389 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (313 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)


Der Begriff „Medizinprodukt“ ist eine relativ junge Wortschöpfung, welche die Gesamtheit aller medizinischen Geräte, Bedarfsartikel, Produkte für die medizinische Labordiagnostik und medizinischer Hilfsmittel für Behinderte bezeichnet. Dieser neue Begriff entspricht dem im angelsächsischen Raum seit langem etablierten Konzept des „medical device“.

Der Medizinproduktebereich ist durch eine ungeheure Produktvielfalt und Dynamik gekennzeichnet. Er ist zu einem Grundpfeiler der modernen Medizin und durch sein Innovationspotential zu einem wesentlichen Motor des medizinischen Fortschritts geworden.

Viele Medizinprodukte gehören mehr oder weniger zu unserem Alltag, wie Korrekturbrillen, Kontaktlinsen und -pflegeprodukte, Fieberthermometer, Blutdruckmeßgeräte, Pflaster, Verbandsmaterialien, Stützstrümpfe, Zahnkronen und -brücken, künstliche Gebisse, Zahnspangen, Hörgeräte, Schwangerschaftstests oder Kondome. Ihr überwiegendes Einsatzgebiet finden Medizinprodukte aber naturgemäß im Bereich der professionellen ambulanten und stationären medizinischen Versorgung. In der Diagnostik, Therapie, Prophylaxe und Rehabilitation sind sie aus der medizinischen Versorgung nicht mehr wegzudenken und tragen wesentlich zur Leistungsfähigkeit der modernen Medizin bei.

Besonders bemerkenswert ist die ungeheure Dynamik, die dem Medizinproduktebereich innewohnt. Neue und ständig verfeinerte Technologien finden heute in immer kürzerer Zeit ihren Weg von der technologischen Entwicklung über die Erprobung im Bereich der Spitzenmedizin bis zur breiten Anwendung im medizinischen Alltag.

Entwicklungen in der bildgebenden Diagnostik wie die Kernspintomographie, deren Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist, haben das räumliche Auflösungsvermögen für pathologische Strukturen und zT Funktionen im menschlichen Körper in immer kleinere Dimensionen vordringen lassen und eröffnen der Medizin immer bessere Möglichkeiten für die (Früh-)Erkennung von Erkrankungen. Computertomographische Verfahren in der Radiologie und Nuklearmedizin ermöglichen unter Einsatz modernster elektronischer Datenverarbeitung verbesserte Schichtaufnahmen zur räumlichen Darstellung pathologischer Veränderungen von Struktur oder Funktion. Der Einsatzbereich des Ultraschalls wird zunehmend erweitert, etwa in Richtung der Endosonographie (Einbringen spezieller Schallköpfe in den Körper) aber auch in Richtung Therapie (zB Versuche zur fokussierten Zerstörung von Tumorgewebe). Endoskopische Techniken gehen immer weiter über ihre ursprünglichen Einsatzgebiete bei der direkten Inspektion des Verdauungstraktes hinaus und stellen etwa in der „minimal invasiven Chirurgie“ in bestimmten Anwendungsbereichen zunehmend die medizinische Routineversorgung dar.

Moderne Entwicklungen bei Biosensoren (Meßfühler für die In-vivo-Bestimmung von veränderlichen Kenngrößen wie zB Blutzuckerspiegel) und bei elektronischen Implantaten (zB Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren, implantierbare Infusionspumpen zur dosierten Abgabe von Arzneimitteln zB zur Schmerz- oder Krebsbekämpfung) werden immer komplexere Steuerungsmöglichkeiten eröffnen und versprechen vor allem eine bessere individuelle Anpassung der Implantatfunktion an die spezifischen Bedürfnisse des Patienten. Weitere Beispiele für Medizinproduktebereiche, die sich relativ rasch in der Medizin durchgesetzt haben und zT noch immer ein beträchtliches Entwicklungspotential aufweisen, wären etwa laserchirurgische Verfahren, zB in der Augenheilkunde (etwa bei der Behandlung der Netzhautablösung), der Nierenlithotripter, moderne Kathetertechniken am Gefäßsystem mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten (zB zur Behandlung verengter oder verschlossener Gefäße, zur Behandlung von Aneurysmen; Entwicklungen in der Angioskopie und Mikrotechnologie mit Antriebsaggregaten, Motoren, Ultraschallköpfen oder Mikrowerkzeugen mit einem Durchmesser von weniger als 1 mm) oder die Entwicklung neuer gewebeverträglicher Biomaterialien und Oberflächenstrukturen für Implantate.

Im Bereich der Labordiagnostik werden zB durch neue Nachweisverfahren für Botenstoffe des Immunsystems immer tiefere Einblicke in die Steuerung der körpereigenen Abwehr möglich, was wiederum die Voraussetzung für die Entwicklung hochspezifisch wirkender Arzneimittel oder etwa für die Untersuchung von Umgebungseinflüssen auf das Immunsystem ist. Daneben wird die Labordiagnostik im Bereich infektiöser Erkrankungen ständig erweitert und verfeinert, was nicht zuletzt für die Prävention von HIV-Infektionen und die Sicherheit von Arzneimitteln größte Bedeutung besitzt.

Mit dem immer breiteren Einsatz von Medizinprodukten und der ständigen Suche nach neuen bzw. verfeinerten Technologien und ihren medizinischen Einsatzgebieten ist naturgemäß auch ein erhöhtes Risikopotential und die Gefahr von medizinischen und medizinökonomischen Fehlentwicklungen verbunden. Gerade die große Dynamik dieses Bereiches erfordert sehr sorgfältige Nutzen-/Risiko­überlegungen und Kontrollmechanismen. Diese müssen sowohl vor als auch nach der Vermarktung der Produkte ansetzen und auch die korrekte Anwendung und Instandhaltung einschließen. Medizinprodukte müssen einerseits die ihnen zugeschriebenen Leistungen in Diagnose, Therapie, Prophylaxe oder Rehabilitation, jenseits einer reinen Technikgläubigkeit, auch tatsächlich zum Wohle der Patienten erbringen. Ihre Anwendung muß sicher sein; allfällige unvermeidbare Nebenwirkungen müssen im Hinblick auf ihren tatsächlichen Nutzen für die Patienten unter Berücksichtigung von Alternativen vertretbar sein. Diese Anforderungen dienen zunächst der optimalen medizinischen Versorgung der Patienten und der Sicherheit der Anwender und erlauben aber gerade in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen auch eine verbesserte Abschätzung der Zweckmäßigkeit entsprechender Investitionen.

Daher werden in Europa in Hinkunft diesem Bereich auch adäquate Kontrollmechanismen zugeordnet, die unter Ausnutzung der europäischen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Medizinprodukte gewährleisten sollen.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt die Sicherheit, Funktionstüchtigkeit, Wirksamkeit und Qualität von Medizinprodukten über ihren gesamten medizinisch relevanten Lebenszyklus nach einem integrierten, umfassenden Schutzkonzept.

Die Implementierung der relevanten EU-Richtlinien stellt dabei den wichtigsten Grundpfeiler dieses Sicherungssystems dar. Die Richtlinien legen im wesentlichen jene Sicherheitsvorkehrungen fest, unter denen der freie Warenverkehr mit Medizinprodukten im Geltungsbereich des Abkommens über den EWR stattfinden kann. Der Gesetzentwurf berücksichtigt neben dem primär herstellungs- und produktorientierten Ansatz der EU-Richtlinien im Sinne eines integrativen Konzeptes auch weitere wesentliche Elemente der Medizinproduktesicherheit, die vor allem auch die professionelle Anwendung, den Be- und Vertrieb, die Überwachung nach der Vermarktung und das Qualitätsmanagement beim Umgang mit Medizinprodukten einbeziehen.

Medizinprodukte waren bislang in Österreich und in den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den EWR nur sehr unvollständig und uneinheitlich geregelt. Drei Richtlinien nach der „Neuen Konzeption“ der EU werden in Zukunft den freien Warenverkehr für alle Medizinprodukte einheitlich auf einem hohen Schutzniveau regeln :

1. Die Richtlinie 90/385/EWG betreffend aktive implantierbare Medizinprodukte (zB implantierbare Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren, implantierbare Infusionspumpen für Arzneimittel, künstliche Herzen, implantierbare Nerven-, Muskel-, Blasen-, Zwerchfellstimulatoren, Cochlear­implantate, bestimmte radioaktive Implantate, jeweils einschließlich des erforderlichen Zubehörs und der erforderlichen Software) ist in der EU am 1. Jänner 1993 in Kraft getreten, war über das EWR-Abkommen seit 1. Jänner 1994 anwendbar und ist seit 1. Jänner 1995 für den EWR verbindlich.

Durch die Richtlinie 93/68/EWG wurde (ua.) die Richtlinie 90/385/EWG hinsichtlich der Bestimmungen über die CE-Kennzeichnung mit dem geltenden gemeinschaftlichen Rechtsbestand harmonisiert. Weiters erfolgten durch die Richtlinie 93/42/EWG eine Reihe kleinerer Modifikationen der Richtlinie 90/385/EWG mit dem Ziel, eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der einzelnen Medizinprodukterichtlinien zu gewährleisten.

2. Die Richtlinie 93/42/EWG betreffend Medizinprodukte umfaßt alle Medizinprodukte mit Ausnahme der aktiv implantierbaren und der labordiagnostischen Medizinprodukte, also zB Kernspintomographen, Nierenlithotripter, Röntgengeräte, medizinische Beschleuniger, medizinische Laser, Ultraschallgeräte, Endoskope, Herzklappen, Brustimplantate, künstliche Gelenke, Intraokularlinsen, Kontaktlinsen und ihre Pflegeprodukte, zahnärztliche Werkstoffe und Geräte, Intrauterinpessare, Kondome, Verbandstoffe, Pflaster, Katheter, Knochenplatten und -nägel, Spritzen, Infusionspumpen, Blutdruckmeßgeräte, Rollstühle, Hörgeräte, chirurgische Instrumente, chirurgische Handschuhe und Untersuchungshandschuhe, Fieberthermometer, Korrekturbrillen, Stützstrümpfe usw. Diese Direktive ist im EWR seit 1. Jänner 1995 anwendbar. Eine Übergangsfrist wird bis zum 14. Juni 1998, in einem engen Teilbereich (Quecksilberglasfieberthermometer mit Maximumvorrichtung) bis zum 30. Juni 2004 gelten.

3. Eine weitere Richtlinie wird Medizinprodukte für die in-vitro-Diagnose (In-vitro-Diagnostika einschließlich medizinischer Laborgeräte) regeln. Ein entsprechender Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika wird gegenwärtig im Europäischen Rat in erster Lesung bearbeitet.

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt die unter 1. und 2. genannten EU-Richtlinien in österreichisches Recht um und schafft die Voraussetzungen für die Aufnahme der unter 3. genannten Richtlinie.

Das von der EU in Angriff genommene Regelungswerk für Medizinprodukte basiert auf folgenden übergeordneten regelungstechnischen Ansätzen der EU, die für sein Verständnis wesentlich sind:

        1.   der Neuen Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung der EU vom 7. Mai 1985 (ABl. EG Nr. C 136 vom 4. Juni 1985), der sogenannten „Neuen Konzeption der EG“, und

        2.   dem Globalen Konzept für Zertifizierung und Prüfwesen von Instrumenten zur Gewährleistung der Qualität von Industrieerzeugnissen vom 21. Dezember 1989 (ABl. EG Nr. C 10 vom 16. Jänner 1990) und dem Beschluß über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren vom 13. Dezember 1990 (ABl. EG Nr. 380 vom 31. Dezember 1990) in Verbindung mit dem Beschluß des Rates vom 22. Juli 1993 (93/465/EWG, ABl. EG L 220 vom 30. August 1993), dem sogenannten „Globalen Konzept der EG“.

Nach der Neuen Konzeption beschränken sich die Richtlinien bei der Regelung der Leistungs-, Schutz- und Sicherheitsanforderungen, denen Medizinprodukte im Hinblick auf ihr erstmaliges Inverkehrbringen im Geltungsbereich des Abkommens über den EWR genügen müssen, auf die Festlegung der sogenannten „grundlegenden Anforderungen“. Es handelt sich dabei um ein Anforderungsprofil, das alle wesentlichen Leistungs- und Sicherheitsparameter von Medizinprodukten zusammenfaßt, dh. in allgemein gehaltener Form im wesentlichen die Erfüllung der in der Zweckbestimmung vorgegebenen medizinischen Leistungen in Prophylaxe, Diagnose, Therapie, Rehabilitation usw., den Schutz vor allen – in den Richtlinien jeweils schwerpunktartig vorgegebenen – inakzeptablen Risken und eine adäquate Information von Anwendern bzw. Patienten einfordert.

Die grundlegenden Anforderungen sowie weitere Anforderungen der Richtlinien, wie insbesondere jene über die qualitätsgesicherte Herstellung von Medizinprodukten, werden durch harmonisierte europäische Normen im Detail ausgeführt. Diese Normen haben im Prinzip einen freiwilligen Charakter. Die Befolgung der für ein Medizinprodukt relevanten harmonisierten Normen gewährt dem Hersteller eine widerlegliche Konformitätsannahme in bezug auf die Erfüllung der grundlegenden oder der sonstigen genannten Anforderungen. Der Hersteller kann zur Erfüllung der grundlegenden Anforderungen prinzipiell auch anderen Spezifikationen, Testmethoden usw. folgen, er muß dann aber in der Lage sein, zB im Konformitätsbewertungsverfahren die Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen im einzelnen zu demonstrieren.

Das Globale Konzept liefert den allgemeinen Rahmen für die bei Medizinprodukten anwendbaren „Zulassungsverfahren“ (in der Sprache der Richtlinien als „Konformitätsbewertungsverfahren“ bezeichnet). Diese Verfahren stehen gleichsam als Modulbausteine zur Verfügung und decken allein oder in variablen Kombinationen den gesamten Produktionszyklus der zu regelnden Produktgruppen ab. Die Art der vorgegebenen Zertifizierungsverfahren und der Umfang der erforderlichen Drittzertifizierung haben sich nach den einer Produktgruppe zugeschriebenen Risken und den zugeordneten öffentlichen (hier: Gesundheits-) Interessen zu orientieren. Da Medizinprodukte in bezug auf inhärente Risken eine sehr heterogene Produktgruppe darstellen, werden sie zunächst bestimmten Klassen zugeordnet und diesen dann jeweils nach Art und Umfang risikoadäquate Konformitätsbewertungsverfahren zugeteilt.


Ausgehend von diesen regelungstechnischen Rahmenbedingungen und den Vorgaben der Medizinprodukterichtlinien enthält der vorliegende Entwurf folgende wesentliche Regelungselemente, die für die Erfüllung seiner Aufgaben von größter Bedeutung sind:

Definitionen

Der Ausgangspunkt der Richtlinien besteht zunächst in der klaren begrifflichen Bestimmung von „Medizinprodukt“ und der Abgrenzung des eigenen Regelungsbereichs, insbesondere zu Arzneimitteln.

Die Medizinproduktedefinition nach den EU-Richtlinien ist wegen der starken Heterogenität des zu regelnden Produktbereichs sehr weit gefaßt und schließt Instrumente, Geräte, Stoffe, sonstige Gegenstände bis hin zu Software – allein oder in Kombination – ein. Auch Zubehör gilt als Medizinprodukt. Die medizinische Zweckbestimmung wird sehr weit gefaßt, sodaß von der Prophylaxe über Diagnostik und Therapie bis zur Rehabilitation alle medizinischen Anwendungsbereiche im weitesten Sinn abgedeckt sind. Im Unterschied zum Arzneimittelbereich erfüllen Medizinprodukte ihre Hauptwirkung am oder im menschlichen Körper vorwiegend auf physikalischem Wege (zB Herzschrittmacher, Hüftendoprothese). Andere Wirkungen, zB auch pharmakologische, können jedoch in unterstützender Funktion beteiligt sein (zB heparinbeschichteter Katheter).

Weitere begriffliche Unterscheidungen betreffen einzelne wichtige Untergruppen von Medizinprodukten, die vor allem im Hinblick auf die Klassifizierung und Konformitätsbewertung eine Rolle spielen (aktive Medizinprodukte, aktive implantierbare Medizinprodukte, Medizinprodukte für die in-vitro-Diagnose, Sonderanfertigungen, Medizinprodukte für die klinische Prüfung usw.). Ebenso wurden zentrale Begriffe der Binnenmarktregelungen wie „Hersteller“, „(erstmaliges) Inverkehrbringen“, „Inbetrieb­nahme“, „Zweckbestimmung“, „Harmonisierte Normen“, „Benannte Stelle“ in dieses Bundesgesetz übernommen.

Zusätzliche Begriffsbestimmungen wurden hinsichtlich der klinischen Prüfung von Medizinprodukten aufgenommen. Einerseits müssen hier rechtlich eindeutige Zuordnungen von Aufgaben und Verantwortungsbereichen der Deklaration von Helsinki oder sonstiger Anforderungen der Richtlinien an die wichtigsten Funktionsträger im Rahmen der klinischen Prüfung (Sponsor, Prüfer, Monitor) vorgenommen werden. Die entsprechenden Rollenbilder haben sich international sowohl im Medizinprodukte- als auch im Arzneimittelbereich einheitlich etabliert. Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang begriffliche Klärungen im Hinblick auf Dokumente, die gemäß den Medizinprodukterichtlinien für die klinische Prüfung wichtig sind, sowie von geeigneten Kontrollmechanismen und -einrichtungen (Inspektion, Audits, Ethikkommissionen) zu treffen.

Abgrenzung zu Arzneimitteln

Einer eingehenden und differenzierten Regelung bedürfen jene Fälle, in denen Medizinprodukte und Arzneimittel in unterschiedlicher Form in Kombination verwendet werden. Hier sind im Sinne der Richtlinien klare Zuordnungen und Vorgaben, vor allem auch hinsichtlich der relevanten Zulassungsverfahren vorzunehmen.

Verkehrsfähigkeit von Medizinprodukten im Geltungsbereich des Abkommens über den EWR

Das neue europäische Regelungssystem sieht als Zeichen der künftigen Verkehrsfähigkeit von Medizinprodukten die CE-Kennzeichnung vor. Ausnahmen betreffen nur Sonderanfertigungen und Medizinprodukte für die klinische Prüfung (die beide keine CE-Kennzeichnung führen dürfen), sowie Medizinprodukte für Ausstellungszwecke und Medizinprodukte, die von Ausnahmegenehmigungen (§ 32 „humanitäre Medizinprodukte“) erfaßt sind. Weiters gelten bis einschließlich 14. Juni 1998 im Prinzip jene Medizinprodukte als verkehrsfähig, die den bisherigen einschlägigen österreichischen Rechtsvorschriften entsprechen und die unter die Richtlinie 93/42/EWG fallen. Für aktive implantierbare Medizinprodukte existiert diese letztgenannte Option betreffend die nationalen „Altregelungen“ nicht mehr. Medizinprodukte für die in-vitro-Diagnose werden erst mit Inkrafttreten der 3. Medizinprodukterichtlinie (vermutlich ab 1998) die darin vorgesehene CE-Kennzeichnung führen dürfen.

Die CE-Kennzeichnung gemäß diesem Bundesgesetz darf auf einem Medizinprodukt nur angebracht werden, wenn es

        1.   die grundlegenden Anforderungen erfüllt und

        2.   wenn für dieses Medizinprodukt eine geeignete Konformitätsbewertung (= „Zulassungsver­fahren“) durchgeführt wurde.

Durch die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf jedem einzelnen Medizinprodukt hat der Hersteller zu bescheinigen, daß das jeweilige Medizinprodukt die Anforderungen der anwendbaren Richtlinie(n) erfüllt und daß das oder die erforderlichen Konformitätsbewertungsverfahren korrekt durchgeführt worden sind. Wesentlich ist das Prinzip der Eurozulassung: der Hersteller führt die Konformitätsbewertung nur mit einer für diesen Aufgabenbereich benannten Stelle im EWR (oder bei Niedrigrisikoprodukten in eigener Verantwortung) durch und kann dann die CE-Kennzeichnung anbringen. Die CE-Kennzeichnung ist die Kennzeichnung der erfolgreich durchgeführten Eurozulassung. Mit der CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte können innerhalb des gesamten EWR frei zirkulieren. Jeder EWR-Mitgliedstaat muß grundsätzlich das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme der CE-gekennzeichneten Medizinprodukte dulden, ohne zusätzliche nationale Zulassungs- oder Bestätigungsverfahren vorschreiben zu können. Der zB österreichische Hersteller kann für sein Medizinprodukt etwa die Konformitätsbewertung bei einer benannten Stelle in Dänemark durchführen, die CE-Kennzeichnung anbringen und dann sein Produkt im gesamten EWR ohne zusätzliches Zulassungsverfahren in Verkehr bringen. Damit wird auch für Medizinprodukte der freie Warenverkehr realisiert, wobei allerdings ein einheitliches europäisches Zulassungsverfahren vorgeschaltet und darüber hinaus eine Reihe weiterer Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen ist (zB Medizinprodukteüberwachungssysteme der Vertragsstaaten des EWR).

Die Notwendigkeit eines einheitlichen europäischen Zulassungssystems hat sich ab etwa Mitte der 80er Jahre immer deutlicher herauskristallisiert. Selbst größere europäische Staaten sahen sich bei ihren Regelungsversuchen nicht mehr in der Lage, auch nur für einen nennenswerten Anteil der geschätzten 100 000 bis 400 000 verschiedenen Medizinprodukte, die sich auf dem europäischen Markt befinden, in einem vernünftigen Zeitrahmen ein nationales Zulassungsverfahren durchzuführen. Diese Aufgaben werden in Hinkunft arbeitsteilig von den benannten Stellen (= „Eurozulassungsstellen“) der Vertragsstaaten des EWR zu bewältigen sein. Im Rahmen dieser europäischen Arbeitsteilung werden für die Medizinproduktesicherheit im EWR Ressourcen bereitgestellt, die zumindest mit den Aufwendungen für das US-Zulassungssystem vergleichbar sind. Die Richtlinien und ihre nationalen Umsetzungen haben ein einheitlich hohes Niveau der benannten Stellen im EWR zum Ziel. Die Einteilung der Medizinprodukte in verschiedene Risikoklassen, denen wiederum adäquate Konformitätsbewertungsverfahren zugeordnet sind, gewährleistet eine gezielte Lenkung der Zulassungsressourcen in den Mittel- und vor allem Hochrisiko-
bereich.

Konformitätsbewertungsverfahren

Nach der Neuen Konzeption dürfen Medizinprodukte nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Anforderungen der nationalen Regelungen entsprechen, welche die relevanten Richtlinien umsetzen. Die Konformitätsbewertung (die sich für das jeweilige Medizinprodukt aus einem oder einer Kombination mehrerer Konformitätsbewertungsverfahren zusammensetzen kann) ist ein Mittel, um diese Übereinstimmung festzustellen.

Im Beschluß über das „Globale Konzept“ (ABl. EG Nr. L 380 vom 31. Dezember 1990 sowie ABl. EG Nr. L 220 vom 30. August 1993) ist die Zielsetzung eines Konformitätsbewertungsverfahrens folgendermaßen definiert: „Hauptziel eines Konformitätsbewertungsverfahrens ist es, die Behörden in die Lage zu versetzen, sich zu vergewissern, daß die in Verkehr gebrachten Produkte insbesondere in bezug auf den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Benutzer und Verbraucher den Anforderungen der Richt­linien gerecht werden.“

Entsprechend diesen Grundvorgaben wird für Medizinprodukte die Erfüllung der sie betreffenden Anforderungen der Richtlinien, insbesondere der grundlegenden Anforderungen, bzw. die Einhaltung der Anforderungen an ihre qualitätsgesicherte Herstellung ebenfalls in geeigneten Konformitätsbewertungsverfahren überprüft und festgestellt. Wesentlich ist das Prinzip der „Eurozulassung“ (1. Integrationsaspekt der Konformitätsbewertung). Weiters wird im zukünftigen europäischen Regelungssystem für Medizinprodukte der Weg zum integrierten, sich über alle relevanten Anforderungen erstreckenden Zulassungssystem beschritten, dh. es wird in Hinkunft keine, sich nur auf einzelne Teilaspekte beschränkende Teilzulassung geben (2. Integrationsaspekt der Konformitätsbewertung). Jedes Konformitätsbewertungsverfahren (bzw. jede zulässige Kombination von Konformitätsbewertungsverfahren) soll darüber hinaus im Prinzip die Kontrolle des gesamten Herstellungszyklus des Medizinproduktes, dh. die Produktentwurfs- und die Produktionsphase (einschließlich Endkontrolle, post-market-surveillance, zT Montage und Kundendienst) umfassen (3. Integrationsaspekt der Konformitätsbewertung). Dank des modularen Aufbaues dieses Zulassungssystems hat der Hersteller in der Regel in jeder Phase des Herstellungszyklus die Wahl zwischen verschiedenen gleichwertigen Konformitätsbewertungsverfahren. Während die grund­legenden Anforderungen von jedem Medizinprodukt – unabhängig von der Risikoklasse – gleichermaßen (soweit zutreffend) zu erfüllen sind, werden mit zunehmendem Risikopotential des Medizinproduktes die durchzuführenden Konformitätsbewertungsverfahren aufwendiger und die darin vorgesehenen Kontrollmaßnahmen für jede Phase der Herstellung umfassender und tiefgreifender.

Beachtung verdient auch, daß die Konformitätsbewertung nicht als punktuelles Evaluierungsereignis angelegt ist, sondern in der Regel wiederholte Beurteilungen umfaßt. So ist zB bei den Qualitätssicherungs-Modulen eine „Erstabnahme“, gefolgt von einer andauernden Überwachung des Qualitätssicherungs-Systems vorgesehen. Auch beim Modul „EG-Baumusterprüfung“ hat die initiale Evaluierung eine Laufzeit von maximal fünf Jahren und wird ergänzt durch eine obligatorische Nachbeurteilung nach Ablauf dieser Frist und bei etwaigen sicherheits- oder leistungsrelevanten Änderungen am Produkt.

Klassifizierung

Um jedem Medizinprodukt adäquate Konformitätsbewertungsverfahren zuordnen zu können, wurden in der Richtlinie 93/42/EWG die Medizinprodukte in die Klassen I, IIa, IIb, und III (III = höchste Risikogruppe) eingeteilt. Aktive implantierbare Medizinprodukte entsprechen im Hinblick auf die Konformitätsbewertungsverfahren praktisch der Klasse III. Für In-vitro-Diagnostik-Medizinprodukte wird es eine eigene unabhängige Klassifizierung geben.

Die Klassifizierung ist nach der Richtlinie 93/42/EWG an Hand von derzeit 18 Regeln (und einigen übergeordneten Prinzipien) durchzuführen. Die Regeln gehen im wesentlichen davon aus, daß je nach medizinischer Zweckbestimmung, Anwendungsort, -art, und -dauer am oder im menschlichen Körper oder außerhalb davon, und nach der eingesetzten Technologie ein jeweils abgestuftes Gefährdungspotential mit Medizinprodukten verbunden ist.

Harmonisierte Normen

Normen für Medizinprodukte werden in der Gestalt harmonisierter Normen im zukünftigen Regelungssystem eine neue und bedeutende Rolle spielen.

Die grundlegenden Anforderungen – als allgemein gehaltene Schutz- und Leistungsanforderungen an Medizinprodukte – werden durch harmonisierte europäische Normen im Detail zB im Hinblick auf spezifische Leistungs- und Schutzparameter, Anforderungsprofile und Prüfmethoden konkretisiert.

Diese Normen werden auf der Basis von gemeinsamen Normungsmandaten der EU und der EFTA von den europäischen Normungskomitees CEN (Europäisches Komitee für Normung) und CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) erstellt und ihre Fundstellen als harmonisierte europäische Normen im Amtsblatt der EG kundgemacht. Bei der Erstellung der harmonisierten Normen im Rahmen von CEN und CENELEC arbeiten die nationalen Normungsorganisationen der EU- und EFTA-Länder eng zusammen. Harmonisierte europäische Normen sind in nationale Normen der Vertragsstaaten des EWR überzuführen. Den harmonisierten Normen sind in manchen Produktbereichen (zB chirurgische Nahtmaterialien; Medizinprodukte, die Behältnisse für Arzneimittel darstellen) Mono­graphien des Europäischen Arzneibuches gleichgestellt. Weitere harmonisierte Normen konkretisieren Anforderungen an die Herstellung von Medizinprodukten (Normen der Serien EN 9000 und EN 46000 über Qualitätssicherungssysteme), die im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren große Bedeutung haben, sowie Anforderungen an benannte Stellen und an die klinische Prüfung von Medizinprodukten.

Die Anwendung der harmonisierten Normen bleibt prinzipiell freiwillig; die Befolgung der für ein Medizinprodukt oder der für die anderen Bereiche relevanten harmonisierten Normen gewährt jedoch dem Hersteller gegenüber einer benannten Stelle oder gegenüber einer Überwachungsbehörde eine widerlegliche Konformitätsvermutung in bezug auf die Erfüllung der grundlegenden oder sonstigen Anforderungen der Richtlinie(n). Dem Hersteller steht es zB bei innovativen Produkten durchaus frei, die grundlegenden Anforderungen abweichend von den harmonisierten Normen auf andere, zumindest gleichwertige Weise zu erfüllen. Allerdings besteht in diesem Fall in der Regel gegenüber der benannten Stelle oder gegenüber der Überwachungsbehörde ein erhöhter Aufwand für die Demonstration der Konformität mit Anforderungen der Medizinprodukterichtlinien (bzw. der diese umsetzenden nationalen Regelungen der EWR-Mitgliedstaaten).

Diese neue Funktion der harmonisierten Normen bietet allen Beteiligten große Vorteile im Hinblick auf die Demonstration und Überprüfung der Konformität mit den Anforderungen der Richtlinien und ist zugleich durch ihren im Prinzip freiwilligen Charakter sehr innovationsfördernd. Sie gewährleistet außerdem eine Fokussierung der Arbeit der Experten aus den Mitgliedstaaten von CEN und CENELEC in europäischen Normungsaktivitäten anstelle einer Verzettelung in divergenten nationalen Normungsvorhaben.

Benannte Stellen

Die Aufgaben im Rahmen der europäischen Konformitätsbewertung von Medizinprodukten (Medizinproduktezulassungssystem) werden in Hinkunft von den „benannten Stellen“ wahrzunehmen sein. Es handelt sich dabei um Einrichtungen, welche hohen Mindestanforderungen an ihre fachliche Kompetenz und Unabhängigkeit genügen müssen. Diese Stellen werden der Europäischen Kommission von den Mitgliedstaaten des EWR für bestimmte Zulassungsaufgaben (Medizinproduktbereiche und Konformitätsbewertungsmodule) notifiziert und erhalten eine Kennummer. Dieses Bundesgesetz sieht für österreichische Antragsteller eine Akkreditierung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten und die Notifizierung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz vor. Benannte Stellen werden einer Überwachung durch die zuständigen Behörden unterliegen.

Klinische Prüfungen

Ein wichtiger Teil des vorliegenden Entwurfes regelt die Voraussetzungen und die Durchführung von klinischen Prüfungen. Der Medizinproduktebereich ist durch ungeheures Innovationspotential und große Dynamik gekennzeichnet. Neue und ständig verfeinerte Technologien und Methoden brauchen aber vor ihrer breiten Anwendung im medizinischen Alltag in der Regel eine Phase gründlicher klinischer Erprobung. Klinische Forschung mit Medizinprodukten muß als Forschung am Menschen besonders hohen medizinischen, ethischen und rechtlichen Anforderungen genügen. Für die Regelungen ergeben sich dabei zwei inhaltliche Schwerpunkte:

1. Die Versuchspersonen (Patienten oder Probanden) müssen gerade in dieser sensiblen Phase höchstmöglichen Schutz ihrer Gesundheit, Sicherheit, Integrität und Rechte genießen, da fast jede klinische Erprobung mit gewissen, nicht immer völlig vorhersehbaren und ausschaltbaren Risken verbunden ist.

2. Planung, Anlage, Durchführung und Auswertung von klinischen Prüfungen müssen gewährleisten, daß wissenschaftlich aussagekräftige, nachvollziehbare Ergebnisse erzielt werden können, deren klinische Relevanz beurteilt werden kann. Dieser Aspekt ist mit dem des Schutzes der Versuchspersonen eng verbunden, da es etwa völlig unethisch wäre, eine Versuchsperson um Einwilligung zu einer Studie zu ersuchen, die schon von ihrem Design her keine wissenschaftlich aussagekräftigen Ergebnisse erwarten läßt („Unwissenschaftliche Vorgangsweise ist unethisch“). Durch den wissenschaftlich einwandfreien Ablauf der klinischen Prüfung sollen verläßliche und gesundheitlich relevante Daten über die klinischen Leistungen und die Risken eines Medizinproduktes erhoben werden. Dies ermöglicht fundierte Vergleiche mit anderen Medizinprodukten oder sonst im Anwendungsbereich etablierten Behandlungsmethoden. Klinische Prüfungen legen damit nicht zuletzt die wissenschaftliche Basis für rationale Investitionsentscheidungen im Gesundheitswesen, deren Bedeutung angesichts knapper Ressourcen gar nicht überschätzt werden kann.

Die wesentlichen Grundprinzipien dieses Bundesgesetzes für den Schutz der Versuchspersonen entsprechen im Einklang mit den Medizinprodukterichtlinien den Bestimmungen der Deklaration von Helsinki idF Hongkong 1989 und sind mit einer Konformitätsvermutung hinsichtlich einschlägiger harmonisierter Normen versehen. Sie beinhalten etwa die Verpflichtung zur adäquaten Aufklärung und zur Einholung des Einverständnisses und die Gewährleistung eines Versicherungsschutzes für alle Schäden, die infolge der Teilnahme an einer klinischen Prüfung auftreten. Entscheidend ist auch, daß die Versuchsperson keinen unwägbaren Risken ausgesetzt wird; daher wird eine Gefahrenanalyse und eine eingehende Darlegung aller Maßnahmen zur Ausschaltung oder Minimierung von Risken vorgeschrieben. Verbleibende unvermeidbare Risken müssen im Hinblick auf den voraussehbaren Nutzen für die Versuchsperson medizinisch vertretbar sein. Bestimmte Personengruppen (wie etwa Minderjährige, Schwangere und Stillende) unterliegen besonderen zusätzlichen Schutzvorschriften.

Die Bestimmungen zum Schutz der Versuchspersonen und zur Sicherstellung eines wissenschaftlich aussagekräftigen Designs der Studien werden im Einklang mit den Anforderungen der Medizinprodukterichtlinien durch organisatorisch-institutionelle Kontrollmechanismen abgesichert:

        1.   Vorherige Befassung der zuständigen Ethikkommission und Einholung ihrer Stellungnahme;

        2.   Meldung der klinischen Prüfung an den Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz unter Vorlage geeigneter Unterlagen. Die Behörde kann erforderlichenfalls weitergehende Dokumentationen anfordern;

        3.   Bei bestimmten Hochrisikoprodukten darf mit der klinischen Prüfung erst begonnen werden, wenn der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz innerhalb einer Frist von 60 Tagen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und Ordnung keinen Einspruch erhoben hat;

        4.   Fakultative begleitende Kontrolle (Inspektionen) klinischer Prüfungen durch die Ethikkommission und das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz.

Überwachung und Schutz vor Risken

Die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes muß durch geeignete Kontrollmechanismen überwacht und sichergestellt werden.

Während die Regelungen für klinische Prüfungen und für die Konformitätsbewertung (Zulassung) unter Sicherheits- und Leistungsaspekten die Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit kontrollieren, erfordern die Binnenmarktregelungen darüber hinaus auch eine effiziente Marktüberwachung zur Gewährleistung der Sicherheit, Qualität und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten durch die zuständigen Behörden.

Grundvoraussetzung für eine effiziente Marktüberwachung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz ist zunächst die Transparenz wesentlicher Vorgänge (zB erstmaliges Inverkehrbringen bestimmter Produkte) und über beteiligte Stellen (Hersteller, Bevollmächtigte im EWR, Prüfstellen usw.) im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes. Dazu sind geeignete Register einzurichten, deren Informationen gemäß den Richtlinien in begründeten Fällen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten des EWR zugänglich zu machen sind. Derzeit werden auf europäischer Ebene Überlegungen zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Datenbanksystems für Medizinprodukte angestellt, das in einigen Jahren einen Teil der nationalen Datenbanken ersetzen oder ergänzen könnte.

Alle Personen, Stellen oder Einrichtungen, die berufs- oder gewerbsmäßig in sicherheitsrelevanter Weise mit Medizinprodukten umgehen, und alle zugehörigen sicherheitsrelevanten Vorgänge und Unterlagen können im Prinzip einer Überwachung gemäß diesem Bundesgesetz unterliegen. Die Überwachung erfolgt dabei stichprobenweise oder bei Verdacht auf Verstöße gegen dieses Bundesgesetz. Sie trägt prinzipiell nicht den Charakter eines zusätzlichen „Zulassungsverfahrens“ für CE-gekennzeichnete Produkte.

Besonders wichtig zur Abwehr von Risken – und auch von den Richtlinien gefordert – ist die zentrale Erfassung und Bewertung von Meldungen über Zwischenfälle mit Medizinprodukten sowie von Rückrufen.

Entsprechende Meldepflichten sollen derartige Vorkommnisse einer Abklärung zugänglich machen, um mögliche Wiederholungen gleichartiger Schädigungen oder Gefährdungen anderer Patienten oder Anwender zu verhindern. Für die Hersteller oder deren Bevollmächtigte im EWR leiten sich diese Meldepflichten direkt aus den Richtlinien ab. Für die berufsmäßigen Anwender/Betreiber wurden erweiterte Meldepflichten aufgenommen, da nach den bisherigen internationalen Erfahrungen gerade aus diesem Kreis der Großteil der initialen Berichte zu erwarten ist.

Die Abklärung und Bewertung dieser Meldungen ist vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz oder unter seiner Aufsicht durchzuführen und von ihm zu koordinieren. Bei begründetem Verdacht auf Gefährdungen durch Medizinprodukte sind alle erforderlichen Untersuchungen zur Abklärung einzuleiten. Ergeben die Erhebungen eine Gefährdung durch Produktmängel oder durch Mängel in der Herstellung, so sind alle geeigneten Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren zu treffen. Dabei ist erforderlichenfalls auch die rechtzeitige Information der Anwender und Betreiber wesentlich.

Anwender, Be- und Vertreiber sowie Hersteller und deren Bevollmächtigte im EWR sind zu einer aktiven Vorgangsweise und Mithilfe bei der Erfassung und Abklärung von Risken durch Medizinprodukte, insbesondere der genannten Zwischenfälle und zur Einleitung geeigneter Schutzmaßnahmen im eigenen Verantwortungsbereich verpflichtet.

Im Zuge von Rückrufaktionen müssen Schutzmaßnahmen möglichst gezielt und rasch auf die betroffenen Medizinprodukte und ihre Vertreiber, Anwender und Betreiber sowie erforderlichenfalls auf betroffene Patienten ausgerichtet werden; die Verfolgbarkeit von Medizinprodukten, insbesondere von Hochrisikoprodukten, muß daher gewährleistet sein. Diese muß vom Hersteller oder seinen Bevollmächtigten im EWR bzw. den Vertreibern bis zu den Einrichtungen des Gesundheitswesens, von diesen erforderlichenfalls in geeigneter Weise eventuell bis zum Patienten sichergestellt werden. Die Spezifität und der Umfang der erforderlichen Daten zur Verfolgbarkeit wird natürlich nach dem Risikopotential der jeweiligen Medizinproduktegruppen abzustufen sein. So wird bei kritischen Implantaten, wie etwa Herzklappen oder Herzschrittmachern, jedes einzelne Implantat verfolgbar sein müssen, in anderen Fällen wird eine chargenweise Verfolgbarkeit zu fordern sein. In weniger kritischen Produktbereichen genügen schließlich allgemeinere Aufzeichnungen über den Vertriebsweg. Weiters wurde eine Regelungsermächtigung hinsichtlich der Einrichtung von Implantatregistern aufgenommen. Diese erlauben für lebenswichtige Implantate etwa bei internationalen Rückrufaktionen eine rasche Beurteilung, ob zB ein bestimmtes Herzschrittmachermodell oder ein Schrittmacherelektrodenkabel in Österreich überhaupt implantiert wurde und führen gegebenenfalls sofort zu den betroffenen Patienten bzw. zu den sie betreuenden medizinischen Einrichtungen. Österreich hat gerade auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet und verfügt seit 1980 über ein Herzschrittmacherregister. Diese Regelungsermächtigung ist auch in bezug auf eine mögliche Mitwirkung an geplanten europäischen Implantatregistern angezeigt. Für Fälle, in denen eine systematische Sammlung von Daten zur Nutzen-/Risikobewertung, zB zur Beurteilung von Langzeitauswirkungen bestimmter Implantate aus dringenden Gründen des Gesundheitsschutzes angezeigt ist, können Maßnahmen zur Anwendungsbeobachtung vorgeschrieben werden.

Hersteller oder sonstige für das erstmalige Verfügbarmachen von Medizinprodukten im EWR Verantwortliche nehmen durch diese Tätigkeiten besondere europäische Verantwortlichkeiten auf sich. Sie müssen daher auch bei der Abwicklung von europäischen Vigilance-Fällen, die ihre Produkte betreffen, verantwortungsvoll mitwirken können und dabei mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten des EWR zusammenarbeiten. Um hier die nötige Professionalität und Effizienz zu sichern, wird für den Bereich dieser europäischen Verantwortlichkeiten die Position eines Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte eingeführt.

Der Medizinprodukteberater, der für die Beratung und gegebenenfalls Einschulung der Fachkreise zuständig ist, hat Mitteilungen aus diesen Kreisen mit Relevanz für die Medizinproduktesicherheit aufzunehmen und weiterzuleiten.

Errichten, Betreiben, Anwenden und Instandhalten von Medizinprodukten in Einrichtungen des Gesundheitswesens

Die europäischen Medizinprodukterichtlinien erfordern auch eine Anpassung bestehender Regelungen zur Instandhaltung von Medizinprodukten in den Einrichtungen des Gesundheitswesens. Ein entscheidendes Element der Medizinproduktesicherheit liegt in ihrer sachkundigen Anwendung und fachgerechten Instandhaltung, insbesondere bei der professionellen Anwendung (zB N. Leitgeb: Sicherheits-
zustand elektromedizinischer Geräte in Österreichs Krankenanstalten, Österreichische Krankenhaus-Zeitung 33, 1992). Es ist eine durchgängige internationale Erfahrung, daß ein erheblicher Anteil von Zwischenfällen mit Medizinprodukten auf deren fehlerhafte und nicht zweckentsprechende Anwendung oder Instandhaltung zurückzuführen ist. Untersuchungen über die Ursachen von Zwischenfällen mit medizintechnischem Gerät (zB S. Bleyer: Medizinisch-technische Zwischenfälle in Krankenhäusern und ihre Verhinderung; Mitteilungen des Institutes für Biomedizinische Technik und Krankenhaustechnik der Medizinischen Hochschule Hannover; 1992) zeigen immer wieder, daß Bedienungsfehler und Instandhaltungsmängel bei weitem überwiegen. Statt eines erhofften diagnostischen oder therapeutischen Erfolgs kann es dann zu gesundheitlichen Gefährdungen von Patienten kommen oder es werden aufwendige Wiederholungen diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen erforderlich. Unter einer ungenügenden, auch vorsorglichen Instandhaltung leidet zwangsläufig oft die medizinisch und technisch vertretbare Nutzungsdauer von medizinischem Gerät. Die Einführung des europäischen Zulassungssystems bliebe nur Stückwerk auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Konzept der Medizinproduktesicherheit, wenn sie nicht auch durch geeignete Qualitäts- und Sicherheitsüberlegungen bei der professionellen Anwendung und Instandhaltung ergänzt würde. Im Vordergrund dieses Regelungssegmentes stehen die Festschreibung allgemeiner Sorgfaltspflichten, geräte- oder gerätegruppenorientierte Anforderungen an die Qualifikation des Personals, welches Medizinprodukte anwendet oder instandhält, besondere Einschulungen und gegebenenfalls Funktionsprüfungen bei bestimmten Hochrisikoprodukten, Anforderungen an die bestimmungsgemäße Anwendung von Medizinprodukten, gegebenenfalls die adäquate Information von Patienten, insbesondere Implantatträgern, die qualitätsgesicherte Instandhaltung von Medizinprodukten, die besonderen Betreiberverantwortlichkeiten und die Qualifikation jener Personen oder Stellen, die Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsaufgaben im Rahmen der Instandhaltung übernehmen.

Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Medizinprodukten in Einrichtungen des Gesundheitswesens

Gerade im letzten Jahrzehnt mußte man im Gesundheitswesen eine verstärkte Bedrohung durch Infektionskrankheiten sowie Analysen über die medizinische Relevanz und die hohen Kosten von Hospitalinfektionen zur Kenntnis nehmen.

Wenngleich Medizinprodukte nur einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten können, messen die neuen europäischen Medizinprodukteregelungen sowohl bei den grundlegenden Anforderungen als auch bei der Konformitätsbewertung der hygienischen Sicherheit von Medizinprodukten größte Bedeutung bei und werden darin von einem umfangreichen europäischen Normenwerk, insbesondere über alle Aspekte der Sterilisation von Medizinprodukten unterstützt. Sterile Medizinprodukte bedürfen im Rahmen der Konformitätsbewertung in jedem Fall der Befassung einer benannten Stelle. Zudem fallen Sterilisatoren in Einrichtungen des Gesundheitswesens unter die europäischen Medizinprodukteregelungen ebenso wie Indikatorsysteme und Sterilverpackungen.

Die neue europäische Sicherheitsphilosophie für den Sterilisationsprozeß soll sicherstellen, daß unter einer Million sterilisierter Medizinprodukte sich maximal ein Prozeßversager finden darf, welcher eventuell noch eine mikrobielle Kontamination aufweist. Der Erfolg eines Sterilisationsverfahrens kann bei dieser hohen Sicherheitsanforderung nicht mehr am Endprodukt bestätigt werden. Es muß vielmehr sichergestellt sein, daß der gesamte Prozeßablauf und seine wesentlichen Determinanten (beginnend mit der Aufbereitung und Verpackung des Sterilisiergutes über jeden erforderlichen Zwischenschritt bis zur Sterilisation, Freigabe, Lagerung, Verteilung, Dokumentation, einschließlich der erforderlichen Geräteausstattung und der Qualifikation des Personals, interner und externer Kontrollmechanismen usw.) qualitätsgesichert nach einem reproduzierbaren, validierten Verfahren abläuft. Dies gilt insbesondere für die Sterilisation blutiger, teilweise stark kontaminierter Medizinprodukte in den Einrichtungen des Gesundheitswesens.

Das vorliegende Bundesgesetz trifft daher die erforderlichen Vorkehrungen, damit auch in den Einrichtungen des Gesundheitswesens dieser neue europäische Sicherheitsstandard garantiert ist.

Qualitätsmanagement für Medizinprodukte in Einrichtungen des Gesundheitswesens

Elemente des Qualitätsmanagements zur Sicherung und kontinuierlichen Verbesserung der Qualität sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Dies betrifft insbesondere jene Bereiche, in denen die Anwendung von Medizinprodukten im Vordergrund steht. Gerade diese Fachspezialitäten (zB Labormedizin, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Radiologie-Diagnostik) haben sehr frühzeitig konkrete Vorstellungen über qualitätsgesicherte Abläufe entwickelt und waren immer Vorreiter dieser auch von der Weltgesundheitsorganisation massiv unterstützten Bewegung.

Mehrere Regelungsermächtigungen dieses Bundesgesetzes versuchen diese zukunftsorientierte Entwicklung zu begleiten und zu steuern.

So wird es möglich sein, in enger Zusammenarbeit mit den führenden Fachgesellschaften fachspezifische Anforderungen an Systeme zur Sicherung und Verbesserung der Qualität in medizinischen Bereichen zu erarbeiten und als Grundlage für freiwillige Zertifizierungen von Qualitätsmanagement-Systemen zu benutzen. Auch die Anforderungen an einschlägige Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen für Qualitätsmanagement-Systeme in medizinischen Bereichen mit dominanter Medizinprodukteanwendung sollen im Verordnungswege festgelegt werden können. In vitalen Fragen des Gesundheitswesens wird es auch möglich sein, falls erforderlich, Elemente von Qualitätsmanagement-Systemen verbindlich vorzuschreiben, wie dies jetzt schon in der HIV-Diagnostik in Österreich vorgesehen ist.

Besondere Bestimmungen für den Betrieb, Abgabe, Verschreibung, Werbung

Betriebe oder Einrichtungen, welche Medizinprodukte in Verkehr bringen, leisten einen wichtigen Beitrag zur Medizinproduktesicherheit. Dies beginnt mit der Verpflichtung zur Sicherstellung, daß nur konforme, verkehrsfähige Medizinprodukte beschafft und dem weiteren Vertrieb zugeleitet werden. Wichtig sind natürlich alle Vorkehrungen zur – auch hygienisch – einwandfreien Lagerung. Die organisatorischen Voraussetzungen für die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Medizinprodukteüberwachungssystem müssen vorliegen. Auf die für die Medizinproduktesicherheit so wichtige Verfolgbarkeit vor allem von Hochrisikoprodukten ist größter Wert zu legen. Gerade im Medizinproduktebereich muß besonders auf die fachliche Qualifikation des Personals geachtet werden, damit Patienten oder Anwender korrekt informiert, beraten oder geschult werden können und daß erforderliche Prüfungen und sonstige Instandhaltungsmaßnahmen (zB Wartung) ordnungsgemäß durchgeführt werden können.

Die Medizinproduktesicherheit muß auch durch geordnete, fachlich qualifizierte betriebliche Abläufe und Vorkehrungen beim Vertrieb gewährleistet werden. Betriebsordnungen sollen Grundelemente einer Good Distribution Practice mit besonderer Relevanz für die Sicherheit, Qualität und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten etablieren helfen. Dabei ist auch eine aktive Vorsorge (zB Verfolgbarkeit von Medizinprodukten) und Mitarbeit bei der Abklärung von Zwischenfällen und bei allenfalls erforderlichen Rückrufaktionen gefordert.

Abgabebestimmungen sollen sicherstellen, daß Medizinprodukte, speziell in sensiblen Bereichen, nur von dafür qualifizierten Stellen und Personen abgegeben werden dürfen. Diese Personen bzw. Stellen müssen gegebenenfalls auch eine adäquate Information und Einschulung der Kunden gewährleisten.

Die Abgabe von Medizinprodukten, deren Anwendung durch Patienten nur im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung erfolgen sollte, oder für die aus anderen Gründen des Gesundheitsschutzes besondere Vorsorgen vorzusehen sind, kann erforderlichenfalls an eine ärztliche Verschreibung gebunden werden.

Werbebestimmungen sehen generell das Verbot von Irreführungen vor.

Ebenso ist zum Schutz von Verbrauchern vorzusehen, daß entsprechende rechtliche Handhaben gegen unverantwortliche und mißbräuchliche Werbemaßnahmen von Außenseitern bestehen. Werbemaßnahmen für Fachkreise müssen die korrekte fachliche Information der professionellen Anwender, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der im Konformitätsbewertungsverfahren genehmigten Produktinformation, gewährleisten.

Im Kontext von Werbemaßnahmen ist auch auf ein korrektes Beschaffungswesen für Medizinprodukte in Einrichtungen des Gesundheitswesens zu achten.

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung eines „Medizinproduktegesetzes“ stützt sich auf den Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG). Dies auf Grund der Waren der dem gegenständlichem Gesetzesvorschlag unterliegenden Produktgruppe immanen­ten Zweck­bestim­mung (vgl. § 2 Abs. 1 und 5) und der dem Auftrag verantwortungsbewußter Gesund­heitspolitik entsprechenden Gewährleistung der Medizinproduktesicherheit zum Schutz der menschlichen Gesundheit durch entsprechende spezifische Reglementierungen im Hinblick auf Funktionstüchtigkeit, Leistungs­fähigkeit und Qualität von Medizinprodukten.

Hat es auch im Versteinerungszeitpunkt auf einfachgesetzlicher Ebene keine dem vorliegenden Entwurf eines Medizinproduktegesetzes vergleichbaren Regelungen gegeben, so ist ein solches legislatives Vorhaben angesichts seiner eminenten gesundheitspolitischen Bedeutung dennoch im Sinne intrasystematischer Fortentwicklung dem Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ zu unterstellen.

Es ist darüber hinaus Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, „daß Maßnahmen der Staatsgewalt, die der Abwehr von Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Be­völkerung (für die Volksgesundheit) dienen, zur Sanitätspolizei und damit zum Gesundheits­wesen (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) gehören, es sei denn, daß eine für eine bestimmte andere Kompetenzmaterie allein typische Abart dieser Gefahr bekämpft wird“ (vgl. etwa die Er­kenntnisse des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 3650/1959, 7582/1975, 8035/1977). Bei den durch das ungeregelte Inverkehrbringen und Anwenden von Medizinprodukten entstehenden Gefahren für die menschliche Gesundheit handelt es sich nun um derartige allgemeine Gefah­ren, die für keinen anderen Kompetenztatbestand als jenen des Gesundheitswesens des Art. 10 Abs. 1 Z 12 typisch sind. Diese Ge­fahren sind den für die menschliche Gesundheit durch das Inverkehrbringen ungeprüfter Arzneimittel verursachten Gefahren in kompetenzrechtlicher Hinsicht durchaus vergleichbar. Der Bundesgesetzgeber ist daher zuständig, die im Entwurf enthaltenen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt des Kompetenztatbestandes „Gesundheitswesen“ des Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG zu regeln.

Der Gesundheitsausschuß hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 24. Oktober in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Dr. Günther Leiner,
Klara
Motter, Mag. Herbert Haupt, Dr. Elisabeth Pittermann, Mag. Johann Maier, Dr. Erwin
Rasinger sowie Dr. Alois Pumberger.

Ein von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Der Gesundheitsausschuß traf mit Mehrheit folgende Festellung:

Von der Verordnungsermächtigung des § 100 soll nur für jene Medizinprodukte Gebrauch gemacht werden, bei denen ein Gefährdungspotential oder ein erheblicher Mißbrauch festgestellt worden ist. Diese Bestimmung dient demnach nicht dazu, in die bestehenden Rechte anderer qualifizierter Berufsgruppen als Ärzte einzugreifen, was beispielsweise auch durch die Bestimmung in § 4 Abs. 2 im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht wird.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Heidemaria Onodi mit Mehrheit angenommen.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag, der National-
rat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (313 der Beilagen) mit den
angeschlossenen Abänderungen die verfassungsmäßige Zustimmung erklären.

Wien, 1996 10 24

                           Annemarie Reitsamer                                                      Dr. Alois Pumberger

                                 Berichterstatterin                                                                         Obmann

Abänderungen

zum Gesetzentwurf in 313 der Beilagen

1. § 63 Abs. 4 lautet:

„(4) Der Sponsor hat Sorge dafür zu tragen, daß weder der Versuchsperson noch den österreichischen Sozialversicherungsträgern oder Dritten aus der Bereitstellung des für die klinische Prüfung bestimmten Medizinproduktes Kosten entstehen, es sei denn, daß

        1.   mit dessen Einsatz ein primärer individueller Nutzen insofern verbunden ist, als es zur Abwehr einer gesundheitlichen Schädigung oder zur Behebung eines körperlichen Leidens dringend benötigt wird und gegenüber verfügbaren, bereits zulässig in Verkehr befindlichen Medizinprodukten eine wesentliche Steigerung der Erfolgschancen ernsthaft erwarten läßt,

        2.   dem Sozialversicherungsträger oder Dritten Informationen über das verwendete Medizinprodukt und die klinische Prüfung zugänglich gemacht worden sind und

        3.   Sozialversicherungsträger oder Dritte auf Grund dieser Unterlagen nach Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Ziffern 1 und 2 einem Antrag auf Kostenübernahme zugestimmt haben.“

2. § 36 Abs. 3 wird wie folgt geändert:

„(3) Von den Stellen, die den in den einschlägigen harmonisierten Normen festgelegten Kriterien entsprechen, wird angenommen, daß sie den Mindestkriterien gemäß Abs. 2 genügen.“