785 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Verfassungsausschusses


über den Antrag 494/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG geändert wird,


über den Antrag 383/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG sowie das Bundesgesetz über das Volksanwaltschaftsgesetz geändert werden,

über den Antrag 272/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das B-VG sowie das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert werden,

über den Antrag 342/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG geändert wird,

sowie

über den Antrag 389/A der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen haben den Initiativantrag 494/A am 12. Juni 1997 im Nationalrat eingebracht.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Zu Z 1 und 2 (Art. 129 und 129c B-VG):

Der Verwaltungsgerichtshof ist durch Beschwerdesachen in Angelegenheiten des Aufenthalts-, des Fremden- und des Asylgesetzes überlastet. Deshalb soll ein unabhängiger Bundesasylsenat geschaffen werden, der als gerichtsähnliche Einrichtung (Tribunal), dem Verwaltungsgerichtshof vorgeschaltet, über Berufungen in Asylangelegenheiten entscheiden soll.

Nach der diesem Gesetzesvorschlag zugrunde liegenden Konzeption soll es künftig zwei Typen von unabhängigen Verwaltungssenaten geben, nämlich die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und den unabhängigen Bundesasylsenat. Abschnitt A des sechsten Hauptstücks des B-VG soll unverändert (lediglich) die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern regeln, während dem unabhängigen Bundesasylsenat ein neuer Abschnitt B desselben Hauptstückes gewidmet sein soll.

Daher ist in Art. 129 unspezifiziert von den unabhängigen Verwaltungssenaten zu sprechen, worunter beide oben erwähnten Typen zu verstehen sind. Diesselbe Bedeutung kommt dem Begriff ,unabhängiger Verwaltungssenat‘ auch an anderen Stellen außerhalb der Art. 129a und 129b B-VG, an denen er schon bisher verwendet wird, zu; dabei handelt es sich im B-VG um Art. 130 Abs. 1 lit. a und b, den neu gefaßten Art. 131 Abs. 3, Art. 132, Art. 139 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 und Art. 144 Abs. 1.

Die näheren Regelungen über den unabhängigen Bundesasylsenat sollen durch ein einfaches Bundesgesetz getroffen werden. Diesbezüglich ist auf die Gesetzesvorschläge betreffend ein Asylgesetz 1991 und ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG) zu verweisen.

Zu Z 4 (Art. 131 Abs. 3 B-VG):

Bereits die derzeitige Rechtslage sieht die Ablehnung einer Beschwerde in Verwaltungsstrafsachen durch den Verwaltungsgerichtshof unter bestimmten Voraussetzungen vor. Diese Voraussetzungen für die Ablehnung einer Beschwerde sollen auf jene Fälle erweitert werden, in denen ein unabhängiger Verwaltungssenat oder der unabhängige Bundesasylsenat als Vorinstanz entschieden hat. Die sachliche Rechtfertigung wird darin gesehen, daß sowohl die unabhängigen Verwaltungssenate als auch der unabhängige Bundesasylsenat gerichtsähnliche Einrichtungen sind. Deshalb soll der Verwaltungsgerichtshof bei Beschwerden gegen den Bescheid einer solchen Einrichtung ermächtigt werden, von der Behandlung einer Beschwerde abzusehen, wenn es sich nicht um eine Rechtsfrage handelt, der (aus beispielhaft aufgezählten Gründen) grundsätzliche Bedeutung zukommt. In Verwaltungsstrafsachen soll es jedoch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 zur Europäischen Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 628/1988, dabei verbleiben, daß die Ausübung des Ablehnungsrechtes überdies voraussetzt, daß nur ein geringe Geldstrafe verhängt wurde.

Zu Z 5 (Art. 148b Abs. 1 B-VG):

In der Praxis haben sich immer wieder Verzögerungen im Prüfverfahren durch die späte Abgabe von Stellungnahmen der geprüften Stellen ergeben. Um das Prüfungsverfahren auch im Interesse der Bürger, die sich an die Volksanwaltschaft gewandt haben, zu straffen oder zu verkürzen, soll daher eine Antwortfrist vorgesehen werden. Auf begründetes Ersuchen kann diese durch die Volksanwaltschaft erstreckt werden.

Zu Z 6 (Art. 148d B-VG):

Da die Volksanwaltschaft auch jeweils Landesvolksanwaltschaft für alle österreichischen Bundesländer – ausgenommen Tirol und Vorarlberg – ist, erscheint es gerechtfertigt, die Berichte der Volksanwaltschaft nicht nur dem Nationalrat, sondern auch dem Bundesrat vorzulegen. Die Länderkammer soll damit die Gelegenheit erhalten, sich mit den von der Volksanwaltschaft angesprochenen Fragen – insbesondere auch den in den Bericht enthaltenen Anregungen – auseinanderzusetzen.“

Die Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen haben den Initiativantrag 383/A am 23. Jänner 1997 im Nationalrat eingebracht.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Die Zuständigkeiten der Volksanwaltschaft waren in der Vergangenheit öfters Gegenstand der Diskussion. Die vorgeschlagene Regelung ermöglicht hier eine Klarstellung und eine Erweiterung der Prüfungskompetenz in Richtung ausgegliederter Unternehmungen, aber auch Fonds, Stiftungen oder Anstalten, die von Organen des Bundes verwaltet werden. Denn hier folgt die neue Regelung derjenigen des Rechungshofes und erlaubt somit der Volksanwaltschaft als Organ des Parlaments die gleichen Rechte wie sie der Rechnungshof schon hat. Damit wird auch verhindert, daß durch Ausgliederungen diese Einrichtungen der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft entzogen werden.

Wesentlich ist auch die nun eingeräumte Möglichkeit, daß die Volksanwaltschaft ihre Ersuchen mit einer verbindlichen Frist versehen kann. Denn wie gerade der letzte Bericht der Volksanwaltschaft gezeigt hat, macht sich in manchen Ministerien eine Praxis breit, auf Ersuchen der Volksanwaltschft erst gar nicht oder erst mit erheblicher Verzögerung zu reagieren.

Die Änderung zum Bestellungsvorgang ergibt sich aus der geänderten politischen Situation im Nationalrat. Das Gesetz entstammt einer Zeit, als es nur drei Fraktionen im Hohen Hause gab. Nun soll jeder im Parlament vertretenen Partei die Möglichkeit eingeräumt werden, ein Mitglied für den Gesamtvorschlag namhaft zu machen.“

Die Abgeordneten Mag. Terizija Stoisits und Genossen haben den Initiativantrag 272/A am 11. Juli 1996 im Nationalrat eingebracht.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Aufgabe der Volksanwaltschaft ist die Prüfung von Mißständen in der Verwaltung. Vielfach haben von den Bürger/inne/n wahrgenommene Mißstände ihren Grund aber nicht in einem Fehlverhalten der Verwaltung, sondern in legislativen Unzukömmlichkeiten. Die Berichte der Volksanwaltschaft enthalten daher seit langem legislative Anregungen. Die Anregungen umfassen im 18. Bericht der Volks­anwaltschaft zB bereits 28 Seiten.

Vor diesem Hintergrund erscheint den Antragsteller/inne/n die Einbindung der Volksanwaltschaft in den Gesetzgebungsprozeß nicht weitreichend genug zu sein. Der vorliegende Antrag zielt daher auf eine Intensivierung dieser Einbindung:

           1. Der Volksanwaltschaft soll die Möglichkeit eröffnet werden, an den Nationalrat Gesetzesanträge zu richten. Dadurch würde der Volksanwaltschaft die Möglichkeit erhalten, im Falle gravierender legislativer Mißstände den Nationalrat zu zwingen, sich mit seiner Anregung auseinanderzusetzen.

           2. Zur Zeit dürfen die Volksanwälte den Sitzungen des Nationalrats nur in sehr eingeschränktem Umfang – nämlich bei der Behandlung der Berichte der Volksanwaltschaft sowie bei den die Volksanwaltschaft betreffenden Budgetkapiteln – beiwohnen. Dagegen sieht der vorliegende Antrag vor, daß die Mitglieder der Volksanwaltschaft prinzipiell an allen Beratungen des Nationalrats und seiner Ausschüsse – mit Ausnahme der Untersuchungsausschüsse und des ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses – teilnehmen können. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden insoweit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt. Auch auf diesem Weg könnten die Volksanwälte auf den Nationalrat einwirken, wahrgenommene Mißstände abzustellen. Darüber hinaus könnten sozusagen präventiv Gesichtspunkte einer bürgerfreundlicheren Gesetzgebung eingebracht werden.

Ein Teilnahmerecht an Sitzungen des Bundesrates und der Bundesversammlung ist im vorliegenden Antrag dagegen nicht vorgesehen. Dies deshalb, weil im Bundesrat Abänderungen des beschlossenen Gesetzestextes nicht mehr möglich sind, der Sinn der vorgeschlagenen Regelung aber gerade darin besteht, Änderungen an der Gesetzesvorlage anzuregen.

Zwischen dem Tätigkeitsbereich der Bundesversammlung und dem der Volksanwaltschaft fehlt es von vornherein an Überschneidungen.

Das Teilnahmerecht der Volksanwälte/Volksanwältinnen wird im vorliegenden Antrag nicht auf – zB vorberatende – Ausschüsse eingeschränkt. In Ausnahmefällen kann es nach Einschätzung der Antragsteller/innen nämlich auch sinnvoll sein, daß die Volksanwaltschaft zB an den Beratungen des Hauptausschusses (etwa in EU-Angelegenheiten) teilnimmt.“

Die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen haben den Intitiativantrag 342/A am 29. November 1996 im Nationalrat eingebracht.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Mit den vorliegenden Antrag soll das allgemeine Gleichheitsgebot der Bundesverfassung (Art. 7 Abs. 1 B-VG) um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung von Behinderten ergänzt werden.

Man sollte meinen, es sei eine Selbstverständlichkeit, daß behinderte Menschen nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden dürfen. Leider gehört es aber zur Alltagserfahrung von Behinderten, daß sie diskriminiert werden, bis hin zum bewußten Ausschluß aus dem sozialen Leben. Dies zeigen auch Berichte in den Medien, wonach Behinderte aus Lokalen gewiesen werden, weil sich andere Gäste durch ihren Anblick belästigt fühlen könnten.

Darüber hinaus ist es aber ungeachtet vieler Bemühungen noch immer Realität, daß Behinderte nicht in gleicher Weise die Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglicht wird wie Nichtbehinderten und daß dies auch durch im Ergebnis diskriminierende Rechtsvorschriften herbeigeführt wird.

Es ist daher erforderlich, daß in die Bundesverfassung ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufgenommen wird. Durch die vorgeschlagene Textierung wird ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht geschaffen, das vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbar ist. Anders als der allgemeine Gleichheitssatz, der nur für Staatsbürger gilt, soll dieses Diskriminierungsverbot aber für jeden Menschen gelten. Es wird daher im Ausschuß auch zu erörtern sein, ob nicht aus diesem Grund diese Vorschrift in einen eigenen Absatz des Art. 7 aufgenommen werden sollte.

Die vorgeschlagene Formulierung soll folgenden rechtlichen Gehalt zum Ausdruck bringen:

Soweit im Rahmen der Hoheitsverwaltung Behinderte diskriminiert werden, werden sie in ihrem durch diese Bestimmung eingeräumten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt und können dies vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Das Diskriminierungsverbot gilt aber darüber hinaus auch im Verhältnis zwischen Privatrechtsträgern, wobei es – so wie das Grundrecht auf Datenschutz – vor den ordentlichen Gerichten durchzusetzen ist. Die Bestimmung bietet darüber hinaus einen Beurteilungs­maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generellen Rechtsnormen, insbesondere auch dahin, daß Rechtsvorschriften, die die Benachteiligung durch Behinderungen ausgleichen sollen, zulässig und erforderlich sind.

Die Antragsteller treten darüber hinaus für die Aufnahme eines verfassungsgesetzlichen Auftrages an Gesetzgebung und Vollziehung ein, durch besondere Maßnahmen dafür zu sorgen, daß allen behinderten Menschen die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglicht wird. Einen solchen Verfassungsauftrag enthält Art. 9 des von der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion eingebrachten Antrages betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über wirtschaftliche und soziale Rechte. Sollte es nicht zur Beschlußfassung dieses Bundesverfassungsgesetzes kommen, könnte dieser Verfassungsauftrag isoliert im Rahmen des gegenständlichen Antrages verwirklicht werden.“

Die Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen haben den Initiativantrag 389/A am 29. Jänner 1997 im Nationalrat eingebracht.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Mit dem vorliegenden Antrag soll an das allgemeine Gleichheitsgebot in Art. 7 Abs. 1 der Bundesverfassung ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung von Behinderten angefügt werden. Diese Regelung ist analog dem mit einer Novelle im Jahr 1994 im Bonner Grundgesetz eingefügten Diskriminierungsverbot gestaltet.

Die vorgeschlagene Novellierung erscheint deswegen notwendig, da es noch immer nicht selbstverständlich sein dürfte, behinderte Menschen im alltäglichen Leben wegen ihrer Behinderung nicht zu diskriminieren. Daher soll in einem neuen Art. 7 Abs. 2 nicht nur eine Nichtdiskriminierungs­klausel aufgenommen werden, sondern auch ein Bekenntnis der Republik aufgenommen werden, auf die Gleichbehandlung von behinderten Menschen in allen Bereichen hinzuwirken.

Diese Bestimmung ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet, die allen Gebietskörperschaften die Verpflichtung auferlegen soll, sich vermehrt um die Förderung und Unterstützung von behinderten Menschen zu kümmern und auf deren Gleichbehandlung in allen Bereichen hinzuwirken. Derartige Staatszielbestimmungen wurden unter anderem bereits mit dem Bekenntnis Österreichs zur umfassenden Landesverteidigung und mit dem Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz verwirklicht.

Gemäß der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz verbietet dieser es dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen. Nur dann, wenn gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden tatsächlich ableitbar sind, entspricht das Gesetz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Es wird daher regelmäßig geprüft, ob eine rechtliche Differenzierung mit tatsächlichen Unterschieden in einer Weise korrespondiert, die sachlich gerechtfertigt werden kann.

Dieser innere Gehalt des Gleichheitssatzes soll durch das explizite Verbot der Diskriminierung von Behinderten nicht verändert, sondern zusätzlich bekräftigt werden, daß auch bei einer auftretenden Ungleichbehandlung von behinderten Menschen der Verfassungsgerichtshof diese immer auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen hat. Die vorliegende Nichtdiskriminierungsklausel verbietet demgegenüber aber nicht eine Bevorzugung Behinderter, sondern erlaubt und fordert sie in einem dem gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum überlassenen Umfang.“

Der Verfassungsausschuß hat die erwähnten Anträge in seiner Sitzung am 26. Juni 1997 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Maria Rauch-Kallat, Dr. Peter Kostelka, Theresia Haidlmayer, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Volker Kier, Dr. Michael Krüger, Dr. Günther Kräuter, Dr. Martin Graf, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits  sowie Mag. Dr. Heide Schmidt.

Die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol brachten einen Abänderungsantrag zum Initiativantrag 494/A ein.

Weiters brachten die Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Maria Rauch-Kallat, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Volker Kier und Theresia Haidlmayer zum oberwähnten Initiativantrag einen Abänderungsantrag ein. Dieser Abänderungsantrag war wie folgt begründet:

„Mit dem vorliegenden Antrag soll an das allgemeine Gleichheitsgebot in Art. 7 Abs. 1 der Bundes­verfassung ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung von Behinderten angefügt werden. Diese Regelung ist analog dem mit einer Novelle im Jahr 1994 im Bonner Grundgesetz eingefügten Diskrimi­nierungsverbot gestaltet.

Die vorgeschlagene Novellierung erscheint deswegen notwendig, da es noch immer nicht selbst­verständlich sein dürfte, behinderte Menschen im alltäglichen Leben wegen ihrer Behinderung zu diskriminieren. Daher soll in Art. 7 Abs. 1 nicht nur eine Nichtdiskriminierungsklausel aufgenommen werden, sondern auch ein Bekenntnis der Republik aufgenommen werden, auf die Gleichbehandlung von behinderten Menschen in allen Bereichen hinzuwirken.

Diese Bestimmung ist als Staatszielbestimmung ausgestaltet, die allen Gebietskörperschaften die Verpflichtung auferlegen soll, sich vermehrt um die Förderung und Unterstützung von behinderten Menschen zu kümmern und auf deren Gleichbehandlung in allen Bereichen hinzuwirken. Derartige Staatszielbestimmungen wurden unter anderem bereits mit dem Bekenntnis Österreichs zur umfassenden Landesverteidigung und mit dem Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz verwirklicht.


Gemäß der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz verbietet dieser es dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen. Nur dann, wenn gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden tatsächlich ableitbar sind, entspricht das Gesetz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Es wird daher regelmäßig geprüft, ob eine rechtliche Differenzierung mit tatsächlichen Unterschieden in einer Weise korrespondiert, die sachlich gerecht­fertigt werden kann.

Dieser innere Gehalt des Gleichheitssatzes soll durch das explizite Verbot der Diskriminierung von Behinderten nicht verändert, sondern zusätzlich bekräftigt werden, daß auch bei einer auftretenden Ungleichbehandlung von behinderten Menschen der Verfassungsgerichtshof diese immer auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen hat. Die vorliegende Nichtdiskriminierungsklausel verbietet demgegenüber aber nicht eine Bevorzugung Behinderter, sondern erlaubt und fordert sie in einem dem gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum überlassenen Umfang. Eine Drittwirkung wird mit dieser Bestimmung nicht begründet.“

Bei der Abstimmung wurde der im Antrag 494/A enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der oberwähnten Abänderungsanträge in der diesem Bericht beigedruckten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die Anträge 383/A, 272/A, 342/A und 389/A sind als miterledigt anzusehen.

Darüber hinaus stellt der Verfassungsausschuß zum Antrag 494/A fest:

„Zu Art. 73 Abs. 1 letzter Satz hält der Ausschuß fest, daß er für alle Mitglieder der Bundesregierung, also auch für Bundeskanzler und Vizekanzler, gilt.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1997 06 26

                             Dr. Elisabeth Hlavac                                                          Dr. Peter Kostelka

                                 Berichterstatterin                                                                         Obmann

Anlage

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. …/1997, wird wie folgt geändert:

1. Art 7 Abs. 1 wird wie folgt ergänzt:

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“

2. Art. 69 Abs. 2 und 3 lauten:

„(2) Der Vizekanzler ist zur Vertretung des Bundeskanzlers in dessen gesamtem Wirkungsbereich berufen. Für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers betraut der Bundespräsident ein Mitglied der Bundesregierung mit der Vertretung. Sind der Bundeskanzler und der Vizekanzler gleichzeitig verhindert, ohne daß ein Vertreter bestellt worden ist, so wird der Bundes­kanzler durch das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter durch das an Jahren älteste, nicht verhinderte Mitglied der Bundesregierung vertreten.

(3) Die Bundesregierung ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.“

3. Art 73 Abs. 1 lautet:

„(1) Im Falle der zeitweiligen Verhinderung eines Bundesministers betraut der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem zu vertretenden Bundesminister oder, falls dies nicht möglich ist, im Einvernehmen mit dem Vizekanzler einen der Bundesminister, einen dem ver­hinderten Bundesminister beigegebenen Staatssekretär oder einen leitenden Beamten des betreffenden Bundesministeriums mit der Vertretung. Dieser Vertreter trägt die gleiche Verantwortung wie ein Bun­desminister (Art. 76). Ein Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt nicht als Verhinderung.“

4. Dem Art. 73 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Ein Mitglied der Bundesregierung, das sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhält, kann seine Angelegenheiten im Nationalrat oder Bundesrat durch einen ihm beigegebenen Staatssekretär oder einen anderen Bundesminister wahrnehmen lassen. Ein Mitglied der Bundes­regierung, das nicht vertreten ist, kann sein Stimmrecht in der Bundesregierung einem anderen Bundes­minister übertragen; seine Verantwortlichkeit wird dadurch nicht berührt. Das Stimmrecht kann nur einem Mitglied der Bundesregierung übertragen werden, das nicht bereits mit der Vertretung eines anderen Mitgliedes der Bundesregierung betraut ist und dem nicht schon ein Stimmrecht übertragen worden ist.“

5. In Art. 129 entfällt die Wortfolge „in den Ländern“.

6. Nach Art. 129b wird folgender Abschnitt eingefügt:

„B. Unabhängiger Bundesasylsenat

Artikel 129c. (1) Durch Bundesgesetz kann ein weiterer unabhängiger Verwaltungssenat als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen eingerichtet werden (unabhängiger Bundesasylsenat).

(2) Der unabhängige Bundesasylsenat besteht aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertretenden Vorsitzenden und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern. Die Mitglieder werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Die Ernennung ist eine solche auf unbestimmte Dauer.

(3) Die Mitglieder des Senates sind bei Besorgung der ihnen zukommenden Aufgaben an keine Weisungen gebunden. Die Geschäfte sind vom unabhängigen Bundesasylsenat als Kollegium auf die Mitglieder jährlich im voraus zu verteilen; eine nach dieser Einteilung einem Mitglied zufallende Sache darf ihm nur im Falle der Behinderung durch Verfügung des Vorsitzenden abgenommen werden.

(4) Ein Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates kann seines Amtes nur durch die Vollver­sammlung enthoben werden. Ein Mitglied ist zu entheben, wenn es

           1. schriftlich darum ansucht,

           2. die österreichische Staatsbürgerschaft verliert,

           3. infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seinen Aufgaben als Mitglied des Senates nicht erfüllen kann (Amtsunfähigkeit) und die Wiedererlangung der Amtsfähigkeit voraus­sichtlich ausgeschlossen ist,

           4. infolge von Krankheit, Unfall oder Gebrechen länger als ein Jahr vom Dienst abwesend war und amtsunfähig ist oder

           5. der Bestimmung des Abs. 5 nicht entspricht.

(5) Die Mitglieder des Senates müssen rechtskundig sein. Sie dürfen während der Ausübung ihres Amtes keine Tätigkeit ausüben, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihres Amtes hervorrufen könnte.

(6) Die näheren Bestimmungen werden durch Bundesgesetz getroffen. Darin wird insbesondere geregelt, in welchen Angelegenheiten der Senat durch mehrere und in welchen Angelegenheiten er durch einzelne Mitglieder entscheidet.“

7. Die bisherigen Abschnitte B und C werden als Abschnitte C und D bezeichnet.

8. Art. 131 Abs. 3 lautet:

„(3) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Ver­waltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Recht­sprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn nur eine geringe Geldstrafe verhängt wurde.“

9. Art. 148d lautet:

„Artikel 148d. Die Volksanwaltschaft hat dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft haben das Recht, an den Verhandlungen über die Berichte der Volksanwaltschaft im Nationalrat und im Bundesrat sowie in deren Ausschüssen (Unterausschüssen) teilzunehmen und auf ihr Verlangen jedesmal gehört zu werden. Dieses Recht steht den Mitgliedern der Volksanwaltschaft auch hinsichtlich der Verhandlungen über die die Volksanwalt­schaft betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes im Nationalrat und in seinen Ausschüssen (Unterausschüssen) zu. Näheres bestimmen das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und die Geschäftsordnung des Bundesrates.“

10. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 17 angefügt:

„(17) Art. 69 Abs. 2 und 3, Art. 73 Abs. 1, Art. 73 Abs. 3 sowie Art. 148d in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I …/1997 treten mit 1. September 1997, Art. 129, Abschnitt B des sechsten Hauptstückes, Art. 131 Abs. 3 und die neuen Abschnittsbezeichnungen im sechsten Hauptstück treten mit 1. Jänner 1998 in Kraft.“