sind die Angebote, die einen betreuten und kritischen Umgang (zB Internetzugang im Jugend­zentrum) mit den neuen Medien ermöglichen, zu forcieren;

22.   sind die freiwilligen Selbstkontrollinstrumentarien von Medienschaffenden, Produzenten, Händlern und Internet-Providern einschlägiger Produkte zu unterstützen sowie flankierende Maßnahmen in der Medienerziehung zu forcieren; insbesondere ist sicherzustellen, daß kindergeeigneten bzw. ,jugend­freien‘ Filmvorführungen keine für diese Personengruppe ungeeigneten oder gar schädlichen Film­vorspanne vorangehen;

23.   ist darüber hinaus die freiwillige Selbstbeschränkung von Medienschaffenden, Produzenten und Distributoren von einschlägigen ,Brutalmedien‘ durch nationale und internationale Anstrengungen zu ergänzen, wie etwa die Einführung eines Rating-Systems und die Verpflichtung der Medien­technologie-Industrie zur Ausstattung von Empfangsgeräten mit Zugangssperren, ,blocking‘-Sperren oder mit dem sogenannten ,V-Chip‘;

24.   sind Initiativen zur Erarbeitung einer europäischen oder internationalen ,Konvention zur Förderung der Medienkultur und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädlichen medialen Inhalten‘ vorzubereiten bzw. zu unterstützen;

25.   wird auf nationaler Ebene durch geeignete Maßnahmen, erforderlichenfalls durch gesetzliche Regelungen, insbesondere darauf hingewirkt, daß die Internet-Provider dafür Sorge tragen, daß ihr Netz von schädlichen Inhalten, wie etwa ,Kinderpornographie‘, freigehalten wird; parallel wird ein Gleichschritt auf internationaler Ebene angestrebt; die beim Bundesministerium für Inneres einge­richtete Meldestelle zur Erfassung schädlicher Inhalte soll intensiv (auch in Schulen usw.) beworben werden.

Bei der Realisierung dieser Maßnahmen wird auf eine mit den Ländern, Städten und Gemeinden sowie mit internationalen Instanzen und NGO’s abgestimmte Vorgangsweise geachtet.”

“Vortrag an den Ministerrat

Präambel

Auf Grund der Erkenntnis, daß Vorkommnisse von sexuellem Kindesmißbrauch und von kommerzieller sexueller Ausbeutung von Kindern und jungen Menschen vor keinen Landesgrenzen Halt machen, und in Anbetracht des Wissens, daß dadurch die Menschenrechte der Schwächsten der Gesellschaft auf krasseste Weise verletzt werden, wurde auf internationaler, gemeinschaftlicher und auf nationaler Ebene bereits eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um den Anspruch von Kindern und jungen Menschen auf Schutz vor jeglicher Form sexueller Ausbeutung zu verwirklichen.

Mit Artikel 34 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes haben sich die 191 Signatarstaaten, darunter auch Österreich, verpflichtet, Kinder vor allen Formen sexuellen Mißbrauchs und sexueller Ausbeutung zu schützen. Im Sinne der beim Weltkongreß gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern (Stockholm 1996) angenommenen Declaration and Agenda for Action sind die Staaten jeweils aufgefordert, einen Aktionsplan gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern zu erstellen.

Auf Ebene der Europäischen Union haben sich die Mitgliedstaaten mit der Gemeinsamen Maßnahme vom 24. Februar 1997 zur Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern auf gemeinsame Regeln für die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern und zur Verbesserung der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen, sowie mit der Ent­schließung des Rates vom 9. Juni 1997 auf den Austausch von DNA-Daten, verständigt.

Auf Grund der Entschließung des Rates zu illegalen und schädlichen Inhalten im Internet vom 28. November 1996 hat die Europäische Kommission den ,Aktionsplan zur Förderung der sicheren Nutzung des Internets‘ vorgelegt, deren Umsetzung (etwa durch Einführung von Klassifizierungs­systemen, Filter- und Suchsoftware; Klärung der Haftungsfragen; internationale Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Justizbehörden) den Mitgliedsländern obliegt.

Die Empfehlung des Rates vom 28. Mai 1998 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Industriezweigs der audiovisuellen Dienste und Informationsdienste durch die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde legt die Möglichkeiten der Selbstkontrolle der audiovisuellen Dienste sowie der Online-Informationsdienste unter Mitwirkung der beteiligten Kreise, wie Benutzer, Ver­braucher, Unternehmen und Behörden gemäß den Leitlinien für die Schaffung von Selbstkontroll­systemen nahe.

Ende 1996/Anfang 1997 wurde vom Bundesminister für Justiz die interministerielle und interdisziplinäre Arbeitsgruppe ,Sexualstrafrecht‘ eingesetzt, die auch zum Ziel hat, das Sexualstrafrecht im Bereich des materiellen Rechts sowie im Bereich des strafprozessualen Opferschutzes auf seine Eignung und Effektivität zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen zu überprüfen.

Als Vorgriff auf eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts wurden mit Wirksamkeit vom 1. März 1997 die Möglichkeit der extraterritorialen Strafverfolgung auf die Delikte Beischlaf mit Unmündigen (§ 207 StGB), Unzucht mit Unmündigen (§  206 StGB) und Kinderpornographie (§ 207a StGB) ausgeweitet und die Strafrahmen für das Herstellen und Verbreiten von Kinderpornographie verdoppelt bzw. bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Begehung verdreifacht (BGBl. Nr. 762/1996); die genannten Straftaten sind demzufolge in Österreich strafrechtlich ohne Rücksicht auf das Tatortrecht erfaßbar, auch wenn die Tat im Ausland begangen wurde, sofern der Täter Österreicher ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Am 30. September 1997 hat der Ministerrat den Maßnahmenkatalog gegen ,Gewalt in der Gesellschaft, Gewalt in der Familie, Kindesmißhandlung, Sexueller Kindesmißbrauch, Gewalt gegen Frauen, Gewalt unter Jugendlichen und Gewalt in den Medien‘ angenommen, in welchem die Bundes­regierung Maßnahmen auf dem Gebiet des Opferschutzes, des Sexualstrafrechts, des Menschenhandels, des Waffenrechts, der Täterarbeit sowie in der Schulung und Forschung beschloß.

Mit dem am 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 1998 (BGBl. I Nr. 153) wurden die Verjährungsfristen bei Sexualstrafttaten an Kindern und Jugendlichen verlängert, indem sie erst mit Erreichung der Volljährigkeit der verletzten Person zu laufen beginnen, die beischlafähnlichen Sexualstraftaten neu geregelt und die Möglichkeiten bzw. Verpflichtungen bei der schonenden Ver­nehmung von Opfern ausgeweitet.

Im Bewußtsein, daß Kinder als Opfer von Sexualverbrechen und Kinderpornographie und durch deren Verbreitung über das Internet eine über den unmittelbaren Mißbrauch hinausgehende Ausbeutung und persönlichkeitszerstörende Beeinträchtigung erleiden, die mit einer moralischen Entwertung der am ,Konsum‘ Beteiligten verbunden ist, sowie angesichts des Umstandes, daß globale Probleme dieser Art nicht im nationalen Alleingang bewältigbar sind, ergreifen wir weitere Initiativen zu einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit und zu einem gesamtgesellschaftlichen Politikansatz unter Einbeziehung der Legislative und der Exekutive sowie zu einer Orientierung der Medienpolitik und der Medienverant­wortlichen beim Vorgehen gegen diese sozialschädlichen Phänomene.

Am 2. und 3. September 1998 wurden dazu im Rahmen der vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie veranstalteten Enquete ,Kinderpornographie im Internet‘ die Grundlagen für eine Kooperation staatlicher Stellen mit der Industrie (ISPA-Internet Service Provider) geschaffen.

Mit den oben angeführten, bereits verwirklichten Maßnahmen und mit dem nun vorliegenden Aktionsplan unternimmt es die Bundesregierung, dem Phänomen der sexualbezogenen Gewalt gegen Kinder, insbesondere durch Kinderpornographie im Internet, im Sinne der Stockholm Declaration and Agenda for Action und in Umsetzung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen mit allem Nachdruck und unter Abwägung der verfassungsgesetzlich verankerten Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte entgegen­zuwirken. Dabei wird – aufbauend auf der Bereitschaftsbekundung der Industrie – der Zusammenarbeit mit dem Verband österreichischer Internet-Provider (ISPA) ein zentraler Stellenwert beigemessen.

Die Mitglieder der Bundesregierung begrüßen daher die Maßnahmen der Industrie (Punkt 1 bis 3) und unternehmen die Verwirklichung der folgenden, weiteren Vorhaben:

Abschnitt 1

Maßnahmen der Industrie

Die ISPA (Verband österreichischer Internet-Provider) erklärt sich, in Unterstützung der sicherheitsbe­hördlichen Aufgabenwahrnehmung und der gerichtlichen Strafverfolgung und im Sinne des EU-,Aktions­planes zur Förderung der sicheren Nutzung des Internets‘ bereit, im technisch möglichen und wirtschaft­lich vertretbaren Rahmen dafür zu sorgen, daß das Netz ihrer Mitglieder von illegalen Inhalten, wie etwa ,Kinderpornographie‘, freigehalten wird; dies erfolgt durch:

        1.   Freiwillige, effektive Selbstkontrolle; Einrichtung einer unabhängigen ,Provider-Hotline‘ durch die ISPA; Bekanntmachung der ,Hotline‘; enge Zusammenarbeit mit der Meldestelle des Bundes­ministeriums für Inneres und den Justizbehörden;

        2.   Ausarbeitung eines Verhaltenskodex der Internet-Provider: damit soll – in Abstimmung mit den betroffenen Stellen – sichergestellt werden, daß die Internet-Provider in ihrem jeweiligen eigenen Wirkungsbereich dafür Sorge tragen, daß das Netz von illegalen Inhalten, wie etwa Kinder­pornographie, freigehalten wird (,Code of Ethics‘); ein solcher Verhaltenskodex für Internet-Provider soll eine flexible Anpassung an die sich rasch ändernden technischen Gegebenheiten ermöglichen;

        3.   Initiierung eines einheitlichen EU-Verhaltenskodex für Internet-Provider.

Die österreichische Präsidentschaft, die Vorsitzenden des Rates Justiz und Inneres, haben der Euro­päischen Union eine Gemeinsame Maßnahme zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet vorgeschlagen. Diese Gemeinsame Maßnahme soll zur Intensivierung der Verhinderung der Verbreitung von Kinderpornographie sowie zur Intensivierung der Strafverfolgung in diesem Bereich, ua. auch zum Aufspüren einschlägiger Angebote im Internet in der Europäischen Union führen.

Auf nationaler Ebene werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

        4.   Prävention und Sensibilisierung im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes und noch intensivere Bekanntmachung der Meldestelle für Kinderpornographie im Bundesministerium für Inneres;

        5.   Einrichtung von technisch, personell und organisatorisch ausreichend ausgestatteten, rund um die Uhr besetzten zentralen behördlichen Meldestellen für Kinderpornographie, die europaweit und darüber hinaus vernetzt sind (via IKPO – Interpol und Europol); Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Justiz und der ISPA;

        6.   Ausstattung der Fahndungsstellen mit einer leistungsfähigen technischen Internet-Infrastruktur, die den Ermittlern eine direkte Backbone-Einbindung ins Internet ermöglicht;

        7.   Klarstellung, bzw. Schaffung der erforderlichen Rechtsgrundlagen zum sachangemessenen Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden.

Flankierende gesetzliche Regelungen

Es ist anhand des Telekommunikationsgesetzes und des Datenschutzgesetzes zu prüfen, inwieweit unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses und des Grundrechtes auf Datenschutz sowie unter Beachtung der Richtlinie 97/66/EG über den Datenschutz im Telekommunikationsbereich die im folgenden genannten Ziele rechtlich unbedenklich realisiert werden können:

        8.   Speicherung und Aufbewahrung von Protokolldaten, die zum einen für einen geordneten Betrieb der Internet-Services und zum anderen zur sicherheitspolizeilichen Aufgabenwahrnehmung und gerichtlichen Strafverfolgung erforderlich sind, insbesondere auch zur Feststellung der Identität der Benutzer im Falle des Verdachts einer strafbaren Handlung; sofern erforderlich und grund­rechtskonform, sind entsprechende Novellen der genannten Gesetze zu veranlassen;

        9.   effektive Anwendung bzw. Verbesserung der bestehenden Instrumente zur Verhinderung und verwaltungsrechtlichen Ahndung der mißbräuchlichen Verwendung von Telekommunikations­einrichtungen in bezug auf die Gegebenheiten des Internet (§ 75 TKG);

      10.   Effektuierung der Registrierung der Internet-Provider.

Prinzip der Zusammenarbeit

      11.   Die Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen, der Industrie und den Usern soll innerhalb des im Bundeskanzleramt eingerichteten Beirats für Internet und neue Medien erfolgen.

      12.   Zum Zwecke der Akkordierung nationaler und internationaler Anstrengungen und Vorgehens­weisen zur polizeilichen Erfassung und systematischen Auswertung von Kinderpornographie im Internet werden internationale Kooperationen in den folgenden Bereichen angestrebt:

                a) Erfahrungsaustausch von Experten der computerbezogenen forensischen Analyse;

               b) gemeinsame Fortbildung und Schulung zur Erkennung und Verfolgung von Kinderporno­graphie im Internet.

      13.   Es ist geplant, um die Jahresmitte 1999 in Wien im Zusammenwirken der betroffenen Ressorts und der Industrie eine interdisziplinäre Konferenz zu Fragen der Kinderpornographie im Zusam­menhang mit den neuen Medien unter breiter internationaler Beteiligung zu veranstalten.

Abschnitt 2

Justiz

Die im Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 153/1998, enthaltenen Änderungen, die mit 1. Oktober 1998 in Kraft getreten sind, verstehen sich als Teilnovellierung des Sexualstrafrechts. Die Reformüberlegungen werden sowohl im Bereich des materiellen Rechts als auch im Bereich des straf­prozessualen Opferschutzes weitergehen.

      14.   Die vom Bundesminister für Justiz eingesetzte Arbeitsgruppe ,Sexualstrafrecht‘ wird auch in ihrer fortgesetzten Diskussion auf die Frage eines ausreichenden Schutzes von Kindern und Jugend­lichen vor sexuellen Eingriffen Bedacht nehmen. Der Problematik der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit Pornographie und neuen Medien wird bei der Überprüfung der bestehenden Rechtslage eine besondere Bedeutung zugemessen werden.

      15.   Im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sollen verstärkt Schwerpunkte in bezug auf die neuen Medien gesetzt werden. Die Bemühungen um eine verstärkte Ausbildung der Richterinnen und Richter auf dem Gebiet der Vernehmungskunde, insbesondere durch praktische Übungsseminare – auch unter Beiziehung von kinderpsychologischen und kinderpsychiatrischen Sachverständigen – sollen fortgesetzt werden.

      16.   Auf die nach der geltenden Rechtslage anzunehmende Straffreiheit für Personen, die sich Kinderpornographie ausschließlich zu dem Zweck verschaffen, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren, sowie auf die gleichfalls schon de lege lata anwendbare außerordentliche Straf­milderung für Täter, die mit Strafverfolgungsbehörden in besonderer Weise zusammenarbeiten, soll verstärkt hingewiesen werden.

      17.   Die Verfahrensrechte von Opfern, die durch eine strafbare Handlung schwer am Körper oder in ihrer sexuellen Integrität erheblich verletzt wurden, sollen ausgebaut werden. Insbesondere soll Opfern ein Anspruch auf Beigebung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (Verfahrenshelfers) eingeräumt werden. Die Möglichkeiten einer optimalen Betreuung von minderjährigen Opfern sexualbezogener Gewaltdelikte im Rahmen der Verfahrenshilfe sollen mit der Österreichischen Rechtsanwaltskammer sondiert werden.

      18.   Eine Prozeßbegleitung für Kinder und deren Bezugspersonen im Strafverfahren zu deren juristischer, psychologischer und sozialer Betreuung wird bereits im Rahmen von Modellprojekten erprobt. Es soll überprüft werden, inwieweit die Ergebnisse dieser Modellprojekte in die Praxis umgesetzt werden können.

      19.   Im Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz geändert wird, ist die Übernahme der Selbstkosten für kausale psychotherapeutische Behandlungen von Verbrechensopfern vorgesehen, sofern der zuständige Krankenversicherungsträger einen Kostenzuschuß leistet.

      20.   Um die im Zusammenhang mit einer qualifizierten Opferbetreuung wie auch Täterbehandlung erforderlichen Leistungen der psychologischen und psychiatrischen Sachverständigen zu ver­bessern, sind entsprechende Maßnahmen zu ergreifen:

                a) Zur Gewährleistung einer hohen Qualität von forensisch-psychiatrischen und -psychologi­schen Sachverständigengutachten, insbesondere im Hinblick auf Gefährlichkeitsprognosen, sollen Rechtsgrundlagen für die Festsetzung von inhaltlichen Standards nach internationalen Maßstäben sowie für eine angemessene Honorierung solcher Gutachten geschaffen werden.

               b) Darüber hinaus sind die wissenschaftliche Grundlagenarbeit sowie die Ausbildungsspeziali­sierung durch geeignete Schritte zu verstärken.

      21.   Die gesetzlichen Grundlagen für die verdeckte Ermittlung sind klarzustellen bzw. zu schaffen; die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres und der ISPA wird verstärkt.

Schutz von Opfern vor schweren Formen sexueller Gewalt (insbesondere durch ,Täterarbeit‘)

Opferbezogenes Maßnahmenbündel gegen (sexualbezogene) Gewalttätigkeit:

      22.   Um die psychosoziale Wiedergesundung von Opfern (sexualbezogener) Gewaltdelikte bestmög­lich zu erreichen, ist in jedem Fall eines an einer minderjährigen Person begangenen (sexualbezo­genen) Gewaltdelikts oder einer sonstigen, deren sexuelle Integrität verletzenden Handlung, eine die psychosoziale Gesundung des Opfers unterstützende Betreuung sicherzustellen.

      23.   Das Betreuungsangebot der Jugendwohlfahrt für minderjährige Opfer von (sexualbezogenen) Ge­waltdelikten soll in dem Maße ausgeweitet werden, daß für eine auf die individuellen Bedürfnisse jedes(r) betroffenen Minderjährigen zugeschnittene Betreuung gesorgt ist; dabei soll das Prinzip der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen (zB Konsultation mit Lehrern und Betreuern über allfällige pädagogische Begleitmaßnahmen im schulischen Bereich) verstärkt werden.

Täterbezogenes Maßnahmenbündel gegen (sexualbezogene) Gewalttätigkeit:

      24.   Ausbau der psychosozialen Versorgung allgemein durch Bereitstellung problemspezifischer Beratungsangebote, Formen der Gruppenarbeit, Anti-Gewalt-Training, Psychotherapie);

      25.   Entwicklung von Qualitätsstandards für integrale Täterarbeit zum Zwecke der

              – Orientierung der in der Täterarbeit tätigen Institutionen (Qualitätssicherung),

              – Beurteilung der Förderungswürdigkeit von Projekten,

              – Evaluation von Täterarbeit

      26.   Erstellung/Förderung eines Konzepts der psychosozialen Betreuung bei ,Auffälligkeit‘ (außerhalb eines strafrechtlichen Kontextes);

      27.   Ausbau der psychosozialen/-therapeutischen Betreuung bei Verdacht/Begehung einer einschlä­gigen strafbaren Handlung (§§ 206 ff StGB): Bei (Verdacht der) Begehung einer ,einschlägigen‘ strafbaren Handlung ist für eine psychosoziale/-therapeutische Betreuung  im erforderlichen Aus­maß und mit der erforderlichen Sachkompetenz während des gesamten Zeitspektrums strafrecht­lichen Maßnahmen (U-Haft, Strafvollzug [Normalvollzug], bedingte Entlassung/Probezeit) zu sorgen:

                a) Einschätzung des Risikopotentials von Sexualstraftätern (,Gefährlichkeitsprognose‘),

               b) Erarbeitung von individuell zugeschnittenen, umfassenden ,Täterbehandlungsprogrammen‘ (Therapieplan),

                c) Erweiterung der psychosozialen Nachbetreuung und begleitenden Kontrolle von entlassenen Sexualstraftätern durch Bewährungshelfer,

               d) Ausbau der forensischen Nachbetreuung geistig abnormer Rechtsbrecher,

                e) Intensivierung der Zusammenarbeit mit den psychosozialen Diensten der Länder.

Abschnitt 3

Installierung/Effektuierung eines Datenerfassungssystems zur systematischen Erkennung von Gewalt- und Sexualstraftätern

      28.   Eine systematische Datenerfassung und Erkennung von Gewalt- und Sexualstraftätern ist vorzu­nehmen wie folgt:

                a) Das 1997 eingeführte ,Viclas-System‘ (Violent Crime Linkage Analysis System) und die ein­gerichtete zentrale ,DNA-Datei‘ werden als neue Möglichkeiten zur Identifizierung von Gewalt- und Sexualstraftätern und somit zu einer effektiveren Verbrechensaufklärung genützt.

               b) Die gesetzlichen Grundlagen für die ,DNA-Datei‘ (§§ 64, 65 SPG) werden verbessert bzw. geschaffen.

Jugendprostitution – Ausbeutung von Kindern durch Sextourismus

      29.   Die Ursachen und Hintergründe von jugendlicher Prostitution werden erforscht mit dem Ziel, Hilfsangebote zu entwickeln, die jugendlichen Prostituierten den Ausstieg ermöglichen oder erleichtern sollen.

      30.   Um die Ausbeutung von Kindern durch den Sextourismus anzuprangern und international zu ahnden, werden Maßnahmen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern, einschließlich der internationalen Zusammenarbeit gegen den kinderbezogenen ,Sextourismus‘, ergriffen (zB durch Dokumentation/Produktion eines In-Flight-Videos und Informationsmaterialien betreffend die extraterritoriale Strafverfolgung von im Ausland begangenen Sexualverbrechen).

Abschnitt 4

Da über den Kernbereich des unbedingt erforderlichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und der Hintanhaltung der Verbreitung illegaler Inhalte im Internet hinausgehend ein dringendes Bedürfnis von Eltern und Erziehern nach Sicherstellung jugendschutzbezogener Standards gegen jugendgefährdende Inhalte auch im Bereich der neuen Medien, einschließlich des Internets, besteht, sind eigenes zu diesem Zweck Maßnahmen zur Gewährleistung des Jugendschutzes zu ergreifen.

Präventive Maßnahmen – Jugendschutz

      31.   Im Sinne des EU-,Aktionsplanes zur Förderung der sicheren Nutzung des Internets‘ sind präventive Maßnahmen zu ergreifen:

                a) Information von Eltern, Jugendlichen, Kindern, LehrerInnen ua. über den sicheren Umgang mit den neuen Medien;

               b) Fortführung der Maßnahmen in der Lehrerfortbildung zur Sensibilisierung über den Themen­komplex ,Kindesmißbrauch, insbesondere im Internet‘;

                c) Medienerziehung in Schulen und in der Lehrerausbildung an Akademien und Universitäten;

               d) Erarbeitung von breitenwirksamen und leicht zugänglichen Informationsmaterialien über rechtliche Aspekte, Opferschutz und Therapiemöglichkeiten sowie über die Sicherheit im Internet;

      32.   Einrichtung eines ,Kompetenzzentrums für Rating und Filtering‘ zwecks forcierter Entwicklung von/Information über Filtersoftware, welche – nach dem Stand der Technik – jugendgefährdende, schädigende Inhalte ausfiltert (,Safe Internet‘); Abgabe von Empfehlungen für geeignete filtering software und Implementierung von geeigneter Software durch Installation in jugendschutz­sensibilen Bereichen (zB Schule, Jugendzentren);

      33.   Beauftragung einer Feasibility Task Force zur Errichtung eines Proxy-Servers ,Kinder+Jugend-Internet‘;

      34.   Um die Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendschutzstellen in Europa im präventiven Bereich zu stärken und um die Effektivität der einzelnen Einrichtungen zu vergrößern, soll die Errichtung eines Meldestellen-Netzwerks über vermißte und abgängige Kinder im nicht-behördlichen Bereich im Verbund mit der nichtstaatlichen europäischen Einrichtung ,Child Focus – European Center for Missing and Sexually Exploited Children‘ geprüft werden.

Abschnitt 5

Zur Verwirklichung der genannten Vorhaben im Wirkungsbereich des Bundes werden die finanziellen Mittel im erforderlichen Maß bereitgestellt; die Länder werden ersucht, zur Verwirklichung der Ziel­setzungen in deren Wirkungsbereich für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu sorgen.”

Das Bundesministerium für Justiz gab folgende Stellungnahme ab:

I. Bereits umgesetzte Maßnahmen

1. Mit 1. Oktober 1988 trat das Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 153, in Kraft, das die Straftatbestände zum Schutz von Unmündigen vor sexuellem Mißbrauch – unter vorrangiger Berück­sichtigung von Opferinteressen – neu festlegte.

1.1. Es wird nicht mehr zwischen Beischlaf und den in der Intensität des sexuellen Eingriffs gleichzu­setzenden ,sonstigen Unzuchtshandlungen‘ (beispielsweise Oral- oder Analverkehr) unterschieden.

Durch die Novelle wurde der Anwendungsbereich des § 206 Strafgesetzbuch (vormals ,Beischlaf mit Unmündigen‘, nunmehr ,Schwerer sexueller Mißbrauch von Unmündigen‘) auf Handlungen ausgedehnt, die – insbesonders aus dem Blickwinkel des Opfers – dem Beischlaf gleichzusetzen sind, wodurch eine Verdoppelung des Strafsatzes für beischlafsähnliche Mißbrauchshandlungen erreicht wurde.

1.2. Weiters wurde die Verjährungsfrist bei Sexualstraftaten gegen Unmündige dergestalt verlängert, daß sie erst mit Erreichen der Volljährigkeit des Opfers zu laufen beginnt. Durch diese Maßnahme, die die Möglichkeit der Strafverfolgung im Regelfall bis zum 29. Lebensjahr des Opfers eines Verbrechens nach § 206 StGB ausdehnt, wird der psychologischen Drucksituation eines zur Tatzeit unmündigen Opfers Rechnung getragen und auch der besondere Unrechtsgehalt des sexuellen Mißbrauchs unterstrichen.

1.3. Durch das Strafrechtsänderungsgesetz wurde nicht nur ein deutliches Zeichen an strafrechtlicher Ächtung des sexuellen Mißbrauchs gesetzt, sondern es wurden auch strafprozessuale Maßnahmen ergriffen, um die Rechtsstellung des Opfers von Sexualdelikten zu verbessern, indem die (mit 1. Jänner 1994 eingeführte) schonende Vernehmung von Sexualopfern vor der Videokamera, abseits von Ver­handlungssaal und Angeklagtem, ausgedehnt wurde.

2. Unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Justiz wurde das Verbrechensopfergesetz novelliert, das seit 1. Jänner 1999 (BGBl. I Nr. 11) die Übernahme der Kosten für kausale psychotherapeutische Behandlungen von Verbrechensopfern und deren Hinterbliebenen vorsieht.

3. Im Bereich der Informations- und Beratungsarbeit wurde 1998 gemeinsam mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine kostenlose Erstberatung für Verbrechensopfer ins Leben gerufen. Im Rahmen der unentgeltlichen ,Ersten Anwaltlichen Auskunft‘, die bei den Bezirksgerichten und bei den Rechtsanwaltskammern eingerichtet ist, beraten Rechtsanwälte in ganz Österreich kostenlos Ver­brechensopfer in einem persönlichen, vertraulichen Gespräch über deren Rechte und Ansprüche.

4. Mit der Strafprozeßnovelle 1999 (,Diversion‘), BGBl. I Nr. 55, wird ab 1. Jänner 2000 eine gesetz­liche Grundlage zur Förderung von Einrichtungen der Opferhilfe mit den vor allem durch das ,Geld­bußen‘-System eingenommenen Geldbeträgen geschaffen. Als förderungswürdig werden insbesondere die mit der Betreuung von minderjährigen oder in ihrer Geschlechtssphäre verletzten Personen befaßten Einrichtungen angesehen.

II. Geplante Maßnahmen

1. Der Diskussionsentwurf zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens schlägt eine wesentliche Ausdehnung der Rechte von Opfern, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt wurden, vor. Dem Opfer soll nicht nur eine verstärkte Einflußnahme auf den Verfahrensablauf ermöglicht werden, sondern insbe­sondere auch ein kostenloser Rechtsbeistand zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen für materielle und immaterielle Schäden beigegeben werden können.

2. Der am 10. Dezember 1998 im Ministerrat beschlossene ,Aktionsplan gegen Kindesmißbrauch und gegen Kinderpornographie im Internet‘, an dessen Ausarbeitung das Bundesministerium für Justiz wesentlich beteiligt war, sieht ein Bündel an weiteren opfer- und täterbezogenen Maßnahmen vor.

2.1. So werden beispielsweise die bereits bestehenden Übungsseminare für Richter und Richterinnen auf dem Gebiet der Vernehmungskunde – auch unter Beiziehung von kinderpsychologischen und kindespsychiatrischen Sachverständigen – fortgesetzt werden, um einer sekundären Viktimisierung von Sexualopfern durch das Strafverfahren möglichst entgegenzuwirken.

2.2. Durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/1999 wurde das Gerichtsorganisationsgesetz dahingehend geändert, daß im Rahmen der gerichtlichen Geschäftsverteilungen bei jedem Gericht eine Konzentration von Strafverfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit (§§ 201 ff StGB) in einer Gerichtsabteilung, nach Maßgabe des Geschäftsumfanges auch in mehreren Gerichtsabteilungen, zu erfolgen hat. Durch die Einrichtung derartiger ,Spezialabteilungen‘ wird dem Gedanken Rechnung getragen, daß die besonders schutzwürdige Situation von in ihrer Sexualsphäre beeinträchtigten Opfern eine möglichst schonende Befragung dieser Opfer als Zeugen sowohl in technischer als auch organisatorischer Hinsicht erfordert. Durch die erwähnte Zuständigkeitskonzentration ist gewährleistet, daß einerseits die mit derartigen Verfahren befaßten Richterinnen und Richter leichter erfaßt und im Rahmen von speziellen Workshops und Seminaren entsprechend geschult werden können, andererseits in weiterer Folge über besondere Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit Sexualopfern, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen, verfügen.

2.3. Um die Qualitätsstandards für forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten mit Gefährlichkeitsprognosen in bezug auf Sexual- und Gewaltstraftäter anzuheben, wurde einerseits durch die Strafprozeßnovelle 1999 eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Anforderungskriterien sowie für eine verbesserte Honorierung solcher Sachverständigengutachten durch Verordnung geschaffen, und es soll andererseits die Ausbildungsspezialisierung von Sachverständigen verstärkt werden.

2.4. Da ein umfassender Schutz von Opfern vor sexueller Gewalt nur durch eine intensive Arbeit mit dem Täter gewährleistet werden kann, sieht der Aktionsplan auch eine Reihe täterbezogener Maßnahmen vor. Neben der Erarbeitung von individuell zugeschnittenen Täterbehandlungsprogrammen während des Strafvollzuges soll die psychosoziale Nachbetreuung und begleitende Kontrolle von entlassenen Sexual­straftätern, insbesondere durch den Ausbau von forensischen Nachbetreuungsambulanzen, erweitert werden.

3. Die Reformüberlegungen gehen sowohl im Bereich des materiellen Sexualstrafrechts als auch im Be­reich des strafprozessualen Schutzes weiter, insbesondere im Rahmen der vom Bundesminister für Justiz eingesetzten ,Arbeitsgruppe Sexualstrafrecht‘. Die Experten nehmen hiebei auf die Frage eines aus­reichenden Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Eingriffen, auch im Zusammenhang mit Pornographie und neuen Medien, besonders Bedacht und erarbeiteten Grundlagen für Lösungsvorschläge.

4. Unabhängig davon erscheinen insbesonders Projekte bzw. Einrichtungen förderungs- und unter­stützungswürdig (und zwar auch über die oben angeführten Geldbußeneinnahmen hinaus), die eine psychosoziale und juristische Begleitung/Betreuung/Beratung, insbesondere von minderjährigen (Mißbrauchs-)Opfern anbieten. Zur Sicherstellung der hiefür erforderlichen infrastrukturellen und finanziellen Grundlagen wäre ein Zusammenwirken der zuständigen Ressorts untereinander sowie mit den Ländern und Kommunen wünschenswert.”

Das Bundesministerium für Inneres nahm zur Petition Nr. 52 wie folgt Stellung:

“Bereits 1995 hat der Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst im Zuge von Aufklärungs- und Sensibilisie­rungskampagnen zum Problembereich ,sexueller Kindesmißbrauch‘, eine Aktion zur Aufklärung von Kindern als potentielle Opfer, wobei der Schwerpunkt in der Warnung vor blindem Vertrauen in Verwandte und Bekannte liegt, gestartet. Im Mittelpunkt stand eine CD mit dem Titel ,tausend andere‘ an der mehr als 30 österreichische Künstler mitwirkten. Der Reinerlös ging an mißbrauchte Kinder. Im Rahmen dieser Aktion wurde auch ein Video und eine kindgerechte Informationsbroschüre mit dem Titel ,Warne Dein Kind‘, der sich an die Eltern richtet, produziert.

Mit März 1997 wurde im Nationalen Zentralbüro der IKPO INTERPOL im Bundesministerium für Inneres eine Meldestelle eingerichtet, an die sämtliche Informationen betreffend Kinderpornographie übermittelt werden können. Die e-mail-Adresse lautet: INTERPOL abacus. at.

In den letzten zehn Jahren wurden maßgebliche Akzente zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und sexuellem Mißbrauch in Österreich gesetzt (Züchtigungsverbot, Reform der Jugendwohl­fahrtsgesetze, Gewaltschutzgesetz, Opferschutzbestimmungen im Strafverfahren usw.). Im Bundes­ministerium für Inneres bestehen Bestrebungen, diesen überaus wichtigen und sensiblen Bereich noch mehr zu fokussieren und die bereits gesetzten präventiven Maßnahmen auszuweiten.

Im Oktober 1996 wurde im Bundesministerium für Inneres der Präventionsbeirat gegründet. Eine der Hauptaufgaben dieses Beirates sind die Prüfung von Förderungsverträgen von privaten Organisationen, die sich der Prävention und dem Opferschutz widmen, und den Bundesminister diesbezüglich zu beraten. Mit 5. März 1999 wurde die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Einsetzung eines Beirates für Grundsatzfragen der Gewaltprävention geändert. Der Beirat kann nun beschließen, Arbeits­gruppen einzusetzen, die sich mit der Vorbereitung von Vorschlägen zu besonderen Fragen der Gewalt­prävention beschäftigen. Im Zuge der nächsten Sitzung des Beirates, die Anfang Juni stattfinden wird, erfolgt die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die sich speziell mit der Problematik der Gewalt gegen Kinder beschäftigen wird. Als Ergebnis dieser Arbeitsgruppe werden effektive Vorschläge zur Gewaltprävention erwartet.”

Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiative mit Stimmenmehrheit am 8. Juni 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Justizausschuß.

Unterrichtsausschuß

Petition Nr. 41

überreicht vom Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl betreffend “Zukunft der Waldorfschulen in Österreich”

Mit dieser Petition überreichte der Abgeordnete Mag. Dr. Josef Höchtl ein Anliegen der Österreichischen Vereinigung Freier Bildungsstätten auf Anthroposophischer Grundlage, Wien, mit folgendem Inhalt:

“Es geht um die Zukunft der Waldorfschulen in Österreich!

Helfen Sie uns, diese Farbe in der österreichischen Schullandschaft zu erhalten!

–   Die Waldorfschulen sind seit mehreren Jahrzehnten eine wichtige Bereicherung im österreichischen Schulwesen.

–   Als mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen ermöglichen sie ihren Schülern die Erfüllung der Schulpflicht und den Hauptschulabschluß. Regelmäßige Inspektionen seitens der Schulaufsichts­behörden werden durchgeführt.

–   In etlichen Fächern wird auf Grund eines vom Unterrichtsministerium durchgeführten Lehrplanver­gleichs der Abschluß der Waldorfschule dem des ORG mit musischem oder bildnerischem Schwer­punkt als gleichwertig anerkannt. In einigen Fächern werden große Teile des Lehrstoffes als gleichwertig angerechnet. (Siehe dazu den Bescheid des Unterrichtsministeriums vom 28. August 1991/Zl. 13 261/52-III/4/91).

–   Waldorfschulen sind in Österreich seit 1966 ein Beispiel für gelebte Schulautonomie. Weltweit gibt es mehr als 600 Waldorfschulen. (Internationale Mobilität ist gegeben).

–   Da die Eltern diese Schule frei gewählt haben, ist die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern besonders intensiv.

–   Der Rahmenlehrplan und die Selbstverwaltung des Kollegiums ermöglichen ein flexibles Weiterent­wickeln der Lehrinhalte.

–   Die Waldorfschulen wurden von allen im Nationalrat vertretenen Parteien öffentlich unterstützt. (Siehe beiliegende Übersicht).

Ein wesentlicher Grundsatz der Waldorfschulen:

Waldorfschulen sind

allgemein zugänglich, insbesondere ohne Unterschied der Geburt, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Sprache, des Religionsbekenntnisses, des Standes, des Vermögens der Eltern (Erziehungsberechtigten).

Dieser Grundsatz ist in jedem Organisationsstatut der österreichischen Waldorfschulen zu finden.

Bisher war dieser Grundsatz Maxime für jede Schüleraufnahme – und dies muß auch weiterhin möglich sein!

–   Trotz sozialer Staffelung können immer weniger Eltern das erforderliche Schulgeld bezahlen. Der aktuelle durchschnittliche Schulbeitrag in den zwölf österreichischen Waldorfschulen liegt bei 2 800 S pro Monat. (Dies liegt weit über jenen 150 DM, die in Deutschland der Bundesverfassungsgerichtshof zur Vermeidung sozialer Ausgrenzung an Privatschulen als gerade noch zumutbar erklärt hat.)

–   Die Bezahlung des qualifizierten Waldorflehrers liegt derzeit um ein Drittel unter dem Gehalt eines Lehrers im öffentlichen Dienst.

–   Das jährliche Defizit der Waldorfschulen ist dadurch künstlich niedrig gehalten! Bei Angleichung der Gehälter an den öffentlichen Dienst und sozial verträglichem Niveau der Elternbeiträge läge es weit höher.

Wir weisen darauf hin, daß wir in den letzten beiden Jahren jeweils rund 18 Millionen Schilling an Subvention für Bau- und Sachmittel für die derzeit neun allgemeinbildenden, zwei heilpädagogischen Schulen und eine integrativ arbeitende Waldorfschule der Österreichischen Vereinigung sowie für die Friedrich Eymann-Schule erhalten haben. Das war eine große Hilfe, um den Status quo zu erreichen. Einzelne Schulen haben darüber hinaus direkte Zuwendungen aus dem Schulbaufonds erhalten.

–   Damit die sozialen Bedingungen für Eltern und Lehrer in einem erträglichen Maß gehalten werden können, ist eine Erhöhung der Unterstützung durch die öffentliche Hand für den ordentlichen Haushalt dringend erforderlich.

–   Eine gesicherte Planung ist nur möglich, wenn sich die Zuwendungen an die Waldorfschulen ent­scheidend erhöhen und ein fixer Budgetposten eingerichtet wird!

–   Bei Berechnung der Lehrergehälter nach dem Gehaltsschema für Lehrer im öffentlichen Dienst und einer sozial verträglichen Obergrenze des monatlichen Elternbeitrags pro Kind von 1 500 S beläuft sich das Defizit *) unter Berücksichtigung aller erhaltenen und weiterhin zu erwartenden Subventionen

     für das Schuljahr 1997/1998 auf:                                  68 Millionen Schilling,

     für das Schuljahr 1998/1999 auf:                                  69 Millionen Schilling,

     für das Schuljahr 1999/2000 auf:                                  70 Millionen Schilling,

     für das Schuljahr 2000/2001 auf:                                  70,9 Millionen Schilling,

     für das Schuljahr 2001/2002 **) auf:                           72,7 Millionen Schilling.

–   Wir bitten daher um eine Unterstützung in der oben angegebenen und begründeten Größenordnung.

Setzen Sie ein Zeichen und unterstützen Sie Weiterbestand und Qualität der Waldorfpädagogik in Österreich!”

Zur Petition des Geschäftsführungskreises der zwölf österreichischen Waldorfschulen an den Nationalrat (Petition Nr. 41), betreffend die Subventionierung der Waldorfschulen in Österreich, teilte das Bundes­ministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten mit:

“Hinsichtlich der Subventionierung von Privatschulen unterscheidet das Privatschulgesetz (PrivSchG), BGBl. Nr. 244/1962 in der geltenden Fassung, in seinen §§ 17 bis 21 zwischen der Subventionierung von konfessionellen und von nichtkonfessionellen Privatschulen

Die Waldorfschulen gehören zur Gruppe der nichtkonfessionellen Privatschulen. Die folgenden Ausfüh­rungen beziehen sich generell auf alle nichtkonfessionellen Privatschulen, somit auch auf die Waldorf­schulen.

1. Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 17 Abs. 1 PrivSchG haben die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften für die ihnen zugehörigen konfessionellen Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht einen Rechtsanspruch auf die Subventionierung des gesamten Lehrerpersonalaufwandes dieser Schulen.

Sonstigen Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht (= nichtkonfessionelle Privatschulen) können (ohne Rechtsanspruch) bei Vorliegen der in § 21 PrivSchG genannten Voraussetzungen Subventionen zum Lehrerpersonalaufwand gewährt werden.

Die unterschiedliche gesetzliche Behandlung der konfessionellen Privatschulen (Rechtsanspruch auf Lehrersubvention) und der nichtkonfessionellen Privatschulen (kein Rechtsanspruch) widerspricht nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht dem Gleichheitsgrundsatz, da die öffentlichen Schulen -ebenso wie die nichtkonfessionellen Privatschulen – interkonfessionell sind und die konfessionellen Privatschulen daher eine Ergänzung des öffentlichen Schulwesens darstellen, die es den Eltern erleichtert, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder frei zu wählen (Art. 2 des 1. ZP EMRK). Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahre 1990 anläßlich einer Beschwerde gegen die (angeblich) ungleiche gesetzliche Regelung für die konfessionellen und nichtkonfessionellen Privatschulen ,vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum Gleichheitsgrundsatz und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte‘ die Beschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen und kein Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich des Privatschulgesetzes eingeleitet.

Auch die Europäische Kommission für Menschenrechte des Europarates hat im Jahre 1994 die Be­schwerde eines österreichischen Schulerhalters als unzulässig erklärt, weil die unterschiedliche Behand­lung im Hinblick auf Art. 14 der Europäischen Konvention für Menschenrechte gerechtfertigt werden kann, dies deshalb, weil kirchliche/konfessionelle Schulen so weit verbreitet sind, daß, wären die von ihnen erbrachten Erziehungsleistungen vom Staat (Bund) zu erbringen, dies für den Bund erhebliche Belastungen bedeuten wurde.

2. Subventionierung von nichtkonfessionellen Privatschulen

Dazu legt § 21 Abs. 1 PrivSchG fest, daß für derartige Schulen, denen das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden ist, der Bund nach Maßgabe der auf Grund des jeweiligen Bundesfinanzgesetzes zur Verfügung stehenden Mittel Subventionen zum Personalaufwand gewähren kann, wenn

           a) die Führung einem Bedarf der Bevölkerung entspricht,

          b) mit der Führung der Schule nicht die Erzielung eines Gewinnes bezweckt wird,

           c) für die Aufnahme der Schüler nur die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmsbedingungen maßgebend sind und

          d) die Schülerzahl in den einzelnen Klassen nicht unter den an öffentlichen Schulen gleicher Art und gleicher örtlicher Lage üblichen Klassenschülerzahlen liegt.

3. Nichtkonfessionelle Organisationsstatut-Schulen (§ 14 Abs. 2 PrivSchG):

Es kann die Auffassung vertreten werden, § 21 PrivSchG stelle ausschließlich auf Privatschulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung (§ 11 PrivSchG) ab: Dazu zählten jedenfalls nicht die Waldorf­schulen.

Der im § 21 Abs. 1 lit. d PrivSchG enthaltene Begriff ,Öffentliche Schule gleicher Art‘ könnte ebenfalls den Schluß nahelegen, Organisationsstatut-Schulen seien von der Subventionierung ausgenommen, da es für Organisationsstatut-Schulen keine öffentlichen Schulen gleicher Art gibt.

Trotz dieser privatschulrechtlichen Erwägungen werden nach Maßgabe budgetärer Möglichkeiten im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen etwa den Waldorfschulen Personalsubventionen in geringem Ausmaß gewahrt (vgl. Punkt 4).

Derzeit sind beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerden betreffend die Rudolf Steiner Schule Wien-Pötzleinsdorf und die Rudolf Steiner Schule Linz anhängig. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts­hofes in diesen beiden Verfahren steht noch aus.

4. Derzeit vergebene Subventionsplanstellen:

Auf Grund der bisherigen Vollzugspraxis des § 21 PrivSchG stehen im Pflichtschulbereich derzeit (seit dem Schuljahr 1993/94 unverändert) folgende Schulen im Genuß von Subventionsplanstellen:

Freie Waldorfschule Linz                                                                   2     Plst.

Projektschule Graz                                                                               5     Plst.

Private Volksschule Altach                                                               3     Plst.

Volksschule des Vereins Wiener Sängerknaben                            3     Plst.

Rudolf Steiner Schule Wien-Mauer                                                 6     Plst.

Rudolf Steiner Schule Wien-Pötzleinsdorf                                      1     Plst.

Volks- und Hauptschule des Schulvereines Komenski              14,5  Plst.

Französisches Lyzeum Wien                                                            9     Plst. (Vertrag)

                                                                                                             43,5  Plst.

5. ,Ordnungsgemäßes Verteilungsverfahren‘.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Juni 1994, Zl. 90/10/0075-8, hat der Gerichtshof – ohne auf die oben unter Punkt 3. angeführte Problematik einzugehen – festgestellt, daß nichtkonfessi­onelle Subventionswerber einen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verteilungsverfahren im Rahmen der hoheitlichen Verwaltung unter Bedachtnahme auf die Höhe der zur Verfügung stehenden Budgetmittel besitzen.

Das Subventionsverhältnis ist gemäß § 21 PrivSchG bei nichtkonfessionellen Privatschulen mehrstufig geregelt. In einer ersten Stufe erfolgt die Entscheidung über die Zurverfügungstellung der Mittel durch den Bundesfinanzgesetzgeber, in einer zweiten Stufe hat der Materiengesetzgeber des Privatschulgesetzes dem Subventionswerber einen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verteilungsverfahren eingeräumt und dieses der hoheitlichen Verwaltung zugeordnet, und in einer dritten Stufe erfolgt sodann die Zuweisung der konkreten Lehrer als lebende Subventionen durch den jeweiligen Dienstgeber.

Grundlegende Voraussetzung ist daher, daß im Bundesfinanzgesetz für die Subventionierung des Lehrer­personalaufwandes von nichtkonfessionellen Privatschulen vorgesorgt ist.

Derartige Ansätze gibt es derzeit für die Stiftung Theresianische Akademie und die Internationale Schule Wien, nicht jedoch für sonstige nichtkonfessionelle Privatschulen.

Über das sich aus den Bestimmungen des PrivSchG ergebende Ausmaß der Subventionen zum Lehrer­personalaufwand hinausgehende Beiträge, insbesondere zum Sachaufwand oder Bauaufwand von Privatschulen und privaten Schülerheimen, im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung sind durch die Bestimmungen des PrivSchG nicht ausgeschlossen. Auch sie können allerdings nur insoweit gewährt werden, als das jeweilige Budget (des Bundes, der Länder oder Gemeinden) entsprechende Förderungs­kredite vorsieht.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Unterrichtsausschuß.

Der Unterrichtsausschuß hat diese Petition in seiner Sitzung am 6. Mai 1999 in Verhandlung genommen und beantragt, daß der Nationalrat seinen diesbezüglichen Bericht 1801 dB zu Kenntnis nehmen möge.

Verfassungsausschuß

Petition Nr. 49

überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner betreffend “Free Biking: Freigabe der Forstwege für Montainbiker”

Mit der gegenständlichen Petition hat der Abgeordnete Ing. Kurt Gartlehner ein Anliegen der ARGE Fahrrad dem Präsidenten des Nationalrates überreicht.

“Die Forderungen im Wortlaut:

1.  Generelle Öffnung der Forststraßen: Biken muß grundsätzlich erlaubt sein – es darf keine “Wegemaut” verlangt werden! Selbstverständlich unter Berücksichtigung ökologisch sensibler Gebiete und auf Wegen, die breit genug sind (1,5 Meter).

2.  Das Befahren erfolgt auf eigene Rechnung und Gefahr – das heißt: Wegehalter oder Grundbesitzer können nicht geklagt werden.

Ziel der Aktion war es, die immer wieder geführte und ergebnislos abgebrochene Diskussion um die Nutzungsmöglichkeiten der Forstwege für Mountainbiker auf politischer Ebene wiederzubeleben. Eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung wäre durch die Änderung eines einzigen Passus im Gesetzestext möglich, deshalb schlägt die ARGE Fahrrad die Festschreibung der “Benutzung auf eigene Gefahr” im Gesetzestext vor.

Zur Zeit präsentiert sich die Situation folgendermaßen: von den rund 130 000 km umfassenden Forst­straßennetz in Österreich dürfen lediglich rund 10 000 km mit dem Mountainbike befahren werden. Diese Strecken sind – zumindest auf Initiative von Tourismusverbänden – jeweils für den Zeitraum eines Jahres zum Preis von zirka 5 S pro Meter “freigekauft”. Dies ist jedoch auf Dauer keine Lösung. Eine finanzielle Abgeltung für die Wegbenutzung wird von der ARGE Fahrrad abgelehnt. Es dürfe kein Eintrittsgeld in den Wald geben!”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Verfassungsausschuß.

Der Verfassungsausschuß hat diese Petition am 8. April 1999 in Verhandlung gezogen und sie einem bestehenden Unterausschuß zugewiesen.

Verkehrsausschuß

Petition Nr. 42

überreicht von den Abgeordneten Sophie Bauer, Josef Edler, Heinz Gradwohl, Franz Hums, Dr. Günther Kräuter, Ludmilla Parfuss und Heidrun Silhavy “Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege”

Diese Petition hat folgenden Wortlaut:

“–  Die Bezirke Deutschlandsberg, Voitsberg und Weiz haben einen AuspendlerInnenanteil von 71,2%, 73,6% und 63,7%.

      Das bedeutet, daß immer mehr ArbeiterInnen gezwungen sind, über immer größere Entfernungen zu pendeln, um ihren Arbeitsplatz erreichen zu können.

 –   Mit 31. Dezember 1998  läuft die eisenbahnrechtliche Konzession der Graz-Köflacher-Eisenbahn ab. Die Geschäftsanteile der GKB-Verkehrsbetriebe gehen dann in das Eigentum des Bundes zurück.

 –   Im Februar dieses Jahres hat nun ein Französischer Konzern, die CGEA, nicht nur Interesse am Kauf der GKB-Verkehrsbetriebe, sondern auch an den Steiermärkischen Landesbahnen bekundet.

      Ein Verkauf einer oder beider Verkehrsunternehmen an die CGEA oder an einen potentiellen privaten Interessenten würde zu einem Monopol führen, auf das die Politik keinen Einfluß mehr hätte.

 –   Eine österreichische bzw. steirische Lösung bietet optimale betriebswirtschaftliche, volkswirtschaft­liche und verkehrspolitische Kooperationen. Ein internationaler Verkauf wäre der erste Fall in Österreich, daß Infrastruktur zur Grundversorgung der Bevölkerung ins Ausland verkauft wird.

Anliegen:

Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister, wird aufgefordert, gegen den Ausver­kauf steirischer Schienenwege einzutreten.”

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr nahm zur gegenständlichen Petition wie folgt Stellung:

“Da die ÖIAG um keine Verlängerung der mit 31. Dezember 1998 ablaufenden Konzession für den Eisenbahnbetrieb der Graz-Köflacher Eisenbahn ansuchen wird, ist es notwendig geworden, mit 1. Jänner 1999 einen neuen Konzessionär zu suchen. Es haben sich bisher mehrere in- und ausländische Interessenten gemeldet. Unter diesen Interessenten befindet sich auch die französische Gesellschaft CGEA. Mit jedem dieser Interessenten werden Gespräche geführt. Bisher wurden und werden jedoch gegenüber niemandem konkrete Zusagen abgegeben, die einer Präjudizierung des Bundes als Eigentümer der GKB hinsichtlich der erst zu treffenden Entscheidung über die gesellschaftsrechtliche Zukunft der GKB gleichkommen würden. Das Ziel des Eigentümers Bund ist in jedem Fall der Weiterbestand der GKB als größtem öffentlichen Verkehrsträger in der Weststeiermark.

Über die konkrete Vorgangsweise bei der Durchführung der Ausschreibung ist noch nicht entschieden. Der neue Betreiber muß in jedem Fall alle jene Voraussetzungen erfüllen, die das Eisenbahngesetz für die Erteilung einer Eisenbahnkonzession vorsieht. Also zB die erforderliche finanzielle Ausstattung, die Verwendung qualifizierten Personals sowie die Sicherstellung der Betriebsaufnahme bzw. Betriebsweiter­führung sowie die dauerhafte Erfüllung der Fahrplan- und Betriebspflichten. Jeder Bewerber um eine Konzession hat sein Betriebsprogramm, also auch den vorgesehenen Fahrplan im Personenverkehr, vorzulegen, der dann von der Konzessionsbehörde geprüft und allenfalls auch verworfen werden kann.

Für die Erteilung einer Eisenbahnkonzession ist zwingend, daß die jeweils geplanten Fahrpläne vorgelegt werden. Grundsätzlich steht es den Gebietskörperschaften sowie beliebigen dritten Bestellern auch frei, Leistungsbestellung für Fahrplanangebote, die nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können, beim Eisenbahn- bzw. Kraftfahrlinienunternehmen gegen Bezahlung zu bestellen. Schon derzeit können Attraktivitätssteigerungen im Fahrplan- und Fahrbetriebsmittelbereich den Eisenbahn- und Kraftfahr­linienunternehmen nicht behördlich auferlegt, sondern nur auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge (Bestellung ,gemeinwirtschaftlicher Leistungen‘) vereinbart werden.

Unabhängig von den Bestimmungen des Eisenbahngesetzes, die das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr als Oberste Eisenbahnbehörde zu vollziehen hat, hat das ho. Ressort auf Grund des GKE-Gesetzes auch in die Rolle des Eigentümers der Graz-Köflacher-Eisenbahn die Möglichkeit, im Falle eines Verkaufes Bedingungen zur formulieren, die jeder Kaufinteressent zur Grundlage seines Kauf­angebotes machen muß. Diese Bedingungen können auch qualitative und quantitative Angebotsmerk­male bei Fahrplan und Fahrbetriebsmitteln sein.

Das Eisenbahngesetz sieht vor, daß jedes Eisenbahnunternehmen die Mitbenützung seiner Anlagen gegen Entgelt zu gestatten hat. Dies entspricht auch dem rechtlich bereits im Wege von EU-Richtlinien geregelten Grundsatz  des Netzzuganges für Dritte. Insofern ist nicht zu befürchten, daß die GKE – auch unter einer allfälligen künftigen anderen Eigentümerschaft – eine Nutzung ihrer Anlagen durch Dritte (zB Grazer Verkehrsbetriebe, ÖBB) verweigern könnte.

Nach dem Eisenbahngesetz kann Eisenbahngrund auch nicht ohne Zustimmung der Eisenbahnbehörde vom Erwerber einer Eisenbahnkonzession verkauft oder anders als für Zecke des Eisenbahnbetriebes verwendet werden. Insofern besteht kein Grund zu Befürchtungen, ein Erwerber der GKE könnte etwa die teuren Stadtgründe im Bereich des GKE-Bahnhofes in Graz gewinnbringend verkaufen.”

Das Bundesministerium für Finanzen übermittelte folgende Stellungnahme:

“Da die ÖIAG um keine Verlängerung der mit 31. Dezember 1998 ablaufenden Konzession für den Eisenbahnbetrieb der Graz-Köflacher Eisenbahn G.m.b.H. (GKE) ansuchen wird, ist es notwendig geworden, mit 1. Jänner 1999 einen neuen Konzessionär zu suchen. Es haben sich bisher mehrere in- und ausländische Interessenten gemeldet. Unter diesen Interessenten befindet sich auch die französische Gesellschaft CGEA. Mit jedem dieser Interessenten werden Gespräche geführt. Bisher wurden und werden jedoch keine konkrete Zusagen abgegeben, die einer Präjudizierung des Bundes als Eigentümer der GKE hinsichtlich der erst zu treffenden Entscheidung über die gesellschaftsrechtliche Zukunft der GKE gleichkommen würden. Das Ziel des Eigentümers Bund ist in jedem Fall der Weiterbestand der GKE als größtem öffentlichen Verkehrsträger in der Weststeiermark.

Über die konkrete Vorgangsweise der Durchführung der Ausschreibung ist noch nicht entschieden worden. Der neue Betreiber muß in jedem Fall alle jene Voraussetzungen erfüllen, die das Eisenbahn­gesetz für die Erteilung einer Eisenbahnkonzession vorsieht. Darunter fallen die erforderliche finanzielle Ausstattung, die Verwendung qualifizierten Personals sowie die Sicherstellung der Betriebsaufnahme bzw. Betriebsweiterführung sowie die dauerhafte Erfüllung der Fahrplan- und Betriebspflichten. Jeder Bewerber um eine Konzession hat sein Betriebsprogramm, also auch den vorgesehenen Fahrplan im Personenverkehr, vorzulegen, der dann von der Konzessionsbehörde geprüft und allenfalls auch verworfen werden kann.

Für die Erteilung einer Eisenbahnkonzession ist zwingend, daß die jeweils geplanten Fahrpläne vorgelegt werden. Grundsätzlich steht es den Gebietskörperschaften sowie beliebigen dritten Bestellern auch frei, Leistungsbestellungen für Fahrplanangebote, die nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können, beim Eisenbahn- bzw. Kraftfahrlinienunternehmen gegen Bezahlung zu bestellen. Schon derzeit können Attraktivitätssteigerungen im Fahrplan- und Fahrbetriebsmittelbereich den Eisenbahn- und Kraftfahr­linienunternehmen nicht behördlich auferlegt, sondern nur auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge (Bestellung ,gemeinwirtschaftlicher Leistungen‘) vereinbart werden.

Unabhängig von den Bestimmungen des Eisenbahngesetzes, die das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr als Oberste Eisenbahnbehörde zu vollziehen hat, hat das zuständige Ressort auf Grund des Art. XVIII § 1 des Budgetbegleitgesetzes 1998 auch in der Rolle des Eigentümers der GKE die Möglichkeit, im Fall eines Verkaufes Bedingungen zu formulieren, die jeder Kaufinteressent zur Grund­lage seines Kaufangebotes machen muß. Diese Bedingungen können auch qualitative und quantitative Angebotsmerkmale bei Fahrplan und Fahrbetriebsmittel sein.

Das Eisenbahngesetz sieht vor, daß jedes Eisenbahnunternehmen die Mitbenützung seiner Anlagen gegen Entgelt zu gestatten hat. Dies entspricht auch dem rechtlich bereits im Wege von EU-Richtlinien geregelten Grundsatz des Netzzuganges für Dritte. Insofern ist nicht zu befürchten, daß die GKE – auch unter einer allfälligen künftigen anderen Eigentümerschaft – eine Nutzung ihrer Anlagen durch Dritte (zB Grazer Verkehrsbetriebe, ÖBB) verweigern könnte.

Nach dem Eisenbahngesetz kann Eisenbahngrund auch nicht ohne Zustimmung der Eisenbahnbehörde vom Erwerber einer Eisenbahnkonzession verkauft oder anders als für Zwecke des Eisenbahnbetriebes verwendet werden. Insoferne besteht kein Grund zu Befürchtungen, ein Erwerber der GKE könnte etwa die teuren Stadtgründe im Bereich des GKE-Bahnhofes in Graz gewinnbringend verkaufen.

Ich ersuche, diese Stellungnahme an den Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen innerhalb offener Frist weiterzuleiten.”

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie bezog dazu wie folgt Stellung:

“Es wird darauf hingewiesen, daß die Zuständigkeit im Bereich Schieneninfrastruktur beim Land Steiermark bzw. beim Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr liegt.

Grundsätzlich wird betont, daß dem Erhalt der angesprochenen Schienenwege und des Bahnverkehrs in der Weststeiermark aus Umweltsicht – der Bahnverkehr ist weitaus umweltfreundlicher als der Straßen­transport – jedenfalls hohe Priorität eingeräumt werden sollte. Dies gilt unabhängig von den Eigentums­verhältnissen!

Insbesonders kommt den Schienenstrecken nicht nur eine wichtige regionalpolitische Erschließungs­funktion, sondern im Zusammenhang mit der in Planung befindlichen Koralmbahn Graz–Klagenfurt auch eine wichtige Zubringerrolle zur Anbindung der Region an internationale Verkehrswege zu.

Weiters wird auch auf die Maßnahmenempfehlungen des Nationalen Umweltplans zum Thema ,Verkehrs­planung und Verkehrsorganisation‘ verwiesen, wo es heißt:

Der öffentliche Verkehr soll ua. durch Netzerweiterungen, Beschleunigungsmaßnahmen, optimierte Takt­gestaltung, Tarifregelungen, Verkehrsverbünde und verbesserte Infrastrukturen im Haltestellenbereich möglichst attraktiv gestaltet werden. Dies ist insbesondere in Ballungsräumen, Siedlungs- und Wirt­schaftskorridoren und zwischen Ballungs- und Wirtschaftszentren anzustreben. Die Umstiegs­möglichkeiten zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern sind durch Linienführung, Park&Ride und Ride&Ride Einrichtungen zu optimieren. Darüber hinaus ist die gute Versorgung und Erschließung des ländlichen Raumes durch öffentliche Verkehrsmittel sicherzustellen. Konzepte für eine ökologisch und ökonomisch effiziente Flächendeckung sollen erarbeitet werden. In Räumen und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage sollen dabei bedarfsorientierte Formen des öffentlichen Verkehrs forciert werden.

Diese vom Parlament als ökologische Leitlinie angenommenen Grundprinzipien für einen nachhaltigen Verkehr haben unabhängig von den Eigentümerstrukturen bei Verkehrsunternehmen Geltung.”

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten gab folgende Stellungnahme ab:

“Hinsichtlich der Petition Nr. 42 in der die Bundesregierung, insbesonders jedoch der zuständige Bundes­minister aufgefordert wird, gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege einzutreten, erlaube ich mir auf die Stellungnahme des nach dem Bundesministeriengesetz (Teil 1 M.2. der Anlage zu § 2) zustän­digen Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr zu verweisen.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Verkehrsausschuß.

b) Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes:

Petition Nr. 37

überreicht vom Klubobmann Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Andreas Khol und sämtlichen Manda­taren des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei “Gegen eine essentielle Verschlechterung und Verbürokratisierung des Vereinslebens”

Die gegenständliche Petition hat folgenden Inhalt:

“Zur Zeit wird in der Öffentlichkeit der Entwurf eines neuen Vereinsgesetzes diskutiert, der für das Ver­einsleben in Österreich eine essentielle Verschlechterung und Verbürokratisierung sowie eine existentielle Gefährdung der Arbeit der Vereine für die Gemeinschaft mit sich bringen würde.

Diese Petition richtet sich gegen diese Verschlechterung, insbesondere gegen

–   die massive Überreglementierung des vorgeschlagenen Vereinsrechts

–   die Verschärfung der Aufsichtsrechte einschließlich der verpflichtenden Einschaltung von Steuer­beratern und Wirtschaftsprüfern

–   eine Rechnungslegung nach handelsrechtlichen Vorschriften

–   die weitgehende Gleichstellung kleiner und großer Vereine, insbesondere bei Rechnungslegung und Aufsichtsrechten

–   die damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Mehrbelastungen”

Vom Bundesministerium für Justiz wurde zur gegenständlichen Petition folgende Stellungnahme abge­geben:

“Auch das Bundesministerium für Justiz ist – durchaus in Übereinstimmung mit der Zielrichtung der gegenständlichen Petition – der Meinung, daß der traditionellen Gestaltung des österreichischen Gesellschafts- und Kulturlebens in Vereinsform in all ihrer Vielfalt enorme soziale Bedeutung zukommt. Selbstverständlich gilt es, bei allen Regelungsüberlegungen in diesem Bereich darauf besonders Bedacht zu nehmen. Ziel einer künftigen Regelung muß es sein, die Vereine nicht mit überzogenen bürokratischen Vorschriften zu belasten. Nach den Vorstellungen des Bundesministeriums für Justiz soll daher ein künftiges Vereinsprivatrecht – ausschließlich darauf konzentrieren sich die Überlegungen – für die weit überwiegende Zahl der Vereine, insbesondere für die vielen kleinen und mittleren Vereine, keine nennenswerten Erschwernisse mit sich bringen.

Es ist aber aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, wenn der Gesetzgeber in einer so wichtigen Materie kaum Handlungsanleitungen vorgibt und die im Vereinsbereich tätigen Personen auf für sie schwer zugängliche Lehrmeinungen und Judikaturlinien angewiesen sind. Das derzeitige Privatrecht des Vereins besteht eben in hohem Maße aus Auffassungen der Lehre und aus Richterrecht, das sich aus konkreten streitigen Einzelfällen entwickelt hat.

Nach den Vorstellungen des Bundesministeriums für Justiz soll nun nicht primär der Versuch unternom­men werden, neue oder gar zusätzliche Rechtsnormen für diesen Bereich zu schaffen, sondern vielmehr den vorhandenen, von Lehre und Judikatur entwickelten Rechtsbestand zu sichten und ihn übersichtlich, klar und für den Rechtsanwender einfach auffindbar aufzubereiten. Nicht das Neuschaffen von Rechts­normen soll im Vordergrund stehen, sondern das Streben nach Klarheit, Übersichtlichkeit und Trans­parenz in einem für beinahe jeden Bürger unseres Landes so bedeutsamen Rechtsbereich. Bei weitem nicht jeder Verein hat juristisch geschulte Funktionäre oder gar die wirtschaftlichen Mittel, angesichts jeder auftauchenden privatrechtlichen Frage professionellen juristischen Bestand konsultieren zu können. Gerade im Vereinsleben sind häufig juristische Laien immer wieder mit Rechtsfragen konfrontiert und besteht ein legitimes Bedürfnis danach, vom Gesetzgeber auf diese Fragen klare Auskunft zu erhalten. Es kann hier durchaus von einer Bringschuld des Gesetzgebers gesprochen werden.

Wo nicht auf bereits bestehendes Recht zurückgegriffen werden kann, sollte nach Auffassung des Bundes­ministeriums für Justiz versucht werden, die gängige Praxis ordentlich geführter Vereine zum Leitbild einer allfälligen gesetzlichen Regelung zu nehmen. Beispielsweise verfügt wohl schon heute eine Großteil der Vereine über einen Rechnungsprüfer. Ein gesetzliches Erfordernis eines solchen Vereinsorgans (wobei sich der Rechnungsprüfer grundsätzlich aus der Reihe der Vereinsmitglieder rekrutieren kann) würde also keine zusätzliche Belastung darstellen. Gleiches gilt etwa für ein allfälliges Verlangen nach einem vereinsinternen Schlichtungsorgan.

Für die große Mehrzahl der in Österreich bestehenden Vereine würde sich durch solche Regelungen nicht nur keine Erschwernis, sondern vielmehr durch erhöhte Rechtssicherheit und Transparenz eine deutliche Erleichterung ergeben.

Andererseits hält es das Bundesministerium für Justiz für angezeigt, solche Vereine, die ein gewerbliches oder sonstiges, etwa kulturelles, soziales, dem Sport dienendes Unternehmen ab einer bestimmten regel­mäßigen Umsatzgrenze (die etwa bei 1 Million Euro jährlich sein könnte) führen, im Wesentlichen jene Regeln des Geschäftsverkehrs (Vertretung, Haftung, Liquidation) und der Gebarungskontrolle (Rech­nungslegung) zu unterstellen, die auch sonst für Wirtschaftsunternehmen gelten. Für einen Verein, der wie eine handelsrechtliche Gesellschaft oder eine Genossenschaft werbend und nachhaltig am Wirt­schaftsleben teilnimmt und sich dort als wirtschaftlich potent präsentiert, sollen nicht bloß wegen seiner Rechts- und Organisationsform völlig andere – nämlich wesentliche niedrigere – Rechtsstandards gelten als für andere, wirtschaftlich gleichzuhaltende Rechtsträger. Dadurch könnte gleichzeitig auch dem immer wieder anzutreffenden Mißbrauch der Rechtsform Verein für unternehmerische Zwecke entgegengetreten werden.

Aber auch Regelungen für derartige “große Vereine” können in einer Art und Weise ausgestaltet werden, die die betroffenen Organisationen möglichst wenig belastet. Dies könnte vor allem dadurch erreicht werden, daß sich die zu schaffenden Sondervorschriften so weit als möglich an eingelebten und bewährten Vorschriften des (sonstigen) Gesellschaftsrechts orientieren, womit zugleich Chancengleichheit mit in anderen Rechtsformen organisierten Wirtschaftseinheiten hergestellt werden könnte. In diesem Sinn hält das Bundesministerium für Justiz etwa das Erfordernis einer handelsrechtlichen Abschlußprüfung bzw. einer Rechnungslegung nach handelsrechtlichen Vorschriften für durchaus erwägenswert, wobei auch darauf hinzuweisen ist, daß eine Vielzahl derartiger großer Vereine diese handelsrechtlichen Standards schon aus betriebswirtschaftlichem Eigeninteresse bereits derzeit einhält. Letztlich würde eine An­gleichung an handelsrechtliche Standards wohl auch für gut geführte große Vereine keine allzugroßen Veränderungen bewirken.

Abschließend sei aber nochmals – wie bereits in der Antwort auf die parlamentarischen Anfrage zu 4348/J-NR/1998 – festgehalten, daß nach Auffassung des Bundesministeriums für Justiz Bundesregierung und Nationalrat nur dann mit einer Reform des Vereinsrechts befaßt werden sollen, wenn über die Neuregelung dieser Materie ein breiter Konsens vorherrscht.”

Das Bundesministerium für Inneres nahm zur genannten Petition wie folgt Stellung:

“Bundesminister Mag. Schlögl hat sowohl in der Öffentlichkeit wie auch in der Beantwortung der parla­mentarischen Anfragen Nr. 3157/J und 3194/J darauf hingewiesen, daß es sich bei dem in der Einleitung der Petition angeführten Entwurf zur Reform des Vereinsrechts um keinen Entwurf des Bundesministers für Inneres gehandelt hat, sondern um eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit einer von Bundesminister Dr. Löschnak eingesetzten interministeriellen Arbeitsgruppe.

Wenngleich von einer partiellen Reformbedürftigkeit des auf die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurückgehenden Vereinsrechtes auszugehen ist, wird seitens des Bundesministeriums für Inneres die Bundesregierung und das Parlament nur dann mit einer Reform des Vereinsrechtes befaßt werden, wenn ein breiter Konsens mit den politischen Parteien und den zahlreichen österreichischen Vereinen erzielt werden kann. Ein solcher Konsens liegt derzeit aber nicht vor.”

Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen mit Stimmenmehrheit am 8. Juni 1999.

Antrag an den Nationalrat, die Petition durch Kenntnisnahme zu erledigen.

Petition Nr. 55

überreicht von den Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gottfried Feurstein, Karlheinz Kopf, Manfred Lackner und Ing. Wolfgang Nußbaumer betreffend “Einheitswerterhöhung – Nein, danke!”

Mit der gegenständlichen Petition überreichten die oben genannten Abgeordneten ein Anliegen der Vorarlberger Eigentümervereinigung dem Präsidenten des Nationalrates unter Beilage des folgenden Schreibens:

“In den Monaten September und Oktober 1998 sammelte die Vorarlberger Eigentümervereinigung 53 889 Unterschriften gegen eine Erhöhung der Einheitswerte im Zuge der bevorstehenden Steuerreform. Die Unterschriftenlisten wurden bereits per Post an das Parlament weitergeleitet.

Die Petition ,Einheitswerterhöhung – Nein, danke!‘ richtet sich gegen eine allfällige Einheitswerter­höhung, weil

–   die Eigentumsstruktur in Österreich massiv gefährdet würde,

–   sich Steuererhöhungen gegen die Substanz von Liegenschaften richten,

–   die Mieten steigen würden, da die Grundsteuer ein Teil der Betriebskosten ist,

–   wieder Steuern erhöht werden, anstatt Einsparungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Wir bitte Sie, die Petition ,Einheitswerterhöhung – Nein, danke!‘ im Sinne der gesetzlichen Bestimmun­gen über Petitionen der parlamentarischen Beratung zuzuführen.”

Der von der Vorarlberger Eigentümervereinigung durchgeführten Unterschriftenaktion lag folgender Text zugrunde:

“Unterschriftenaktion der Vorarlberger Eigentümervereinigung gegen die geplante Erhöhung von Grund-, Erschafts-, Schenkungssteuer und Bodenwertabgabe sowie die Heranführung der Einheitswerte an die Verkehrswerte

Im Frühjahr 1997 hat Finanzminister Rudolf Edlinger eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge für eine Steuerreform 2000 ausarbeiten soll. Der Vorsitzende dieser Kommission, Univ.-Prof. Dr. Gerold Stoll, hat bereits mehrfach angekündigt, daß es zu einer Anpassung der Einheitswerte an die Verkehrswerte und damit zu einer massiven Erhöhung der Grundsteuer kommen könnte.

Die Vorarlberger Eigentümervereinigung lehnt eine Erhöhung der Grund-, Schenkungs- und Erschaftssteuer sowie der Bodenwertabgabe entschieden ab, weil:

–   die Eigentumsstruktur in Österreich massiv gefährdet würde,

–   sich diese Steuererhöhungen gegen die Substanz der Liegenschaften richten,

–   der Erwerb und die Veräußerung sowie die Erträgnisse von Liegenschaften bereits mit hohen Abgaben belastet sind,

–   durch die höheren Grundstückspreise im Westen Österreichs Vorarlberg wieder stark benachteiligt wäre,

–   der Besitz von Eigentum bereits extremen Steuerbelastungen ausgesetzt ist,

–   durch eine Grundsteuererhöhung die Mieten steigen würden, da die Grundsteuer ein Bestandteil der Betriebskosten ist,

–   wieder Steuern erhöht werden, anstatt Einsparungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Unterstützen Sie mit Ihrer Unterschrift die Bemühungen der Vorarlberger Eigentümervereinigung, erneute massive steuerliche Benachteiligungen von Eigentum und Besitz zu verhindern.”

Das Bundesministerium für Finanzen gab zur gegenständlichen Petition folgende Stellungnahme ab:

“Im Zuge der Beratungen der Steuerreformkommission ist auch eine Angleichung der Einheitswerte an die Verkehrswerte diskutiert worden. Eine derartige Erhöhung wäre aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen allerdings nur dann in Frage gekommen, wenn die sich auf Einheitswerte beziehenden Abgaben nicht im gleichen Ausmaß erhöht, sondern im Steuersatz entsprechend vermindert worden wären, sodaß es zu keiner der Einheitswerterhöhung entsprechenden Erhöhung der Steuerbelastung gekommen wäre.

Im vorliegenden Entwurf des Steuerreformgesetzes 2000 ist jedoch keine Erhöhung der Einheitswerte enthalten, sodaß nach Meinung des Bundesministeriums für Finanzen die in der vorliegenden Petition geäußerten Befürchtungen bezüglich einer Angleichung der Einheitswerte an die Verkehrswerte unbegründet sind.”

Vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wurde zunächst eine Leermeldung übermittelt, in weiterer Folge wurde allerdings wie folgt Stellung genommen:

“Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft teilt in Ergänzung seiner Stellungnahme vom 19. Mai 1999 – unvorgreiflich des in der Angelegenheit zuständigen Bundesministerium für Finanzen – mit, daß sich die Petition ausschließlich auf eine allfällige Erhöhung des Grundvermögens bezieht. Gemäß § 18 des Bewertungsgesetzes 1955 werden nämlich die Vermögensarten, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen und sonstiges Vermögen unterschieden, sodaß das land- und forstwirtschaftliche Vermögen – wie bereits im Schreiben vom 19. Mai 1999 dargestellt – von den Ausgaben der Steuerreformkommission nicht erfaßt wird.

Unabhängig davon erscheint eine allfällige Diskussion hinsichtlich einer Erhöhung der Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens oder eine allfällige Anpassung an die Verkehrswerte nicht angebracht, da nach den statistischen Unterlagen des Grünen Berichtes in den letzten Jahren generell keine steigenden Produkterträge feststellbar sind. Eine Erhöhung der Einheitswerte ist deshalb ökonomisch keinesfalls gerechtfertigt. Im Rahmen der zukünftigen Hauptfeststellung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens wird dies in Betracht zu ziehen sein.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 8. Juni 1999.

Antrag an den Nationalrat, die Petition durch Kenntnisnahme zu erledigen.

2. Bürgerinitiativen:

Zuweisung an einen anderen Ausschuß

Justizausschuß

Bürgerinitiative Nr. 21

eingebracht von Edeltraud Gatterer betreffend “Schaut nicht weg – Initiative zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch”

Die Abgeordnete zum Nationalrat Edeltraud Gatterer hat als Erstunterzeichnerin gegenständliche Bürger­initiative der Österreichischen Frauenbewegung mit mehr als 77 800 Unterstützungserklärungen einge­bracht.

Die Bürgerinitiative hat folgenden Wortlaut:

“SCHAUT NICHT WEG
SAGT
JA

mit einer Unterschrift zum
Schutz der Kinder und Jugendlichen
vor sexuellem Mißbrauch

ES GEHT UNS ALLE AN!

Obwohl die Österreichische Frauenbewegung schon seit Jahren gegen Gewalt und sexuellen Mißbrauch an Kindern und Jugendlichen kämpft und auch schon vieles erreicht hat, wird nach wie vor jedes vierte Mädchen und jeder achte Junge Opfer brutalster seelischer und körperlicher Verletzungen.

Jede einzelne Tat zerstört eine Kinderseele.
Wir kämpfen weiter für Schutz und Hilfe für Kinder:

Durch noch massivere Aufklärung
Mehr Sensibilisierung
Ausbau des Rechtsschutzes

BÜRGERINITIATIVE

SCHAUT NICHT WEG

INITIATIVE ZUM SCHUTZ DER KINDER VOR
SEXUELLEM MISSBRAUCH

77 848
UNTERSTÜTZUNGSERKLÄRUNGEN

Deswegen setzen wir diese Aktion fort und fordern:

 1.  Härtere Strafen – Ausnützung des Strafrahmens wie auch Erhöhung der Strafdrohung

 2.  Verlängerung der Verjährungsfristen

 3.  Keine Herabsetzung des Schutzalters

 4.  Verbesserter Opferschutz

 5.  Sofort einsetzende Therapie auf Kosten des Täters

 6.  Kostenloser Rechtsbeistand für Opfer

 7.  Verkürzung der Dauer von Gerichtsverfahren

 8.  Verringerung des Zeitraumes zwischen Anzeige und Prozeß

 9.  Schonende Behandlung der Opfer vor Gericht – Recht auf Videoeinvernahme

10. Gleich hohe Strafdrohung für Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen

11. Keine Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleichs oder anderer diversioneller Maßnahmen bei Sexualdelikten

12. Schaffung des Tatbestandes der unterlassenen Hilfeleistungen bei Nichtmeldung von offensichtlichen Mißhandlungen und sexuellem Mißbrauch

13. Recht auf verstärkte Anonymität des Opfers in den Medien

14. Gesetzliche Regelung für Internet-Provider zum Schutz der Kinder und Jugendlichen (Kinderporno­grafie, Gewaltverherrlichung usw.)

15. Internationale Täterkartei zur wirksamen Bekämpfung von Kinderhandel, Kinderprostitution, Kinder­pornografie usw.

16. Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und Pornografie in den Medien

DIE KINDER BRAUCHEN UNS!”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 8. Juni 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Justizausschuß.

Verkehrsausschuß

Bürgerinitiative Nr. 14

eingebracht von Gerda Matias betreffend “Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze”

Die gegenständliche Bürgerinitiative umfaßt nachstehenden Wortlaut:

“Um den Tiertransportgesetzen zu einem effizienten Vollzug zu verhelfen, wird der Nationalrat ersucht, folgende Änderungen der Tiertransportgesetze zu beschließen:

1.  Durchgriffsmöglichkeit auf ausländische Auftraggeber (§ 16 Abs. 4 neu)

2.  Entfall des Erfordernisses der vorsätzlichen Begehung in § 16 Abs. 3 Z 1

3.  Erhöhung der Strafrahmen (§ 16 Abs. 1 bis 3)

4.  Anzeigepflicht der Organe der zuständigen Behörde (§ 16 Abs. 8 neu)

5.  Beschlagnahme und Verfall als weitere Sanktionsmaßnahmen (§ 16 Abs. 9 neu)

6.  Konkretisierung des Begriffes ,drohende Gefahr‘ in § 13 Abs. 2

7.  Vollzugsbericht (§ 17 Abs. 1 neu)

Begründung und Formulierungsvorschläge sind der Beilage zu entnehmen.

Beilage
zur Bürgerinitiative zur Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze

Begründung und Formulierungsvorschläge

0. Allgemeines

Das österreichische Tiertransportgesetz-Straße wird von Regierungsvertretern immer wieder als eines der besten und modernsten Tiertransportgesetze Europas bezeichnet. Die in einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren gesammelten Erfahrungen zeigen jedoch, daß das Tiertransportgesetz größte Defizite im Bereich seines Vollzugs aufweist. Dazu hat nicht zuletzt die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beigetragen, derzufolge das Tiertransportgesetz in seiner geltenden Fassung keinerlei Handhabe gegen ausländische Auftraggeber bietet. Um dem Tiertransportgesetz zu einem effizienten Vollzug zu verhelfen, wird der Nationalrat ersucht, folgende Änderungen des Tiertransportgesetzes zu beschließen:

1. Durchgriffsmöglichkeit auf ausländische Auftraggeber

Da es sich bei Tiertransporten naturgemäß zumeist um grenzüberschreitende Vorgänge handelt, bedeutet die Einschränkung des Geltungsbereiches der Tiertransportgesetze durch das Territorialitätsprinzip eine systematische Aushöhlung ihres Anwendungsbereiches und Schutzzweckes.

Nach einer nunmehr bereits wiederholt ausgesprochenen Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes sind ausländische Auftraggeber wegen Verstoßes gegen §§ 5 Abs. 2 TGSt (Gesamttransportdauer von sechs Stunden, Entfernung von 130 bzw. 260 km) in Verbindung mit § 16 Abs. 3 Z 1 leg. cit. nicht strafbar. [1]) Die Argumentation des Höchstgerichtes ist in mehrerer Hinsicht unschlüssig, was de lege ferenda jedoch nur am Rande interessiert. [2])

Im vorliegenden Zusammenhang ist lediglich bedeutsam, daß § 2 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) bestimmt, daß ,[…] [sofern] die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar sind‘. Die derzeit verneinte Durchgriffsmög­lichkeit auf ausländische Auftraggeber resultiert also daraus, daß die Tiertransportgesetze in ihrer geltenden Fassung keine Ausnahmebestimmung vom Territorialitätsprinzip vorsehen.

1.1 Es wird daher gefordert, vom Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 1 VStG in geeigneter Weise Gebrauch zu machen:

Formulierungsvorschlag für § 16 Abs. 4 (einzufügen).

,Abweichend von § 2 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. N. 52/1991, ist bei Über­schreitung der in § 5 Abs. 2 vorgesehenen Gesamttransportdauer bzw. Entfernung auch strafbar, wer den Transport im Ausland veranlaßt hat. Zur Bestimmung der Transportdauer bzw. der zurückgelegten Entfernung sind die im Ausland und die im Inland angefallenen Zeiträume bzw. die im Ausland und die im Inland zurückgelegten Strecken zusammenzurechnen.‘

Die Verhängung der Sanktion über gemäß dieser Bestimmung verurteilte ausländische Auftraggeber ist im Rahmen der internationalen Rechtshilfe sicherzustellen. Die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gemeinsamen Sicherheitspolitik bietet den geeigneten Rahmen zur Schaffung eines funktionsfähigen Rechtshilfesystems. Die österreichischen Regierungsvertreter werden daher aufge­fordert, dieses Anliegen an die Organe der EU heranzutragen.

1.2 Ein mittelbarer Durchgriff auf den ausländischen Auftraggeber könnte auch dadurch herbeigeführt werden, daß nicht nur gegen den Verfügungsberechtigten, sondern auch gegen den Lenker eine Sanktion gemäß § 16 Abs. 3 Z 1 TGSt verhängt werden kann. Dem Einwand, daß der Lenker nicht für ein Verhalten bzw. eine Anordnung seines Auftraggebers haftbar gemacht werden soll, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, da in der Praxis von einer Überwälzung der verhängten Strafe auf den Auftraggeber auszugehen ist.

Formulierungsvorschlag für § 16 Abs. 3 Z 1 und 2 (einzufügen):

,(3) Wer

           1. als Verfügungsberechtigter dem § 3 Abs. 3,

           2. als Verfügungsberechtigter oder Lenker dem § 5 Abs. 2 zuwiderhandelt,‘

2. Entfall des Erfordernisses der vorsätzlichen Begehung in § 16 Abs. 3 Z 1

Gemäß § 16 Abs. 3 Z 1 TGSt ist für ein Zuwiderhandeln gegen § 5 Abs. 2 nur strafbar, wer als Verfügungsberechtigter vorsätzlich handelt. § 5 Abs. 2 leg. cit regelt die Gesamttransportdauer bzw. -strecke und stellt daher die Kernbestimmung des Tiertransportgesetzes dar. Für die Strafbarkeit nach dem VStG genügt grundsätzlich Fahrlässigkeit. Dies muß auch für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 5 Abs. 2 TGSt ausreichen.

Formulierungsvorschlag für § 16 Abs. 3 Z 2 (einzufügen):

,(3) Wer

[…]

           3. als Verfügungsberechtigter oder Lenker dem § 5 Abs. 2 zuwiderhandelt,‘

3. Erhöhung der Strafrahmen (§ 16 Abs. 1 bis 3)

Erfahrungsgemäß handelt es sich bei jenen Tierproduzenten, in deren Auftrag Langstreckentransporte von Schlachttieren erfolgen, um wirtschaftliche Imperien; zudem wird der Export lebender Tiere bekanntlich aus dem Titel der Marktregulierung in beträchtlichem Ausmaß durch die EU subventioniert. Die in den geltenden Tiertransportgesetzen vorgesehenen Strafrahmen erweisen sich vor diesem Hintergrund als so gering, daß sie jegliche Präventivfunktion einbüßen. Es wird daher die Erhöhung der Strafrahmen in folgendem Ausmaß gefordert:

§ 16 Abs. 1:           statt derzeit 0 S bis 5 000 S                          neu: 10 000 S bis 20 000 S;

§ 16 Abs. 2:           statt derzeit 3 000 S bis 10 000 S                 neu: 20 000 S bis 50 000 S;

§ 16 Abs. 2:           statt derzeit 10 000 S bis 50 000 S               neu: 50 000 S bis 100 000 S.

4. Anzeigepflicht der Organe der zuständigen Behörde (§ 16 Abs. 8 neu)

Eine Schwachstelle des Vollzugs der Tiertransportgesetzgebung liegt erfahrungsgemäß in der schwach ausgeprägten ,Anzeigemoral‘; diese ist nun keineswegs vorwiegend auf mangelndes Unrechtsbewußtsein der für den Vollzug verantwortlichen Personen zurückzuführen, sondern ist nicht zuletzt darin begründet, daß ausschließlich weisungsgebundene Organe mit dem Vollzug betraut sind. Solange keine unabhängige Kontrolleinrichtung – wie etwa eine Tieranwaltschaft im Sinne des Tierschutz-Volksbegehrens – mit der Mitwirkung am Vollzug der TG betraut ist, ist eine explizite Verpflichtung der Vollzugsorgane zur Anzeige von Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbaren Handlungen im Sinne des § 222 StGB vorzusehen.

Formulierungsvorschlag für § 16 Abs. 8 (einzufügen):

,Bei Verdacht auf Vorliegen einer Verwaltungsübertretung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder auf Vorliegen einer strafbaren Handlung im Sinne des § 222 Strafgesetzbuch 1974 (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, sind die Organe der zuständigen Behörde und die in § 15 genannten Organe zur behörd­lichen bzw. gerichtlichen Anzeige verpflichtet.‘

5. Beschlagnahme und Verfall als weitere Sanktionsmaßnahmen

Zur Stärkung der präventiven Funktion des Tiertransportgesetzes ist es notwendig, Zuwiderhandlungen gegen die Kernbestimmungen des Gesetzes mit spürbaren finanziellen Einbußen zu ahnden. Als weitere Sanktionsmaßnahmen sind daher Beschlagnahme und Verfall der Beförderungsmittel bzw. der Tiere vorzusehen. Forderungen, die dem Verfügungsberechtigten aus dem betreffenden Transportgeschäft erwachsen – seien es der Fracht- oder Verkaufserlös für die lebenden oder bereits geschlachteten Tiere oder Subventionszahlungen – gehen auf die öffentliche Hand über und sind, ebenso wie die Strafgelder, für Zwecke des Tierschutzes im Bereich der Tiertransporte zu verwenden.

Formulierungsvorschlag für § 16 Abs. 9 (neu):

,Liegt eine Zuwiderhandlung gegen § 5 Abs. 1 oder 2, § 6 Abs. 1, 2 oder 5, § 7 Abs. 1 oder 6, oder gegen § 8 vor, so sind die beförderten Tiere und das verwendete Transportmittel zu beschlagnahmen. Zugleich ist zu verfügen, was mit den beförderten Tieren zu geschehen hat. Eine artgerechte Unterbringung hat auf Kosten des Verfügungsberechtigten zu erfolgen. Werden Tiere im nächstgelegenen Schlachthof geschlachtet, so gelten sie als verfallen. Sämtliche dem Verfügungsberechtigten aus diesem Transport­geschäft erwachsenden Forderungen gehen auf das Land über, in dem die Verwaltungsübertretung begangen wurde; die daraus resultierenden Einnahmen sind für die in § 16 Abs. 2 genannten Zwecke zu verwenden.‘

6. Konkretisierung des Begriffes ,drohende Gefahr‘ in § 13 Abs. 2

Aus nutztierethologischer Sicht ist davon auszugehen, daß die in § 5 Abs. 2 vorgesehene Transportdauer bzw. -strecke für die Tiere ein Höchstmaß an Strapazen bedeutet. Der unbestimmte Gesetzesbegriff ,drohende Gefahr‘ ist daher dahingehend zu konkretisieren, daß im Falle der Überschreitung der Transportdauer bzw. -strecke gemäß § 5 Abs. 2 jedenfalls drohende Gefahr für Leben oder Gesundheit der transportierten Tiere vorliegt.

Formulierungsvorschlag für § 13 Abs. 2 (nach dem 1. Satz einzufügen):

,Die Überschreitung der in § 5 Abs. 2 vorgesehenen Transportdauer oder Transportstrecke gilt jedenfalls als drohende Gefahr.‘

In § 13 Abs. 2, 2. Satz der geltenden Fassung ist die Wortfolge ,falls erforderlich‘ ersatzlos zu streichen.

7. Vollzugsbericht (§ 17 Abs. 1 neu)

Die Vollziehung der Tiertransportgesetze ist im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu evaluieren. Es ist daher eine behördliche Berichtspflicht vorzusehen.

Formulierungsvorschlag für § 17 Abs. 1 (einzufügen):

,Die Behörde ist verpflichtet, dem zuständigen Bundesminister zum Stichtag 31. März jedes zweiten Jahres beginnend mit 31. März 2000 einen Bericht über die in den beiden vorangegangenen Kalender­jahren auf der Grundlage dieses Gesetzes gesetzten Vollzugsmaßnahmen vorzulegen. Dieser Bericht hat insbesondere die Zahl der tatsächlich eingegangenen Anzeigen, Anzahl und Höhe der verhängten Strafen, jeweils nach Tatbeständen gegliedert, Anzahl und Erledigung von Rechtsmitteln und Verwendung der Strafgelder zu enthalten.‘ ”

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr nahm zur Bürgerinitiative Nr. 14 betreffend Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze wie folgt Stellung:

“Wenngleich die erste Seite der Bürgerinitiative anderes vermuten läßt, so beziehen sich die Änderungs­wünsche der Initiatoren doch ausschließlich auf das Tiertransportgesetz-Straße. Die Vorschläge wurden von der Erstunterzeichnerin, Frau Gerda Matias, auch unmittelbar an Herrn Bundesminister Dr. Einem herangetragen. Wie in dem hiezu ergangenen Antwortschreiben des Herrn Bundesministers mitgeteilt wurde, ist eine Änderung des Tiertransportgesetzes-Straße derzeit nicht beabsichtigt.

Zur Frage der EG-Konformität der Bestimmungen über die zulässige Dauer von Schlachttiertransporten wurde durch den Verwaltungsgerichtshof beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht. Da es sich bei dem betroffenen § 5 Abs. 2 TGSt um eine zentrale Regelung des Tiertransportgesetzes-Straße handelt, erscheint es jedenfalls verfrüht, der Entscheidung des EuGH durch legistische Maßnahmen – gleich in welche Richtung – vorzugreifen.”

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft gab folgende Stellungnahme ab:

 

“Es wird bemerkt, daß die gegenständliche Bürgerinitiative gemäß ihres Titels eine Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze zum Ziel hat, sich inhaltlich jedoch ausschließlich auf das Tiertrans­portgesetz-Straße bezieht.

Das Tiertransportgesetz-Straße liegt im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr. Ein allfälliger Änderungsbedarf im Sinne dieser Bürgerinitiative wäre daher vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr bekannt zu geben.”

Einstimmiger Beschluß des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen am 19. März 1999.

Ersuchen um Zuweisung an den Verkehrsausschuß.

 

Der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen hat die gegenständlichen Petitionen und Bürger­initiativen in seinen Sitzungen am 1. Juli 1998, am 19. März und am 8. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

An den Debatten beteiligten sich die Abgeordneten Paul Kiss, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Klara Motter, Anton Blünegger, Dr. Günter Leiner, Theresia Haidlmayr, Harald Fischl, Dr. Johannes Jarolim, Brigitte Tegischer, Maria Rauch-Kallat, Edeltraud Gatterer, Franz Koller und Johann Kurz­bauer sowie die Obfrau des Ausschusses Brunhilde Fuchs.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde der Abgeordnete Rainer Wimmer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen somit den Antrag, der Nationalrat wolle den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 06 08

                                Rainer Wimmer                                                                Brunhilde Fuchs

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau



1) vgl. Gampl, StKR 1971, 19 ff

2) aaO, 12 ff; dieselbe StKR-Leitfaden, 2f

3) vgl. Schwendenwein, StKR, 60

4) Gampl, StKR 1971, 45; VfSlg. 11 951

5) Dazu Tretter, “Die Menschenrechte im abschließenden Dokument des Wiener KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989”, EuGRZ 1989, 82 ff; Text bei Gampl/Potz/Schinkele, StKR I, 142 ff.

6) Nach Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, 376 ff, 433 ff sowie derselbe, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, RZ 647, muß aus der in Art. 9 garantierten Freiheit, seine Religion “in Gemeinschaft mit anderen” auszuüben, abgeleitet werden, daß Kirchen und Religionsgesellschaften sich als juristische Personen konstituieren können müssen, da sie ansonsten ex lege verbotene Personengemeinschaften wären, was Art. 9 MRK widersprechen würde.

Daß das Recht auf Religionsfreiheit, das Recht auf Gründung einer (rechtsfähigen) Vereinigung in sich schließt, dürfte heute weitgehend anerkannt sein (vgl. auch BVerfG v. 5. 2. 1991, NJW 1991, 2623).

7) Siehe im einzelnen die Judikatur zu den inneren Angelegenheiten in Gampl/Potz/Schinkele, Österreichisches Staatskirchenrecht, Bd. 1 34 ff; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, 63 ff.

8) Melichar, Die verfassungsrechtliche Stellung der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften nach öster­reichischem Recht, JBl. 1957, 57 vertritt die Auffassung, daß eine teilweise Devopation des Anerkennungsgesetzes durch das Wiederinkrafttreten der Bundesverfassung bzw. des Art.15 StGG mit 1. Mai 1945 eingetreten sei; ihm folgend Gampl, StKR, 138. Dieselben Überlegungen treffen – wie oben ausgeführt, auf das zu beurteilende Gesetz zu.

9) siehe auch Schwendenwein, Österreichisches StKR, 181, und die dort zitierte Judikatur

10) Im diesem Sinne auch Potz, Öffentlichkeitsrecht – Verbandstätigkeit – Öffentlichkeitsauftrag, in: Convivium utrius que iuris, 361

11) vgl. zB. Art. 9 MRK; § 6 RelKEG

12) Zu Recht verweisen die Erläuterungen zu § 1 darauf, daß der von der Behörde erfundene Begriff der religiösen Bekenntnisgemeinschaft dem wissenschaftlichen Begriff der “Religionsgemeinschaft” entspricht. Nur bei dem letzteren Begriff handelt es sich um eine generell verwendete, wissenschaftlich abgesicherte und deutlich definierte Bezeichnung.

13) vgl. dazu VfSlg. 13 073, wo der Verfassungsgerichtshof eine weitaus kürzere Frist als unverhältnismäßig angesehen hat.

14) Gampl, StKR Leitfaden, 171

15) In einigen Fällen wird von fundamentalistischen Gruppen innerhalb anerkannter Religionsgemeinschaften sogar eine völlige Veränderung der staatlichen Ordnung der Aufrichtung eines fundamentalistischen “Gottesstaates” betrieben.

16) §§ 188, 189, 283 ua. StGB; MedG, usw.

 *) Ohne Berücksichtigung der Friedrich Eymann-Schule.

**) Voller Ausbau der derzeit bestehenden Waldorfschulen erreicht.

[1]) Vgl. zB VwGH Zl. 96/03/0251 vom 11. Dezember 1996

[2]) Der VwGH begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Zuwiderhandlung gegen § 5 Abs. 2 nicht im Inland begangen worden sei. Wie der zuständige Unabhängige Verwaltungssenat in erster Instanz zutreffend ausgeführt hat, ist es aber auf Grund der geographischen Beschaffenheit Österreichs (Flächenausmaß) denkunmöglich, daß die im TGSt vorgesehene Gesamttransportdauer von 6 Stunden bei einer Durchfuhr allein auf inländischem Territorium erreicht, geschweige denn überschritten wird. Will man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, ein unanwendbares Gesetz erlassen zu haben, so ist die Bestimmung unter Bedachtnahme auf die ratio legis dahingehend zu interpretieren, daß eine Zusammenrechnung der auf das Ausland und auf das Inland entfallenden Transportdauer und Transportstrecke vorzunehmen ist. Die Überschreitung der in § 5 Abs. 2 leg. cit. genannten zeitlichen und räumlichen Grenzen stellt einen Teil des objektiven Tatbestandes dar. Es handelt sich daher bei dieser Bestimmung um ein typisches Dauerdelikt, dessen objektives Tatbild durch fortgesetztes Handeln verwirklicht wird.