1923 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Justizausschusses


über die Regierungsvorlage (1775 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 1988 geändert wird (Kartellgesetznovelle 1999 – KartGNov. 1999)

Im Jahr 1998 ist in der Folge einiger aufsehenerregender Ereignisse mit kartellrechtlicher Relevanz die öffentliche Diskussion über die Weiterentwicklung des Kartellrechts wieder aufgelebt.

Sohin soll die Wirksamkeit des Kartellgesetzes insbesondere durch die folgenden Maßnahmen verbessert werden:

–   Ausweitung des Verbotsprinzips auf Verhaltenskartelle.

–   Einführung einer Vermutung, daß Unternehmen mit einem Marktanteil von mindestens 30% eine marktbeherrschende Stellung haben.

–   Ausdrückliche Regelung des Verkaufs unter dem Einstandspreis als Mißbrauch einer marktbe­herrschenden Stellung.

–   Beseitigung der Anzeigepflicht für bestimmte Zusammenschlüsse nach § 42 KartG.

–   Geringfügige Erhöhung der Aufgriffsschwellen für anmeldebedürftige Zusammenschlüsse.

–   Einbeziehung von Auslandsumsätzen in die Berechnung der Aufgriffsschwellen für die Zusammen­schlußkontrolle; Einführung zusätzlicher Kriterien, durch die Zusammenschlüsse ohne entsprechende Beziehung zum inländischen Markt von der inländischen Zusammenschlußkontrolle ausgeschlossen werden.

–   Dem Kartellgericht soll eine umfassende Befugnis zum amtswegigen Vorgehen eingeräumt werden.

Die Frage der EG-Konformität stellt sich insofern nicht, als das EG-Kartellrecht die Mitgliedstaaten nicht zu einer Angleichung des innerstaatlichen Kartellrechts verpflichtet.

Eine spürbare finanzielle Mehrbelastung des Bundes ist nicht zu erwarten.

Der Justizausschuß hat die erwähnte Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 9. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Mag. Dr. Josef Trinkl, Helmut Haigermoser, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Johann Maier, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Dr. Heide Schmidt und Dr. Harald Ofner, die Ausschußobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek das Wort.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

“In der Sitzung des Industrieministerrates am 29. April 1999 in Luxemburg wurde über den Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Handelsverkehr politische Einigung für einen ge­meinsamen Standpunkt des Rates erzielt. Dies soll zum Anlaß genommen werden, den Mißbrauchstat­bestand der Erzwingung unangemessener sonstiger Geschäftsbedingungen in § 35 Abs. 1 Z 1 KartG 1988 durch eine Bezugnahme auf (in der zukünftigen Richtlinie geregelte) Zahlungsfristen und Verzugszinsen zu konkretisieren.

Diese Richtlinie und deren spätere innerstaatliche Ausführungsgesetzgebung werden bei der Auslegung des Tatbestands des Konditionenmißbrauchs heranzuziehen sein.”

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungs­antrages teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit angenommen.

Weiters hat der Justizausschuß folgende Ausschußfeststellung beschlossen:

Zu § 2a KartG:

Bei Inanspruchnahme des § 59a BWG in der geltenden Fassung sind die entsprechenden Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung im konsolidierten Jahresabschluß gemäß jenen international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen, die im vorliegenden Konzernabschluß Verwendung fanden, der jeweili­gen Berechnung gemäß KartG zugrunde zu legen. Hierbei ist anzugeben, welche international aner­kannten Rechnungslegungsgrundsätze zugrunde gelegt wurden und deren Abweichungen von den Bestim­mungen des BWG/HGB.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1775 der Beilagen) mit der angeschlossenen Abänderung die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 06 09

                           Mag. Dr. Josef Trinkl                                             Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau

Anlage

Abänderung

zum Gesetzentwurf in 1775 der Beilagen

Nach Z 10 ist folgende Z 10a einzufügen:

,Z 10a. In § 35 Abs. 1 ist der Z 1 folgende Wortfolge anzufügen:

“wie insbesondere unangemessener Zahlungsfristen und Verzugszinsen,” ‘

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

zum Bericht des Justizausschusses (1775 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 1988 geändert wird (Kartellgesetznovelle 1999 KartGNov. 1999)


Grundsätzliches

Die vorliegenden Novellierungsvorschläge der Regierung zum Kartellgesetz sind grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch die Erhöhung der Aufgriffsschwellen von 150 auf 210 Millionen Schilling bzw. von 3,85 auf 4,2 Milliarden Schilling etwas zu hoch erscheinen. Insbesondere die Festschreibung der Amtswegigkeit im Kartellverfahren ist als positiv herauszustreichen. Allerdings ist begleitend eine personelle Aufstockung und auch Sachverständigenunterstützung notwendig. Bedauerlich ist jedoch, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, eine umfassende Reform des Kartellrechts vorzunehmen. So bleibt in der Regierungsvorlage die Liste der nicht erledigten Reformvorschläge länger als die vorliegenden Änderungen. Dies spricht keineswegs von der immer wieder selbstgerühmten Arbeitsenergie der Koali­tionsparteien.

Neuorganisation der Kartellgerichtsbarkeit

Es wäre zweckmäßig gewesen, die Einführung der Amtswegigkeit im Kartellverfahren auch zu nutzen, um die Kartellgerichtsbarkeit neu zu organisieren. Derzeit stellen die Sozialpartner nicht nur die Beisitzer des Kartell- und Kartellobergerichtes, sondern auch die Mitglieder des paritätischen Ausschusses und die Mitglieder der Amtsparteien. Die Sozialpartner in Form der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer sind somit Anklagebehörde, Gutachter und Richter in einem. Diese Situation ist mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren und dringend novellierungsbedürftig.

Antragsrecht betroffener Unternehmen zur Prüfung von Zusammenschlüssen

Im Zuge der Debatte über den Novellierungsvorschlag wurde auch über die Einführung eines Kartell­anwaltes diskutiert. Die Grünen sind allerdings der Auffassung, dass die beste Kontrolle durch die betroffenen Unternehmen (Wettbewerber) auf dem Markt erfolgt. Zu diesem Zweck sollte wie bei der Missbrauchsaufsicht auch bei der Prüfung von Zusammenschlüssen die Antragsmöglichkeit auf betroffene Unternehmen ausgedehnt werden. Außerdem sollte auch Vereinigungen, die die Interessen der Konsu­menten vertreten, zum Zweck der Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle ein Antragsrecht eingeräumt werden, zumal insbesondere die Konsumenten von Zusammenschlüssen oder dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in der Regel stark betroffen sind. Im Wettbewerbsrecht hat sich diese Praxis bewährt, sie sollte daher auch im Kartellrecht eingeführt werden.

Verbesserungen der medienspezifischen Bestimmungen

Der Medienfreiheit und Medienvielfalt kommt in einer Demokratie besondere Bedeutung zu. Aus diesem Grunde wurden im Jahre 1993 medienspezifische Sonderbestimmungen, die den Zweck verfolgen sollen, nicht nur den wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern auch die Medienvielfalt zu sichern, geschaffen. Die praktischen Erfahrungen seit Inkrafttreten dieser Bestimmungen haben jedoch gezeigt, dass Nachbesse­rungen notwendig sind.

Im Zuge der gegenständlichen Novelle wurden die demonstrativ angeführten Formen des Marktmiss­brauchs ergänzt. Obwohl das Kartellgesetz in der Zwischenzeit medienspezifische Bestimmungen hat, scheint § 35 nur auf wettbewerbsbezogene, also wirtschaftliche Missbräuche abzustellen. Es ist daher fraglich, inwieweit Missbräuche publizistischer Macht durch Medientunternehmen, zB durch Führung “publizistischer Kampagnen” (vgl. Bruck 1991, 13 f), für die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht von Relevanz sind. Der Zusammenhang zwischen wettbewerblichen und publizistischen Missbräuchen ist nicht immer deutlich erkennbar. Kommt es zu publizistischen Missbräuchen, die zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber sich “ehrenhaft” verhaltenden Konkurrenten führen, könnte dies als Missbrauch im Sinne des Kartellgesetzes zu betrachten sein, da hier jedenfalls der geforderte wirtschaftliche wettbewerbliche Bezug gegeben wäre. Soweit eine publizistische Herabsetzung von Mitbewerbern oder anderen Unter­nehmen vorliegt, ist ebenfalls eindeutig ein wettbewerblicher Bezug gegeben und somit verfolgbar.


Fraglich ist, ob auch die redaktionelle Einflussnahme des Eigentümers auf die eigenen Journalisten ein marktmissbräuchliches Verhalten darstellen kann. Grundsätzlich könnte ein Marktmissbrauch darin liegen, dass ein martkbeherrschender Medientunternehmer als Arbeitgeber (als beherrschender Nachfrager am Arbeitsmarkt für Journalisten) seine Arbeitnehmer zu einseitiger Berichterstattung zwingt. Wenn es auch dem Eigentümer in der Praxis nicht verwehrt werden kann, gewisse inhaltliche Vorgaben zu machen, so liegt die Grenze sicherlich im Missbrauch der Marktmacht, sofern der Unternehmer dadurch unlautere Wettbewerbsvorteile erlangt. Im Zuge der Novelle wäre es daher zweckmäßig gewesen, die Möglichkeit zum Einschreiten der Missbrauchsaufsicht (inklusive der Erteilung von Entflechtungsaufträgen) auch bei Vorliegen publizistischer Missbräuche im Gesetz zu verankern (vgl. Karin Wessely, Medienjournal 1997, S 21).

Prüfung von Zusammenschlüssen, die vor 1993 durchgeführt wurden

In § 34 wird nun die gesetzliche Vermutung festgeschrieben, dass ein Unternehmen, das einen Marktanteil von mehr als 30% hält, als marktbeherrschend anzusehen ist. Dieser Novellierungsvorschlag ist grund­sätzlich positiv. Gleichzeitig sollten jedoch die Koalitionsparteien den Mut aufbringen und zumindest bei Medienzusammenschlüssen eine Entflechtung von Unternehmen, die sich vor 1993 zusammengeschlossen haben – mit Wirkung ex nunc – durchzuführen. Die positiven medienspezifischen Bestimmungen zum Zwecke der Medienkonzentrationskontrolle führen ansonsten dazu, dass Zusammenschlüsse von Medienunternehmen, die vor dem Jahre 1993 erfolgten und nach den geltenden gesetzlichen Bestim­mungen nicht mehr möglich wären, auch noch geschützt werden, da auf Grund der geltenden Bestim­mungen derartige Zusammenschlüsse in Zukunft nicht mehr möglich sind. Abgesehen davon kann eine Medienkonzentrationskontrolle nur wirksam sein, wenn auch Zusammenschlüsse, die vor der Kartellge­setznovelle 1993 vorgenommen wurden, auch einer Kontrolle unterzogen werden können.

Abschließend muss bedauert werden, dass die Chance nicht genutzt wurde, um eine grundlegende Reform des Kartellgesetzes vorzunehmen.