721 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit der Teilarbeitslosigkeit [218/A(E)]


Die Abgeordneten Dr. Volker Kier, Maria Schaffenrath und Genossen haben diesen Entschließungs­antrag am 23. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Nationalrat am 13. März 1996 wurde betont, daß die Bemühungen zur Schaffung von Teilzeitarbeit verstärkt werden sollen; auch im Koalitions­übereinkommen werden Maßnahmen zur Stärkung einer arbeitnehmerfreundlichen Flexibilität des Arbeitsmarktes und zur Stärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zB durch Zeitkontomodelle oder Förderung von Teilzeitbeschäftigungen gefordert. Im 1994 von der Europäischen Kommission veröffentlichtlichten Weißbuch ,Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung‘ wird die Notwendig­keit solcher Maßnahmen ebenfalls betont. In der gesamten Europäischen Union ist ein verbreiteter, wenngleich noch schwacher Trend zu einer größeren Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung zu erkennen. Im Jahresbericht der Europäischen Kommission zur Beschäftigung in Europa 1995 ist dazu folgendes nachzulesen: ,Obwohl die Arbeitszeiten in vielen Mitgliedstaaten zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie die Regierungen die Entwicklungen beeinflussen können, insbesondere dadurch, daß sie die rechtlichen und verwaltungstechnischen Hinder­nisse, die einer Verkürzung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit entgegenstehen (beispielsweise Bestimmungen über Teilzeitarbeit sowie über Leistungsansprüche aus der Sozialversicherung) beseitigen.‘

Wiewohl man sich auf europäischer, wie auch innerstaatlicher Ebene offensichtlich einig darüber ist, daß Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zunehmen werden und auch zunehmen sollen, wurden bis jetzt in Österreich ,Förderungsinstrumente‘ nur in sehr bescheidenem Ausmaß kreiert. Die Möglichkeit der Teilzeitkarenz und der Gleitpension sind erste Schritte in die als notwendig erkannte Richtung, allerdings sind wir der Meinung, daß diese ,Sonderteilzeitmodelle‘ auf Dauer nicht ausreichen werden. Viele Menschen scheuen in Österreich unter anderem auch deshalb vor der Ausnahme eines Teilzeitjobs zurück, weil mit dieser Entscheidung eine Reihe von negativen Folgewirkungen verknüpft sind. Anerkannte Sozialwissenschafter befürchten in diesem Zusammenhang auf Grund der erwarteten Zunahme von Teilzeitbeschäftigungsformen eine Verschärfung des wie folgt umschriebenen Problems: ,Wer etwa zwei Teilzeitbeschäftigungen ausgeübt hat, und eine dieser Beschäftigungen verliert, kann kein Arbeitslosengeld beanspruchen, wenn das Einkommen bei der verbleibenden Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze bleibt. Ein allfälliger späterer Verlust auch dieses Arbeitsplatzes führt dann zu einem besonders niedrigen Arbeitslosengeld.‘ Umgekehrt ist es im Falle bestehender Arbeitslosigkeit äußerst unattraktiv, einen Teilzeitarbeitsplatz anzunehmen, da eine Entlohnung aus einer Teilzeitbeschäftigung meist geringer ist als das zustehende Arbeitslosengeld. Die Regelung von Teilarbeitslosigkeit wird daher in nächster Zeit immer dringender; die Einführung eines Modells ähnlich dem des Schweizer Arbeitslosenversicherungsrechtes erscheint daher dringend geboten.

Nach dem Schweizer Arbeitslosenversicherungsrecht gibt es die Möglichkeit der Teilarbeitslosigkeit, wenn man eine Teilzeitbeschäftigung hat, aber eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht. Wer eine in der Terminologie des Arbeitslosenversicherungsrechtes ,nicht zumutbare‘ Beschäfti­gung annimmt, kann einen Zwischenverdienst beziehen, ohne den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren. Gleichzeitig muß der Arbeitslose weiterhin seine Bemühungen, eine zumutbare Beschäftigung zu finden, nachweisen, da ansonsten das Arbeitslosengeld gestrichen werden kann.

Die Zwischenverdienstmöglichkeit nach Schweizer Recht gibt es seit 1990, und basiert auf folgenden Eckpfeilern:


–   Nimmt jemand im Fall des Bezugs von Arbeitslosengeld einen ,Zwischenverdienst‘ an, so wird von der Differenz zwischen seiner ursprünglichen Bemessungsgrundlage (= ursprünglicher Verdienst) und dem Zwischenverdienst die Höhe des Bezugs des weiter zustehenden Arbeitslosengeld berechnet – die Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld wird also um den Zwischenverdienst gemindert. Dadurch wird auch die Annahme eines finanziell eher unattraktiven (Teilzeit-) Jobs als Zwischen­lösung akzeptabel.

–   Die Annahme eines Zwischenverdienstes verlängert die Dauer der Bezugsmöglichkeit insgesamt; wer einen Zwischenverdienst annimmt, verbraucht weniger Taggelder und ist länger bezugsberechtigt – die Zwischenverdienstmöglichkeit ist allerdings mit einem, bzw. zwei Jahren bei Arbeitslosen mit Unterhaltspflichten, beschränkt.

–   Durch die Annahme eines Zwischenverdienstes wird eine neuerliche Anspruchsvoraussetzung zum neuerlichen Bezug von Arbeitslosengeld erworben.

–   Es gibt keinen Zwang zur Annahme einer Zwischenverdienstmöglichkeit, daher auch keine Sanktionen.

Die Vorteile der Annahme des Zwischenverdienstes nach Schweizer Recht bestehen sowohl für die Betroffenen als auch für die Versicherung in mehreren Punkten; beispielhaft seien nur zwei Eckpunkte angeführt:

–   Die Arbeitslosenversicherung wird tendetiell entlastet;

–   Arbeitslose können über die Zwischenverdienstmöglichkeit ohne finanzielle Risiken einfacher als bisher Kontakte mit potentiellen Arbeitgebern knüpfen.“

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag [218/A(E)] in seiner Sitzung am 27. Mai 1997 in Verhandlung genommen. Berichterstatterin im Ausschuß war die Abgeordnete Marianne Hagenhofer.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Walter Guggenberger, Mag. Dr. Josef Trinkl, Marianne Hagenhofer, Winfried Seidinger, Heidrun Silhavy sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch. Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1997 05 27

                           Marianne Hagenhofer                                                      Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obfrau