2085 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung


über die Regierungsvorlage (1973 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchs­gesetz 1988 geändert wird


Das Tierversuchsgesetz 1988, BGBl. Nr. 501/1989, berücksichtigt im wesentlichen bereits die EG-Rechtsvorschriften in Form der Richtlinie 86/609/EWG, ABl. Nr. L 358 vom 18. Dezember 1986. Wenn auch die Umsetzung der Richtlinie 86/609/EWG zum Zeitpunkt der Gesetzwerdung für Österreich noch nicht rechtlich geboten war, so war der österreichische Gesetzgeber doch bemüht, den Bestimmungen der Richtlinie – als moderne Tierversuchsgesetzgebung – bereits Rechnung zu tragen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Tierversuchsgesetz 1988 (707 der Beilagen zu den Stenographi­schen Protokollen des Nationalrates, XVII. GP) wird daher auch mehrfach auf die Richtlinie 86/609/EWG Bezug genommen.

Wenngleich die Richtlinie 86/609/EWG materiell weitestgehend in der österreichischen Rechtsordnung umgesetzt ist, erscheint – um jeden Zweifel an der Umsetzung auszuschließen – eine Gesetzesergänzung hinsichtlich Zucht- und Liefereinrichtungen sowie der Kennzeichnungspflicht von Versuchstieren im Sinne von Art. 18 und 20 der Richtlinie zweckmäßig und ist gegenüber der EU-Kommission auch bereits angekündigt worden. Der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzesvorschlag dient diesem Ziel.

Im Interesse einer EU-weiten Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit statistischer Daten über Tierversuche in den einzelnen Mitgliedstaaten soll weiters durch eine Anpassung der Bestimmungen über statistische Erfassung von Tierversuchen das im Zusammenwirken mit den EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kom­mission entwickelte, standardisierte statistische Verfahren zur Anwendung gebracht werden.

Wenngleich zunächst in der Richtlinie weder ein gemeinsames Format festgelegt noch vorgeschrieben wird, haben die EU-Mitgliedstaaten im Interesse einer EU-weiten Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit statistischer Daten über Tierversuche in den einzelnen Mitgliedstaaten im Zusammenwirken mit der EU-Kommission standardisierte statistische Tabellen ausgearbeitet und freiwillig zugesagt, diese statistischen Verfahren zur Anwendung zu bringen.

Schließlich soll bereits mit dieser Novelle zum Tierversuchsgesetz das Verbot von Tierversuchen für Bestandteile oder Kombinationen von Bestandteilen kosmetischer Mittel gemäß der EU-Richtlinie 76/768/EWG, CELEX Nr. 376L0768, in der Fassung der Richtlinie 93/35/EWG, CELEX Nr. 393L0035, noch vor dem durch die Richtlinie 97/18/EG, CELEX Nr. 397L0018, die einen Aufschub des Inkraft­tretens dieser Richtlinie bis 30. Juni 2000 vorsieht, festgelegten Termin in Österreich vorzeitig in Kraft gesetzt werden.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 9. Juli 1999 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatterin für den Ausschuß fungierte die Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Klara Motter, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Dr. Udo Grollitsch und DDr. Erwin Niederwieser sowie der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem.

Die Abgeordneten Dr. Günther Leiner und DDr. Erwin Niederwieser brachten einen Abänderungsantrag ein, der den Entfall des Artikels II des in der Regierungsvorlage enthaltenen Gesetzesvorschlages sowie dementsprechend der Überschrift “Artikel I” zum Gegenstand hatte.

Die Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen brachten einen Abänderungsantrag betreffend § 3 sowie einen Abänderungsantrag betreffend § 11 Abs. 2 Z 3 des Tierversuchsgesetzes 1988 ein. Die Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen brachten einen Abänderungsantrag betreffend § 15a Abs. 3 des Tierversuchsgesetzes 1988 in der Fassung des in der Regierungsvorlage enthaltenen Gesetzesvorschlages ein.


Die Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen brachten einen Entschließungsantrag betreffend Erlassung von überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zum Tier­versuchsgesetz 1988 ein.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzesvorschlag in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und DDr. Erwin Niederwieser mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die Abänderungsanträge der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen bzw. der Abge­ordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen wurden abgelehnt. Auch der Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 07 09

                         Dr. Elisabeth Pittermann                                                         Dr. Martin Graf

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz vom 27. September 1989 über Versuche an lebenden Tieren (Tierversuchsgesetz 1988), BGBl. Nr. 501/1989, wird wie folgt geändert:

1. Der Titel des Gesetzes lautet:

“Bundesgesetz vom 27. September 1989 über Versuche an lebenden Tieren (Tierversuchsgesetz – TVG)”

2. § 3 wird um folgenden Abs. 5 ergänzt:

“(5) Tierversuche zur Entwicklung oder Erprobung von Kosmetika sind grundsätzlich verboten. Der nach § 21 für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes jeweils zuständige Bundesminister kann, nach Anhörung der Kommission gemäß § 13 durch Verordnung Ausnahmen hievon bestimmen, soweit dies zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen oder zum Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit erforderlich ist und sofern nach dem anerkannten Stand der Wissenschaften keine gleichwertigen, aussagekräftigen und behördlich anerkannten Ersatzmethoden zur Verfügung stehen.”

3. In § 8 Abs. 1 zweiter Satz werden nach den Worten “… geplantem Umfang (Tierarten und Anzahl)” die Worte “ , die statistische Zuordnung gemäß § 16 Abs. 1” eingefügt.

4. § 11 Abs. 2 Z 3 wird ergänzt wie folgt:

“Tierversuche an Tieren gefährdeter Arten dürfen nur durchgeführt werden, wenn dies im Einklang mit den anwendbaren Artenschutzbestimmungen, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82, ABl. Nr. L384 vom 31. Dezember 1982, S 1, steht und wenn die Versuche der Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der betreffenden Art oder wesentlichen biomedizini­schen Zwecken dient, für die die betreffende Art ausnahmsweise alleine in Frage kommt.”

5. § 11 Abs. 2 Z 4 erster Satz lautet wie folgt:

         “4. Tiere dürfen für Tierversuche nur verwendet werden, wenn sie aus einer genehmigten Zucht oder Liefereinrichtung (§ 15a) stammen, es sei denn sie wurden für diesen Zweck in der Tier­versuchseinrichtung selbst (Eigenzucht) oder als Nutztiere gezüchtet oder rechtmäßig eingeführt und es handelt sich um keine verwilderten oder streunenden Tiere.”

6. § 13 zweiter Satz lautet wie folgt:

“Diese Richtlinien haben nach dem anerkannten Stand der Wissenschaften in Ausführung der leitenden Grundsätze des § 4 nähere Bestimmungen über die Genehmigung und die Durchführung von Tier­versuchen, die Züchtung, Haltung und Unterbringung der Versuchstiere sowie die Qualifikation des mit der Betreuung der Versuchstiere befaßten sachkundigen Personals zu enthalten.”

7. Nach § 15 wird § 15a eingefügt:

“Zucht- und Liefereinrichtung, Kennzeichnung

§ 15a. (1) Zuchteinrichtungen in den Angelegenheiten des § 1 lit. a bis e sind Einrichtungen, in denen für Versuchszwecke bestimmte Tiere zur gewerbsmäßigen Weitergabe an Dritte gezüchtet werden. Liefereinrichtungen in den Angelegenheiten des § 1 lit. a bis e sind von diesen unabhängige Einrich­tungen, die für Versuchszwecke bestimmte Tiere gewerbsmäßig an Dritte liefern.

(2) Im Zusammenhang mit Tierversuchen sind von dem für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes gemäß § 21 zuständigen Bundesminister Zucht- und Liefereinrichtungen mit Bescheid zuzulassen und zu registrieren.

(3) In jeder Zucht-, Liefer- oder Tierversuchseinrichtung sind alle Hunde, Katzen und nicht menschliche Primaten auf dauerhafte Weise nach der am wenigsten schmerzhaften Methode mit einer individuellen Kennzeichnung zu versehen, bevor sie von dem Muttertier abgesetzt werden. Werden nicht gekennzeichnete Hunde, Katzen oder nicht menschliche Primaten nach dem Absetzen zum ersten Mal in eine der vorgenannten Einrichtungen aufgenommen, so sind sie so bald wie möglich derart zu kenn­zeichnen. Ausnahmen gelten nur für den Fall, daß ein Hund, eine Katze oder ein nicht menschlicher Primat vor dem Absetzen von einer vorgenannten Einrichtung in eine andere verbracht wird und es aus praktischen Gründen nicht möglich ist, das Tier vorher zu kennzeichnen. In diesem Fall sind von der Empfängereinrichtung alle zur Kennzeichnung erforderlichen Daten, vor allem über das Muttertier, schriftlich so lange festzuhalten, bis das Tier gekennzeichnet wird. Aus den Aufzeichnungen jeder der vorgenannten Einrichtung müssen Einzelheiten über die Identität und die Herkunft eines jeden Hundes, einer jeden Katze und eines jeden nicht menschlichen Primaten hervorgehen.

(4) Eine Liefereinrichtung darf Versuchstiere nur von einer Zuchteinrichtung oder anderen Liefereinrichtungen beziehen, es sei denn, das Versuchstier wurde rechtmäßig in das Hoheitsgebiet einge­führt und ist kein verwildertes oder streunendes Tier.

(5) In Umsetzung der Richtlinie 86/609/EWG (CELEX-Nr. 386L0609) hat zur einheitlichen Durchführung der Zulassung oder der Registrierung von Zucht- und Liefereinrichtungen sowie der Kennzeichnung von Versuchstieren der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem jeweils zuständigen Bundesminister und nach Anhörung der Kommission gemäß § 13 nähere Bestimmungen durch Verordnung zu erlassen.”

8. § 16 Abs. 1 lautet wie folgt:

§ 16. (1) Der Träger der Tierversuchseinrichtung hat zur Publikation gemäß Abs. 2 sowie zur Erfüllung des Artikels 13 der Richtlinie 86/609/EWG dem jeweils gemäß § 21 zuständigen Bundesminister bis zum 1. März eines jeden Jahres die im vorangegangenen Kalenderjahr verwendeten Versuchstiere in folgender Aufgliederung bekanntzugeben:

           a) Anzahl und Arten der insgesamt verwendeten Versuchstiere sowie nach Herkunft aufge­schlüsselte Anzahl der verwendeten Versuchstiere,

          b) Anzahl und Arten der verwendeten Versuchstiere nach Versuchszweck (Typen von Versuchs­zwecken) aufgeschlüsselt,

           c) Anzahl und Arten der bei toxikologischen und sonstigen Unbedenklichkeitsprüfungen ver­wendeten Versuchstiere,

          d) Anzahl und Arten der bei Versuchen im Zusammenhang mit Krankheiten von Mensch und Tier verwendeten Versuchstiere,

           e) Anzahl und Arten der bei der Herstellung und Qualitätskontrolle von Produkten und Geräten der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin verwendeten Versuchstiere, gegebenenfalls unter Angabe der hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften,

           f) Anzahl und Arten der bei toxikologischen und sonstigen Unbedenklichkeitsprüfungen ver­wendeten Versuchstiere, gegebenenfalls unter Angabe der hiefür maßgebenden Rechtsvor­schriften, sowie Versuchsart (Methode) und Produkte oder Stoffe (Typen von Produkten oder Stoffen).

Unter Bedachtnahme auf die Kriterien der lit. a bis f ist die statistische Aufgliederung der Versuchstiere durch Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr im Einvernehmen mit den für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes jeweils zuständigen Bundesministern festzulegen.”

9. § 21 lautet wie folgt:

§ 21. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind

           1. in Angelegenheiten des § 1 lit. a der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr;

           2. in Angelegenheiten des § 1 lit. b der für die jeweilige wissenschaftliche Einrichtung des Bundes zuständige Bundesminister;

           3. in Angelegenheiten des § 1 lit. c der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten;

           4. in Angelegenheiten des § 1 lit. d, und zwar des Veterinärwesens und des Ernährungswesens ein­schließlich der Nahrungsmittelkontrolle der Bundeskanzler, sowie in Angelegenheiten des Gesundheitswesens der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales;

           5. in Angelegenheiten des § 1 lit. e sowie in Angelegenheiten des Chemikaliengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 53/1997, der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie;


           6. hinsichtlich des § 19 der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie

           7. in Angelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft, soweit dafür der Bund zuständig ist, insbesondere in Angelegenheiten des Wasserrechtsgesetzes 1959 sowie des Pflanzenschutz­mittelgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60/1997, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft

betraut.”

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic


gemäß § 42 Abs. 5 GOG

zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1973 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tier­versuchsgesetz 1998 geändert wird

1. Anmerkungen zur Regierungsvorlage:

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird festgestellt, daß das österreichische TVG ohnedies EU-konform sei und die nunmehr vorgeschlagenen Änderungen nur der Ausräumung diesbezüglicher Zweifel dienten. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, da im Bereich des Tierversuchswesens teilweise schwerwiegende Umsetzungsdefizite bestehen. Auf den Anpassungsbedarf des österreichischen TVG an das Tierversuchsrecht der EU hat Herr Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer bereits im Jahr 1995 (!), somit bereits im Zeitpunkt des Beitrittes Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften, hingewiesen. [1])

ad 2. § 3 Abs. 5 – Kosmetikregelung – Ausnahmevorbehalte

Ein Verbot des Einsatzes von Tierversuchen zur Entwicklung und Erprobung kosmetischer Inhaltsstoffe und Produkte ist längst überfällig und wird daher grundsätzlich begrüßt. Wenn in den Erläuterungen die vorzeitige Umsetzung der Richtlinie 76/768/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/35/EWG betont wird, so darf darauf hingewiesen werden, daß § 7 Abs. 5 des deutschen Tierschutzgesetzes bereits seit 1986 (!) Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen ausnahmslos und Tierversuche zur Entwicklung von Waschmitteln sowie dekorativer Kosmetik grundsätzlich verbietet.

Die Ausgestaltung, die der Gesetzgeber für die Umsetzung der Richtlinie 93/35/EWG wählt, ist abzu­lehnen: Art. 4 Abs. 1 lit. i der Richtlinie 93/35/EWG sieht – auch im Lichte des Art. 2 dieser Richtlinie – ein absolutes Verbot und nicht bloß ein Grundsatzverbot mit Ausnahmebestimmungen vor. Solange auf EU-Ebene solche Ausnahmebestimmungen nicht formuliert sind, erscheint die Verordnungs­ermächtigung des § 3 Abs. 5, zweiter Satz der Regierungsvorlage jedenfalls als “vorauseilender Gehorsam”. Die Verordnungsermächtigung zur Erlassung von Ausnahmeregelungen höhlt die normative Substanz der “Kosmetikregelung” völlig aus. [2]) Geht man davon aus, daß der Zweck von Tierversuchen im Bereich der Kosmetik stets der Prüfung der Gesundheitsverträglichkeit von Bestand­teilen bzw. Produkten dient, so wird das im Entwurf vorgesehene “Grundsatzverbot” an der gängigen Praxis so gut wie nichts ändern und bloß eine weitere “Scheinregelung” darstellen. In Anlehnung an das absolute Verbot der “Kosmetik-Richtlinie” ist daher die Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 5 zweiter Satz des Entwurfes ersatzlos zu streichen.

ad 3. § 8 Abs. 1 – Statistische Zuordnung

Vgl. Anmerkungen zu § 16 Abs. 1 des Entwurfes.

ad 6. § 13 zweiter Satz – Haltung von Versuchstieren

Die Verordnungs- bzw. Richtlinienkompetenz des § 13 zweiter Satz ist bereits in der Stammfassung des TVG enthalten. Der Verordnungsgeber hat von dieser Verordnungsermächtigung zehn Jahre lang keinen Gebrauch gemacht. Österreich ist daher eines der wenigen Länder, in welchen die Haltung von Versuchstieren keiner gesetzlichen Regelung unterliegt. [3]) Die Novellierung des TVG sollte jedoch zum Anlaß genommen werden, endlich materiellrechtliche Vorschriften über die Haltung, Unterbrin­gung, Pflege und Betreuung der Versuchstiere zu schaffen. Regelungstechnisch können die Haltungs­anforderungen im TVG selbst (Anlagen) oder aber im Verordnungsweg geregelt werden; eine ent­sprechende Verordnung wäre zweckmäßigerweise gleichzeitig mit dem Novellierungsentwurf vorzulegen gewesen.

Schließlich wird im gegebenen Zusammenhang bemerkt, daß die bezughabende Verordnungsermächti­gung des § 13 TVG insofern nicht richtlinienkonform ist, als sie bloß die möglichen Regelungsthemen (ua. Haltung und Unterbringung der Versuchstiere) benennt, während Art. 5 der Tierversuchs-Richtlinie einigermaßen konkrete Anforderungen an die Ausformung der einzelnen innerstaatlichen Bestim­mungen vorgibt. So nimmt die Richtlinie in Art. 15 lit. a und b Bezug auf die “Wahrung von zumindest einer gewissen Bewegungsfreiheit bei der Unterbringung” und auf die “Möglichkeit der Befriedigung physiologischer und ethologischer Bedürfnisse”. Da solche Maßstäbe im TVG gänzlich fehlen, besteht auch in diesem Bereich ein Umsetzungsdefizit.

ad 7. § 15a – Zucht- und Liefereinrichtungen, Kennzeichnung

Der mit der Überschrift “Zucht- und Liefereinrichtungen, Kennzeichnung” überschriebene § 15a des Entwurfs regelt im wesentlichen nur die Kennzeichnung der Versuchstiere. – Für die Zucht- und Liefer­einrichtungen wird lediglich eine nicht näher konkretisierte Genehmigungspflicht vorgesehen.

Im Gegensatz dazu nennt Art. 15 der Tierversuchs-Richtlinie die Voraussetzungen, die für die Erteilung einer solchen “Zulassung oder Registrierung” erforderlich sind: (1) Nennung einer verantwortlichen und sachkundigen Person (Art. 16); (2) Aufzeichnungspflicht (Art. 17 Abs. 1); (3) dreijährige Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht (Art. 17 Abs. 2) und (4) regelmäßige behördliche Überprüfung (Art. 17 Abs. 2). Diese grundsätzlichen Anforderungen an die Genehmigung einer Zucht- und Liefereinrichtung sind im TVG selbst anzuführen, um dem Verordnungsgeber hinreichend determinierte Rahmenbedingungen vorzugeben.

Gemäß Art. 17 Abs. 2 der Tierversuchs-Richtlinie sind Liefer- und Zuchteinrichtungen bzw. die von ihnen angefertigten Aufzeichnungen von der Behörde regelmäßig zu überprüfen. Da Zucht- und Liefereinrichtungen im österreichischen TVG bislang nicht geregelt waren, bezieht sich die Kontroll­bestimmung des § 12 Abs. 2 bis 5 TVG nur auf die Tierversuchseinrichtungen, dh. in der Terminologie der Tierversuchs-Richtlinie, auf die Verwendereinrichtungen. Es besteht daher die dringende Not­wendigkeit, auch die Zucht- und Liefereinrichtungen in § 12 Abs. 2 bis 5 TVG aufzunehmen und damit ihre regelmäßige Kontrolle zu gewährleisten.

Aus Gründen der sachlichen Gleichbehandlung ist die Versuchstierzucht ausschließlich zugelassenen Zuchteinrichtungen im Sinne des § 15a des Entwurfes vorzubehalten. § 11 Abs. 2 Z 4 erster Satz der Regierungsvorlage schließt jedoch nicht aus, daß Nutztiere auch dann als Versuchstiere verwendet werden dürfen, wenn sie aus einer landwirtschaftlichen Tierzucht stammen.

ad 8. § 16 Abs. 1 – Statistische Erhebungen

Die Differenzierung und Vereinheitlichung der zu erhebenden Parameter wird grundsätzlich begrüßt. Bedenklich scheint, daß die statistische Zuordnung gemäß § 16 Abs. 1 TVG im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung eines Tierversuches, dh. vom Antragsteller selbst, vorzunehmen ist (§ 8 Abs. 1 TVG). Diese Vorgangsweise bietet keine Gewähr für eine einheitliche statistische Erhebung, da die Angaben nicht einmal stichprobenartig kontrolliert werden und zahlreiche Zweifelsfälle bei der Zuordnung zu erwarten sind.

Weiters ist in der Statistik jedenfalls auch der Verbleib der Versuchstiere nach Abschluß des Versuches (veterinärmedizinische Behandlung oder Tötung gemäß § 11 Abs. 6 zweiter Satz und dritter Satz) zu erfassen.

Die Formulierung “Anzahl und Arten […]” in § 16 Abs. 1 lit. a bis f ist mißverständlich und sollte daher durch die Formulierung “Anzahl und jeweilige Anzahl der Arten” ersetzt werden.

2. Über den Novellierungsentwurf hinausgehender Anpassungsbedarf des österreichischen TVG an die Tierversuchs-Richtlinie

Die Tierversuchs-Richtlinie enthält mehrere Vorgaben, die weder im geltenden TVG verwirklicht sind noch durch die geplante Novelle transformiert werden. Im einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorschriften:

2.1. Zugänglichkeit von Tierversuchsergebnissen (§ 3 Abs. 3 lit. a TVG)

Gemäß § 3 Abs. 3 lit. a TVG darf ein bereits durchgeführter Tierversuch nicht nochmals durchgeführt werden, wenn die Ergebnisse des früheren gleichen Versuches “rechtlich und tatsächlich” zugänglich sind.

Generell ist das Abstellen auf die faktische und rechtliche Zugänglichkeit von Tierversuchs­ergebnissen nicht richtlinienkonform, da die Tierversuchs-Richtlinie hinsichtlich der Berücksichti­gung von Tierversuchsergebnissen auf keines der beiden Kriterien Bezug nimmt. Lediglich im Zusammenhang mit der statistischen Erfassung der Tierversuche haben die Mitgliedstaaten die “Vertrau­lichkeit geschäftlicher Interessen” zu schützen.

Im Hinblich auf das Ziel des TVG, die Anzahl der Tierversuche zu reduzieren, trifft den Gesetzgeber die Verpflichtung, rechtliche Zugangshindernisse zu beseitigen und die faktische Zugänglichkeit von Versuchsergebnissen zu fördern:

–   Nach dem Universitäts-Studiengesetz besteht zB die Möglichkeit, Diplomarbeiten und Dissertationen zugunsten des Verfassers “sperren” zu lassen. Von dieser Möglichkeit wird namentlich im naturwissen­schaftlichen Bereich nicht selten Gebrauch gemacht. Die Bestimmung ist damit geeignet, zur Mehr­fachdurchführung von Tierversuchen beizutragen und steht folglich im Widerspruch zur Zielbe­stimmung des § 1 TVG.

–   In den letzten Jahren haben private Initiativen beachtliche Anstrengungen zur “Vernetzung der Tierversuchsforschung” unternommen und damit die Voraussetzungen für die faktische Zugänglichkeit von Versuchsergebnissen geschaffen. [4]) Den Gesetzgeber trifft nunmehr die Verpflichtung,

       a)   eine zentrale Datenbank über Tierversuche und Alternativmethoden anzulegen und deren technische Nutzung finanziell zu ermöglichen bzw. zu unterstützen;

      b)   von jedem Antragsteller im Bereich des Tierversuchswesens den Nachweis darüber einzufordern, daß der beantragte Versuch noch nicht durchgeführt wurde, und

       c)   jede Genehmigung eines Tierversuches an die Auflage zu binden, daß bereits der laufende Versuch und – unverzüglich nach dessen Beendigung – das Ergebnis der unter lit. a angeführten Datenbank nach standardisierten Kriterien gemeldet werden.

2.2. Anerkennung der Ergebnisse von Tierversuchen, die in Mitgliedstaaten durchgeführt wurden (§ 3 Abs. 3 lit. d TVG)

Art. 22 Abs. 1 der Tierversuchs-Richtlinie sieht vor, daß die Mitgliedstaaten die “Gültigkeit der Ergebnisse von Versuchen, die auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates durchgeführt wurden”, grundsätzlich anerkennen. Diese zentrale Bestimmung dient der Hintanhaltung von Mehrfachversuchen. Sie bedeutet im Ergebnis, daß die Ergebnisse von Tierversuchen, die in anderen Mitgliedstaaten durch­geführt wurden, ohne weiteren Rechts- oder Verwaltungsakt in allen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind. Der im österreichischen TVG enthaltene Vorbehalt zugunsten einer Anerkennung durch inner­staatliche Behörden schränkt diesen Grundsatz ein und ist daher richtlinienwidrig. [5])

2.3. Genehmigung von Tierversuchen – Selbstbindung der Wissenschaftler (§ 4 Abs. 3, § 8 in Verbindung mit §§ 6, 7 TVG)

Die ethische und wissenschaftliche Selbstbindung der einzelnen Experimentatoren, wie sie § 4 Abs. 3 TVG vorsieht, mag einer wünschenswerten Idealvorstellung entsprechen – als durchsetzbares Kontroll­instrument ist sie keinesfalls tauglich. Die erwähnte Selbstbindung stellt eine Aufgabe der Persönlich­keitsentwicklung bzw. des Berufsethos dar; daher ist ihre verantwortungsvolle Wahrnehmung durch andere Rechtsbereiche (zB Studienrecht, Standesrecht) zu fördern. Die materielle Prüfung beantragter Versuchsvorhaben durch die Behörde bzw. eine ihr zu diesem Zweck beigestellte Kommission von Sachverständigen kann die individuelle Eigenverantwortung keinesfalls ersetzen.

Die Genehmigungspflicht des österreichischen TVG stellt ausschließlich auf formale Kriterien (genehmigte Tierversuchseinrichtung im Sinne des § 6 und Vorhandensein eines Tierversuchsleiters im Sinne des § 7) ab. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so verbleibt der Behörde keinerlei Entscheidungs­spielraum zur Abweisung eines Antrags. Die Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit eines Versuchs­vorhabens wird damit, wie oben dargelegt, ausschließlich dem einzelnen Wissenschaftler überlassen, der ja schon deshalb nicht zur unbefangenen Beurteilung dieser Frage berufen sein kann, weil er naturgemäß ein zweckgeleitetes Interesse an der Durchführung des von ihm beantragten Versuches hat. Diese Konstellation stellt keine Basis für eine Güterabwägung dar. [6])

Auch Harrer [7]) schließt aus dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 der Tierversuchs-Richtlinie, wonach “jeder belastende Versuch […] von der Behörde ausdrücklich genehmigt werden muß”, daß eine formale Genehmigungspflicht nicht ausreicht, sondern die Prüfung der ethisch vertretbaren Belastungs­grenze der Behörde übertragen werden muß. § 8 des österreichischen TVG ist daher als nicht EU-konform zu betrachten.

2.4. Durchführung von Tierversuchen – Auswahl der Tierart (§ 11 Abs. 2)

Hinsichtlich der für ein Versuchsvorhaben auszuwählenden Tierart bestimmt Art. 7 Abs. 3 der Tier­versuchs-Richtlinie, daß von mehreren in Frage kommenden Tierarten jene zu wählen ist, die “sinnesphysiologisch am wenigsten entwickelt ist” und bei der “die geringsten Schmerzen, Leiden, Ängste oder dauerhafte Schäden” auftreten.

Eine vergleichbare Bestimmung ist im österreichischen TVG nicht vorhanden, sodaß in diesem Bereich ein Umsetzungsdefizit vorliegt.

2.5. Tierversuche ohne Betäubung (§ 11 Abs. 3 TVG)

§ 11 Abs. 3 TVG sieht zwei Ausnahmen von der grundsätzlichen Betäubungspflicht der Versuchstiere vor. Einer dieser Fälle besteht darin, daß der Versuchszweck an einem betäubten Tier nicht erreicht werden kann. Eine sinngemäße Ausnahmebestimmung enthält auch Art. 8 Abs. 2 lit. b der Tierversuchs-Richtlinie, doch verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaten, “für diese Fälle […] geeignete Rechts- und/oder Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen, damit gewährleistet ist, daß derartige Versuche nicht unnötig durchgeführt werden”. Solche einschränkenden bzw. flankierenden Maßnahmen enthält das TVG nicht, sodaß die Tierversuchs-Richtlinie in diesem Punkt nicht umgesetzt ist.

Als Rechts- bzw. Verwaltungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie kämen etwa erhöhte Anforderungen bei der Genehmigung der gegenständlichen Versuche in Betracht, besondere Berichts- oder sonstige Rechenschaftspflichten u. dgl. mehr.

3. Sonstiger Änderungs- bzw. Novellierungsbedarf

3.1. Allgemeine Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Tierversuchswesen und Tierschutzrecht (Schutzzweck)

Nach § 1 TVG besteht die Zielsetzung des TVG in der “Regelung von Tierversuchen” und – aus kompetenzrechtlichen Gründen – nicht im Schutz der Versuchstiere; allenfalls das Bestreben zur Reduktion der Zahl der Tierversuche dient mittelbar dem Tierschutz. Die Ausgliederung des Tier­versuchswesens aus der übergreifenden Materie des Tierschutzrechts widerspricht der international üblichen Konzeption, wonach das Tierversuchswesen einen Kernbereich des Tierschutzrechts darstellt und als solcher in die Tierschutzgesetzgebung integriert ist. [8]) So gelten die leitenden Grundsatz­bestimmungen etwa des eidgenössischen und des deutschen Tierschutzgesetzes [9]) für das Tierversuchs­wesen ebenso wie für die Haltung, Schlachtung und Tötung von Tieren.

Eine solche Ziel- bzw. Grundsatzbestimmung zum Schutz der Tiere fehlt im österreichischen TVG, und sie wird notwendigerweise so lange fehlen, als die Materie Tierschutz in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache bleibt. [10]) Die Begründung einer Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Tierschutzes erweist sich somit auch als unverzichtbare Voraus­setzung für eine zeitgemäße Regelung der Tierversuche durch ein Schutzgesetz auf internationalem Standard.

3.2. Anwendungsbereich des TVG (§ 2 TVG)

Der Anwendungsbereich des österreichischen TVG beschränkt sich gemäß § 2 auf (lebende) Wirbeltiere. Dies entspricht zwar der Tierversuchs-Richtlinie, doch zeigen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, daß auch Tierarten, die bislang den “niederen” zugeordnet wurden, weitaus komplexer organisiert sind als bislang angenommen wurde. Dieser Erkenntnis trägt die 1998 erfolgte Novellierung des deutschen Tierschutzgesetzes insofern Rechnung, als es Kopffüßer (Cephalopoden) und Zehnfußkrebse (Deka­poden) in den Anwendungsbereich der Tierversuchsbestimmungen einbezieht. In diesem Sinne wäre auch der Anwendungsbereich des österreichischen TVG erweiterungsbedürftig.

3.3. Tierversuche zum Zweck der beruflichen Ausbildung (§ 3 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. d TVG)

Die immer vielfältigeren Möglichkeiten, Lebensphänomene im Rahmen der Ausbildung auch ohne Tier­versuche verständlich darzustellen (zB durch Computersimulationen), läßt die genannten Bestimmungen – selbst angesichts der Einschränkung in Z 2 leg. cit. – als obsolet erscheinen.

3.4. Schicksal der Versuchstiere nach Abschluß des Tierversuchs (§ 11 Abs. 6 TVG)

Gemäß § 11 Abs. 6 TVG entscheidet der Versuchsleiter oder eine von ihm beauftragte Person darüber, ob das Tier veterinärmedizinisch behandelt oder getötet wird. Diese Entscheidung über Leben oder Tod ist eine ethische Grundsatzentscheidung, die in jedem Einzelfall auf der Basis einer eingehenden Güter­abwägung vorzunehmen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß gegenüber einem Tier, dem bereits durch einen unter Umständen sehr belastenden Tierversuch im Interesse und zum Nutzen des Menschen Schmerzen, Leiden oder Qualen zugefügt wurden, eine erhöhte Sorgfaltspflicht besteht. Die Entscheidung zugunsten der Tötung eines Versuchstieres darf daher auf Grund der besonderen Verantwortung für diese Tiere keinesfalls leichtfertig oder gar aus ökonomischen Gründen (Einsparung der Behandlungskosten!) erfolgen. Für die Entscheidung gemäß § 11 Abs. 6 zweiter Satz und dritter Satz ist daher eine Begrün­dungspflicht vorzusehen. Die begründeten Entscheidungen sind der Kommission gemäß § 13 vorzulegen.

Darüber hinaus ist der Verbleib der “verwendeten” Tiere auch statistisch zu dokumentieren (vgl. die Anmerkungen zu § 16 Abs. 1 des Entwurfes).

§ 11 Abs. 6 TVG regelt die “Betreuung” “gebrauchter” Versuchstiere. Sind die Tiere nicht “schmerzlos” (richtiger: “tierschutzgerecht”) zu töten, so sind sie nach dieser Bestimmung “veterinärmedizinisch zu behandeln”. Da der Einsatz von Schmerzmitteln erfahrungsgemäß äußerst sparsam erfolgt, sollte die Pflicht zur Verabreichung von Analgetika ausdrücklich verankert werden.

3.5. Qualifikationserfordernisse für Leiter von Tierversuchen (§ 7 TVG)

§ 7 TVG unterscheidet hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation von Versuchsleitern zwischen operativen und nichtoperativen Versuchen. Es ist nicht einzusehen, warum operative Eingriffe an Wirbeltieren auch von Universitätsabsolventen der Studieneinrichtungen Pharmazie oder Biologie durch­geführt werden dürfen, da die diesbezüglichen Studienpläne keinerlei chirurgische Ausbildung vermitteln. Fraglich ist auch, wie die erforderlichen Spezialkenntnisse erworben und auf welche Art sie nachgewiesen werden.

Es wird daher angeregt, Tierversuche, die operative Eingriffe beinhalten, ausschließlich Absolventen der Studienrichtungen Veterinär- und Humanmedizin vorzubehalten. Die Ausnahmebestimmung des § 7 letzter Satz, wonach bei nichtoperativen Versuchen im Einzelfall von jeder Formalqualifikation abgesehen werden kann, wäre ersatzlos zu streichen.

3.6. Leitende Grundsätze – Wissenschaftlichkeit und Verfahren (§ 4 Abs. 1 TVG)

Neben dem juristisch fragwürdigen Begriff “sinnvoll”, der auf eine außerrechtliche Instanz rekurriert, ist die Junktimierung zwischen Verfahren und Stand der Wissenschaften durch den Begriff “Berücksichti­gung” unzureichend. Es kann nicht ausreichend sein, wenn die Anwender bzw. Entwickler eines Verfahrens quasi nebenher auch den aktuellen Stand der Wissenschaften reflektieren; die Verfahren selbst könnten dabei völlig obsolet sein. Die Verfahren müssen vielmehr selbst dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen, dh. ein Teil ihrer aktuellen Entwicklung sein.

3.7. Leitende Grundsätze – Überprüfung der Tierversuchsmodelle (§ 4 Abs. 2 TVG)

Nach § 4 Abs. 2 TVG sind Tierversuchsmodelle laufend im Hinblick auf ihre Reduktion und die Anwen­dung von Ersatzmethoden “kritisch zu überprüfen”. Das Gesetz läßt nicht nur offen, durch wen und in welcher Form diese Überprüfung zu erfolgen hat, es sieht auch keinerlei Rechtsfolge vor.

Es wird daher vorgeschlagen, in der Novelle eine Evaluierungsverpflichtung für alle Tierversuchs­einrichtungen vorzusehen und diese hinsichtlich der zu erhebenden Parameter, des Intervalls und der Vorlagepflicht zu konkretisieren. Für den Fall der Unterlassung oder unzureichender bzw. unrichtiger Angaben ist eine Strafbestimmung vorzusehen. Die einzelnen Evaluierungsberichte stellen eine Grund­lage für den “Tierversuchsbericht” dar, der im Dreijahresrhythmus der Kommission vorzulegen ist (vgl. Art. 26 Tierversuchs-Richtlinie).

3.8. Förderung von Ersatzmethoden (§ 17 TVG)

Gemäß § 1 TVG stellt die Reduktion der Anzahl von Tierversuchen eines der Hauptanliegen des Gesetzes dar. Vor diesem Hintergrund sind die finanziellen Mittel zur Förderung von Ergänzungs- und Alternativmethoden deutlich zu erhöhen. Die Höhe der in der Vergangenheit für diesen Zweck verwendeten Mittel ist – nicht zuletzt im Verhältnis zur Förderung der Tierversuchsforschung – beschämend gering.

3.9. Strafbestimmungen (§ 18 TVG)

Der Entwurf einer Novelle des TVG beläßt die Strafobergrenzen des Stammgesetzes unverändert, dh. diese betragen weiterhin

–   100 000 S (Vorsatz) bzw. 50 000 S (Fahrlässigkeit), wenn gegen die Genehmigungspflicht verstoßen wird oder ein Tierversuchsleiter bestimmten Verpflichtungen nicht nachkommt (§ 18 Abs. 1);

–   50 000 S (Vorsatz) bzw. 25 000 S (Fahrlässigkeit) bei Verletzung verschiedener administrativer Verpflichtungen (zB unterlassene oder unrichtige Aufzeichnungen, Auskunftsverweigerung usw.; § 18 Abs. 2).

Die Erhöhung dieser Strafobergrenzen ist dringend geboten, da die genannten Beträge gegenüber Tierversuchseinrichtungen – die bekannterweise entweder wirtschaftliche Imperien sind oder dem geschützten öffentlichen Sektor zuzuordnen sind – keinerlei präventive Funktion entfalten. Auch das deutschsprachige Ausland sieht im Bereich des Tierversuchswesens erheblich höhere Strafandrohungen vor:

Nach dem eidgenössischen Tierschutzgesetz wird durch die Durchführung unzulässiger Tierversuche ein Strafrechtstatbestand (Art. 27) verwirklicht: Bei vorsätzlicher Begehung ist eine Freiheitsstrafe (Gefängnis zwischen drei Tagen und drei Jahren) oder eine Geldstrafe (Buße bis 40 000 sFr, das sind zirka 344 000 S), bei fahrlässiger Begehung ist eine Haftstrafe bis zu drei Monaten oder eine Buße bis 20 000 sFr, das sind zirka 172 000 S, vorgesehen. Die vorschriftswidrige Durchführung von Tierver­suchen ist eine “Widerhandlung” (Verwaltungsstrafrechtstatbestand; Art. 29 Abs. 1): Als Sanktion ist Haft bis zu drei Monaten oder Buße bis 20 000 sFr (Vorsatz) bzw. bis 5 000 sFr (bei Fahrlässigkeit) vorgesehen.

Das zuletzt 1998 novellierte deutsche Tierschutzgesetz sieht im Tierversuchsbereich auf verwaltungs­strafrechtlicher Ebene sehr detaillierte Strafbestimmungen vor, deren Strafandrohungen zum Teil wesentlich höher sind als im österreichischen TVG:

§ 18 TierSchG                                                            Tatbestand                                                                        DM

Nr. 11         Durchführung ethisch unzulässiger Tierversuche............................................................         50 000,–

Nr. 11         Durchführung von Tierversuchen zu verbotenen Zwecken (Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät oder zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln oder Kosmetika) 50 000,–

Nr. 2           Durchführung eines Tierversuches trotz Untersagung....................................................         50 000,–

Nr. 12         Durchführung eines genehmigungspflichten Tierversuches ohne Genehmigung......         50 000,–

Nr. 14         Verspätete, unrichtige oder unvollständige Anzeige eines anzeigepflichtigen Tier­versuches oder einer anzeigepflichtigen Änderung...............................................................................................         10 000,–

Nr. 13         Verspätete Anzeige einer Sachverhaltsänderung im Zusammenhang mit einem genehmigungspflichtigen Tierversuch oder Unterlassung dieser Anzeige.......................................................................................         10 000,–

Nr. 15         Verspätete oder unrichtige Angabe der Anzahl der Versuchsvorhaben oder der Zahl der Versuchstiere oder Unterlassung einer solchen Angabe...................................................................................         10 000,–

Nr. 16         Unterlassung der Bestellung eines Tierschutzbeauftragten............................................         10 000,–

Nr. 18         Verletzung der Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht im Tier­versuchsbereich       10 000,–

Nr. 21         Verletzung der Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflicht betreffend die Zucht von oder den Handel mit Versuchstieren........................................................................................................................         10 000,–

Nr. 21         Unterlassung der (ordnungsgemäßen) Kennzeichnung von Versuchstieren...............         10 000,–

Nr. 17         Verletzung der Überwachungsaufgaben durch den (stellvertretenden) Leiter eines Tierversuchs  50 000,–

Nr. 19         Verletzung der Überwachungsaufgaben durch den (stellvertretenden) Leiter einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung ................................................................................................................................................... 10 000,–

4. Zusammenfassung

Zusammenfassend weist das österreichische TVG im Hinblick auf das längst umzusetzende Tierversuchsrecht der EU folgende Umsetzungsdefizite bzw. richtlinienwidrige Inhalte auf:

–   § 3 Abs. 5 des Entwurfs: Umsetzung der Richtlinie 93/35/EWG ist nicht richtlinienkonform, da diese ein absolutes Verbot ohne Ausnahmevorbehalte vorsieht;

–   § 13 zweiter Satz des Entwurfs: Die Verordnungsermächtigung wurde zwar um die Züchtung von Versuchstieren erweitert, doch ist sie nach zehnjähriger Implementierung des TVG nach wie vor ungenützt. Das Fehlen von Haltungsanforderungen für Versuchstiere stellt in Anbetracht des Art. 5, insbesondere der lit. a und b, der “Tierversuchs-Richtlinie” sowie des Anhangs II dieser Richtlinie (Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren) ein Umsetzungsdefizit dar;

–   § 15a des Entwurfs: Zucht- und Liefereinrichtungen sind in die Überwachungsbestimmung des § 12 TVG einzubeziehen;

–   § 3 Abs. 3 lit. a TVG ist nicht richtlinienkonform, da Art. 22 Abs. 1 der “Tierversuchs-Richtlinie” die Mitgliedstaaten zur wechselseitigen und vorbehaltlosen Anerkennung von Versuchsergebnissen verpflichtet, ohne auf deren (rechtliche oder faktische) Zugänglichkeit abzustellen. Darüber hinaus ist der österreichische Gesetzgeber in Anbetracht des Bestrebens zur Reduktion der Anzahl von Tierversuchen (§ 1 TVG) und zur Vermeidung von Mehrfachversuchen (§ 3 Abs. 3 TVG) verpflichtet, rechtliche Zugangshindernisse durch legistische Maßnahmen zu beseitigen und die faktische Zugänglichkeit zu Tierversuchsergebnissen (zB durch infrastrukturelle Maßnahmen und Fördermittel) sicherzustellen;

–   § 3 Abs. 3 lit. d TVG sieht hinsichtlich der Tierversuchsergebnisse, die in anderen Mitgliedstaaten erzielt wurden, einen “Anerkennungsvorbehalt” Österreichs vor. Dies ist im Hinblick auf die in Art. 22 Abs. 1 der “Tierversuchs-Richtlinie” normierte unmittelbare Anerkennungspflicht richtlinien­widrig;

–   §§ 4 Abs. 3 in Verbindung mit 6 bis 8 TVG: Art. 12 Abs. 4 der “Tierversuchs-Richtlinie” verpflichtet die Mitgliedstaaten eine behördliche Genehmigungspflicht für jeden belastenden Tierversuch vorzusehen, dh. daß die Frage der ethischen Vertretbarkeit eines Versuchsvorhabens, die anhand des Kriteriums der Belastungsgrenze zu beurteilen ist, durch die Behörde bzw. eine beigegebene und entsprechend zusammengesetzte Sachverständigenkommission (“Ethik-Kommission”) zu prüfen ist. Da § 8 TVG lediglich eine formale Genehmigungspflicht vorsieht und die ethische Beurteilung im übrigen dem einzelnen – notwendigerweise durch zweckgeleitete Interessen befangenen – Experi­mentator überläßt (§ 4 Abs. 3 TVG), sind die für die Genehmigung von Tierversuchen maßgeblichen Bestimmungen des TVG nicht richtlinienkonform;


–   Art. 7 Abs. 3 der “Tierversuchs-Richtlinie” verlangt, daß bei der Auswahl einer Tierart für ein bestimmtes Versuchsvorhaben ua. auf den Grad der sinnesphysiologischen Entwicklung abzustellen ist. Das TVG kennt dieses Kriterium nicht, sodaß auch in dieser Hinsicht ein Umsetzungsdefizit besteht;

–   Art. 8 Abs. 2 lit. b der “Tierversuchs-Richtlinie” verpflichtet die Mitgliedstaaten, Rechts- bzw. Verwaltungsmaßnahmen zur Hintanhaltung von Tierversuchen, die zulässigerweise ohne Betäu­bung durchgeführt werden, zu ergreifen. Das TVG sieht solche Maßnahmen nicht vor und weist folglich auch hier ein Umsetzungsdefizit auf;

–   im internationalen Vergleich erweisen sich die Strafbestimmungen des § 18 TVG als unangemessen niedrig, sodaß eine entsprechende Anhebung dringend geboten ist.

Wird die Novelle des TVG in der geplanten Form realisiert, so ist davon auszugehen, daß das österreichi­sche TVG auch weiterhin in vielfacher Hinsicht nicht “EU-konform” sein wird und insbesondere die “Kosmetikregelung” eine bloße Scheinregelung darstellen wird.

Abschließend darf festgestellt werden, daß nach der zehnjährigen Implementierung des TVG eine umfassende Evaluierung hinsichtlich der Erreichung seiner Zielsetzungen erforderlich ist. Diese hätte zweckmäßigerweise vor der Novellierung erfolgen sollen.

Die grüne Fraktion kann aus den obengenannten Erwägungen der gegenständlichen Novelle des Tier­versuchsgesetzes nicht ihre Zustimmung geben.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic



[1]) Friedrich Harrer: Anpassungserfordernisse im Recht der Tierversuche. – In: ÖJZ (1995) S 854–858. Da der Autor in diesem Beitrag auch auf die zu einzelnen Punkten seiner Argumentation kontroversielle Ansicht des damaligen BMWF hinweist (vgl. S 856), kann davon ausgegangen werden, daß der Anpassungsbedarf bereits im Beitrittszeitpunkt Österreichs der Vollzugsbehörde bekannt war.

[2]) Obwohl auch das deutsche Tierschutzgesetz einen Ausnahmevorbehalt vorsieht, ist dieser im Vergleich zur Regelung des vorliegenden Entwurfs wesentlich enger: § 7 Abs. 5 des deutschen Tierschutzgesetzes ermächtigt nämlich den “[…] Bundesminister […] durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen zu bestimmen, soweit es erforderlich ist, um konkrete Gesundheitsgefährdungen abzuwehren, und soweit die notwendigen neuen Erkenntnisse nicht auf andere Weise erlangt werden können”. Bemerkenswert an dieser Bestimmung sind zum einen die erhöhte Anforderung an das Zustandekommen von Ausnahmebestimmungen (Bundesminister mit Zustimmung des Bundesrates) und das Erfordernis einer konkreten Gesundheitsgefährdung, die im Einzelfall in entsprechender Weise darzulegen ist.

[3]) In der Schweiz ist die Haltung von Versuchstieren in der Eidgenössischen Tierschutzverordnung (Kapitel 7) geregelt; in Deutschland wurde das Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 18. März 1986 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere erlassen, das auch umfangreiche Leitlinien für die Unterbringung und Pflege der Tiere enthält. In Großbritannien regelt der Code of Practice on Housing and Care of Laboratory Animals diese Materie.

[4]) Erwähnt seien nur die Bemühungen von FRAME, ZEBET und ECVAM, aber auch die seit 1986 im Aufbau befindliche Datenbank für Alternativmethoden an der Deutschen Tierschutzakademie.

[5]) So bereits Harrer: Anpassungserfordernisse. – In: ÖJZ (1995) S 857.

[6]) Im Gegensatz dazu sieht das eidgenössische Tierschutzrecht ua. eine “umfassende Interessen- und Rechts­güterabwägung” vor; ein Tierversuch darf nämlich nach Art. 61 Abs. 3 lit. b Tierschutzverordnung auch dann nicht bewilligt werden, wenn zwar alle Voraussetzungen vorliegen, aber der Versuch “gemessen am Kenntnisgewinn oder am Ergebnis dem Tier unverhältnismäßige Schmerzen, Leiden oder Schäden bereitet”. Daß diese Aufgabe einer Kommission übertragen sein muß, der auch Geisteswissenschafter (zB Ethiker) und Vertreter des Tierschutzes angehören müssen, liegt schon allein in der Notwendigkeit eines transparenten Verfahrens begründet und bedarf wohl kaum einer weiteren Rechtfertigung. In Deutschland ist dies seit 1987 der Fall, in der Schweiz beraten kantonale Tierversuchskommissionen seit 1984 die Behörden bei ihrer Entscheidungsfindung.

[7]) Vgl. Harrer: Anpassungserfordernisse. – In: ÖJZ (1995) S 855.

[8]) Das eidgenössische TierschutzG regelt Tierversuche im sechsten Abschnitt (Art. 12 bis 19), die eidgenössische Tierschutzverordnung enthält einschlägige Bestimmungen im 7. Kapitel (Art. 58 bis 64); im deutschen TierschutzG finden sich die Regelungen über das Tierversuchswesen im fünften Abschnitt (§§ 7 bis 9a), im sechsten Abschnitt (§ 10) und im siebenten Abschnitt (§ 10a).

[9]) “Schutz und [Sicherung] des Wohlbefindens” der Tiere (Art. 1 eidgenössisches TierschutzG) bzw. “Schutz des Lebens und Wohlbefinden von Tieren aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf […]” (§ 1 deutsches TierschutzG).

[10]) Mit der Kompetenzproblematik setzt sich Elisabeth Kornfeind in ihrer Dissertation “Das Tierversuchsgesetz 1988” (Univ. Wien: Diss. iur. 1994) eingehend auseinander.