656 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 16. 4. 1997

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 21/1997, wird wie folgt geändert:

1. § 35 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Bundesgesetz erfaßten Waren sowie die Vollziehung von unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft diese Waren betreffend obliegt – sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt – dem Landeshauptmann.“

2. In § 74 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 wird jeweils „50 000 S“ durch „100 000 S“ ersetzt.

3. In § 74 Abs. 5 wird „25 000 S“ durch „50 000 S“ ersetzt.

4. § 74 Abs. 6 lautet:

„(6) Wer auf dem Gebiet des Lebensmittelrechtes unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 100 000 S zu bestrafen.“

5. Der bisherige § 74 Abs. 6 erhält die Absatzbezeichnung „(7)“.

6. Der bisherige § 74 Abs. 7 erhält die Absatzbezeichnung „(8)“.

Vorblatt

Problem und Ziel:

Seit Inkrafttreten des EWR-Abkommens bzw. seit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft sind neben dem Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) und seinen Verordnungen einige lebensmittelrechtliche Verordnungen sowie Entscheidungen der EG (unmittelbar) anzuwenden.

–   Die Zuständigkeitsregelung zur Überwachungen des Verkehrs von Lebensmitteln gemäß § 35 LMG 1975 ist für die Regelung der Zuständigkeit hinsichtlich der Vollziehung dieser Vorschriften nur teilweise ausreichend.

–   Bei Verstößen sind auch die Strafbestimmungen des LMG 1975 – insbesondere § 74 – nicht in jedem Fall anwendbar. Es kann sohin bei Verstößen die Rechtsgrundlage für Sanktionen fehlen. Da sohin § 74 LMG 1975 zu novellieren wäre, wären in einem auch die Beträge (50 000 S bzw. 25 000 S), die seit 1975 gelten, anzuheben.

Alternative:

Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage, die als unbefriedigend anzusehen ist.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Kompetenzgrundlage, auf die sich die vorgesehene Novelle des Lebensmittelgesetzes stützt, ist Artikel 10 Abs. 1 Z 12 B-VG.

Neben dem Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) und seinen Verordnungen gelten auf dem Gebiet des Lebensmittelrechtes auch EG-Verordnungen und Entscheidungen (unmittelbare Geltung). Da diese Bestimmungen unmittelbar gelten, scheint eine Novellierung des § 35 Abs. 1 LMG 1975 (Zuständigkeit hinsichtlich der Überwachung bzw. Vollziehung) sowie § 74 LMG 1975 (Verwaltungsstrafen) erforderlich.

Weiters ist vorgesehen, die im § 74 LMG 1975 vorgesehenen Geldbeträge (seit 1975 in Geltung) zu erhöhen.

Kosten:

Durch die Zuständigkeitsverschiebung von der Bezirksverwaltungsbehörde als erster Instanz auf den Landeshauptmann wird zumindest keine zusätzliche Kostenbelastung der Länder, die die Kosten des Personal- und Amtssachaufwandes der mittelbaren Bundesverwaltung zu tragen haben, bewirkt. Diese Lösung ist potentiell kostensparend, da sie den Ländern erspart, entsprechende Kapazitäten in den Bezirksverwaltungsbehörden einzurichten. Diese Ansicht wurde auch in der Stellungnahme des Rechnungshofes im Begutachtungsverfahren geteilt; in dieser Stellungnahme wird ausgeführt, daß „unter dem Gesichtspunkt der vom Rechnungshof wahrzunehmenden Interessen weder gegen den Inhalt noch gegen die im Vorblatt zu den Erläuterungen enthaltene Darstellung der finanziellen Auswirkungen Einwände bestehen“.

Besonderer Teil

Zu Z 1:

Anlaß zu dieser Bestimmung ist die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel („Bioverordnung“). Es sind aber noch andere EG-Vorschriften betroffen, beispielsweise die Verordnungen zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungs­bezeichnungen 2081/92 oder die Verordnungen über Bescheinigungen besonderer Merkmale 2082/92.

Der Regelungsgegenstand der EG-,,Bioverordnung“ ist – auf Österreich bezogen – dem Kompetenztatbestand „Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle“ (Artikel 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) zuzuordnen. Die Vollziehung dieser Verordnung ist somit eine Aufgabe der Bundesverwaltung. Da für die Vollziehung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Ernährungswesens einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle keine eigenen Bundesbehörden (unmittelbare Bundesverwaltung) bestehen, ist die Vollziehung dieser Rechtsvorschriften durch den Landeshauptmann und den ihm unterstellten Landesbehörden zu besorgen. Erste Instanz in der mittelbaren Bundesverwaltung sind – wenn keine Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit vorliegen – die Bezirksverwaltungsbehörden (§ 2 AVG).

Gemäß § 35 Abs. 1 LMG 1975 obliegt die Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln dem Landeshauptmann. Bei der EG-,,Bioverordnung“ ist aber nicht nur eine reine Überwachungstätigkeit vorgesehen, sondern auch ein „aktives Tätigwerden“ der zuständigen Behörde. Es ist – auch gemäß Ansicht der Länder – sinnvoller, die Vollziehung einschlägiger EG-Verordnungen in erster Instanz dem Landeshauptmann – und nicht den über keine einschlägigen Erfahrungen auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts verfügenden Bezirksverwaltungsbehörden – aufzutragen.

Die nunmehr im Begutachtungsverfahren von den Ländern geäußerten Bestrebungen, auch den Bundesminister in erster Instanz in die Vollziehung einzubinden, ist aus mehreren Gründen nicht zweckmäßig. Eine über die bereits im LMG 1975 verankerte Zuständigkeitskonzentration beim Bundesminister hinausgehende Regelung erscheint aus Gründen der Verwaltungsökonomie unzweckmäßig, zumal die Lebensmittelaufsicht in den Ländern auf Grund ihrer Kontrolltätigkeit einen näheren und damit besseren Zugang zum Betriebsgeschehen hat. Grundsätzlich ist es die Ausnahme, daß die oberste Verwaltungsbehörde (Bundesminister) erste Instanz und sohin einzige Instanz ist.

Unmittelbar geltende Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts können auch Entscheidungen sein, die nicht durch innerstaatliches Gesetz bzw. Verordnung auf Grund des LMG 1975 umzusetzen sind. Der Landeshauptmann ist die für die Durchführung dieser Rechtsvorschriften zuständige Behörde; er ist in der mittelbaren Bundesverwaltung zur Vollziehung berufen. Ausnahmen davon sind nur dort vorgesehen, wo es sachlich gerechtfertigt ist. Das sind jedenfalls die Fälle, bei denen der sachlich zuständige Bundesminister schon bisher in erster Instanz tätig war (zB Zulassung von Zusatzstoffen). 

Die Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft, auf die die Regelung des § 35 Abs. 1 Anwendung findet, werden im Interesse der Klarheit für den Normunterworfenen, jeweils erlaßweise den mit der Vollziehung des LMG betrauten Organen sowie den interessierten Verkehrskreisen mitgeteilt.

Zu den Strafbestimmungen:

–   Erhöhung der Geldbeträge:

Die im § 74 LMG 1975 vorgesehenen Geldstrafen (Höchstbeträge) sind seit 1975 unverändert in Geltung; es ist vorgesehen, diese erstmals nach mehr als zwei Jahrzehnten zu erhöhen.

–   Verstöße gegen unmittelbar anwendbares EG-Recht:

Gemäß § 74 Abs. 6 soll nunmehr auch die Bestimmung aufgenommen werden, daß, wer auf dem Gebiet des Lebensmittelrechtes unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft zuwiderhandelt, zu bestrafen ist. Eine nähere Ausführung der Tatbestände durch innerstaatliche Vorschriften ist nicht möglich und auch nicht notwendig, da sich diese bereits aus den entsprechenden EG-Verordnungen, die unmittelbar gelten, ergeben. Diese lebensmittelrechtlichen Verordnungen der EG werden oftmals novelliert; so gibt es beispielsweise zur EG-Verordnung über den ökologischen Landbau aus 1991 bereits an die 20 Änderungsverordnungen.

Auch andere Verordnungen – wie die Spirituosenverordnungen, die Verordnungen über Arzneimittelrückstände in tierischen Lebensmitteln usw. – werden laufend geändert. Würden die jeweils geltenden Fassungen dieser Verordnungen im § 74 Abs. 6 LMG 1975 aufgenommen werden, so würde eine Änderung einer EG-Verordnung jeweils eine Änderung des LMG 1975 bedingen; eine solche Vorgangsweise würde eine permanente Novellierung des LMG 1975 bedeuten.

 


Textgegenüberstellung

                                                      Geltende Fassung:                                                                                                           Vorgeschlagene Fassung:

§ 35. (1) Die Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Bundesgesetz erfaßten Waren obliegt dem Landeshauptmann.

§ 35. (1) Die Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Bundesgesetz erfaßten Waren sowie die Vollziehung von unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Gemeinschaft diese Waren betreffend obliegt – sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt – dem Landeshauptmann.

In § 74 werden lediglich die Beträge von 25 000 S auf 50 000 S und von 50 000 S auf 100 000 S angehoben. § 74 Abs. 6 wird neu aufgenommen.