624 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


betreffend den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1995 (III-68 der Beilagen)


Der gegenständliche Bericht enthält neben einem Vorwort des Bundesministers und einer Zusammenfassung die Abschnitte

–   Sozialbericht,

–   Tätigkeitsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales,

–   Beiträge der Interessenvertretungen.

Die statistischen Daten zur Arbeitsmarktlage, zur Sozialversicherung sowie zur Einkommensverteilung sind in einem eigenen Datenband enthalten. Dieser enthält auch einen Anhang betreffend das Sozialbudget und Behindertenangelegenheiten.

Im Vorwort stellt der Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums fest, daß die österreichische Wirtschaft in den vergangenen Jahren eine schwierige und gleichzeitig richtungsweisende Phase, nämlich mehrere Integrationsstufen seit 1993 (von EFTA-, über EWR- zu EU-Mitgliedschaft), durchschritten hat. Gleichzeitig hat durch die fortschreitende Liberalisierung von Handel und Dienstleistungen eine zunehmende Integration der Weltmärkte stattgefunden. Die Beziehungen der Industrieländer zu Schwellen- und Entwicklungsländern sowie die Ost-West-Beziehungen haben sich binnen weniger Jahre grundlegend geändert. Bundesminister Hums führt weiter aus, daß trotz widriger internationaler ökonomischer Rahmenbedingungen 1995 das hohe Beschäftigungsniveau weitestgehend gehalten werden konnte. Nach EU-Standard weist Österreich ein Drittel der durchschnittlichen EU-Arbeitslosenrate aus und hat nach Luxemburg die zweitniedrigste Arbeitslosenrate und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aller EU-Staaten. Am Schluß seines Vorworts stellt der Bundesminister fest, daß zweifelsohne die sozialpolitische Entwicklung 1995 und 1996 vom Ziel der Budgetkonsolidierung stark geprägt war. Österreich wendet ein knappes Drittel seines Bruttoinlandsprodukts für Soziales im weiteren Sinn auf, so daß ein Konsolidierungsbeitrag unumgänglich war; wichtiges Ziel dabei war die längerfristige Absicherung der Finanzierung und die Aufrechterhaltung des hohen Sozialstandards. Die größte Herausforderung für die Zukunft ist aber sicherlich – sowohl für Österreich als auch für die gesamte Europäische Union – die Beschäftigungssicherung mit dem unverrückbaren Ziel der Vollbeschäftigung, auch wenn dieses realistisch gesehen nur mittelfristig erreichbar sein wird.

Im Abschnitt Zusammenfassung wird zur Arbeitsmarktlage festgestellt, daß sich 1995 die Wohnbevölkerung um 17 000 (Vorjahr: 38 000) auf 8 046 000 Personen erhöht hat. Die unselbständige Beschäftigung sank im Jahre 1995 um 3 000 auf 3 068 000, wobei der Anteil der ausländischen Beschäftigten an allen Beschäftigten 9,8% betrug.

Im Jahresdurchschnitt sank der Bestand an offenen Stellen um 17% auf 25 000 ab. Rund 64% der offenen Stellen konnten innerhalb von 30 Tagen besetzt werden.

Die Erwerbsquote sank gegenüber 1995 um 0,4-%-Punkte auf 69,5%. Dieser Rückgang ist auf die Senkung der Männererwerbsquote um 0,4-%-Punkte auf 76,7% und eine Abnahme der Erwerbsquote der Frauen um 0,2-%-Punkte auf 61,7% zurückzuführen.

1995 waren insgesamt 687 000 Personen (405 000 Männer, 282 000 Frauen) zumindest einmal arbeitslos. Der Jahresdurchschnittsbestand an Arbeitslosen blieb in etwa auf dem Vorjahresniveau (216 000 gegenüber 215 000 im Jahr 1994). Die Arbeitslosenquote stieg von 6,5% auf 6,6%. Nach EU-Kriterien lag sie bei 3,8%. Die Arbeitslosenquote der inländischen Frauen betrug 6,4%, jene der ausländischen Frauen betrug 8%. Ebenso lag die Arbeitslosenquote der ausländischen Männer (8,3%) erheblich über jener der inländischen Männer (6,2%).

Von den 687 000 insgesamt von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen waren 83 000 Männer und 82 000 Frauen über sechs Monate arbeitslos, das war gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um rund 3 000. Von diesen Langzeitarbeitslosen waren rund 71 000 (43%) der Langzeitarbeitslosen länger als ein Jahr ohne Beschäftigung, was gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 4 000 oder 5% bedeutete. Was die Konzentration der Arbeitslosigkeit anlangt, so entfiel auf jene 20% der Personen mit den längsten Arbeitslosigkeitsperioden die Hälfte der Gesamtlast der Arbeitslosigkeit (50% des Arbeitslosigkeitsvolumens), hingegen fielen die beiden unteren Dauergruppen mit 3% des Arbeitslosigkeitsvolumens kaum ins Gewicht.

Der Jahresdurchschnittsbestand an Arbeitslosen ist im Berichtsjahr gegenüber dem vorangehenden Jahr mit Ausnahme von Oberösterreich, Niederösterreich und Vorarlberg in allen Bundesländern leicht gestiegen. Der Grund dafür war die stagnierende bzw. leicht gestiegene Dauer der Arbeitslosigkeit. Deutlich über dem Durchschnitt liegen die Arbeitslosenquoten nach wie vor in Kärnten, in der Steiermark, im Burgenland und in Wien.

Die Analyse der berufsspezifischen Arbeitslosenquote zeigt, daß in den Produktionsberufen ein Rückgang (–1,7%), hingegen in den Saison- und Dienstleistungsberufen ein leichter Anstieg (+1,5% bzw. +2,2%) gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war.

Die mittlere Höhe (Median) der monatlichen Leistungen an Arbeitslose (Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe inkl. allfälliger Familienzuschläge) betrug im Jahr 1995 8 600,– S (Vorjahr: 8 500,– S). Das mittlere Arbeitslosengeld der Männer betrug 9 900,– S (Vorjahr: 9 700,– S), das der Frauen
7 400,– S (Vorjahr: 7 300,– S). Diese Unterschiede ergeben sich hauptsächlich aus den niedrigeren Löhnen bzw. Gehältern der Frauen sowie aus dem Umstand, daß die Frauen einen höheren Anteil an Teilzeitbeschäftigten aufweisen. Knapp 60% der arbeitslosen Frauen mußten mit einem Arbeitslosengeld auskommen, das unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende in der Pensionsversicherung (1995: 7 710,– S) lag oder diesen erreichte. Bei den Männern lag der vergleichbare Anteil unter 20%. Die mittlere Höhe der Notstandshilfe betrug für Männer 8 000,– S (Vorjahr: 7 900,– S) und für Frauen 6 200,– S (Vorjahr: 6 100,– S). Insgesamt lag das mittlere Arbeitslosengeld bei 8 900,– S, die mittlere Notstandshilfe bei 7 100,– S. 30% der Notstandshilfe beziehenden Frauen mußten 1995 mit einer monatlichen Leistung von höchstens 4 900,– S auskommen, nur ein Drittel verfügt über mehr als 7 000,– S.

Im Abschnitt über die Einkommenssituation von Arbeitslosen wird darauf hingewiesen, daß im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1995 das Arbeitslosengeld für Arbeitslose mit einem vorangegangenen Monatsverdienst von über 21 000,– S gesenkt wurde. Um das zur Zeit höchstmögliche Arbeitslosengeld von monatlich 12 500,– S zu erhalten, ist ein Monatsverdienst von über 33 500,– S erforderlich.

Die vorläufigen Gebarungsergebnisse der Sozialversicherungsträger für das Jahr 1995 weisen Gesamtausgaben von 380,03 Milliarden Schilling und Gesamteinnahmen von 376,19 Milliarden Schilling auf. Die Einnahmen bestanden zu mehr als drei Viertel aus Beiträgen für Versicherte (298,16 Milliarden Schilling); der Bund bezahlte 1995 Beiträge von rund 54 Milliarden Schilling. Die Gesamtausgaben der Krankenversicherung werden nach vorläufigen Berechnungen 113,21 Milliarden Schilling, die der Pensionsversicherung 254,57 Milliarden Schilling und jene der Unfallversicherung 12,25 Milliarden Schilling betragen. Allein die Ausgaben für den Spitalsbereich (inkl. KRAZAF-Überweisungen) betrugen 35,2 Milliarden Schilling (31% der Gesamtausgaben der Krankenversicherung). Im Jahre 1995 waren 5 Millionen beitragsleistende und rund 2,7 Millionen mitversicherte Personen (99% der Gesamtbevölkerung) krankenversichert.

Pensionsversichert waren 1995 knapp über 3 Millionen Personen, wobei die Zahl der Pensionen in Relation zu den Aktiven gegenüber 1994 stärker anstieg (um 36 400 auf 1,840 Millionen). 1995 kamen auf jeweils 1 000 BeitragszahlerInnen 601 PensionsempfängerInnen (Vorjahr: 593).

Die höchstmögliche Eigenpension (ohne Zulagen und Zuschüsse) betrug 1995 brutto 26 521,– S (Vorjahr: 26 521,– S), die höchste Witwenpension betrug 15 913,– S (Vorjahr: 15 912,– S) monatlich. Die durchschnittliche Alterspension der Männer in der gesetzlichen Pensionsversicherung betrug 13 879,– S, jene der Frauen 7 922,– S. Der durchschnittliche monatliche Ruhebezug der BundesbeamtInnen (ohne Post und ÖBB) betrug 32 200,– S.

Das durchschnittliche Zugangsalter bei der Alterspension betrug für Frauen 58 Jahre und Männer 60,4 Jahre. Die durchschnittliche Alterspension des Neuzugangs 1995 betrug in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter bei den Männern 11 257,– S und bei den Frauen 6 392,– S. In der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten betrug dieser Wert für die Männer 18 893,– S und für die Frauen 12 087,– S.


Insgesamt erhielten 1995 14,6% aller männlichen und weiblichen Bezieher einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung noch mindestens eine weitere Pensionsleistung. Obwohl sich beim Zusammentreffen von zwei Pensionen der relative Abstand zwischen den Pensionen der Männer und Frauen verringert, liegt der Gesamtbezug einer Frau mit zwei Pensionsansprüchen erst etwa auf dem Durchschnittsniveau der Männer mit einem Pensionsanspruch (rund 14 000,– S).

Die Richtsätze für Ausgleichszulagen wurden weit über die Pensionsanpassung hinaus erhöht. Insgesamt stieg im Zeitraum von 1970 bis 1995 der Richtsatz für Alleinstehende um 490%, jener für Verheiratete um rund 505%.

Ab 1. Jänner 1995 wurden die Richtsätze für Ausgleichszulagen um 2,8% erhöht. Der Richtsatz für Alleinstehende betrug im Jänner 1995 7 710,– S (Vorjahr: 7 500,– S), jener für Ehepaare mit gemeinsamen Haushalt 11 000,– S (Vorjahr: 10 700,– S). Im Jahre 1995 bezogen 273 000 (Vorjahr: 280 000) Personen, das sind 14,8% (Vorjahr: 15,5%) der Pensionsbezieher eine Ausgleichszulage.

Im Abschnitt Zusammenfassung wird hinsichtlich der Entwicklung und Verteilung des Volkseinkommens darauf hingewiesen, daß der Lohnanteil am Volkseinkommen im Jahre 1995 wieder zurückging: Die bereinigte Nettolohnquote fiel von 61,5% im Jahr 1975 auf 47,9% im Jahr 1995. Die Nettorealeinkommen je Arbeitnehmer wuchsen in den letzten beiden Jahren um jeweils 0,75%. Das monatliche Medianeinkommen (14mal jährlich) aller unselbständig Beschäftigten lag 1995 bei
19 900,– S (Vorjahr: 19 200,– S), das der Arbeiter bei 17 900,– S (Vorjahr: 17 300,– S), das der Ange­stellten bei 22 000,– S (Vorjahr: 21 300,– S) und das der Beamten bei 24 300,– (Vorjahr: 23 200,– S). Hinsichtlich der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen weist der gegenständliche Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales darauf hin, daß in den letzten 15 Jahren die mittleren Bruttoverdienste der Frauen nominell um 103% und damit um 11,5 Prozentpunkte stärker gestiegen sind als die der Männer. Dieser Umstand kann einerseits mit Verschiebungen in der Beschäftigtenstruktur (Aufholen der Frauen bei der Schul- und Berufsbildung und Vordringen auf qualifizierte Arbeitsplätze), andererseits mit der Lohnpolitik der Gewerkschaften erklärt werden, die seit 1989 eine überproportionale Anhebung der Mindestlöhne und -gehälter durchsetzten. 1995 verdienten insgesamt 240 000 Personen (160 000 Frauen und 80 000 Männer) als Vollzeitbeschäftigte weniger als 12 000,– S brutto; mehr als die Höchstbeitragsgrundlage zur Pensionsversicherung (37 800,– S monatlich) verdienten 1995 7,2% aller unselbständig Beschäftigten (227 500 Personen), davon 36 800 Frauen und 190 700 Männer.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales in seiner Sitzung am 7. März 1997 in Verhandlung genommen. Berichterstatterin im Ausschuß war die Abgeordnete Sophie Bauer. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Winfried Seidinger, Sigisbert Dolinschek, Karl Öllinger, Dr. Gottfried Feurstein, Karl Donabauer, Mag. Walter Guggenberger, Mag. Dr. Josef Trinkl, Dr. Volker Kier, Dr. Alois Pumberger, Heidrun Silhavy, Josef Meisinger sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch. Von den Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Karl Öllinger wurde ein Entschließungsantrag betreffend Erweiterung des Sozialberichts um ein Kapitel zum Thema „Armutsbekämpfung“ gestellt.

Bei der Abstimmung hat der Ausschuß für Arbeit und Soziales mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen. Der oberwähnte Entschließungsantrag wurde ebenfalls mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle:

           1. den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1995 (III-68 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen und

           2. die beigedruckte Entschließung annehmen.

Wien, 1997 03 07

                                   Sophie Bauer                                                             Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obfrau

Anlage

Entschließung

Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, den Sozialbericht um ein Kapitel zum Thema „Armutsbekämpfung“ zu erweitern.