789 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Rechnungshofausschusses


betreffend den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG zur Untersuchung der Abwicklung der Kompensationsgeschäfte im Rahmen von Beschaffungen des Bundesheeres in den Jahren 1983 bis 1995

Der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses hat den im Titel erwähnten Bericht gemäß § 32e Abs. 4 erster Satz GOG vorgelegt.

Der Rechnungshofausschuß hat den gegenständlichen Bericht am 1. Juli 1997 unter Beiziehung des Präsidenten des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler als Auskunftsperson gemäß § 40 Abs. 1 GOG in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Herbert Scheibner, Anton Leikam, Georg Wurmitzer, Hans Helmut Moser, Ute Apfelbeck, Wolfgang Jung, Otmar Brix, Dr. Karl Maitz und der Ausschußobmann Andreas Wabl.

Der Rechnungshofausschuß hat gemäß § 32e Abs. 4 zweiter Satz GOG mit Stimmenmehrheit beschlossen, den Bericht des Ständigen Unterausschusses als Verhandlungsgegenstand dem Nationalrat vorzulegen. Weiters beschloß der Rechnungshofausschuß mit Stimmenmehrheit dem Hohen Hause die Kenntnisnahme dieses Berichtes zu empfehlen.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Willi Sauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Rechnungshofausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle

           1. den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG zur Untersuchung der Abwicklung der Kompensationsgeschäfte im Rahmen von Beschaf­fungen des Bundesheeres in den Jahren 1983 bis 1995 (Zu 789 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen;

           2. diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1997 07 01

                                    Willi Sauer                                                                      Andreas Wabl

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann

Anlage

Minderheitsbericht

der Abgeordneten Scheibner, Moser und Wabl

gemäß § 42 Abs. 4 GOG zum Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG zur Untersuchung der Abwicklung der Kompensationsgeschäfte im Rahmen von Beschaffungen des Bundesheeres in den Jahren 1983 bis 1995

A. Einleitung


In der 49. Sitzung des Nationalrates vom 29. November 1996 hat ein Viertel der Mitglieder des National­rates gemäß § 32c Abs. 2 GOG das Verlangen auf Prüfung aller Kompensationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungen des Bundesheeres ab dem Zeitpunkt 1. Jänner 1983 gestellt. Maßgebend für diesen Antrag war der Umstand, daß sich bei der Beratung des Sonderberichtes des Rechnungshofes über das Beschaffungswesen des Bundesheeres, Dritter Teilbericht (III-34 der Beilagen), im Rechnungshof­ausschuß bezüglich der Rolle von Kompensationsgeschäften Hinweise darauf ergeben haben, wonach beim Beschaffungsvorgang von leichten Fliegerabwehrlenkwaffen nicht militärische, sondern volkswirt­schaftliche Erwägungen im Zusammenhang mit Kompensationsgeschäften für die Entscheidung über die Beschaffung maßgebend waren. Außerdem ergaben sich bei der Beratung widersprüchliche Aussagen über den Stand der Abwicklung der Kompensationsgeschäfte.

Es handelt sich dabei um den ersten Prüfungsauftrag, der dem Ständigen Unterausschuß des Rech­nungshofausschusses, der im Rahmen der Geschäftsordnungsnovelle 1993 mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 569/1993 geschaffen wurde, erteilt wurde. Insoweit lagen dem Ausschuß zu Beginn seiner Prüfungstätigkeit keinerlei Erfahrungen hinsichtlich seiner Tätigkeit, insbesondere auch hinsichtlich der Anwendung von Verfahrensbestimmungen, vor.

B. Beratungen und Beschlüsse des Ständigen Unterausschusses

Der Ständige Unterausschuß nahm seine Beratungen über den Prüfungsauftrag am 13. Dezember 1996 auf.

Weitere Sitzungen fanden am 16. Jänner 1997, 13. Februar 1997, 19. Februar 1997, 4. März 1997, 13. März 1997 und 6. Juni 1997 statt.

In der Sitzung vom 13. Dezember 1996 wurde Einvernehmen darüber erzielt, zunächst die folgenden Fragen zu klären:

1.  Bei welchen Beschaffungsvorgängen wurden seit 1983 Kompensationsgeschäfte von wem, aus welchem Grund, in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen vereinbart?

2.  Unter welchen Voraussetzungen ist ein Lieferungs- oder Leistungsgeschäft im Rahmen eines Beschaffungsvorganges als Kompensationsgeschäft zu qualifizieren?

2. a) Gibt es Richtlinien, in denen diese Voraussetzungen festgehalten sind?

3.  Welche Bewertungskritierien wurden bei den Kompensationsgeschäften angewendet?

Dieser einvernehmliche Wunsch wurde von der Obfrau des Ständigen Unterausschusses des Rechnungs­hofausschusses als Ersuchen um Einleitung von diesbezüglichen Erhebungen an den Präsidenten weitergeleitet und von diesem zum Gegenstand von entsprechenden Schreiben an die Bundesminister für Landesverteidigung und für wirtschaftliche Angelegenheiten gemacht.

Am 16. Jänner 1997 wurden folgende Anträge einstimmig zum Beschluß erhoben:

a) „Antrag der Abgeordneten Scheibner, Wabl, Moser und Kollegen betreffend Prüfung aller Kompen­sationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungen des Bundesheeres ab dem Zeitpunkt 1. Jänner 1983 durch den Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e GOG.

Es wird beantragt, die mit folgenden Beschaffungsvorgängen im Zusammenhang stehenden Kompen­sationsgeschäfte zu prüfen:

Land

Firma

Produkt

CH

Contraves

Feuerleitsysteme, Schulflugzeuge, Leuchtspurpatronen, Trainingssi­mulator, Fliegerabwehrkanonen, Schulflugzeuge, Übungsgeschoß­patronen, Ersatzteile für Maschinenkanonen, Vollmodifikation für 3,5 Z/Flak, Feuerleitgerät SKYGUARD, Modifikationssätze für Interphon-Anlagen und optische Zielzuweiser, Feldkraftwagen, Überwachungseinheiten, Ersatzteilstock für 3,5 cm Flak

F

Thomson-CSF

Radarzulieferung 1990

B

FN

Waffensysteme für Schulflugzeuge

S

Saab-Scania

Im Zusammenhang mit dem Ankauf des LRÜ-Systemes

S

Bofors

Hohlladungslenkflugkörper 63 Stück, Hohlladungslenkflugkörper 275 Stück, Panzerabwehrsysteme 48 Stück

F

Matra

Boden-Luft-Raketen, Wärmeleitgerät, Simulator

IL

Tadiran

Tragbare Kurzwellenfunkgeräte

F

Thomson

Radaranlagen

Weiters wird beantragt, den Bundesminister für Landesverteidigung und den Bundesminister für wirt­schaftliche Angelegenheiten zu ersuchen, alle mit den oben genannten Kompensationsgeschäften im Zusammenhang stehenden Unterlagen bis längstens 31. Jänner 1997 zu übermitteln.

Die Prüfung weiterer Geschäftsfälle bleibt vorbehalten.“

b) Weiters wurde der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes einstimmig ersucht, „ein schriftliches Gutachten über die rechtlichen Grundlagen von Beschaffungsvorgängen des Bundesheeres und der damit zusammenhängenden Kompensationsgeschäfte (Gegengeschäfte) zu erstellen“.

Dabei war insbesondere auch die Rechtsqualität der zugrundeliegenden Rechtsnormen (zB Gesetze, Verordnungen, Ministerratsbeschlüsse, Erlässe, generelle und individuelle Weisungen) und ihre Stellung in der Rechtsordnung zu prüfen.

Das Gutachten sollte dem Ausschuß bis längstens 28. Februar 1997 übermittelt werden.

c) Schließlich wurden „das Bundesministerium für Landesverteidigung und das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht, dem Unterausschuß alle den Verhandlungsgegenstand betref­fenden Rechtsnormen (zB Verordnungen, Erlässe, Weisungen) ehestens zu übermitteln“.

Am 19. Februar 1997 wurde Einstimmigkeit über den Antrag des Abgeordneten Hans Helmut Moser erzielt, „den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu ersuchen, den dem Unterausschuß bereits vorgelegten Erhebungsbericht um einen weiteren Erhebungsbericht im Sinne des Schreibens des Präsidenten des Nationalrates vom 17. Jänner 1997 zu den in der Anlage (entspricht der oben erwähnten Liste) angeführten Beschaffungsvorgängen in den Bereichen

–   Kaufverträge,

–   Gegengeschäftsvereinbarungen,

–   Stellungnahmen und Gutachten externer Institute,

–   Informationen an den Bundesminister, die in Zusammenhang mit Kompensationsgeschäften stehen,

zu ergänzen“.

Der Ständige Unterausschuß hat folgende Auskunftspersonen angehört:

BM für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend,

BM für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner,

Generaltruppeninspektor Karl Majcen (BMLV),

Gen. Dr. Peter Corrieri (BMLV),

Dvr. Ing. Mag. Dr. Ernst Hladik (BMLV),

Univ.-Prof. Dr. Helmut Kramer (WIFO),

Sektionsleiter Mag. Josef Stiegler (BMwA),

Ministerialrat Dkfm. Dr. Wolfgang Vondruska (BMwA),

Dkfm. Gottfried Taurer (AOEM),

Mag. Helmut Weiser (AOEM).

In der Sitzung vom 6. Juni 1997 wurde mit den Stimmen der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP der Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG zur Untersuchung der Abwicklung der Kompensationsgeschäfte im Rahmen von Beschaffung des Bundes­heeres in den Jahren 1983 bis 1995 angenommen.

C. Verfahren des Ständigen Unterausschusses

Es ist festzuhalten, daß zwischen der Vorsitzenden des Ständigen Unterausschusses und dem Präsidenten des Nationalrates Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Geschäftsordnung aufgetreten sind, die bis jetzt nicht ausgeräumt werden konnten.

Die Vorsitzende des Ständigen Unterausschusses hat dabei in dem an den Präsidenten des Nationalrates gerichteten Schreiben vom 21. Jänner 1997 folgende Auffassung vertreten:

„Der Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses hat in seiner Sitzung vom 16. Jänner 1997 ua. einstimmig beschlossen, den Bundesminister für Landesverteidigung und den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu ersuchen, alle mit den in einem Antrag der Abgeordneten Scheibner, Wabl, Moser und Kollegen näher bezeichneten Kompensationsgeschäften in Zusammenhang stehenden Unterlagen bis längstens 31. Jänner 1997 zu übermitteln.

Der Ständige Unterausschuß hat diesen Beschluß in Erfüllung des ihm gemäß § 32e Abs. 2 GOG erteilten Auftrages gefaßt, alle Kompensationsgeschäfte im Zuge von Beschaffungen des Bundesheeres ab dem Zeitpunkt 1. Jänner 1983 im Sinne des § 99 Abs. 2 GOG zu prüfen.

Nach diesem Auftrag hat der Ständige Unterausschuß einen besonderen Akt der Gebarungsüberprüfung bezüglich eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung (Art. 122 Abs. 1 B-VG) durchzuführen. Er tritt in Erfüllung dieser Aufgabe an Stelle des sonst als Hilfsorgan des Nationalrates fungierenden Rechnungshofes, wobei ihm zur Erfüllung dieser Aufgabe auch alle sonst dem Rechnungshof zukommenden Befugnisse übertragen sind (zB insbesondere die in §§ 2, 3 und 4 RHG genannten Prüfungsbefugnisse). Seine Prüfungsbefugnis erstreckt sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit sowie der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweck­mäßigkeit und darf sich nicht auf die bloß ziffernmäßige Nachprüfung beschränken. Eine erfolgreiche Erfüllung seiner Aufgaben wäre auch nicht denkbar, wenn die Akteneinsicht Beschränkungen unterläge. Die der Überprüfung durch den Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses unterliegenden Stellen haben daher die Anfragen ohne Verzug vollinhaltlich und unmittelbar zu beantworten, alle abverlangten Auskünfte zu erteilen und jedem Verlangen zu entsprechen, das zum Zwecke der Durch­führung der Kontrolle gestellt wird.

Nach § 40 Abs. 1 GOG haben die Ausschüsse das Recht, durch den Präsidenten die Mitglieder der Bundesregierung um die Einleitung von Erhebungen zu ersuchen oder Sachverständige oder andere Auskunftspersonen zu mündlichen oder schriftlichen Äußerung einzuladen, sind mit dieser Einladung Kosten verbunden, so ist die Zustimmung des Präsidenten erforderlich.

Die genannte Bestimmung ist gemäß § 35 Abs. 7 GOG auf Unterausschüsse anzuwenden. Sie vermag jedoch in keiner Weise die dem Ständigen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses bei Durch­führung einer Gebarungsprüfung zukommenden Rechte abschließend zu umschreiben, da die Einleitung von Erhebungen der zu prüfenden Stelle oder die Ladung von Sachverständigen oder anderen Auskunfts­personen keinesfalls als Inhalt einer Gebarungsprüfung angesehen werden können. Es erweist sich somit, daß dieser Bestimmung im gegebenen Zusammenhang keine Relevanz zukommt und auch der Auftrag, Akten beizuschaffen, nicht auf sie gestützt werden kann. Keinesfalls kann der Auftrag zur Beischaffung von Akten in den Auftrag zur Einleitung von Erhebungen durch die zu prüfenden Stelle umgedeutet werden, da dieses letztlich darauf hinauslaufen würden, daß die zu prüfende Stelle über Umfang und Inhalt der Prüfung selbst bestimmen könnte.

Wenn auch der Gesetzgeber bei Schaffung der Einrichtung des Ständigen Unterausschusses des Rech­nungshofausschusses (BGBl. Nr. 569/1993) keine klaren Verfahrensregelungen getroffen hat, so ist dennoch in der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 99 Abs. 2 GOG die eindeutige Absicht zu erkennen, als Ausfluß des parlamentarischen Interpellationsrechtes ein Instrument zu schaffen, dem die Befugnisse des in diesem Kontrollbereich sonst tätigen Rechnungshof zukommen sollen.“

Der Präsident des Nationalrates teilte der Vorsitzenden mit Schreiben vom 18. Februar 1997 bezugnehmend auf die Stellungnahme des Rechts- und Legislativdienstes der Parlamentsdirektion mit, daß er diese Auffassung nicht teile. Der Präsident des Nationalrates vertrat im wesentlichen die Auffassung, der Ständige Unterausschuß habe lediglich das Recht, im Sinne des § 40 Abs. 1 GOG durch ihn die Mitglieder der Bundesregierung um die Einleitung von Erhebungen zu ersuchen oder Sachver­ständige oder andere Auskunftspersonen zu mündlichen oder schriftlichen Äußerungen einzuladen. Darauf ersuchte die Vorsitzende den Präsidenten mit Schreiben vom 4. März 1997, die Präsidialkon­ferenz mit der Angelegenheit zu befassen. Eine Entscheidung der Frage ist jedoch seither nicht erfolgt.

Die Unklarheiten über die Anwendung der Geschäftsordnung des Nationalrates führten jedoch zu inter­fraktionellen Gesprächen, in deren Verlauf der Klubvorsitzende der SPÖ Dr. Peter Kostelka und der Klubobmann der ÖVP Dr. Andreas Khol gegenüber den Oppositionsparteien am 6. Juni 1997 hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise folgendes schriftlich erklärten:

„1.  Abschluß der Unterausschußberatungen; Berichterstattung des Unterausschusses mit Mehrheits­beschluß am heutigen Tag.

  2. Beratung des Berichtes im Rechnungshofausschuß am 1. Juli 1997, wobei in dieser Sitzung ein Bericht an das Plenum beschlossen werden soll. Naturgemäß kann einem solchen Bericht ein Minderheitenbericht oder eine abweichende Stellungnahme angeschlossen werden.

  3. Beratung des Berichtes des Rechnungshofausschusses in der Juli-Plenar-Woche.

  4. Im Rahmen der nächsten Geschäftsordnungsreform werden sich die beiden Klubobmänner dafür einsetzen, daß mit einer Spezialbestimmung es dem Unterausschuß des Rechnungshofausschusses ermöglicht wird, dem Hauptbericht Minderheitsberichte oder abweichende Stellungnahmen anzu­schließen.“

Die dargestellten Meinungsverschiedenheiten zeigen jedenfalls, daß die Bestimmungen der Geschäfts­ordnung des Nationalrates für eine zielführende Tätigkeit des Ständigen Unterausschusses nicht aus­reichen. Es ist daher unbedingt erforderlich, die Geschäftsordnung durch klare Regelungen betreffend das Verfahren des Ständigen Unterausschusses zu ergänzen. Dadurch muß der Ständige Unterausschuß in die Lage versetzt werden, besondere Akte der Gebarungsüberprüfung bezüglich eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung (Art. 122 Abs. 1 B-VG) tatsächlich durchzuführen. Er tritt in Erfüllung dieser Aufgabe an Stelle des sonst als Hilfsorgan des Nationalrates fungierenden Rechnungshofes, wobei ihm zur Erfüllung dieser Aufgabe auch alle sonst dem Rechnungshof zukommenden Befugnisse übertragen werden müssen (zB insbe­sondere die in §§ 2, 3 und 4 RHG genannten Prüfungsbefugnisse). Seine Prüfungsbefugnis muß sich daher auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit sowie der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweck­mäßigkeit erstrecken und darf sich nicht auf die bloß ziffernmäßige Nachprüfung beschränken. Eine erfolgreiche Erfüllung seiner Aufgaben wäre auch nicht denkbar, wenn die Akteneinsicht Beschrän­kungen unterläge. Die der Überprüfung durch den Ständigen Unterausschuß des Rechnungshof­ausschusses unterliegenden Stellen müssen daher verhalten werden, Anfragen ohne Verzug vollinhaltlich und unmittelbar zu beantworten, alle abverlangten Auskünfte zu erteilen, Akten (im Original) vorzulegen und jedem Verlangen zu entsprechen, das zum Zwecke der Durchführung der Kontrolle gestellt wird.

D. Prüfung der Kompensationsgeschäfte

Es steht fest, daß bei allen acht Beschaffungsvorgängen, die im Antrag vom 16. Jänner 1997 genannt sind, Kompensationsgeschäfte vereinbart wurden. Dahingestellt bleiben kann, ob die Vereinbarung von Kompensationsgeschäften grundsätzlich positiv zu werten ist. Im Zusammenhang mit Beschaffungs­vorgängen des Bundesheeres wird allgemein davon ausgegangen, daß derartige Geschäfte dann geeignet sein könnten, als „Türöffner“ den Zugang zu neuen Märkten zu öffnen und außerdem in weiterer Folge tatsächlich zusätzliche Nachfrage für Produkte mit österreichischer Wertschöpfung und zusätzliche Strukturverbesserung für die heimische Wirtschaft zu bewirken, wenn im Anbieterland Marktbarrieren wie oligopolistische Marktstrukturen und staatlicher Einfluß im industriellen Bereich den Zugang zum Markt erheblich behindern.

Die Vereinbarung von Kompensationsgeschäften darf aber keineswegs bewirken, daß die militärischen Notwendigkeiten bei den Beschaffungsvorgängen in den Hintergrund treten. Für die Zuschlagserteilung im Beschaffungsvorgang muß gesichert sein, daß die militärischen Anforderungen an das Gerät (militä­risches Pflichtenheft) erfüllt sind. Dies ist auch entsprechend rechtlich abzusichern. Da dies derzeit nicht der Fall ist, kann der Einfluß außermilitärischer Aspekte, so auch der Einfluß der Zusagen bzw. Vereinbarungen von Kompensationsgeschäften auf die Zuschlagserteilung nicht ausgeschlossen werden. So etwa im Falle der Zuschlagserteilung für die leichte Fliegerabwehrlenkwaffe „Mistral“, die nach Aussage von Auskunftspersonen aus dem BMLV bei den Beratungen über den Dritten Teilbericht (III-34 der Beilagen) aus militärtechnischer Sicht in der militärischen Bewertungskommission nur zweitgereihte war und daher offensichtlich nur auf Grund der besseren Kompensation den Vorzug erhielt.

Es ist nämlich offenkundig, daß die derzeitige rechtliche Determination der Kompensationsgeschäfte, wie sie auch in der vom Ständigen Unterausschuß initiierten Stellungnahme des Bundeskanzleramtes (Verfassungsdienst) vom 3. März 1997 dargestellt wird, unzulänglich ist und dringend eine eingehende Regelung auf Gesetzestufe, die den Erfordernissen des Legalitätsprinzips entspricht, erforderlich ist. Das Bundeskanzleramt (Verfassungsdienst) führte zu den derzeitigen Rechtsgrundlagen zusammenfassend folgendes aus:

„Der Abschluß von Gegengeschäften bildet einen Gegenstand der nichthoheitlichen Verwaltung, die mit den Mitteln und in den Formen des Privatrechts erfolgt. In diesem Bereich sind die Regeln des bürgerlichen Rechts, des Handeslsrechts und des internationalen Privatrechts maßgeblich. Da diesfalls der Grundsatz der privaten Regelungsautonomie zum Tragen kommt, wurden im Erlaßweg Richtlinien statuiert, die die Bedachtnahme auf die Grundsätze der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaft­lichkeit der Verwaltung beim Abschluß von Kompensationsgeschäften konkretisieren (zuletzt: Erlaß des Bundesministers für Landesverteidigung vom 13. November 1996, GZ 40 915/004-4/1/96).“

Die Beurteilung, ob ein Geschäft ein Kompensationsgeschäft darstellt, wird im Bericht des Ständigen Unterausschusses nach folgenden Kriterien vorgenommen:

–   es muß eine sachliche Entsprechung gegeben sein, dh. das Geschäft muß tatsächlich über Initiative des Vertragspartners zustande gekommen sein;

–   es muß eine zeitliche Entsprechung vorhanden sein, dh. die Abwicklung muß in den vom Gegenge­schäftsvertrag vorgeschriebenen Zeitraum erfolgen;

–   es muß sich um ein zusätzliches Geschäft handeln;

–   es muß sich um österreichische Wertschöpfung handeln.

Es ist offenkundig, daß die Erfüllung dieser Kriterien ohne Prüfung der einzelnen Geschäftsfälle nicht beurteilt werden kann. Die genaue Prüfung erfordert die Einsichtnahme in die gegenständlichen Vertragsunterlagen, die bisherige Gebarung der Vertragspartner, Gutachten betreffend die Erfüllung der Kriterien der Zusätzlichkeit, der zeitlichen und sachlichen Entsprechung und des österreichischen Wert­schöpfungsanteils ua. Der Ständige Unterausschuß hatte keine Gelegenheit, in derartige Unterlagen auch nur ansatzweise Einsicht zu nehmen. Es wurden ihm darüber hinaus sogar die Kenntnis der Namen der Unternehmen verwehrt, deren Lieferungen als Kompensationsgeschäfte geführt werden. Dieser Vorwurf richtet sich in erster Linie an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der es auch nach mehrmaliger Befragung ablehnte, dem Ausschuß derartige Informationen zur Verfügung zu stellen. Bezüglich der Kompetenzen der Bundesminister ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß Gegengeschäfte durch eine diesbezügliche Klausel im Kaufvertrag betreffend den konkreten Beschaf­fungsvorgang, der vom Bundesminister für Landesverteidigung abgeschlossen wird, stimuliert werden. Die Vorbereitung, die Begutachtung, der Abschluß und die Abwicklung der Gegengeschäfte fällt jedoch ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, bei dem daher auch die maßgebenden Aktenunterlagen geführt werden.

Auch ohne Einsicht in die Unterlagen, konnte aber auf Grund der Aussagen der Auskunftspersonen der Eindruck gewonnen werden, daß die rechtliche Absicherung der Kompensationsgeschäfte alleine auf einem Ministerratsbeschluß fußt, dessen Rechtsqualität hinsichtlich seiner Verbindlichkeit in Ausschrei­bungsverfahren fragwürdig ist. Alleine das BMLV betrachtet diese Anregung als für ihre Ausschrei­bungen rechtsverbindlich. Darüber hinaus wurde offensichtlich, daß die Frage der Zusätzlichkeit von Gegengeschäften jedenfalls in keinem Falle eindeutig geklärt werden kann, wofür auch die Stellung­nahmen des WIFO zu den einzelnen Beschaffungsvorgängen sprechen.

Entgegen den Ausführungen im Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses konnte somit bezüglich keines einzigen Beschaffungsvorganges, der im Antrag vom 16. Jänner enthalten war, geklärt werden, ob hinsichtlich der Kompensationsgeschäfte

–   eine sachliche Entsprechung vorliegt, dh. das Geschäft über Initiative des Vertragspartners zustande gekommen ist,

–   eine zeitliche Entsprechung vorhanden ist, dh. die Abwicklung im vorgeschriebenen Zeitraum erfolgte,

–   es sich um ein zusätzliches Geschäft gehandelt hat,

–   es sich um österreichische Wertschöpfung handelt.

E. Rolle der AOEM

Der Verein AOEM (Austrian Original Equipment Manufactorers) ist entgegen der Darstellung im Mehrheitsbericht nicht nur mit der Bewertung und Prüfung vom Kompensationsgeschäften beschäftigt, sondern er agiert auch als Vermittler und Anbahner dieser Kompensationsgeschäfte in Zusammenhang mit Rüstungsbeschaffungen. Daraus resultieren naturgemäß falsche Anreizwirkungen auf mehreren Ebenen:

Da die zu prüfenden Kompensationsgeschäfte ursprünglich von der AOEM mit initiiert wurden, ist es naheliegend, daß diese Geschäfte auch im Sinn der späterhin anzuwendenden Überprüfungskriterien positiv bewertet werden.

Noch schwerwiegender wirkt sich der offensichtlich vorhandene Anreiz aus, das zu bestätigende Geschäftsvolumen seitens der AOEM besonders hoch zu qualifizieren, da bis zu 0,5 Prozent der genehmigten Auftragssumme als „Entschädigung“ für diese Prüftätigkeit in Rechnung gestellt werden können. Je höher also das dieser Art bestätigte Geschäftsvolumen ist, desto größer sind die Refun­dierungen an die AOEM. Der Provisionscharakter dieser Zahlungen ist evident; von „Gemeinnützigkeit“ (Mehrheitsbericht) kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Dieser Eindruck verschäft sich bei Berücksichtigung der Zusammensetzung der Gremien innerhalb des Vereins AOEM. Es sind nicht bloß Delegierte von Ministerien und Wirtschaftskammer im Vorstand der AOEM vertreten, wie der Mehrheitsbericht suggeriert, sondern insbesondere auch Vertreter von einzelnen Firmen von Branchen, die bei den anzubahnenden bzw. zu prüfenden Kompensations­geschäftsvereinbarungen und -abwicklungen regelmäßig zum Zug kommen (sollen). Auch hier ist offensichtlich, daß im Zuge der Geschäftsvereinbarungen diese Firmenvertreter die Möglichkeit bekommen, die eigenen Unternehmen zu begünstigen.

Das wurde von einer Auskunftsperson im Unterausschuß entschieden bestritten. Die dem Rechnungshof­ausschuß vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten übermittelten Schreiben von solcher­art begünstigten Firmen beweisen das glatte Gegenteil. Vor allem im Falle der Kompensationsgeschäfte mit Matra (leichte Fliegerabwehrlenkwaffen) ist der WIFO-Stellungnahme vom 25. Jänner 1993 zu entnehmen, daß insbesondere die österreichische Fahrzeug(zuliefer)industrie aus den vorgeschlagenen Kompensationen Vorteile ziehen würde. Die angesprochene Auskunftsperson der AOEM konnte mangels seiner Bereitschaft zur Auskunft nicht glaubhaft machen, daß gerade jene Unternehmen der Fahrzeug­zulieferindustrie, die Mitglied in der AOEM sind oder waren, im Zuge dieses Beschaffungsvorganges nicht in den Genuß von Kompensationsgeschäften gekommen sind, wie offensichtlich anzunehmen ist.

Zur Rolle der AOEM im Anbahnungs- und Überprüfungsprozeß von Kompensationsgeschäften muß also festgehalten werden, daß einerseits auf Grund der beschriebenen äußerst problematischen Anreizwir­kungen und andererseits auf Grund der Besetzung der Leitungsgremien dieses Vereins die für diese Tätigkeiten notwendige Objektivität nicht nur nicht gewährleistet scheint, sondern auf Grund der aufgezeigten Widersprüche schwer in Zweifel steht.

F. Zusammenfassung

Fest steht, daß der am 16. Jänner 1997 an die Bundesminister für Landesverteidigung und für wirtschaftliche Angelegenheiten erteilte Auftrag, alle mit den oben genannten Kompensationsgeschäften im Zusammenhang stehenden Unterlagen bis längstens 31. Jänner 1997 zu übermitteln, nicht erfüllt wurde, sondern lediglich sogenannte Erhebungsberichte, jedoch keine Aktenstücke vorgelegt wurden. Auch dem genannten Antrag vom 19. Februar 1997 wurde nur unvollständig entsprochen.

Darüber hinaus wurde von den beiden Bundesministern im Verlaufe der Beratungen auf Fragen der Abgeordneten, die die Hintergründe des Ermittlungsgegenstandes unmittelbar betroffen haben, regel­mäßig die Antwort verweigert.

Tatsächlich haben während der gesamten Tätigkeit des Ständigen Unterausschusses allein die Bundes­minister für Landesverteidigung und für wirtschaftliche Angelegenheiten entschieden, welche Informa­tionen dem Ständigen Unterausschuß zur Verfügung gestellt werden. Es ist offenkundig, daß damit die zu prüfenden Stellen über Umfang und Inhalt der Prüfung selbst bestimmt haben.

Auf Grund dieses Verhaltens der Bundesminister für Landesverteidigung und für wirtschaftliche Ange­legenheiten war es dem Ständigen Unterausschuß nicht möglich, seine Aufgaben zu erfüllen.

Die Verweigerungshaltung der Bundesminister hat letztlich dazu geführt, daß die Umstände, die für den Prüfungsauftrag maßgebend waren, nicht aufgeklärt werden konnten und weiter im Raum stehen.

Wien, am 1. Juli 1997

Herbert Scheibner, Hans Helmut Moser, Andreas Wabl