354 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Umweltausschusses


über den Entschließungsantrag 21/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

Der Entschließungsantrag 21/A(E) wurde am 15. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht.

Dem gegenständlichen Antrag wurde folgende Begründung entnommen:

„Dem Marktmechanismus wurde noch nie wirklich die Chance gegeben, für die Umwelt zu wirken. Verbrauch, Ausbeutung und Zerstörung der Natur haben keine Knappheit signalisiert, weil die „Eigentümer“ – die Gesellschaft, vertreten durch Regierungen – die Umweltressourcen und deren Dienste bisher kostenlos zur Verfügung stellten.

Ein Weg zur Internalisierung der Umweltkosten besteht in der Weiterentwicklung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Umweltschäden und die Verringerung natürlicher Ressourcen müssen darin berücksichtigt werden. Die VGR, auf der Indikatoren wie das Bruttosozialprodukt (BSP) beruhen, wurde in der Zeit des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Sie gestattet es Regierungen den Erfolg der Wirtschaft mit standardisierten Instrumenten zu bewerten. Allerdings enthält die VGR keine Hinweise auf Umweltschäden oder die Verringerung der natürlichen Ressourcen. Das BSP registriert etwa wirtschaftliche Aktivitäten zur Beseitigung von Umweltschäden (etwa einer Ölpest) paradoxerweise als Beitrag zur wirtschaftlichen Wohlfahrt. Deshalb dient nur die halbe Wahrheit als Informationsbasis für politische Entscheidungen. Auf Grund dieser „blinden Flecken“ kann die wirtschaftliche Situation gar nicht ganzheitlich bewertet werden.

Eigentlich müßte man die Substanzverringerung wertvollen Kapitals – Wälder, Erdölvorkommen, Ackerboden und Wasser – als Verlust künftiger Produktionskapazität in die Bewertung des Unternehmens Staat miteinrechnen und einen Teil der Erträge aus dem Kapitalbestand als Reserve reinvestieren. Derzeit gibt es deshalb keinen Impuls für Rückstellungen für die zu erwartende Einkommensminderung bei Erschöpfung der Ressourcen.

Auch wenn sich das BSP nicht dazu eignet die Nachhaltigkeit der Entwicklung zu messen, sollte dieses bewährte Instrument parallel zu neuen Parametern beibehalten werden. Ziel muß es sein an die traditionelle VGR ein Rechensystem als Satellit anzubinden, das umweltrelevante Aussagen liefert. Dieses System könnte man als integriertes ökonomisch-ökologisches Informationssystem beschreiben.

Bereits 1974 hat die norwegische und 1978 die französische Regierung ein System für die VGR und Budgetierung natürlicher Ressourcen entwickelt. 1973 führte die japanische Regierung mit der Nettonationalwohlfahrt (NNW) einen neuen Parameter ein. Unter Einbeziehung von Umweltparametern wird die Berechnung des Nettosozialprodukts zu Faktorkosten korrigiert. Im Zeitraum 1955 bis 1985 ist das japanische BSP um 8,3% gewachsen, die NNW aber nur um 5,8%.

Ein weiterer Parameter zur Erweiterung der VGR könnte das Nettosozialprodukt (NSP) sein. Dabei wird der Wertverlust des Kapitals, Sanierungskosten und Umweltschutzausgaben (defensive Kosten) sowie Rückstellungen für Substanzverringerungen des natürlichen Kapitals vom BSP abgezogen.

Im 5. Aktionsprogramm der EU-Kommission wird das Konzept einer Integration von Umweltbelangen  in sektorale Politiken beschrieben. Der dafür nötige Datenbedarf soll ab 1995, dem Pilotjahr, von allen Mitgliedstaaten in Form von „environmentally adjusted National Accounts“ hergestellt werden. Bis 2000 sollen solche Datensysteme national voll implementiert sein.

Darüber hinaus existiert für ein voll in die VGR integriertes „National Green Accounts“-System bereits ein Methodenhandbuch der UN (UN Manual on a System of Economic and Environmental Accounts).“

Der Umweltausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seinen Sitzungen am 4. Juli 1996 und am 16. Oktober 1996 in Verhandlung gezogen. Als Berichterstatter im Ausschuß fungierte Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller.

An den Debatten beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Ing. Monika Langthaler und der Ausschußobmann Mag. Karl Schweitzer sowie der Bundesminister für Umwelt Dr. Martin Bartenstein.

Die Abgeordneten Dipl--Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Karlheinz Kopf, Ing. Monika Langthaler, Mag. Thomas Barmüller, Mag. Karl Schweitzer brachten einen Entschließungsantrag ein. Diesem Antrag lagen die nachstehenden Erwägungen zugrunde:

„Kostenwahrheit, dh. die Internalisierung externer Kosten ist eines der Instrumente der Umweltpolitik. Ein Weg zur Internalisierung der Umweltkosten besteht in der Weiterentwicklung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Umweltschäden und die Verringerung natürlicher Ressourcen müssen darin berücksichtigt werden. Die VGR, auf der Indikatoren wie das Bruttosozialprodukt (BSP) beruhen, wurde in der Zeit des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Sie gestattet es Regierungen den Erfolg der Wirtschaft mit standardisierten Instrumenten zu bewerten. Allerdings enthält die VGR keine Hinweise auf Umweltschäden oder die Verringerung der natürlichen Ressourcen. Das BSP registriert etwa wirtschaftliche Aktivitäten zur Beseitigung von Umweltschäden (etwa einer Ölpest) paradoxerweise als Beitrag zur wirtschaftlichen Wohlfahrt. Deshalb dient nur die halbe Wahrheit als Informationsbasis für politische Entscheidungen. Auf Grund dieser „blinden Flecken“ kann die wirtschaftliche Situation gar nicht ganzheitlich bewertet werden.

Eigentlich müßte man die Substanzverringerung wertvollen Kapitals – Wälder, Erdölvorkommen, Ackerboden und Wasser – als Verlust künftiger Produktionskapazität in die Bewertung des Unternehmens Staat miteinzurechnen und einen Teil der Erträge aus dem Kapitalbestand als Reserve reinvestieren. Derzeit gibt es deshalb keinen Impuls für Rückstellungen für die zu erwartende Einkommensminderung bei Erschöpfung der Ressourcen.

Auch wenn sich das BSP nicht dazu eignet die Nachhaltigkeit der Entwicklung zu messen, sollte dieses bewährte Instrument parallel zu neuen Parametern beibehalten werden. Ziel muß es sein an die traditionelle VGR ein Rechensystem, als Satellit, anzubinden, das umweltrelevante Aussagen liefert. Dieses System könnte man als integriertes ökonomisch-ökologisches Informationssystem beschreiben.

Ein weiterer Parameter zur Erweiterung der VGR könnte das „Ökosozialprodukt“ sein. Für diese Berechnungen liegt allerdings noch kein einheitliches Konzept vor.

Gleiches gilt für den noch umfassenderen Indikator der Nettonationalwohlfahrt (NNW), welcher bereits 1973 seitens der japanischen Regierung eingeführt wurde, um das Nettonationalprodukt neben Umweltparametern auch um Gesundheits- und soziale Kosten korrigiert.

Im Sinne der Erweiterung der traditionellen VGR haben bereits 1974 die norwegische und 1978 die französische Regierung ein System für die Budgetierung natürlicher Ressourcen entwickelt.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß solche Arbeiten – primär die Erstellung von Umweltsatellitenkonten – in Österreich bereits im Rahmen der Ökologierung der VGR vor allem durch das ÖSTAT in folgenden Schritten umgesetzt wurden:

         –   Im Jahr 1995 wurde begonnen, ein System von international abgestimmten Umweltindikatoren einzurichten, mit dem Problembereiche in sehr plakativer Form beschrieben werden können. Die ,Weiterentwicklung geschieht im Rahmen eines EU-Projektes.

         –   Seit dem Jahr 1989 besteht die Umweltschutzausgabenrechnung, welche über die Produktion, den Konsum sowie die Finanzierung von Umweltschutzleistungen des Staates, der Betriebe und der privaten Haushalte informiert.

         –   Eine physische Naturvermögensrechnung liegt seit 1990 vor, mit der monetären Bewertung wurde Anfang 1996 begonnen. In Österreich sind alle Bereiche gemäß dem UN-System (SEEA) abgedeckt, wobei Österreich in bezug auf die Naturvermögensrechnung Wald eine internationale Vorreiterrolle einnimmt. Globale Aussagen über die Nachhaltigkeit einer Volkswirtschaft werden möglich sein.


         –   Für globale Materialbilanzen gibt es Konzepte; Stoffstromrechnungen liegen vor. Diesbezügliche Vorarbeiten erfolgten im Auftrag des Umweltressorts.

Das Österreichische Statistische Zentralamt (ÖSTAT) erhebt bereits jetzt in Kooperation mit anderen Institutionen (Netzwerk) umweltrelevante Daten (siehe Umweltausgabenrechnung, Naturvermögensrechnung, Materialbilanzen). Die Hauptaufgabe des ÖSTAT liegt darin, den komplexen Datenbestand zu systematisieren und durchaus noch in entsprechender Weise zu ergänzen, um damit ein konsistentes Umweltinformationssystem zu etablieren, welches an die traditionelle VGR angebunden wird.

Alle diese Instrumente bieten vielfältige Möglichkeiten zur Analyse der Zusammenhänge zwischen der Umwelt und dem Wirtschafts- und Sozialsystem. Erweiterungen und Verbesserungen sind aber notwendig und vorgesehen.

Im 5. Aktionsprogramm der EU-Kommission wird das Konzept einer Integration von Umweltbelangen in sektorale Politiken beschrieben. Entsprechend dem Europäischen System der VGR (ESVG) soll der dafür nötige Datenbedarf ab 1995 in einigen Pilotländern in Form von „environmentally adjusted National Accounts“ hergestellt werden. Bis 2000 sollen solche Datensysteme in allen Mitgliedstaaten national voll implementiert sein.

Bestandteile der österreichischen Umweltstatistik wie die Umweltschutzausgabenrechnung sind in dieses System bereits voll integrierbar.

Darüber hinaus existiert für ein voll in die VGR integriertes „National Green Accounts“-System bereits ein Methodenhandbuch der UN (UN Manual on a System of Economic and Environmental Accounts). Die oben angeführten österreichischen Bemühungen zur Ökologisierung der VGR folgen dabei bereits dieser UN Systematik.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Karlheinz Kopf, Ing. Monika Langthaler, Mag. Thomas Barmüller, Mag. Karl Schweitzer einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag 21/A(E) gilt durch diese Beschlußfassung als miterledigt.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abg. Franz Stampler gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen.

Wien, 1996 10 16

                                 Franz Stampler                                                            Mag. Karl Schweitzer

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann

 

Entschließung

Der Bundeskanzler und die zuständigen Bundesminister werden ersucht in Hinkunft weitere Maßnahmen zu setzen, um die zügige Erweiterung des Systems der traditionellen VGR für Österreich in umfassender und international akkordierter Weise um ein statistisches System zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Umwelt und Wirtschafts- und Sozialsystem im Sinne der Ökologisierung der VGR zu gewährleisten. Hiefür sind die Fortführung bzw. Erweiterung der Erhebung der notwendigen Datengrundlagen insbesondere auch durch das ÖSTAT sicherzustellen. Dazu sollen durch geeignete Maßnahmen der Koordination und Rationalisierung ausreichende finanzielle und personelle Kapazitäten gewährleistet werden. Die Ergänzung der traditionellen VGR darf insbesondere für Kleinbetriebe keinen administrativen Mehraufwand nach sich ziehen. Vielmehr sollte die Umweltdatenerhebung in den Unternehmen in die bestehenden Erhebungssysteme sinnvoll integriert werden. Über den Stand der Entwicklung und der konkreten Implementierung wird der Bundeskanzler ersucht, bis Ende 1997 dem Parlament Bericht zu erstatten.