204 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über den Antrag 224/A der Abgeordneten Robert Elmecker, Paul Kiss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz geändert wird
(FrG-Novelle 1996)
und
über den Antrag 222/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992), in der geltenden Fassung geändert wird

Die Abgeordneten Robert Elmecker, Paul Kiss und Genossen haben den Initiativantrag 224/A am 13. Juni 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. Dezember 1995, G 1306/95, § 17 Abs. 3 und den 2. Satz des § 27 Abs. 3 des Fremdengesetzes mit Wirkung vom 1. Juli 1996 als verfassungswidrig aufgehoben. Es bedarf daher einer Regelung, die an die Stelle der aufgehobenen Bestimmungen tritt.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bestanden im wesentlichen darin, daß die aufgehobenen Bestimmungen des Fremdengesetzes dem Rechtsstaatsprinzip insofern widersprächen, als sie Fremde ausnahmslos und generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange belasten, bis über ihre Berufung gegen eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG endgültig entschieden sei. Es treffe wohl zu, daß eine im Interesse der öffentlichen Ordnung gebotene unverzügliche Außerlandesschaffung eines Fremden nur im Wege der Durchsetzbarkeit vor Eintritt der Rechtskraft sowie unter Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung verwirklicht werden könne, doch sei es offenkundig, daß nicht alle denkbaren Fallkonstellationen, in denen zwar öffentliche Interessen die Verfügung einer Ausweisung rechtfertigen, automatisch deren sofortige Vollstreckbarkeit erfordern.

Von diesen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes ausgehend, hat sich der vorliegende Antrag dafür entschieden, nur in solchen Fällen eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 des Fremdengesetzes zuzulassen, in denen die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung auch tatsächlich erforderlich ist. In anderen Fällen soll dieses Instrument gar nicht zur Anwendung kommen. Die für diese Entscheidung maßgebliche Überlegung besteht darin, daß solche Ausweisungen ihrem Wesen nach überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn sie in knappen zeitlichem Abstand vor der Einreise verwirklicht werden: Fremde, die kurz nach der Einreise strafrechtlich auffällig werden oder bei „Schwarzarbeit“ im Bundesgebiet betreten werden oder mittellos sind, sollen deshalb, weil daraus eine unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung abzuleiten ist, gehalten sein, das Bundesgebiet auch wieder schnell zu verlassen. Hiebei können Bagatellverstöße außer Betracht bleiben. Sofern keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, daß das maßgebliche Ereignis auf eine Gefährlichkeit des betreffenden Fremden in der Zukunft hinweist (zB der Fremde, für den eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als Kellner vorliegt, wird von seinem Arbeitgeber als Koch eingesetzt; die Unterhaltskosten des Fremden werden durch Verpflichtungserklärung übernommen), bedarf es einer Ausweisung überhaupt nicht, zumal eine Berufung in solchen Fällen durch die damit einhergehende Verlängerung der Schubhaft zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die persönliche Freiheit führen würde.“

Die Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen haben den Initiativantrag 222/A am 13. Juni 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 1. Dezember 1995 (G 1306/95-7) den § 17 Abs. 3 und den § 27 Abs. 3, zweiter Satz, des Fremdengesetzes aufgehoben, da sie wegen des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung und der sofortigen vorzeitigen Umsetzung der Ausweisung verfassungswidrig waren.

Obwohl die sonstigen geplanten Reformen der Fremdengesetze wegen des Widerstandes der Kammern und Gewerkschaften trotz dringender Notwendigkeit neuerlich verschoben wurden, ist der Gesetzgeber gezwungen, die Bestimmungen betreffend Ausweisung umgehend zu sanieren, indem festgeschrieben wird, daß Ausweisungen nur noch dann erfolgen dürfen, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der „öffentlichen Ordnung“ erforderlich ist.

Der im Mai in Begutachtung gegangene Entwurf für ein Fremdenrechtsänderungsgesetz enthielt gerade im Bereich der Ausweisungs- und Aufenthaltsverbot-Verbotsbestimmungen einige integrationsfreundliche Maßnahmen, deren Umsetzung auch dann nichts im Wege steht, wenn der Rest des „Pakets“ auf die lange Bank geschoben wird.

Zusätzlich soll eine fremdenrechtliche Maßnahme gesetzt werden, die sowohl der Bekämpfung der Ausbeutung von Frauen zu Zwecken der Prostitution als auch der organisierten Kriminalität dient.

Zu den einzelnen Ziffern:

Zu Ziffer 1 (§ 17 Abs. 1):

Die Änderung der „muß“- in eine „kann“-Bestimmung soll verdeutlichen, daß keine unbedingte Rechtspflicht mehr bestehen soll, was die Verhängung einer Ausweisung betrifft, sondern daß den Behörden ein gewisser Ermessensspielraum gegeben wird. Damit wird dem Art. 8 Abs. 2 EMRK zum Schutz des Privat- und Familienlebens in höherem Ausmaß Rechnung getragen.

Zu Ziffer 2 (§ 17 Abs. 2):

Mit dem Zusatz, daß die in den Ziffern 1 bis 6 genannten Gründe für eine Ausweisung nur dann „schlagend“ werden, wenn die Ausweisung bzw. die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, soll versucht werden, dem VfGH-Erkenntnis Rechnung zu tragen. Allerdings darf die neue Bestimmung nicht dazu führen, daß dieses „öffentliche Interesse“ praktisch in jedem Fall automatisch angegeben wird und daß einer Berufung gegen eine Abschiebung nach § 17 Abs. 2 grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung mehr zukommt.

Zu Ziffer 3 (§ 17a):

Das Verbot der Ausweisung bzw. die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsbewilligung für illegale ausländische Prostituierte, die bereit sind, gegen Personen, die der Zuhälterei und/oder des Menschenhandels und/oder Schlepperei verdächtig sind, auszusagen, hätte einen doppelten Effekt: Auf der einen Seite wäre dies eine wirksame Maßnahme zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, auf der anderen Seite wird den betroffenen Frauen die Möglichkeit und der Anreiz geschaffen, ihre mißliche Situation zu beenden. Im Sinne der EU-Konferenz „Menschenhandel mit Frauen“, die am 11. und 12. Juni in Wien stattfand, sind viel weitergehende Integrationsmaßnahmen zugunsten der betroffenen, ausgebeuteten Frauen zu ergreifen. Die vorgeschlagene aufenthaltsrechtliche Maßnahme, die zumindest bis zum Ende eines diesbezüglichen Strafverfahrens gültig sein sollte, ist dazu ein erster Schritt.

Zu Ziffer 4 (§ 20 Abs. 1):

Auch diese Maßnahme ist im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK sowie des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu sehen.

Zu Ziffer 5 (§ 20 Abs. 2):

Die Aufenthaltsverbot-Verbote sollen erweitert werden. Insbesondere soll Schwarzarbeit mit dieser drastischen Sanktion nur noch dann belegt werden, wenn der Betroffene „inhaltlich“, nicht aber, wenn er formal dabei angetroffen wird; weiters sollen im Inland aufgewachsene Fremde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr betroffen sein, da diese Maßnahme nachhaltig in die Lebensverhältnisse dieser Menschen eingreifen würde. Von dieser Ziffer sollen all jene Kinder betroffen sein, deren Aufenthaltsrecht im Kindesalter (6. bis 7. Lebensjahr oder früher) begründet wurde.“

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat die erwähnten Initiativanträge (224/A und 222/A) in seiner Sitzung am 20. Juni 1996 gemeinsam in Verhandlung genommen.


An der sich an die Ausführungen des Berichterstatters anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Volker Kier und Anton Gaal sowie der Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem.

Den Verhandlungen im Ausschuß wurde der Initiativantrag 224/A zugrunde gelegt.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag 224/A in der diesem Bericht beigedruckten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Mit dieser Beschlußfassung gilt der Initiativantrag 222/A als miterledigt.

Die von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits eingebrachten Entschließungsanträge fanden keine Mehrheit.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Emmerich Schwemlein gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien 1996 06 20

                          Emmerich Schwemlein                                                                Paul Kiss

                                   Berichterstatter                                                                Obmannstellvertreter

Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz geändert wird (FrG-Novelle 1996)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Fremdengesetz – FrG), BGBl. Nr. 838/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 505/1994, wird geändert wie folgt:

1. § 17 Abs. 2 und 3 lauten:

„(2) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie

        1.   von einem Strafgericht wegen einer innerhalb eines Monates nach der Einreise begangenen Vorsatztat, wenn auch nicht rechtskräftig, verurteilt wurden oder

        2.   innerhalb eines Monates nach der Einreise bei der Begehung einer Vorsatztat auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung der Vorsatztat glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wurden, wenn überdies die strafbare Handlung mit beträchtlicher Strafe bedroht ist und eine Erklärung des zuständigen Staatsanwaltes vorliegt, dem Bundesminister für Justiz gemäß § 74 ARHG berichten zu wollen, oder

        3.   innerhalb eines Monates nach der Einreise gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, verstoßen oder

        4.   innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder

        5.   innerhalb eines Monates nach der Einreise von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten werden, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätten dürfen oder

        6.   unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden

und wenn ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

(3) Die Ausweisung gemäß Abs. 2 wird mit ihrer – wenn auch nicht rechtskräftigen – Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.“

2. Dem § 27 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Der Berufung gegen eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 kommt aufschiebende Wirkung nicht zu.“