Zu 507 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
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Minderheitsbericht
der Abgeordneten
Aumayr, Mag. Firlinger, Ing. Reichhold
gemäß § 42 Abs. 4 GOG
zu Bericht und Antrag des Ausschusses gemäß § 27 GOG über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (507 der Beilagen)
Die Wasserrechtsgesetznovelle 1996 – ein Verwirrspiel der Koalition
Es ist seit langem bekannt, daß am 31. Dezember 1996 die Betriebsgenehmigung von Kleinkläranlagen, die nur baurechtlich bewilligt sind, abläuft, was einigen Gemeinden beträchtliche Schwierigkeiten verursachen dürfte. Aus diesem Grund brachte die Abg. Anna Elisabeth Aumayr bereits am 30. Jänner 1996 einen Antrag auf Fristverlängerung ein (33/A). Dieser Antrag wurde acht Monate lang nicht auf die Tagesordnung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft gesetzt.
Inzwischen erarbeitete das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft gleich zwei Novellen zum Wasserrechtsgesetz, eine betreffend Fristverlängerungen und Hydrographie, eine andere betreffend Deponien.
Im Wettlauf damit stand der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der unter dem Vorwand der Verfahrensvereinfachung wasserrechtliche Agenden unter das Gewerberecht subsumieren wollte und will.
Diese Querelen innerhalb einer Koalitionspartei verzögerten das Zustandekommen einer von den Betroffenen und den Vollzugsbehörden dringend erwarteten Fristerstreckung bis zum Schluß.
Am 3. September 1996 passierte die Wasserrechtsgesetznovelle 1996 mit Änderung des Hydrographiegesetzes den Ministerrat.
Unter Hinweis auf die bevorstehenden Beratungen zu dieser Regierungsvorlage wurden zwei Anträge der Abg. Aumayr (FPÖ) zum Wasserrechtsgesetz (betreffend Kleinkläranlagen und finanzielle Abgeltungen bei Nutzungsbeschränkungen) im Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft am 26. September 1996 abgelehnt.
In diesem Zusammenhang ersuchte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Mitglieder des Ausschusses um rasche parlamentarische Behandlung und Beschlußfassung dieser Novelle, obwohl sie dem Nationalrat noch gar nicht vorlag. Der Ausdruck erfolgte erst am 2. Oktober 1996.
In der Präsidialkonferenz vom 21. November 1996 wurde für 3. Dezember 1996, 14 Uhr, ein Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft vereinbart, in dem die WRG-Novelle 1996 (321 der Beilagen) – entgegen vorheriger Dringlichkeitsbehauptungen – nicht auf der Tagesordnung stand, obwohl die FPÖ-Klubführung und die FPÖ-Abgeordneten im Landwirtschaftsausschuß mit einer Behandlung dieser Vorlage durchaus einverstanden gewesen wären. Daraufhin brachte Abg. Aumayr ihre beiden Anträge zum WRG nochmals im Nationalrat ein, um eine Beratungsgrundlage zu schaffen. Ein brieflicher Vorschlag des Agrarsprechers der FPÖ, Abg. Ing. Reichhold, die Tagesordnung des 3. Dezember 1996 um mindestens eine dieser drei Materien zu ergänzen (321 der Beilagen, 334/A oder 335/A), fand beim Ausschußobmann keine positive Reaktion.
Der Ausschußobmann machte auch zu Beginn des Ausschusses keinen Vorschlag, die Tagesordnung zu ergänzen.
Die Koalition hatte nämlich in der Zwischenzeit eine höchst eigenartige Scheinlösung gefunden:
Am 2. Dezember 1996 um zirka 15 Uhr erging an den Freiheitlichen Parlamentsklub sowie an den Grünen Klub per Fax aus dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft ein umfangreicher Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage 428 der Beilagen. Der Vertreter des Liberalen Forums im Ausschuß behauptete, diese Unterlage nicht erhalten zu haben.
Neben umfangreichen Abänderungen zum Bundesforste-Aktiengesetz enthielt dieses Konvolut auch Änderungen des Wasserrechtsgesetzes, des Pflanzenschutzgesetzes und des Rebenverkehrsgesetzes, also zu Gesetzesmaterien, die nicht in der ursprünglichen Regierungsvorlage enthalten waren, die daher auch die Regierungsvorlage nicht abändern können.
Eine solche Vorgangsweise widerspricht nicht nur dem Sinn des Geschäftsordnungsgesetzes, sondern hätte auch die Abgeordneten der Opposition daran gehindert, Abänderungsanträge zum Wasserrechtsgesetz, zum Pflanzenschutzgesetz und zum Rebenverkehrsgesetz zu stellen, da die Abänderung von Abänderungsanträgen von der Geschäftsordnung nicht erlaubt wird. Eine Opposition, die diesen Namen verdient, kann sich solche Tricks nicht bieten lassen.
Daher beantragte Abg. Ing. Reichhold zu Beginn des Ausschusses die Ergänzung der Tagesordnung um den Antrag Aumayr, 335/A. Dieser Antrag bekam jedoch keine Zweidrittelmehrheit. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen, um die weitere Vorgangsweise zu klären.
Anstatt nun die Tagesordnung um die Regierungsvorlage 321 der Beilagen zu ergänzen und diese in „abgespeckter Form“, nämlich in der Fassung des Abänderungstextes zu beschließen, zementierte sich die Koalition auf folgende Vorgangsweise ein:
Der Abänderungstext solle als Antrag gemäß § 27 GOG zur Regierungsvorlage 428 der Beilagen, also zum Bundesforste-Aktiengesetz eingebracht werden, § 27 Abs. 1 GOG lautet aber:
„§ 27. (1) Jeder Ausschuß hat das Recht, Selbständige Anträge auf Erlassung von Gesetzen zu stellen, die mit dem im Ausschuß behandelten Gegenstand in inhaltlichem Zusammenhang stehen, und hierüber gemäß § 42 einen Bericht zu erstatten.“
Der inhaltliche Zusammenhang zwischen der Gründung einer Aktiengesellschaft des staatlichen Waldbesitzes und dem Wasserrecht oder gar dem Handel mit Weinreben ist ein nicht einfach zu konstruierender.
Darüber hinaus steht in Abs. 2 des § 27 GOG:
„(2) Bei Vorberatung eines Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes sowie eines Einspruches des Bundesrates ist die Stellung eines Selbständigen Antrages im Sinne des Abs. 1 jedoch nicht zulässig.“
Bedauerlicherweise ist jedoch genau dies der Fall: In ihrem Drang nach Produktion von Sammelgesetzen findet sich leider in der Regierungsvorlage 428 der Beilagen nicht nur das Bundesforste-Aktiengesetz, sondern auch eine Änderung des Bundesfinanzgesetzes 1997!
Trotzdem brachte die Koalition nach Wiederaufnahme der Sitzung und dem Verstreichen einer nicht unbeträchtlichen Zeitspanne, die mit Wortmeldungen gefüllt wurde, besagten Antrag gemäß § 27 GOG ein und lud die Oppositionsparteien ein, dem Antrag beizutreten.
Nach Überprüfung des Antrags stellte sich heraus, daß dessen Inhalt nicht mit der ursprünglichen Fassung übereinstimmte, sondern „unauffällig“ um einen weiteren Punkt ergänzt worden war. Diese Vorgangsweise veranlaßte Frau Abg. Aumayr zu vehementem Protest.
Daraufhin brachte die Koalition folgende Anträge gemäß § 27 GOG zur Regierungsvorlage 428 der Beilagen ein:
1. Wasserrechtsgesetznovelle in der vereinbarten Fassung, ein FPÖ-Abgeordneter trat diesem Antrag bei,
2. Wasserrechtsgesetznovelle über landwirtschaftliche Nutzungsbeschränkungen im Falle von Beteiligungen am ÖPUL-Programm,
3. Pflanzenschutzgesetznovelle und Rebenverkehrsgesetznovelle.
Diese Anträge wurden mehrheitlich beschlossen, Punkt 3 nur mit den Stimmen der Koalition.
Abg. Ing. Reichhold gab ausdrücklich zu Protokoll, daß die Freiheitlichen der Novellierung des Wasserrechtes nur unter der Voraussetzung zustimmten, daß diese an sich geschäftsordnungswidrige Vorgangsweise kein Präjudiz für künftige Gesetzesänderungen bilden dürfe.
Trotzdem bedarf es aber noch der Klärung, ob diese Anträge gemäß § 27 GOG und die entsprechenden Ausschußberichte rechtmäßig zustande gekommen sind. Die Wasserrechtsgesetznovelle ist jedenfalls von höchster Dringlichkeit für die Betroffenen.
Die Unterzeichner dieses Minderheitsberichtes überlassen unvoreingenommenen Beobachtern die Beurteilung, welche Protagonisten die erst heuer novellierte Geschäftsordnung des Nationalrates beugen.
Wien, 1996 12 06
110/208
Anna Elisabeth Aumayr