1964 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Familienausschusses


über die Regierungsvorlage (1767 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird


Aus den Ergebnissen der Eltern-Kind-Forschung ist bekannt, daß Elternbildung eines der wichtigsten Instrumente zur Stärkung der elterlichen Kompetenz und der familiären Erziehungsfähigkeiten ist und somit die Basis der Primärprävention gegen verschiedenste Schwierigkeiten in der alltäglichen Eltern-Kind-Beziehung darstellt. Elternbildung bietet Information, Entlastung, Hilfe und Unterstützung und fördert dadurch die gewaltfreie Erziehung.

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie fördert seit dem Jahr 1995 jährlich gemein­nützige Einrichtungen, die Elternbildungsveranstaltungen durchführen. Durch diese Förderung des Bundes konnten in einzelnen Bundesländern die Angebote wesentlich ausgebaut, aber auch Schwerpunkt­modelle für Eltern in besonderen Situationen, wie beispielsweise für Eltern behinderter Kinder, Eltern in Scheidung oder Suchtpräventionsmodelle durchgeführt werden.

Auch in dem durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, den Bundesminister für Inneres und den Bundesminister für Justiz gemeinsam im Jahr 1997 eingebrachten Vortrag an den Ministerrat wird die Verstärkung der Förderung im Bereich der “Elternbildung”, zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, zur Prävention von Beziehungs­schwierigkeiten und Entwicklungsstörungen, besonders aber als primäre Maßnahme gegen jede Form der Gewalt an Kindern, gefordert.

Am 16. und 17. April 1998 hat eine Studientagung zum Thema “Elternbildung – Anspruch – Grenzen – Verwirklichung” stattgefunden. Hiebei hat sich gezeigt, daß die fachliche Information, die soziale Interaktion und Kommunikation, der Erfahrungsaustausch unter den Eltern und die Erarbeitung konkreter Umsetzungsmöglichkeiten wichtige Voraussetzungen für langfristig wirkungsvolle Elternbildung sind. Auf Grund dieses Anspruches ist es notwendig, das Angebot der Elternbildungskurse zu vergrößern, aber auch durch eine gezielte und gelungene Öffentlichkeitsarbeit die Kontinuität der Inanspruchnahme von Elternbildungsangeboten zu sichern. Damit eng verbunden ist auch ein stark steigender Bedarf an nach den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen inhaltlich und methodisch-didaktisch umfassend aus- und fortgebildeten qualifizierten ElternbildnerInnen.

Bereits mit Entschließung des Nationalrates, E-156-NR/XVIII. GP, vom 14. Juli 1994 wurde die in ver­schiedensten Formen gegen Kinder ausgeübte Gewalt als großes gesellschaftliches Problem angesprochen und die Einrichtung von “Elternschulen”, die Methoden und Modelle zur gewaltfreien Erziehung vermitteln, angeregt, darüber hinaus wurde die Bundesregierung – im Interesse der Kinder und Jugend­lichen – aufgefordert, auf Grund der Ergebnisse des Modellversuches “Partner- und Familienberatung bei Gericht, Mediation und Kinderbegleitung bei Trennung oder Scheidung der Eltern” Vorschläge für legistische und organisatorische Maßnahmen zu einer verstärkten eigenverantwortlichen Lösung von Paarkonflikten und zu einer dem Wohl des Kindes gerecht werdenden Form der Aufrechterhaltung ihrer elterlichen Verantwortung auszuarbeiten.

Diese Erwägungen finden sich auch im Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, in dem die Förderung “entsprechender Angebote” zur vorbereitenden und begleitenden Elternbildung, zur Erleichte­rung der schwierigen Erziehungsaufgabe für Frauen und Männer, insbesondere im Sinne einer konkreten Hilfestellung und der Vermeidung von Konfliktsituationen von geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern, vereinbart worden ist.

Die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie durchgeführte wissenschaft­liche Begleitforschung [Neue Wege der Konfliktregelung: “Familienberatung bei Gericht – Mediation – Kinderbegleitung bei Trennung der Eltern” (Wien 1997)] brachte folgende Ergebnisse zutage:

–   in mehr als der Hälfte der Fälle von Mediation wurde eine gemeinsame Vereinbarung der Klien­ten/Klientinnen erreicht;

–   bei “nur” 18% der scheidungsbetroffenen Kinder waren keine psychischen Auffälligkeiten, bei 38% geringe psychische Auffälligkeiten, bei 37% mittelgradige und bei 7% hochgradige psychische Auf­fälligkeiten feststellbar.

Den aktuellen Reformbestrebungen zum Ehe- und Scheidungsrecht (EheSchRÄG), wodurch erstmals das Konfliktregelungsmodell Mediation gesetzlich anerkannt werden soll, dienten diese Forschungsergebnisse als Sachentscheidungsgrundlagen. Mediation soll scheidungswilligen Parteien vom Gericht – unter gänz­licher Achtung des Prinzips der Freiwilligkeit – empfohlen werden können, wobei sich die Anwendung der Mediation nicht nur auf Scheidungsverfahren im engeren Sinn beschränken, sondern auch für Besuchsrechts- und Obsorgefälle vorgesehen werden soll.

Die Anwendung mediatorischer Instrumente in familienrechtlichen Konfliktsituationen erfolgt in völliger Akkordanz mit internationalen Tendenzen:

–   durch die Europaratsempfehlung R (98) 1 zur Familienmediation werden die Vertragsstaaten auf­gefordert, Mediation oder andere außergerichtliche Konfliktlösungsmethoden anzubieten, um Streitig­keiten zu verhindern oder aufzulösen oder um Kinder betreffende Rechtsstreitigkeiten vor Gericht möglichst zu vermeiden;

–   die Europäische Konvention über die Ausübung der Rechte des Kindes sieht eine Besserstellung der verfahrensrechtlichen Stellung von Kindern (bis zum 18. Lebensjahr) durch die Entwicklung von Konfliktbereinigungsverfahren, wie etwa Mediation, vor, um die Involvierung von Kindern und Jugendlichen in strenge gerichtliche Verfahren zu vermeiden.

Durch die Änderung des FLAG soll den politischen Forderungen entsprochen und zum einen der aus den praktischen Erfahrungen der bisher modellhaften Förderung nachgewiesenen Bedürfnislage von Familien im Bereich der Steigerung der Erziehungskompetenz, vor allem aber zur Förderung der gewaltfreien Erziehung, nachgekommen werden. Zum anderen soll nach erfolgreichem Abschluß des Modellprojekts “Familienberatung bei Gericht – Mediation – Kinderbegleitung bei Scheidung oder Trennung der Eltern” durch eine den erzielten Erfahrungen entsprechende, zielführende weitere Vorgangsweise einerseits das Angebot an Mediation vor allem im Hinblick auf die Scheidungs- und Kindschaftsrechtsreform (insbesondere durch den Aufbau einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Infrastruktur und der Unterstützung von Personen, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, nach sozialen Kriterien) und andererseits die Eltern- und Kinderbegleitung in Trennungs- oder Scheidungssituationen schrittweise etabliert werden.

Mit der durch diese Gesetzesinitiative vorgesehenen Möglichkeit der Förderung von Mediation sowie Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen sollen jene organisatorischen Bedingungen geschaffen werden, die gewährleisten, daß vor allem im Interesse von scheidungsbe­troffenen Kindern ein qualitativ hochwertiges, an fachlichen Standards orientiertes Angebot an Mediation sowie Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen durch entsprechende Förderungsmöglichkeiten bereitgestellt werden kann.

Die Zuständigkeit des Bundes für die Erlassung des vorliegenden Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 17 B-VG.

Der Familienausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 9. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuß war die Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Edith Haller, Klara Motter, Karl Öllinger, Dr. Martin Graf, Ridi Steibl, Dr. Sonja Moser-Starrach, Franz Riepl, Karl Gerfried Müller, Johann Schuster, Rosemarie Bauer, Katharina Horngacher, Ludmilla Parfuss, Hannelore Buder, Sigisbert Dolinschek, Elfriede Madl und die Obfrau des Ausschusses Dr. Ilse Mertel sowie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein.

Bei der Abstimmung wurde die gegenständliche Regierungsvorlage mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1767 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.


Wien, 1999 06 09

                        Dr. Sonja Moser-Starrach                                                         Dr. Ilse Mertel

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau