654 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über die Regierungsvorlage (147 der Beilagen): Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung
Bereits seit 1955 wurde in den Sitzungen der Suchtgiftkommission des Wirtschafts‑ und Sozialrates der Vereinten Nationen berichtet, daß nicht nur die klassischen Suchtmittel, sondern auch bestimmte andere, der internationalen Suchtmittelkontrolle nicht unterliegende und als Arzneimittel verwendete Stoffe und Zubereitungen mißbräuchlich verwendet würden. Dabei handelt es sich um Stoffe folgender physiologischer Wirkungsgruppen, die unter dem Begriff „psychotrope Stoffe“ zusammengefaßt wurden:
1. Halluzinogene (zB LSD)
2. Stimulantien (zB Amphetamine)
3. Sedative (zB Barbiturate)
4. Tranquilizer (zB Meprobamat)
Vorschläge, auch diese Stoffe einer gleichen oder ähnlichen internationalen Kontrolle zu unterwerfen wie die klassischen Suchtstoffe, wurden bei der Beratung der „Einzigen Suchtgiftkonvention 1961“ (BGBl. Nr. 531/1978) überstimmt. Doch angesichts des zunehmenden Mißbrauchs der psychotropen Stoffe in vielen Ländern gelangten die Suchtgiftkommission der Vereinten Nationen (VN) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu der Auffassung, für diese Stoffe eine neue internationale Regelung neben der Konvention von 1961 zu schaffen.
Ein erster Entwurf der VN‑Suchtgiftabteilung wurde auf der 23. Sitzung der VN-Suchtgiftkommission im Jänner 1969 beraten, den beteiligten Staaten zur Stellungnahme übermittelt, mit Berichten der Weltgesundheitsorganisation und des Internationalen Suchtgiftkontrollrates einer internationalen Konferenz vorgelegt, die im Jänner 1971 in Wien stattfand und mit der Ausarbeitung einer neuen vertraglichen Regelung beauftragt war. Diese Konferenz verabschiedete das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe.
Das Übereinkommen gilt derzeit für über 130 Staaten, darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Belgien und Österreich sowie allen Nachbarstaaten Österreichs, ausgenommen die Schweiz und Liechtenstein. In Österreich war die Frage der Teilnahme an dem Übereinkommen lange Zeit hindurch Gegenstand einer Fachdiskussion, in der es insbesondere um das Ausmaß der in eine internationale Regelung einzubeziehenden Stoffe außerhalb der klassischen Suchtstoffe ging (siehe auch oben zur Wiener Konferenz von 1971). Österreich hat deshalb das Übereinkommen seinerzeit nicht unterzeichnet und ist ihm in der Folge auch nicht beigetreten. Im Lichte des Ergebnisses dieser Diskussion – das dem Inhalt des Übereinkommens entspricht – wurde nunmehr ein neues Suchtmittelgesetz vorbereitet, und dementsprechend kann auch der Beitritt Österreichs zu dem Übereinkommen in die Wege geleitet werden.
Das Übereinkommen ist ein gesetzändernder und gesetzesergänzender Staatsvertrag und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen.
Im innerstaatlichen Bereich ist das Übereinkommen einer unmittelbaren Anwendung nicht in allen Bereichen zugänglich und daher durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen (Art. 50 Abs. 2 B-VG), soweit nicht bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage die Anwendung von geltendem Bundesrecht hierfür ausreicht.
Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.
Der Gesundheitsausschuß hat die erwähnte Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 2. April 1997 in Verhandlung genommen.
Nach der Berichterstattung erfolgte eine Wortmeldung des Ausschußvorsitzenden Abgeordneten Dr. Alois Pumberger.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, den Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages zu genehmigen.
Zur Berichterstatterin für das Haus wurde Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe samt Anhängen und Erklärung (147 der Beilagen) wird genehmigt;
2. dieser Staatsvertrag ist durch die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zu erfüllen;
3. gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG wird dieser Staatsvertrag dadurch kundgemacht, daß dessen chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu öffentlichen Einsichtnahme aufliegt.
Wien, 1997 04 02
Dr. Elisabeth Pittermann Dr. Alois Pumberger
Berichterstatterin Obmann