IV-1 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Freitag, 4. Oktober 1996

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                   Freitag, 4. Oktober 1996

Tagesordnung

1. Beschäftigungspolitik:

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, 907.00/61-III.3/96 – Beschäftigungspolitik, österreichisches Papier (6405/EU XX. GP-NR)

RAT 7196/96 REV 1 COR 1 REV 1 SOC, 132 ECOFIN 60 – Zwischenbericht zur Beschäftigung (8875/ EU XX. GP-NR) und

COM SEK (96) 1 endg. – Für Beschäftigung in Europa: ein Vertrauenspakt (9870/ EU XX. GP-NR)              4

2. Wirtschafts- und Währungsunion:

RAT 7940/96 UEM 15 – Vorbereitung von Stufe 3 der WWU (8604/EU XX. GP-NR)

RAT 7779/96 UEM 14 – Wirtschafts- und Währungsunion/Stabilitätspakt (9336/EU XX. GP-NR)

RAT 8998/96 UEM 35 – Ziel, das übermäßige Defizit in Österreich zu beenden (11489/EU XX. GP-NR)

COM SEK (96) 1489 endg. – Verstärkung der Konvergenz in Stufe 3 der WWU (11979/EU XX. GP-NR) und

COM SEK (96) 1489 endg. – Verstärkung der Konvergenz in Stufe 3 der WWU (12394/EU XX. GP-NR)        ............................................................................................................. 25

(Die Beratungen zum Tagesordnungspunkt 2 wurden unterbrochen.)

3. EUROPOL:

RAT 7788/96 JUR 174 COUR 6 – Europäisches Polizeiamt (Europol) / Zu­stän­digkeit des Gerichtshofs (7947/EU XX. GP-NR)

RAT 4038/96 REV 3 EUROPOL 2 – Durchführungsbestimmungen für die Arbeitsdateien zu Analysezwecken (11418/EU XX. GP-NR)

RAT 8779/96 EUROPOL 36 – (Analyse)Dateien nach Art. 10 Abs. 1 S. 4 des Übereinkommens, deutsches Papier (11419/EU XX. GP-NR) und

RAT 8802/96 EUROPOL 37 – Durchführungsbestimmungen für Analyse­dateien, österreichisches Papier (11420/EU XX. GP-NR)

(Tagesordnungspunkt 3 wurde vertagt.)

4. BSE:

RAT 9316/96 JUR 234 AGRI 71 – BSE (11658/EU XX. GP-NR)

RAT 9857/96 AGRI 88 INST 31 – Nichtzuständiger BSE-Untersuchungs­aus­schuß (12852/EU XX. GP-NR) und

RAT 9725/96 AGRI 83 INST 27 – Nichtzuständiger Untersuchungsausschuß des EP zu BSE (12867/EU XX. GP-NR) ..................................................................................................... 28

(Die Beratungen zum Tagesordnungspunkt 4 wurden unterbrochen.)

5. Antrag des Bundesministers für Finanzen auf Erteilung der Zu­stim­mung zur Veräußerung einer Liegenschaft in der KG Luggau (Kärnten) samt dem darauf befindlichen Wohnobjekt (Vorlage 41 HA) [1]

(Tagesordnungspunkt 5 wurde vertagt.)

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer begrüßt die Damen und Herren zur Sitzung des Hauptausschusses und stellt fest, daß die Kollegen vom Fernsehen nun ihre Eingangsaufnahmen gemacht hätten.

Die im Konsens erstellte Tagesordnung wird ohne Einwand genehmigt.

Der Herr Bundeskanzler wird von 9 bis 10 Uhr anwesend sein, der Herr Finanzminister von 10 bis 11 Uhr und von 11 bis 12 beziehungsweise von 12 bis 13 Uhr das jeweils zur Tagesordnung zuständige Regierungsmitglied.

Der von Frau Abgeordneter Mag. Doris Kammerlander (Grüne) nach § 31c Abs. 5 GOG gestellte Antrag, zur ersten Sitzung des Hauptausschusses nach der neuen Geschäftsordnung angesichts des erwartungsgemäß großen Interesses nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Bild und Ton, also das Fernsehen, zuzulassen, wird mehrheitlich abgelehnt, was bedeutet, daß Medienvertreter anwesend sein und berichten können, die Verhandlungen jedoch nicht im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras geführt werden.

1. Punkt

Beschäftigungspolitik (6405/EU, 8875/ EU, 9870/ EU XX. GP-NR)

Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky beginnt seine Ausführungen damit, daß die Arbeits­losigkeit in den 15 EU-Staaten ernst zu nehmen sei. Es gebe eine errechnete Arbeitslosenrate zwischen 11,5 und 12 Prozent oder 18 Millionen Beschäftigungslose. Somit gebe es innerhalb der Union zweifellos dieses Problem, und die Suche nach Lösungen sei eine der größten Herausforderungen.

Mit dem Weißbuch des früheren Kommissionspräsidenten Jacques Delors “Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung” werde bestätigt, daß die Arbeitslosigkeit nicht allein durch das Wirken des Binnenmarktes mit der Liberalisierung der Märkte und des freien Wettbewerbs abgebaut werden könne. Der Binnenmarkt sei zwar eine unbestrittene und unbestreitbare Voraussetzung, er sei aber nicht das alleinige Instrument, um die Arbeitslosigkeit, insbesondere die hartnäckige Stufenarbeitslosigkeit, die sich daraus ergebe, daß derzeit die jeder Rezession folgende Konjunkturerholung nicht in der Lage sei, den Sockel an Arbeitslosen abzubauen, zu mindern. Daher würden in dem Weißbuch aktive Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gefordert.

Noch deutlichere Priorität gewinne die Beschäftigungspolitik mit dem sogenannten Follow up von Essen. Anläßlich der Ratstagung im Dezember 1994 in Essen haben sich die Mitglied­staaten auf fünf Schlüsselbereiche geeinigt, in denen Maßnahmen zu setzen seien. Diese Maßnahmen sind: Investition für den gesamten Bildungsbereich, beschäftigungsintensives Wachstum, Abbau von Lohnnebenkosten, verstärkte Einführung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und besondere Unterstützung für die von Arbeitslosigkeit am stärksten Betroffenen.

Österreich hat sich im Rahmen der Folgemaßnahmen von Essen bereit erklärt, ein nationales Mehrjahresprogramm zur Umsetzung der Essen-Punkte zu erarbeiten und sich darüber hinaus einem Beobachtungs- und Überprüfungsverfahren in bezug auf die Beschäftigung zu unter­ziehen.

Österreich hat sich an diesem Prozeß intensiv beteiligt. An der Erstellung des österreichischen Beitrages für den Jahresfortschrittsbericht und bei der Erarbeitung des Mehrjahresprogrammes haben alle von den Essen-Punkten betroffenen Ministerien und auch die österreichischen Sozialpartner mitgewirkt. Mit dieser Initiative ist ein wichtiger Schritt in Richtung Koordinierung der nationalen Politiken gesetzt worden.

Große Bedeutung komme an dieser Stelle der Anmerkung zu, daß die konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit selbstverständlich und nach wie vor Angelegenheit der nationalen Regierungen sind, das heißt, daß sich nationale Regierungen weder von Währungspolitik, Fiskalpolitik, Strukturpolitik, Forschungspolitik et cetera, verabschieden können oder sollen, nur deshalb, weil nun die europäische Ebene dazukommt. Ganz im Gegenteil: Die europäische Ebene soll die nationalen Initiativen und Maßnahmen ergänzen, verstärken und begleiten. Auf diese Art und Weise soll auch dem manchmal erhobenen Vorwurf, die Regierungen würden ihre Verantwortung nach Brüssel delegieren, entgegengewirkt werden. Um diese Aufgabenstellung angemessen zu bewältigen, sei es konsequent, Zielsetzungen und Tätigkeitsbereiche in bezug auf die Beschäftigung zu ergänzen. Das Ziel dabei sei die Schaffung einer Grundlage für eine koordinierte Politik und nicht die Schaffung einer neuen Gemeinschaftskompetenz.

Vor dem Hintergrund, daß es derzeit noch an Vertrauen unter den europäischen Konsumenten und Investoren mangelt, hat der derzeitige Kommissionspräsident Jacques Santer einen “Europäischen Vertrauenspakt für Beschäftigung” ins Leben gerufen. Er ruft dabei zu enger Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerk­schaften auf.

Im einzelnen bezieht sich dieser Vertrauenspakt Santers auf folgende Punkte: die Schaffung eines stabilen makroökonomischen Rahmens als Voraussetzung für eine positive Beschäfti­gungsentwicklung, die Vollendung des Binnenmarktes, die rasche Umsetzung der Punkte von Essen und die Reform der Strukturpolitik der Gemeinschaft.

Österreich unterstütze diese Maßnahmen und habe sich insbesondere in die Richtung hin ausgesprochen, Initiativen zur Schaffung eines günstigen Rahmens für die örtliche Beschäfti­gung zu fördern und die bevorstehende Reform der Strukturfonds zu diskutieren. Dazu gehören sämtliche Maßnahmen etwa der Regionalpolitik in einem mehrjährigen Programm von 1995 bis 1999, dazu gehört auch das Forcieren der verschiedenen Projekte, um Kofinanzierungen in Anspruch nehmen zu können.

Im Rahmen des “Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens” habe sich Österreich beteiligt, die Öffentlichkeit für die Notwendigkeit der Weiterbildung zu gewinnen. Dabei wurden 33 Projekte im Aus- und Weiterbildungsbereich ausgearbeitet, die durch die Kommission finanziell unterstützt werden.

Im Zusammenhang mit dem Weißbuch “Lernen und Lehren” habe sich Österreich intensiv für Maßnahmen und gemeinsame Initiativen im Weiterbildungsbereich eingesetzt, die auf bessere Beschäftigungsmöglichkeiten, auf Verbesserung der Aufstiegschancen, Erhaltung der Wett­bewerbsfähigkeit Österreichs, eine präventive Verminderung des Risikos, arbeitslos zu werden, die Verbesserung der Integrationschancen von Arbeitslosen und die Chancengleichheit aller Bevölkerungsschichten in bezug auf Zugang und Bildung zielen.

Soweit zum Rahmen.

Zur politischen Einschätzung all dieser Initiativen sei folgendes zu sagen:

Die Außenminister seien beauftragt, die einzelnen Verhandlungspunkte der Inter­gouverne­mentalen Konferenz, die im März dieses Jahres in Turin begonnen hat, zu verhandeln.

Was die Beschäftigungspolitik betreffe, seien einige Mitgliedsländer, darunter Österreich, dafür, das Ziel Vollbeschäftigung in den Europäischen Vertrag aufzunehmen, andere Mitgliedstaaten teilen diese Auffassung nicht. Dies wird daher ein sehr harter Verhandlungsgegenstand bei der Regierungskonferenz werden.

Nach Meinung der österreichischer Regierungsvertreter sei es zweckmäßig, dieses Ziel in den Vertrag aufzunehmen, um zweierlei zu erreichen: zum ersten, um angesichts von 18 Millionen oder mehr Arbeitslosen in der Europäischen Union ein wichtiges und klares Signal zu setzen, zum zweiten aber auch, weil eine offensive Position der Mitgliedsländer zur aktiven Beschäftigungspolitik eine notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz der gemeinsamen Währung ist und sein wird. Die gemeinsame Währung und das Erfüllen der Maastricht-Kriterien werde bei kritischer Betrachtung von vielen Beobachtern und Kommentatoren als eine Maß­nahme gesehen, in der durch die starke Hinwendung zum Monetären der realwirtschaftlichen Notwendigkeit zu wenig Rechnung getragen wird.

Abschließend sei noch eine Anmerkung über offene Fragen hinsichtlich der Finanzierung der Infrastrukturinvestitionen – besser bekannt unter dem Stichwort “Transeuropäische Netze” – zu treffen: Die Transeuropäischen Netze – das ist auch aus dem Weißbuch Jacques Delors’ entnommen – seien im großen und ganzen Eisenbahn-Hochleistungsstreckenprojekte in verschiedenen Mitgliedsländern und angrenzenden Ländern. Um diese Transeuropäischen Netze finanzieren zu können, habe der Kommissionspräsident vorgeschlagen, durch eine Umschichtung budgetärer Mittel aus dem EU-Haushalt Finanzmassen zu gewinnen. Diesbezüglich konnte jedoch noch keine Konkretisierungen erreicht werden, vor allem konnte auch beim letzten Rat der Wirtschafts- und Finanzminister, das heißt beim informellen ECOFIN-Rat, keine Mehrheit für die Finanzierung der Transeuropäischen Netze erzielt werden.

Der österreichische Finanzminister wurde vom Bundeskanzler eingeladen, über alternative Finanzierungskonzepte nachzudenken, und er hat im Grundsatz auch ein Modell entwickelt, welches unter Einbeziehung der Europäischen Investitionsbank und der EBRD Grundlagen für die Transeuropäischen Netze schaffen wird; natürlich nur, was den österreichischen Teil betrifft.

Es werde demnächst auch noch Gelegenheit sein, über weitere Elemente – insbesondere was Klein- und Mittelunternehmungen, Forschung und Entwicklung, lebenslanges Lernen betrifft – den Vertrauenspakt Jacques Santers weiterzuentwickeln.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) entnimmt den Ausführungen des Bundes­kanzlers, daß sich im Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik auf der europäischen Ebene derzeit sehr vieles lediglich im Vorhabenstatus befinde, jedoch Beschlüsse fehlten, um konkrete Einzelmaßnahmen in nächster Zeit umsetzen zu können. Typisches Beispiel hiefür seien die Transeuropäischen Netze, für die es zwar ursprünglich Zusagen, jetzt aber keine Mehrheiten für deren Finanzierung gebe.

Des weiteren habe der Bundeskanzler ausgeführt, daß die Bemühungen Österreichs, auch die soziale Sicherheit als integrierenden Bestandteil in den EU-Vertrag hineinzunehmen, zwar von einigen wichtigen Ländern, nicht aber von allen unterstützt werde. Aus den dem Hauptausschuß vorliegenden Vorlagen sei jedoch nur die Unterstützung durch Griechenland nachvollziehbar.

Verfolge man die Entwicklung der Sozialpolitik auf europäischer Ebene bis zum Jahr 1973 zurück, so seien damals erste Schritte auch zu einer europäischen Sozialcharta gesetzt worden, insgesamt erfolge aber gerade im Sozialbereich ausschließlich Anlaßgesetzgebung und die nur zögerlich und mit Minimalkonsens. Die Euphorie des Bundeskanzlers und seiner Repräsen­tanten, daß diese Erweiterungsbemühungen in absehbarer Zeit umgesetzt werden könnten, sei daher unverständlich. Auch die zur Diskussion stehenden Dokumente rechtfertigten es nicht, der österreichischen Bevölkerung diese Bemühungen als erfolgreich und als in absehbarer Zeit umsetzbar zu verkaufen.

Zu den am Gipfel von Essen 1994 beschlossenen fünf Punkten sei festzustellen, daß Österreich hinsichtlich der Förderung von Investitionen in die Berufsbildung sträflich säumig geblieben ist.

Auch hinsichtlich der Erfüllung des zweiten Punktes, der Steigerung der Beschäftigungs­intensität, des Wachstums, der flexiblen Organisation der Arbeit, der beschäftigungsfördernden Lohnpolitik und der Unterstützung von Initiativen, durch die Arbeitsplätze geschaffen werden, sei Österreich säumig, was sich auch in zunehmender Jugendarbeitslosigkeit, zunehmender Beschäftigungslosigkeit von Frauen und der Arbeitslosigkeit ältere Arbeitnehmer ausdrücke.

Angesichts der mangelhaften Umsetzung der Richtlinien von 1994 von Essen durch Österreich müsse der Bundeskanzler erklären, wieso er glaube, mit seinen Vorschlägen zur Absicherung der Sozialpolitik im EU-Recht Gehör zu finden. In der EU werde man mit Fug und Recht fragen, warum Österreich eine Erweiterung haben wolle, wenn es selbst nicht in der Lage sei, das in der EU ohnehin nur rudimentär vorhandene Sozial- und Arbeitsrecht umzusetzen.

Abgeordneter Dr. Haupt fragt daher den Herrn Bundeskanzler, worauf sich dessen Euphorie in den jüngsten Aussagen der Öffentlichkeit gegenüber stütze und welche Erfolge er in den letzten Wochen konkret erzielen konnte, damit das Ziel einer europäische Arbeitsunion mit einem harmonisierten Sozialrecht als Grundlage der sozialen Sicherheit für die Arbeitnehmer in der EU tatsächlich umgesetzt werden könne. Aus den vorliegenden Dokumenten sei lediglich die Zustimmung Griechenlands, jedoch die Gegnerschaft der Bundesrepublik Deutschland, Großbritanniens und Frankreichs zu den wichtigsten Punkten der österreichischen Vorhaben in unterschiedlicher Intensität festzustellen.

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ) stellt fest, daß Abgeordneter Haupt ein möglichst tristes Bild von Österreich gezeichnet, dabei aber übersehen habe, daß Österreich nach Luxemburg das Land mit der niedrigsten Arbeitslosenrate in der EU ist. Österreich sei daher sehr wohl legitimiert, in Fragen der Beschäftigungspolitik aktiv zu sein, und es sei auch so, daß die österreichische Position in der EU entsprechend anerkannt und gehört werde.

Dabei gehe es um zwei Dinge, die auseinanderzuhalten seien:

Erstens sei Beschäftigungspolitik und Vollbeschäftigung als Zielsetzungen in die Wirtschafts­politik der EU einzubringen. Dieser Zielsetzung sei entsprechendes politisches Gewicht zu verleihen, um damit den entsprechenden Organen – von der EU-Kommission bis zur Währungs­union – eine Handlungsanleitung zu geben.

Zweitens ginge es dann darum, wie man dieser Zielsetzung entsprechen könne, wobei man aufpassen müsse, daß sich in der öffentlichen Diskussion nicht eine Art negativer Kompetenzkonflikt ergibt, der da lautet: Die nationale Ebene kann nichts mehr tun, die EU-Ebene kann noch nichts tun. In Wirklichkeit gehe es darum, daß auf beiden Ebenen entsprechende politische Ansatzpunkte bestünden.

Für die nationale Ebene habe dies der Bundeskanzler schon ausgeführt, interessant seien aber auch die Maßnahmen auf der EU-Ebene.

Abgeordneter Dr. Nowotny hat mit Kollegen von der SPÖ und der Österreichischen Volkspartei einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG betreffend Maßnahmen zur Beschäfti­gungs­politik auf europäischer Ebene eingebracht.

In diesem Antrag gehe es erstens darum, die Position Österreichs in den EU-Gremien – speziell im Hinblick auf die laufende EU-Regierungskonferenz – zu bekräftigen und insbesondere auch die Initiativen von EU-Präsident Santer zu unterstützen.

Ein zweiter wichtiger Punkt darin sei die Stellung der Sozialpartner auf einer europäischen Ebene. Es sei nämlich darauf hinzuwirken – und zwar auch im Hinblick auf die öffentliche Meinung –, nicht einfach einem simplen Shareholder-Value-Konzept zu folgen, sondern auf die österreichische Erfahrung hinzuweisen, daß auch die Beschäftigten, daß die Arbeitnehmer einen Anteil an der Wirtschaft haben und daß die Kooperation von Unternehmern und von Arbeitnehmern eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung sind. – Ansätze hierfür gebe es im Wirtschafts- und Sozialausschuß der EU; diese seien aus österreichischer Sicht zu stärken.

Ein dritter Punkt betreffe Fragen der Prioritätsetzungen im EU-Budget, wobei es zum Beispiel um Fragen der Ausbildung, Fragen der Strukturpolitikverstärkung gehe.

Als letzter Punkt seien erwähnt: die Europäische Sozialcharta und Maßnahmen gegen negativen Steuerwettbewerb, gegen Sozialdumping, gegen Steuerdumping, sofern einzelne Staaten nach unten lizitieren und damit das Funktionieren von Sozialsystemen gefährden.

Diesbezüglich seien von Österreich eine Reihe von Initiativen gesetzt worden, wodurch – und darum gehe es ja konkret – die Vorteile des großen Binnenmarktes für unser kleines Land mit gewaltigen beschäftigungspolitischen Vorteilen gesichert und gleichzeitig eine soziale Absiche­rung gewährleistet werden könnten.

Dies ist kurz der Inhalt des Antrages, für den Abgeordneter Dr. Nowotny um Zustimmung ersucht.

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt bekannt, daß der genannte Antrag inzwischen vorliegt und zur Verhand­lung steht.

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum) schließt kritisch an die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Nowotny an, der gemeint habe, in Österreich wäre ohnehin noch alles relativ am besten und daher wäre die Beschäftigungssituation politisch nicht so tragisch. Das stimme schon, auch wolle niemand behaupten, daß Österreich die schlechtesten Daten hätte, was aber festgestellt werden müsse, sei die Akzelleration der Verschlechterung.

Zum von Abgeordneten Dr. Nowotny angesprochenen negativen Kompetenzkonflikt zwischen EU und Mitgliedstaaten in Sachen Beschäftigungs- und Sozialpolitik behaupte niemand, daß die Mitgliedstaaten der EU nicht diese Kompetenz hätten, die wirklich zentrale Frage sei aber, wer die massive Kompetenz habe und wer mit welchen Mitteln, mit welchen Instrumentarien handeln solle. Dies sei der zentrale Punkt, und da gebe es doch eine sehr große Diskrepanz zwischen der öffentlichen Erklärung jetzt im EU-Wahlkampf und den faktischen Gegebenheiten.

Akzeptabel sei hingegen, daß – wie der Herr Bundeskanzler in seinen einleitenden Worten gesagt habe – der Schwerpunkt der Kompetenz logischerweise bei den Mitgliedstaaten liege und die EU nur ergänzende rahmenpolitische Maßnahmen setzen könne.

Zu den konkreten Vorschlägen: Gegen eine Verankerung der Beschäftigungspolitik, der Voll­beschäftigung im EU-Vertrag spreche sich sicher kein Mensch aus, papierene grundsätzliche Erklärungen und Zielsetzungen gebe es allerdings schon in großer Fülle, verwirklicht wurden sie nicht. Beispiele hiefür: die Sozialcharta aus dem Jahr 1989, der Vertrag für Sozialpolitik aus dem Jahr 1992. Darin wurden die wesentlichsten Zielbestimmungen schon niedergelegt.

Von zusätzlichen papierenen Erklärungen könne man sich also nur sehr wenig versprechen, daher sei gegenüber der Bundesregierung einzufordern, daß diese die maßgeblichen beschäftigungspolitischen Maßnahmen hier in Österreich umsetze, als da sind: arbeitsrechtliche Reformen im Hinblick auf Erleichterung von Beschäftigung, Gewerbeordnung, Ladenöffnung, Lohnnebenkostenfragen.

In diesem Zusammenhang richtet Abgeordneter Dr. Frischenschlager drei Fragen an den Herrn Bundeskanzler:

Laut Medienberichten hält der Bundeskanzler das Beschäftigungskriterium bei der Wirtschafts- und Währungsunion für nicht durchsetzbar. Daher: Strebt er dieses Ziel – wenn auch nicht durchsetzbar – an? Wenn ja, welche Auswirkungen hätte das?

Welche Initiativen wurden von den Regierungsvertretern in Brüssel gesetzt, damit die wirklich sehr dürftige Budgetausstattung auf EU-Ebene im Hinblick auf die Beschäftigungsförderungen erweitert wird?

Inwieweit und in welchem Zeitraum sollen die im Weißbuch “Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung” festgelegten Zielbestimmungen in Österreich umgesetzt werden?

Der vom Liberalen Forum eingebrachte Antrag ziele darauf ab, daß die bereits vorhandenen Zielbestimmungen tatsächlich als EU-Grundlage beschlossen werden und daß in der konkreten Budgetpolitik auf EU-Ebene nicht in die falsche Richtung gegangen wird, das heißt, daß sich Österreich dafür einsetzen möge, daß etwa der riesige Agrartopf reduziert und die Mittel zum Beispiel für die Umsetzung der in Essen und bei anderen Konferenzen festgelegten Punkte eingesetzt werden.

Abgeordneter Dr. Frischenschlager ersucht, diesen Antrag zur Kenntnis zu nehmen und zu unterstützen.

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP) stellt aus der Sicht der Wirtschaftskammer fest, daß Österreich gerade hinsichtlich der Beschäftigungspolitik einiges einbringen könne. Bei den Arbeitslosenziffern liege Österreich als zweitbestes Land hinter Luxemburg. Hiefür wie auch für die Sozialpartnerschaft, die dazu Wesentliches beigetragen habe, höre man immer wieder Anerkennung aus dem Ausland und werde zum Teil durchaus auch darum beneidet.

Grundsätzlich seien alle Maßnahmen der Europäischen Union, die dazu beitragen können, in Österreich Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, zu begrüßen, aber die Grundlagen dafür seien im eigenen Land zu schaffen. Diese Verantwortung könne man auch in Zukunft nicht auf andere Länder abschieben.

Bei der österreichischen Mitwirkung am Vertrauenspakt sei deshalb darauf zu achten, daß die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich weiter verbessert werden und auch der Unternehmergeist gefördert wird. Hier bestehe durchaus Nachholbedarf.

Als Voraussetzung für die Stärkung der internationale Wettbewerbsfähigkeit seien bürokratische Hindernisse abzubauen und die Lohnnebenkosten zu senken. Der Ruf nach Förderungen solle daher nicht mit neuen bürokratischen Instrumentarien und Hürden einhergehen.

Die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen durch die EU sei zu begrüßen, dabei müsse aber das Subsidiaritätsprinzip ebenso beachtet werden wie die Relation von Kosten und Nutzen bei den einzelnen Programmen.

Bildungs- und Qualifizierungsoffensiven können der Beschäftigung durchaus dienlich sein, deshalb sollten die duale Ausbildung und andere wirtschaftsnahe Ausbildungsformen konkret angesprochen werden. Gerade hinsichtlich der dualen Ausbildung könne Österreich als Musterland gelten und auch einiges in die Europäischen Union einbringen. Ein Ergebnis dieser dualen Ausbildung sei, daß in Österreich Jugendarbeitslosigkeit bisher weitgehend vermieden werden konnte.

Die österreichische Wirtschaft spreche sich im Sinne einer gemeinschaftlichen Politik durchaus für konkrete Maßnahmen aus, die Beschäftigungspolitik müsse aber nationalstaatliche Kompetenz bleiben. Ausdrücklich unterstützt werde jeder Ansatz, der zu einer verstärkten Koordinierung und Kooperation führt.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) hat mit Erstaunen vom Herrn Bundeskanzler vernommen, daß es ihm hinsichtlich der Beschäftigung nicht um eine neue Gemein­schaftspolitik, sondern um die Schaffung einer Grundlage für eine koordinierte Politik gehe. Dies stehe im Widerspruch zu dem, was er in der letzten Zeit vertreten habe und was auch im Papier der Bundesregierung zur Beschäftigungspolitik enthalten sei, beziehungsweise auch zu dem Eindruck, den man in der Öffentlichkeit – auch im Zuge des Wahlkampfes – zu vermitteln suche, denn da werde davon gesprochen, daß es in Ergänzung zur Wirtschafts- und Währungsunion um die Bildung einer europäischen Sozial- und Beschäftigungsunion gehen müsse.

In dem Papier der Bundesregierung, das heute ebenfalls als Grundlage der Beratungen diene, seien einige Dinge – wenn auch zuwenig – angerissen, darunter auch das Ziel der Vollbeschäftigung. Im Hinblick auf das Prinzip der Kohärenz in der EU findet Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander es für notwendig, dieses Ziel auch festzuschreiben, Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung zu benennen und damit zu begründen, warum dieses Ziel der Vollbeschäfti­gung notwendig ist.

Die beiden Vertreter der Regierungsparteien hätten versucht, Österreich noch als Traumland gegenüber den anderen europäischen Ländern darzustellen, daß es jedoch die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg gebe und weitere Steigerungen prognostiziert und absehbar seien, komme in deren Wortmeldungen nicht vor. Dies mache es umso dringlicher, ein koordiniertes Vorgehen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut festzuschreiben.

Der Antrag der Grünen zum Regierungspapier zur Beschäftigungspolitik befasse sich damit und ziele darauf ab, die Europäische Sozialcharta als neuzuschaffendes Kapitel der Sozial- und Beschäftigungsunion aufzunehmen, ein Mehrjahresprogramm der Arbeitsmarkt- und Beschäfti­gungs­politik zu erstellen, und zwar mit einem klaren Sanktionsreglement für Mitgliedstaaten, die die Beschäftigungsziele, die darin definiert sind, nicht einhalten.

Das Papier der Kommission zur Beschäftigung in Europa sei sehr vage, sehr unklar, enthalte unscharf definierte Grundsätze und Zielsetzungen, die konkretisiert gehören, deshalb überrasche auch die Aussage, daß es nur um eine koordinierte Politik und nicht mehr um eine Gemeinschaftspolitik gehe.

Nach Meinung der Grünen gelte es vielmehr, zum Beispiel die Verpflichtung der Mitgliedstaaten festzuschreiben, die aus dem EU-Haushalt zurücküberwiesenen Gelder in nationale Beschäfti­gungsoffensiven umzusetzen, ein europäisches Arbeitslosen- und Pensions­absiche­rungsmodell mit sozialen Mindeststandards zu verankern und vor allem den Zusammenhang der Wirtschafts- und Währungsunion mit der Beschäftigungspolitik herzustellen.

Zuletzt eine aktuelle Frage: Der Spitzenkandidat der SPÖ, Swoboda, hat gesagt, er werde sich dafür einsetzen und einen Antrag im EU-Parlament einbringen, daß Betriebe, die ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, obwohl sie Gewinne schreiben, einen Teil dieser Gewinne arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zur Verfügung stellen müssen. Wie soll – abgesehen davon, daß es kein Initiativrecht im EU-Parlament gibt – nach Meinung des Herr Bundes­kanzlers diese Forderung verwirklicht werden, vor allem im Hinblick auf die Freizügigkeit des Kapitals, die er ja wohl nicht in Frage stelle?

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung zitiert Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) wörtlich die Regelung in § 31d Abs. 3 GOG, wo es heißt: ,, ... Anträge auf Stellungnahmen haben Ausführungen darüber zu enthalten, ob das Vorhaben durch Bundes­gesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen ist oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären."

Abgeordneter Dr. Stadler habe selbst und auch durch seine Mitarbeiter prüfen lassen, welche der Anträge dieser Bestimmung der Geschäftsordnung entsprächen, und festgestellt, daß bis auf den freiheitlichen Antrag, der explizit in der Begründung wie auch im Antragstext selber eine entsprechende Formulierung und einen entsprechenden Hinweis enthalte, kein Antrag – weder der Oppositionsfraktionen noch der Regierungsfraktionen – eine diesbezügliche Erläuterung beinhalte, vielmehr sei der Antrag der Regierungsparteien sogar auf Rechtsakte beziehungs­weise auf politische Akte abgestellt, die weder ein Bundesgesetz noch ein Bundes­ver­fassungs­gesetz darstellen. Dies betreffe etwa den Antragspunkt 1, in dem auf das Arbeitsüber­einkommen der Bundesregierung abgestellt werde, und es sei ja wohl nicht anzunehmen, daß das Arbeitsübereinkommen der österreichischen Bundesregierung bereits im Gesetzesrang, geschweige denn im Verfassungsrang stehe.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt für den Hinweis. Auch die Antragsteller hätten das gehört. Über die Anträge werde noch zu befinden sein, und man werde sich das noch anschauen.

Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky entgegnet zur Klarstellung auf die Wortmeldung der Frau Abgeordneten Mag. Kammerlander, daß man auf dem Gipfel von Essen, bei dem erstmalig ein Beschäftigungsprogramm zur Diskussion gestellt wurde, von einer besseren Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitik gesprochen habe. Damals war noch nicht von der Schaffung einer Gemeinschaftskompetenz die Rede. Inzwischen sei man aber schon weiter, und bei der Regierungskonferenz werde man, wie im Regierungspapier festgehalten, die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Europäischen Vertrag anstreben, wenngleich dies einer der konstruktiven Streitpunkte in der Vorbereitung der Regierungskonferenz sei.

Weiters erklärt Bundeskanzler Dr. Vranitzky, daß er entgegen der Feststellung des Herrn Abgeordneten Haupt weit entfernt davon sei, euphorisch zu sein, einem europäischen Integrationsmodell gegenüber, zu dem er sich bekenne, sei er jedoch hundertprozentig positiv eingestellt.

Man befinde sich in der Europäischen Union in einem Prozeß und sei in vielen Punkten noch nicht am Ende dessen, was man sich vorstellen könne. In den Vorbereitungen zur Intergouvernementalen Konferenz sei aber bereits eine Reihe von Ländern – und nicht nur Griechenland, wie behauptet wurde – dafür, sehr ernsthaft die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Europäischen Vertrag zu forcieren.

Daß es auf nationaler Ebene keine Beschäftigungsinitiativen gebe, könne mit aktuellen Zahlen widerlegt werden. Desgleichen sei die von Abgeordneten Dr. Frischenschlager beklagte Akzelleration der Verschlechterung im internationalen Maßstab nicht wirklich feststellbar.

Zu den Lohnnebenkosten werde in der öffentlichen Diskussion großer Wert auf deren Senkung als Wettbewerbsfaktor gelegt. Das treffe aber nicht das Zentrum des Problems, denn die Lohnnebenkosten seien in jedem Land der Europäischen Union anders definiert. In Österreich etwa rechne man das 13. und 14. Monatsgehalt zu den Lohnnebenkosten. Der viel aussagekräftigere Indikator seien die Lohnstückkosten, ein Index, der aus Beschäftigten im Verhältnis zur Produktivität errechnet werde. Und da zeige sich, daß die Lohnstückkosten aufgrund gestiegener Produktivität der österreichischen Industrie von 1994 bis 1996 zurück­gegangen sind und nach den zuletzt vorgelegten Wirtschaftsprognosen für 1997 ein weiterer Rückgang zu erwarten ist.

Das Thema Arbeitsmarkt, das Thema Arbeitslose könne nicht diskutiert werden, ohne gleichzeitig das Thema Wirtschftswachstum zu diskutieren, denn ohne Wirtschaftswachstum könne man die Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. In Wirklichkeit sei es die Wachstumsschwäche, die Sorgen mache und machen müsse. Österreich habe in den Jahren 1994, 1995, 1996 nicht zuletzt deshalb beim Wirtschaftswachstum nicht die erwünschten Werte erzielt, weil ihm im Export jene Länder, die ihre Währungen abgewertet haben, große Schwierigkeiten an der Preisfront bereitet haben.

Dies sei gleichzeitig ein Plädoyer für die Währungsunion, denn wenn es gelinge, mit einer gemeinsamen europäischen Währung die Wechselkursschwankungen zu eliminieren, dann gebe es wieder festere Kalkulationsgrundlagen für Exporteure und Importeure – immer unter der Voraussetzung natürlich, daß die Maastricht-Kriterien nicht nur am Einführungstag stimmen, sondern auch danach.

Bezüglich der mangelhaften Umsetzung der Richtlinien, die Abgeordneter Haupt angesprochen habe, gebe es tatsächlich noch offene Punkte, deren Umsetzung man sich bis zum Jahresende vorgenommen habe, was hoffentlich gelingt, weil es auch mit den Bundesländern auszuhandeln ist.

Die Regierungskonferenz müsse man auch unter dem Aspekt sehen, daß bisher Themen aufgelistet, jedoch noch nicht verhandelt worden seien. Dies treffe auch auf das Beschäftigungs­kapitel zu.

Abgeordneter Frischenschlager habe recht, wenn er meine, daß auch die innere Budgetstruktur des Europabudgets einer Revision zu unterziehen sei. Es sei ein Ungleichgewicht, wenn etwa 47,5 Prozent für Agrarisches zur Verfügung stünden, jedoch weniger als 2 Prozent für Infra­struktur­investitionen.

In der Europäischen Union müsse schrittweise auch ein ganz anderes Thema problematisiert werden, nämlich die Überwachung, das Monitoring der Realisierung politischer Zielsetzungen. Berichtspflicht allein werde nicht genügen, sondern man müsse sich Mechanismen überlegen, wie Länder, die Gemeinschaftsziele nicht oder nicht ausreichend verfolgt und erreicht haben, dann auch in einer gewissen Art zur Rechenschaft gezogen werden können.

In diesem Zusammenhang tauche immer wieder das Wort “Sanktionen” auf – auch Äußerungen Dr. Swobodas können so gesehen werden –, das auch den Gedanken des Monitoring mit Konsequenzen beinhalte. Es sei eine Tatsache, daß investives Kapital außerordentlich mobil geworden sei, daß es nationale Grenzen nicht mehr respektiere und ein vielleicht etwas romantisch nachgefragter Investitionspatriotismus nicht existiere, was auch nicht im Sinne jener vielen österreichischen Unternehmungen gelegen wäre, die in anderen Märkten investieren und damit durchaus Existenz, Substanz und Arbeitsplätze im Inland absichern. – Swobodas Vorschlag sei eine Widerspiegelung dieser Sorge, ob er konkret umgesetzt werden wird, könne in dieser Anfangsstufe noch nicht gesagt werden.

Soll das Beschäftigungskriterium zu den Maastricht-Kriterien gehören, ja oder nein? – Nach Meinung des Bundeskanzlers nein, denn es sei jetzt, vier Jahre nach dem Beschluß über den Maastricht-Vertrag, politisch irreal, zu glauben, man könne ein Maastricht-Kriterium hineinverhandeln oder eines wegverhandeln. Es gibt auch eine sachliche Begründung, warum das Beschäftigungskriterium beziehungsweise die Arbeitsmarktsituation nicht zu den Maastricht-Kriterien gehören soll. Dies sei nämlich eine Frage der Definition und könne in Wirklichkeit zum Resignieren vor einer aktiven Beschäftigungspolitik führen. Viel wichtiger sei es hingegen, weiter daran zu arbeiten und darum zu kämpfen, das Vollbeschäftigungskriterium als eine sichtbare und klar erkennbare grundsätzliche politische Einstellung im Europäischen Vertrag zu verankern, die innerhalb der Kriterien realwirtschaftlich und nicht geldwirtschaftlich zu betrachten ist.

Zur angesprochenen dürftigen Ausnützung der EU-Mittel durch Österreich sei darauf hinzu­weisen, daß in den eindreiviertel Jahren Mitgliedschaft Österreichs aus dem Programm 1995 bis 1999 mit einem Förderungsvolumen von umgerechnet 20 Milliarden Schilling bisher 4,1 Milliar­den Schilling, also ein nicht unbeträchtlicher Teil, überwiesen worden seien. Da es sich um ein Kofinanzierungsmodell handle, hänge der Geldfluß aus den EU-Budgets und Strukturfonds immer auch von den Projekten ab, die entwickelt werden.

Der Bundeskanzler betont, daß er weit davon entfernt sei, Österreich als Traumland hinzu­stellen, aber wenn etwa der deutsche Außenminister Kinkel anläßlich seines Besuches hier in Wien Österreich in voller Überzeugung attestiere, daß es unter den Neuankömmlingen in der Europäischen Union zu denen gehöre, die sich in bezug auf Mitarbeit, in bezug auf Einfügen, in bezug auf Umsetzen der Ziele et cetera am raschesten und am klarsten eingestellt haben, sei es wohl auch richtig, darauf hinzuweisen, daß die Arbeitsmarktsituation in Österreich im europäischen und internationalen Vergleich tatsächlich eine gute und herzeigbare ist.

Insgesamt sei es neben den Bemühungen um die Budgetkonsolidierung in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern tatsächlich gelungen, die Exportoffensive mit Leben zu erfüllen, was auch dadurch zum Ausdruck komme, daß die österreichischen Exporte in die EU-Staaten allein im Beitrittsjahr 1995 um 11 Prozent gestiegen sind. Erfreulicherweise habe auch die Anzahl der Exporteure zugenommen; sie hat sich mehr als verdoppelt. Dies sei sicherlich ein positiv zu bewertendes Zeichen, daher – ohne Euphorie – die positiv realistische Einschätzung.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt Bundeskanzler Dr. Vranitzky und begrüßt den pünktlich erschienenen Bundesminister Mag. Klima.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche) bedauert, daß der Bundeskanzler den Ausschuß verläßt, hofft aber, daß ihn der Herr Finanzminister entsprechend vertreten wird.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn ist der Meinung, daß die Österreicher Gefangene dieses EU-Vertrages seien, der in Wirklichkeit – Abgeordneter Nowotny habe das Wort heute schon verwendet – ein Shareholder-Value-Vertrag sei, nämlich ein Vertrag, in dem alle Finanz- und Geldkriterien aufs schärfste kontrolliert würden und hinsichtlich dessen es die Regierungsvertreter verabsäumt hätten, auch die Sozial- und Beschäftigungskomponente einzubringen. Auch bei der Umweltkomponente habe man von der EU außer Goodwill­erklärungen nichts geerntet.

Die Regierung sei auch Gefangene ihrer eigenen EU-Werbung, denn diese enthalte nur Ankündigungen, wodurch sie unglaubwürdig geworden sei.

Die EU-Förderprogramme würden, hieß es in diesem Zusammenhang, zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen. Wenn nun Herr Minister Farnleitner von einer Förderfalle – etwa im Fall von HTM – spreche, könne man dem nur beipflichten, denn Voraussetzung für die Förderung sei, daß es um 40 Prozent weniger Beschäftigte gebe. Das ist eine völlig falsche Strukturpolitik.

Der Besuch des Außenministers Kinkel, der als Wahlwerber nach Wien geholt worden sei, war für Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn alles andere als ermutigend. Er finde es erschütternd, daß dieser von einer Beschäftigungsgarantie in der Europäischen Union nichts wissen wolle, hingegen von der Schaffung einer Kulturgemeinschaft spreche.

Nur eine entsprechende Strukturpolitik könne die derzeitige Wachstumsschwäche bekämpfen. Geschützte Bereiche seien zu öffnen, neue Technologien zu forcieren, der Rückzug des Staates müsse einsetzen.

Frage: Was unternimmt der Finanzminister, um neue Beschäftigung in diesem Sinn zu schaffen und damit dem von der Regierung verursachten Semperit-Syndrom entgegenzuwirken?

In einer weiteren Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung bemängelt Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche), daß – auch wenn zu Beginn der Sitzung auf eine bestimmte Tagesplanung des Bundeskanzlers und der Minister hingewiesen worden sei – der Herr Bundeskanzler einfach den Ausschuß verlasse, obwohl der Tagesordnungspunkt 1 noch in keiner Weise abgehandelt sei und zum Teil auch einzelne von Rednern aufgeworfene Fragen noch gar nicht beantwortet seien. Dieser Ausschuß gedeihe zur Farce, wenn die Minister sich die Zeit so einteilen, wie es ihnen beliebt, ohne dem Parlament den ihm nach der Verfassung gehörenden Raum und auch den Respekt einzuräumen, den Regierungsmitglieder gegenüber dem Parlament zu beobachten haben.

Abgeordneter Mag. Stadler ersucht daher Obmann Dr. Fischer auch zur Frage der Ministeranwesenheit, aber insbesondere zur Klärung der Farce der vorgelegten Anträge, die in keiner Weise mit der Geschäftsordnung übereinstimmen, eine kurze Unterbrechung der Sitzung anzuberaumen, damit dies beraten werden könne und er weiterhin an des Präsidenten unparteiische Vorsitzführung glauben dürfe.

Obmann Dr. Heinz Fischer sieht sich gerade zwecks unparteiischer Vorsitzführung veranlaßt, einmal zu sagen, daß man nicht mit dem Wort “zur Geschäftsbehandlung” alles, was einem Unbehagen bereite, einfach unter Übergehung der Rednerreihenfolge sagen könne. Es gebe eine Tagesordnung, diese werde abgehandelt. Er sei informiert worden, daß die einzelnen Redner tentativ nicht mehr als 5 Minuten sprechen sollen, nach der Geschäftsordnung könne er aber erst eingreifen, wenn jemand länger als 15 Minuten spreche, und müsse es daher hinnehmen, wenn einzelne Redner länger sprächen und der Fahrplan nicht ganz eingehalten werden könne.

Er habe zweitens Vorsorge zu treffen – und müßte es tun, wenn ein diesbezüglicher Beschluß vorläge –, daß die Bundesregierung jeweils vertreten ist. Nach der Geschäftsordnung könne ein Antrag auf Anwesenheit eines bestimmten Mitgliedes der Bundesregierung gestellt werden. Ein solcher Antrag sei jedoch nicht gestellt worden, und der Herr Bundesminister für Finanzen vertrete die Bundesregierung im Hauptausschuß.

Auf einen Zwischenruf des Abgeordneten Mag. Stadler, daß die Frage der Anträge bisher überhaupt nicht geklärt worden sei und Anträge in Behandlung stünden, die nicht der Geschäftsordnung entsprechen, erwidert Obmann Dr. Fischer, daß erstens nicht der Kollege Stadler, sondern der Vorsitzende die Geschäftsordnung handhabe, zweitens sei dem Vorsitzenden von Abgeordneten Dr. Nowotny angekündigt worden, daß ein kritisierter Antrag zurückgezogen wurde und neu eingebracht werden wird.

Eine neuerliche Worterteilung an Abgeordneten Stadler zur Geschäftsbehandlung werde im Sinne der Geschäftsordnung erst dann getätigt, nachdem wenigstens ein Redner wieder zur Sache gesprochen habe. Dann müsse aber tatsächlich ein konkreter Antrag zur Geschäfts­ordnung gestellt werden.

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ) stellt fest, daß Abgeordneter Stadler bisher keine inhaltliche, sondern ausschließlich eine Formaldiskussion geführt habe.

Der Antrag der Abgeordneten Nowotny, Maderthaner, Reitsamer und Höchtl wurde zurück­gezogen und werde nun mit folgender Ergänzung neu eingebracht:

"... betreffend Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene, umzusetzen durch Bundesverfassungsgesetz beziehungsweise Bundesgesetz beziehungsweise durch mit diesen gleichrangigen Staatsverträgen.”

Bei den Anträgen selbst komme die Ergänzung:

"Das gegenständliche Vorhaben ist teilweise durch Bundesverfassungsgesetz, teilweise durch Bundesgesetze beziehungsweise mit diesen gleichrangigen Staatsverträgen umzusetzen."

Kollege Nowotny sei angegriffen worden, weil er aufgrund der guten Daten die Befugnis Österreichs ableitete, Vorschläge zur Beschäftigungspolitik, zur Arbeitsmarktsituation einzu­bringen. Das sei gleich so interpretiert worden, als ob man mit den derzeitigen Arbeitslosen­ziffern zufrieden wäre. Das sei keineswegs der Fall, und es wurde mehrmals betont, daß dies große Sorge bereite und die Priorität nach wie vor Vollbeschäftigung heiße.

Unbestritten sei auch, daß die soziale Dimension in der EU durch den Beitritt Österreichs einen anderen, einen besseren Stellenwert bekommen habe. Sehr zuversichtlich stimme die Rednerin auch eine Zeitungsmeldung, wonach Tony Blair erklärt habe, er würde die Europäische Sozial­charta sofort ratifizieren.

Da der Herr Bundeskanzler die fünf Schlüsselpositionen bezüglich des Essen-Follow-up hervorgekehrt hat, stellt Abgeordnete Reitsamer an Bundesminister Mag. Klima die Frage, wie sich die Arbeiten hinsichtlich der Fortentwicklung dieses Essen-Follow-up gestalten und wo Österreich bei der Umsetzung der Essener Punkte steht.

Laut Aussage des Herrn Bundeskanzlers sei die aktive Beschäftigungspolitik Mitvoraussetzung für die Akzeptanz der Wirtschafts- und Währungsunion, andererseits werde diese Währungs­union aber oftmals auch als Grundlage für eine Beschäftigungsunion genannt.

Frage daher: Inwiefern kann die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen?

Welche konkreten Vorschläge in bezug auf die Beschäftigungspolitik hat Österreich bei der Regierungskonferenz eingebracht? Findet Österreich hierbei auch die entsprechende Unter­stützung bei den anderen Mitgliedstaaten? Wie ist die Chance hinsichtlich einer Änderung des Primärrechts einzuschätzen?

Welchen Stellenwert haben die Interventionen des Europäischen Sozialfonds als Bestandteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik? Welche Initiativen gibt es seitens der Europäischen Kommission?

Unter Hinweis auf § 59, der im Ausschuß sinngemäß anzuwenden ist, erteilt Obmann Dr. Heinz Fischer Abgeordneten Stadler das Wort.

Abgeordneter Mag Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) betont, keinen Antrag stellen zu wollen, ein Regierungsmitglied vor den Ausschuß zu zitieren, weil er die Befürchtung habe beziehungsweise auch schon die entsprechenden Erfahrungen gemacht habe, daß die Mehrheit dieses Ausschusses die Regierungsmitglieder bei der laufenden Mißachtung des Parlaments unterstütze.

Hingegen ersucht Abgeordneter Mag. Stadler den Präsidenten um Klarstellung, ob diese Form der Antragstellung mit dem gesetzlichen Imperativ des § 31d Abs. 3 im Einklang stehe, und verweist ausdrücklich auf die präjudizielle Wirkung, weil das dann natürlich auch bei zukünftigen Antragstellungen Auswirkungen habe. Ihm sei nicht erfindlich, wie man den Europäischen Sozialfonds, die Förderrichtlinien und die Förderprogramme der EU, den Aufbau der europäischen Sozialpartnerschaft als unmittelbar umzusetzenden Rechtsakt, die gemeinsamen Strategien, aber auch die weiteren Strategien zum Delors-Weißbuch, zum Santer-Beschäftigungspaket und insbesondere die im Antragspunkt 5 geforderten Umschichtungen im Gemeinschaftsbudget der Europäischen Union in Österreich durch Bundesverfassungsgesetz, durch Bundesgesetz oder durch Staatsverträge mit den Ländern umsetzen soll.

Wenn man die Meinung vertrete, daß das ausschließlich eine formale Bestimmung sei, und es in Zukunft genüge, nur das entsprechende Sätzchen aufzunehmen, wie das etwa auch die grüne Fraktion getan habe, dann sei ihm das recht, aber das habe präjudizielle Wirkung, denn dann müsse man sich in Zukunft nicht mehr darüber unterhalten, ob bei solchen Jubelanträgen nach der Geschäftsordnung begründet werden müsse, wie sie im innerstaatlichen Recht umzusetzen sind. (Auf Zwischenrufe des Abg. Dr. Nowotny, er möge seinen eigenen Antrag lesen, geht Abg. Mag. Stadler nicht ein.)

Obmann Dr. Heinz Fischer weist nochmals darauf hin, daß der § 59 im Ausschuß sinngemäß anzuwenden ist. Der § 59 besagt: “Anträge zur Geschäftsbehandlung brauchen nicht schriftlich überreicht zu werden. Sie ... werden ... sogleich zur Abstimmung gebracht.” Daraus gehe hervor, daß die Annahme besteht, daß ein Antrag gestellt wird, über den abgestimmt wird.

“Meldet sich ein Abgeordneter, ohne einen Antrag zu stellen, zur Geschäftsbehandlung zu Wort, ist der Präsident berechtigt, ihm das Wort erst am Schlusse der Sitzung zu erteilen.”

Obmann Dr. Fischer ist sich der gewissen Härte dieser Bestimmung bewußt, weshalb er jetzt noch einmal das Wort zur Geschäftsbehandlung erteilt habe, aber er bittet, zu berücksichtigen, daß auch im Plenum des Nationalrates die Gewohnheit bestehe, Entschließungsanträge oder Dringliche Anfragen nicht inhaltlich vom Präsidenten zensurieren zu lassen. Würde man das jetzt zum Gesetz machen, daß alle diese Fragen vom Vorsitz während der Vorsitzführung geprüft werden müssen und es nicht der Entscheidung des Ausschusses überlassen bleibt, ob er einen Antrag für klug, richtig, zweckmäßig, sinnvoll und abstimmbar hält, dann würde man natürlich auch im Plenum Probleme bekommen.

Obmann Dr. Fischer möchte sich jetzt nicht vorschnell festlegen und sagen, ab jetzt werde in Plenum und im Ausschuß jeweils ex praesidio entschieden, ob ein Antrag der Regierungs­parteien oder der Oppositionsparteien – man könnte sie ja nur gleichartig behandeln – überhaupt in Verhandlung genommen werden dürfe. Er bittet aber die Antragsteller selbst, im weiteren Verlauf auf die vom Abgeordneten Stadler vorgebrachten Argumente einzugehen. Desgleichen möge der Hauptausschuß bei seinen Entscheidungen ebenfalls auf diese Argumente achten.

Danach erhält der Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Voggenhuber, das Wort, wobei ihn Obmann Dr. Fischer an die diesbezügliche neue Bestimmung in der Geschäftsordnung erinnert.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Johannes Voggenhuber (Grüne) weist zunächst auf eine gewisse Kneippkur der Argumentationen hin, wenn man vergleiche, daß in den europäischen Institutionen und insbesondere im Europäischen Parlament die fast ausschließliche und alleinige Verantwortlichkeit der Mitgliedsländer für nationale Beschäftigung und Beschäftigung überhaupt betont werde, während in der nationalen Debatte im wesentlichen doch über die Erwartungen an die Europäische Union gesprochen werde. Dies führe zu einer Pattsituation, die seit vielen Monaten tatsächliche Schritte gegen die explodierende Arbeitslosigkeit unmöglich mache.

Es sei richtig, daß es derzeit keine Rechtsgrundlagen, keine Kompetenz, keine Institutionen und kein Geld für eine europäische Beschäftigungspolitik gebe, unbestreitbar sei aber auch, daß man die nationalen Spielräume für Beschäftigungspolitik beseitigt habe, und deshalb überrasche es, daß die offenkundige Ursache der Arbeitslosigkeit in Europa, nämlich die Währungsunion, kaum diskutiert werde, denn die Konvergenzkriterien der Währungsunion seien unstrittig die Ursache der explodierenden Arbeitslosigkeit. Für Abgeordneten Voggenhuber ist es daher schockierend, daß die eigentliche und offenkundige Hauptursache dieser fatalen und katastro­phalen Entwicklung überhaupt mit keinem Wort angesprochen wird.

Zur Untermauerung dieser Aussage folgt ein Zitat aus einem Bericht des Max-Planck-Institutes für Gesellschaftsforschung: “So wie die Währungsunion konstruiert ist, stellt sie eine Aufforderung an die nationalen Regierungen dar, Stabilität auf Kosten von Beschäftigung zu erreichen." Weiters heißt es: “Im Prinzip müßte gelten, daß die Union immer dort, wo sie sich als unfähig erweist, selbst das zu tun, was die demokratischen Nationalstaaten Europas im 20. Jahrhundert so mühsam gelernt haben, ihre Bürger vor destruktiven Folgen von Marktprozessen zu schützen und den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern am Markt nicht unerträglich groß werden zu lassen, es den Mitgliedstaaten gestatten muß, dies nach besten Kräften selber zu versuchen. Passive Hinnahme von wachsender Ungleichheit und zunehmender Aushöhlung sozialer und industrieller Bürgerrechte darf nicht zur internationalen Verpflichtung des Nationalstaates werden."

Genau das sei das Problem. Die Konvergenzkriterien der Währungsunion verpflichten die Nationalstaaten, ihre Sozialsysteme aufzukündigen, ihre Beschäftigungspolitik aufzukündigen, ja im Grunde den Gesellschaftsvertrag selbst in Frage zu stellen, die soziale Marktwirtschaft im Kern in Frage zu stellen. Daher der Appell des Abgeordneten Voggenhuber, diese Ursache der Arbeitslosigkeit doch nicht weiter zu verleugnen und sich mit den Ursachen dieses Prozesses auseinanderzusetzen.

Eines sei klar: Die Forderung nach gleichzeitiger Entwicklung der Währungsunion und einer Beschäftigungsunion werde mit Sicherheit nicht erfüllt werden. Dafür bestehe keinerlei Chance. Das bedeute, daß man ohne soziale Gegenwehr bei der Durchsetzung der Konvergenzkriterien zuschaue, die in allen Mitgliedstaaten ein abgründiger menschlicher, sozialer und politischer Skandal seien.

Zur Frage der Beschäftigungsunion gehöre auch die Frage der Neuverteilung von Arbeit. Diesbezüglich sei der Rocard-Bericht wegweisend und wäre es wert, im Gremium des Hauptausschusses diskutiert zu werden.

Wenn man die Reform der Währungsunion nicht zum eigentlichen Thema mache, verliere man das Recht, über soziale Entwicklungen in Europa zu reden. Damit kündige man die soziale Marktwirtschaft, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Deshalb könne es auch nicht zu einer Sozialunion kommen, sondern es drohe die Durchsetzung eines Ultraliberalismus in Europa und die Entmachtung der Politik, gegenüber dem Markt die sozialen Bürgerrechte zu verteidigen.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) entgegnet Abgeordneten Voggenhuber, daß man einheitlich davon ausgehe, daß die Währungsunion einen ganz wesentlichen stabilitäts­politischen Faktor in Europa bilden und damit natürlich auch zu einer Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation in Österreich und in Europa beitragen werde.

Weiters: Mit Defizitpolitik könne keine Beschäftigungspolitik im positiven Sinne betrieben werden, sondern ganz eindeutig sei Stabilitätspolitik, wie sie in Österreich angestrebt werde, die Voraussetzung für eine gute Beschäftigungspolitik und für eine bessere Arbeitsmarktsituation. Sicher vertrete auch die Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament einen anderen Standpunkt als den von Abgeordneten Voggenhuber vorgetragenen. Der zitierte Rocard-Bericht sei auch nicht in dieser Form angenommen worden.

Zur europäischen Beschäftigungspolitik zwei Gedanken. Erstens: Die über den Sozialfonds erfolgende Förderungspolitik ermögliche auch in Österreich eine bessere aktive Arbeits­markt­politik im Bereich der Berufsausbildung, aber auch im Bereich einer echten Beschäftigungs­politik.

Zweitens – dies werde im Vertrauenspakt sehr deutlich gesagt – müsse man die Vorteile des Binnenmarktes nützen, wenn man wirklich Beschäftigungspolitik betreiben wolle. Dabei gehe es vor allem auch darum, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern. Neben Bestimmungen über das Arbeitsrecht und den Arbeitnehmerschutz könne die kürzlich beschlossene Entsendungsrichtlinie dazu beitragen.

Letzter Punkt: Bei jenen Bereichen der Beschäftigungspolitik, die auf EU-Ebene einhellig klargelegt sind – etwa flexible Arbeitszeiten –, sollen auch in Österreich die Chancen entspre­chend genützt werden.

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) berichtet zunächst, daß – entgegen der Aussage des Abgeordneten Dr. Feurstein – der Rocard-Bericht im letzten Plenum verabschiedet wurde. Er habe jedoch nicht die Lösungskompetenz, die man sich wünschen würde.

Im Europäischen Parlament gab es einen temporären Ausschuß zur Beschäftigung. Die Anregung, diesen Ausschuß wieder einzusetzen, sei zwar löblich, es sei aber zu befürchten, daß auch er nichts bringen würde, zumal die Kompetenzen fehlen, Entscheidungen auf europäischer Ebene wirklich durchsetzen zu können.

Der Bundeskanzler habe vorhin von der Bugetrevision gesprochen. Es genüge aber nicht, den im Rocard-Bericht ausgewiesene Betrag von 350 Millionen ECU für Beschäftigung auf der EU-Ebene zu verdoppeln oder zu verdreifachen, sondern es müsse ein deutliches Signal gesetzt werden, was heißt, daß mindestens 10 oder 15 Prozent des europäischen Budgets dafür reserviert werden sollten.

Frage an Herrn Bundesminister Klima: Wenn die Bundesregierung bestrebt ist, Arbeitsplätze zu schaffen, die auch in der Zukunft stabil sind, das heißt, Arbeitsplätze in Technologien, die zukunftsweisend sind, warum hat Österreich das SAFE-II-Programm kaputtgemacht? Zwei Drittel des entsprechenden Budgets sind mit Zustimmung Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland gekürzt worden.

Im Zusammenhang mit den Lohnnebenkosten habe der Herr Bundeskanzler auch das 13. und 14. Gehalt als einen Faktor erwähnt. Da das 13. und 14. Gehalt tatsächlich nur die Vor­enthaltung eines Teils des Gehaltes darstelle, sei zu überlegen, es nicht mehr in der bisherigen Form auszubezahlen, sondern zu höheren monatlichen Ausschüttung zu kommen.

Die moralische Verantwortung der EU bezüglich der Arbeitslosigkeit sei offensichtlich, es könne aber nicht nur immer bedauert werden, daß keine effektiven Mechanismen Platz greifen, sondern es müsse wirklich eine grundlegende Revision des europäischen Budgets erfolgen, sodaß einerseits unsinnige Förderungen, Doppel- und Dreifachförderungen unmöglich gemacht werden, auf der anderen Seite aber für die 18 Millionen registrierten und weit mehr unregistrierten Arbeitslosen tatsächlich etwas getan werde.

Für eine kurze Besprechung mit den Fraktionsführern unterbricht Obmann Dr. Heinz Fischer die Sitzung für wenige Minuten.

(Die Sitzung wird um 10.48 Uhr unterbrochen und um 10.54 Uhr wiederaufgenommen. – Es wird in der Behandlung des Tagesordnungspunktes 1 fortgefahren.)

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche) erinnert daran, daß der Bundeskanzler in seinem Einleitungsstatement die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Europa als sehr dramatisch, die österreichische Situation hingegen sehr positiv dargestellt habe. Dabei werde aber verschwiegen, daß es in Österreich neben der Anzahl von 200 000 Beschäftigungslosen 187 000 Frühpensionisten gibt, daß 5 000 Jugendliche keine Lehrstelle finden, daß es in Österreich die höchste Zahl an Sozialhilfeempfängern gibt, daß 70 Prozent der Hochschul­abgänger vom Staat quasi wie ein Schwamm aufgesogen worden sind und daß es überhaupt eine viel zu hohe Anzahl von öffentlich Bediensteten gibt. Rechne man all diese Zahlen zusammen, so ergebe sich eine strukturelle Arbeitslosigkeit in Österreich, die zweifellos zweistellig sei.

Das von der Kommission vorgelegte Papier “Vertrauenspakt für Beschäftigung in Europa” enthalte an sich viele gescheite Dinge. Unter anderem werde darin die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gefordert und darauf hingewiesen, daß Steuermaßnahmen wichtige Beschäftigungsimpulse geben können, es werde die zwischen 1980 und 1993 um 20 Prozent gestiegene Belastung des Faktors Arbeit dargestellt und gefordert, daß die Lohnnebenkosten zu senken und steuerrechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen seien, die den Unternehmern neue Impulse verleihen und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.

Die österreichische Bundesregierung mache jedoch genau das Gegenteil. Es werden keinerlei Impulse für die Unternehmer gesetzt, die Möglichkeit des Verlustvortrages werde für zwei Jahre ausgesetzt, nahezu alle Investitionsbegünstigungen würden abgeschafft, man sei nicht bereit, nichtentnommene Gewinne steuerlich zu begünstigen oder eine echte ökologische Steuerreform durchzuführen, die Lohnnebenkosten werden nicht gesenkt.

Es stelle sich daher die Frage, wie der Bundesminister für Finanzen Beschäftigungsimpulse setzen wolle, wenn er diesen wirklich guten Vorschlägen nicht Rechnung trage, sondern genau das Gegenteil mache.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP) stellt zunächst zu der von Abgeordneten Böhacker aufgestellten Behauptung, wonach Österreich eine strukturelle Arbeitslosigkeit hätte, die zweistellig sei, fest, daß das “ein Käse der Sonderpotenz” sei. Dies sei leicht widerlegbar, wenn man sich an Fakten orientiere. Nach EU-Kriterien betrage bei einer Anzahl von 191 000 Arbeitslosen – diese Zahl wurde erst vor zwei Tagen veröffentlicht – die Arbeits­losenrate genau 4,1 Prozent, während in der gesamten EU im Durchschnitt 10,7 Prozent Arbeitslosigkeit vorhanden seien. Es sei daher völlig überzogen, solche Horrorszenarien zu entwickeln.

Zum zweiten – in Erwiderung auf die Äußerung des Abgeordneten Dr. Frischenschlager – sei es wichtig, möglichst viel auch konkret in Papieren und Vereinbarungen festzuhalten. Man könne die Aufnahme eines eigenen Beschäftigungskapitels in den EG-Vertrag nicht nur als Papier bezeichnen. Wenn man es in der EU beschließe, sei dies auch die Chance, daß es verwirklicht werde.

Zum dritten stelle das Ziel Vollbeschäftigung natürlich eine große Herausforderung dar und könne möglicherweise auch nicht erreicht werden, aber die Aufnahme einer derartigen Formulierung als Zieldefinition deshalb aufzugeben, sei ebenfalls falsch. Zur Erreichung dieses Ziels würde allen enorm viel an Anstrengung abverlangt werden, und es sei klar, daß dies nur eine Mischung aus nationaler Anstrengung mit internationaler EU-Begleitung sein könne.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima entschuldigt sich zu Beginn seiner Aus­führungen vorweg, daß er sich nur kurz zu Wort melden werde, da er einen seit Wochen geplanten Termin mit der Landeshauptleutekonferenz bereits von 10 auf 11 Uhr verschoben habe, und bittet um Verständnis dafür, daß er die Hauptausschußsitzung früher verlassen müsse.

Betreffend Beschäftigungspolitik wendet sich Bundesminister Mag. Klima an Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und unterstreicht, was die österreichische Bundesregierung seit ihrem Antritt bereits an klaren beschäftigungspolitischen Maßnahmen im Regierungsprogramm verankert hat.

So seien zum Beispiel im Bereich der Infrastrukturoffensive für das hochrangige Straßennetz, für den Ausbau des Schienennetzes, aber auch für die beschäftigungsintensiven Bereiche Wasserwirtschaftsfonds und Altlastensanierung eine Sondertranche von 1 Milliarde beziehungs­weise 800 Millionen Schilling aus den Erlösen der Energieabgabe für energiesparende Maß­nahmen – auch für Alternativenergien – zur Verfügung gestellt worden.

Natürlich sei es darüber hinaus wichtig, sich auch der Vereinfachung des Wirtschaftens, den Verfahrensvereinfachungen und -konzentrationen sowie der Gewerbeordnung zu widmen. Man müsse sich auch mit der Weiterentwicklung der Technologiepolitik beschäftigen, für welche 1 Milliarde Schilling aus Privatisierungserlösen aus nationalen Mitteln bereitstehen sollen.

In Ergänzung zur nationalen Ebene der Beschäftigungspolitik sei eine internationale Fokussierung wichtig, daher trete Österreich dafür ein, diese Thematik auch in den Maastricht-Vertrag aufzunehmen.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Voggenhuber betreffend Währungsunion fordert Bundesminister Mag. Klima Ehrlichkeit. Er weist darauf hin, daß im Vertrag von Maastricht, der im Jahr 1992 beschlossen und von der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung im Zuge einer Volksabstimmung im Jahr 1994 akzeptiert wurde, unmißverständlich festgehalten sei, daß die Währungsunion zum 1. Jänner 1999 in Kraft treten werde.

Diesbezüglich stellt sich aus Sicht des Bundesministers eine Frage, die sorgfältig und umfangreich zu diskutieren ist, nämlich ob sich Österreich dieser Währungsunion anschließen soll oder nicht. Da gebe es unterschiedliche Meinungen in den Parteien und unter den Abgeordneten.

Eine Nichtteilnahme Österreichs an der Währungsunion hätte nach Meinung des Finanz­ministers fatalste Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft und auf Österreichs Arbeits­plätze. Es sei ein dramatisches Ansteigen des Zinsniveaus zu befürchten, das Investitionen behindert sowie eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hätte.

Bundesminister Mag. Klima wendet sich erneut an Abgeordneten Voggenhuber und zu dessen “Katalog der Grausamkeiten”, den Stabilitätskriterien. Der Minister weist darauf hin, daß die Wechselkursstabilität, langfristig niedrige Zinsen sowie eine niedrige Inflationsrate Maastricht-Kriterien seien. Er zitiert weiters aus dem Vertrag von Maastricht, daß das Defizit 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten solle beziehungsweise nur knapp darüber liegen dürfe und daß der Schuldenstand unter 60 Prozent sein solle beziehungsweise rasch sinken müsse. Betreffend Festhalten an den Maastricht-Kriterien gebe es politischen Spielraum für Vernunft; diesbezüglich seien sich alle Mitgliedsländer einig.

An der am vergangenen Wochenende stattgefundenen Tagung der Weltbank und des Währungsfonds, bei der über 100 Länder vertreten waren, wurde unter anderem eine gemeinsame Resolution verabschiedet, wonach im Interesse der Beschäftigungspolitik auf dieser Welt ein solider Haushalt aufzubauen sei. Laut dem indischen Finanzminister strebt selbst die neue indische Regierung, obwohl Indien wahrscheinlich nie der Währungsunion beitreten wird, ein Defizit von maximal 3 Prozent an. Auch die Schweiz, die ebenfalls nicht Mitglied der Europäischen Währungsunion sein wird, hat sich ein derartiges Haushalts­programm auferlegt.

Bundesminister Mag. Klima betont ausdrücklich, daß ein Defizit von 3 Prozent keine Grausam­keit darstelle, sondern etwas Erstrebenswertes sei.

Die technischen Vorbereitungsarbeiten in Richtung Euro-Verordnung, in Richtung eines neuen Wechselkurssystems laufen gut. Zwischen den Ins und Pre-Ins – früher hießen sie Ins und Outs; dies habe auch durchaus Bedeutung, denn es verdeutliche das Ziel, daß alle 15 Mitglied­staaten möglichst rasch dieser Währungsunion angehören sollen – soll es zu einem stabilen Wechselkursverhältnis kommen, und die Pre-Ins sollten sich sogenannten Stabilitäts- und Konvergenzprogramme unterziehen, um die für die Beschäftigung äußerst negativen Wechsel­kursschwankungen zu verhindern.

Bundesminister Mag. Klima führt aus, daß Österreich als eines der Hartwährungsländer durch die Wechselkursturbulenzen in den Jahren 1994 und 1995 über 1,5 Prozent an Wirtschafts­wachstum verloren habe und daß es daher im Interesse eines exportorientierten Landes gelegen sein müsse, zu einem gemeinsamen europäischen Währungssystem zu kommen, in dem sich auch die Pre-Ins gewissen Konvergenzkriterien unterziehen müssen.

Das Vertrauen in den Euro, insbesondere jener Länder – so auch Österreichs –, die bisher sehr gut mit einer stabilen Währung gelebt haben, werde dann stärker sein, wenn sichergestellt sei, daß die Stabilitätskriterien nicht nur zum Zeitpunkt des Eintrittes, sondern fortlaufend gelten. Daher bedürfe es auch politischer Vereinbarungen dieser Länder in Richtung einer Stabilitäts­pflicht.

Mag. Klima schließt seine Ausführungen mit dem Hinweis, daß die ursprünglichen Waigelschen Stabilitätspakte längst nicht mehr gültig sind und daß der nun gültige Stabilitätspakt politische Entscheidungen und Diskussionen vor entsprechenden Maßnahmen vorsieht. Das heißt, daß jedes Land die Chance haben wird, bei Defiziten Maßnahmen vorzustellen, mit den Ministern, mit den Fachleuten der Europäischen Kommission zu beraten, bevor Sanktionen verhängt werden, welche hoffentlich ein möglichst nie eintretendes Drohpotential sein mögen.

Obmann Dr. Heinz Fischer teilt bezüglich des Hinweises des Abgeordneten Mag. Stadler auf die Bestimmung des § 31d Abs. 3 mit, daß ihm die – zum Teil zurückgezogenen – Anträge nun in folgender Form vorliegen:

Antrag 1 der Frau Mag. Doris Pollet-Kammerlander enthält einen zusätzlichen Punkt 6: “Die Vorhaben sind durch Bundesverfassungsgesetz umzusetzen.”

Antrag 2 der Frau Mag. Doris Pollet-Kammerlander enthält einen zusätzlichen Punkt 6: “Die Vorhaben sind durch Bundesgesetz umzusetzen.”

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Frischenschlager enthält folgenden Zusatz:

“Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz umzusetzen beziehungsweise auf die Erlassung von unmittelbar anwendbaren Rechtsakten gerichtet, die Angelegenheiten betreffen, die durch Bundesgesetz umzusetzen wären.”

Der Antrag Nowotny/Maderthaner enthält in seiner neuen Fassung den Zusatz:

“Das gegenständliche Vorhaben ist teilweise durch Bundesverfassungsgesetz, teilweise durch Bundesgesetz beziehungsweise mit diesen gleichrangigen Staatsverträgen umzusetzen.”

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) erkennt die Präjudizialität dieses Verfahrens, daß die zitierte Gesetzesstelle im § 31d als Formalbestimmung zu werten sei und daher eine Formalformulierung im Antrag – dies müsse natürlich auch für seine Fraktion gelten – ausreiche, dieser Bestimmung Genüge zu tun. Er bedankt sich “herzlich” für diese Klarstellung.

Abgeordneter Höchtl habe mit seiner Darstellung der strukturellen Arbeitslosigkeit für Amüsement gesorgt. Andere Abgeordnete – Dr. Stummvoll zum Beispiel – würden den Unterschied zwischen dem, was Abgeordneter Höchtl als unterschiedliche Berechnungs­methode der Europäischen Union und Österreichs wortreich erläutert habe, und der strukturellen Arbeitslosigkeit, von der Kollege Böhacker gesprochen habe, sehr wohl kennen.

Abgeordneter Höchtl habe vor der Volksabstimmung im Jahre 1994 den Österreichern 42 000 Arbeitsplätze, die SPÖ gar 70 000 Arbeitsplätze durch den Beitritt prognostiziert. Die Bundes­regierung habe ihr Versprechen nicht eingehalten, da das Gegenteil davon eingetreten sei.

Abgeordneter Dr. Höchtl habe nun einen Antrag eingebracht, der zwar nicht mit der Geschäftsordnung im Einklang stehe, der aber der Regierung die Möglichkeit geben soll, im Wahlkampf noch ein bißchen zu glänzen. Dies werde aber nicht gelingen, denn allein das Beispiel, daß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union gleich null getan wurde – das habe sogar Swoboda im Fernsehen zugegeben –, gleichzeitig aber pro Jahr 3,3 Milliarden Schilling für Propaganda ausgegeben werden, beweise, wie wenig man sich innerhalb der Europäischen Union um die Finanzierung von Förderprogrammen bemühe.

Wie ernst die Debatte von der Regierung genommen würde, erkenne man daran, daß man sogar über die Währungsunion mit dem Innenminister diskutieren müsse. Der Hauptausschuß werde zur Farce, und die Regierungsparteien haben per Geschäftsordnung alles dazu unter­nommen, dem Hauptausschuß jede Möglichkeit zu nehmen, tatsächlich – wie die Verfassung dies vorsieht – in Angelegenheiten der Europäischen Union mitzusprechen.

Außerdem werden die Essener Ziele bei weitem nicht umgesetzt. Es werde sogar dagegen gearbeitet, auch wenn Abgeordneter Maderthaner dies offiziell bekämpfe. Als Beispiele hierfür könnten die Werkvertragsregelung, die ständig steigenden Lohnnebenkosten, die Kommunal­steuer, die um 50 Prozent gestiegen ist, und die verschärften Zumutbarkeits­regelungen im Arbeitslosenrecht angeführt werden.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) nimmt zu den Ausführungen des Abgeordneten Mag. Stadler Stellung und führt aus, daß seit dem Beitritt zur Europäischen Union Arbeitsplätze, besonders in Richtung Osteuropa, verlorengegangen seien, was aber nicht unmittelbar mit dem Beitritt zusammenhänge. Durch die aufgrund des Beitrittes zur Europäischen Union in den vergangenen eineinhalb Jahren erfolgten Neuinvestitionen aus Westeuropa in der Höhe von rund 35 Milliarden Schilling konnten jedoch zusätzlich Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden, durch welche die verlorenen zwar nicht kompensiert werden können, ohne die jedoch die Beschäftigungslage bedeutend schlimmer aussehen würde.

Bezüglich der strukturellen Arbeitslosigkeit sei zu unterstreichen, daß nahezu alle Mitglied­staaten der Europäischen Union unter derselben Budgetproblematik leiden wie Österreich, trotzdem aber bedeutend höhere Arbeitslosenraten als Österreich haben. Es sei unrichtig, zu denken, Österreich habe sich die niedrigere Arbeitslosenrate damit erkauft, daß die Regierung das Budget explodieren ließ, richtig sei vielmehr, daß andere Länder auch sehr hohe Arbeitslosenraten haben – teilweise bedeutend höhere als Österreich – und gleichzeitig genauso verschuldet sind. Daher muß diesbezüglich der österreichische Weg besser gewesen sein.

In Anbetracht dessen, daß die Vereinigten Staaten immer wieder gerne als das Jobwunder dargestellt werden, beleuchtet Abgeordneter Dr. Gusenbauer diese Situation näher und führt unter anderem aus, daß es in den USA unter dem Druck einer eminent hohen Arbeitslosigkeit zu einem massiven Absinken der durchschnittlichen Löhne gekommen sei, was dazu geführt habe, daß die soziale Ungleichheit inzwischen wieder auf dem Status der zwanziger Jahre angelangt sei. Ein “Jobwunder” dieser Art könne also weder für Europa noch für Österreich als erstrebenswert erachtet werden.

Bezüglich Wirtschafts- und Währungsunion und Beschäftigungspolitik sei es unbestritten, daß eine Ursache für die hohen Defizite der einzelnen Nationalstaaten darin zu sehen ist, daß aufgrund des unerhört hohen Zinsniveaus in Europa eine Reihe von Firmen nicht mehr in Unternehmungen investiert habe. Andererseits kam es durch Betriebe, die gleichzeitig Banken sind, zu einem partiellen Rückzug von langfristigen Investitionen. Dazu kam ein Aufblasen der internationalen Finanzmärkte, und teilweise traten die Nationalstaaten als Investoren auf, um eine gewisse Nachfrage zu erreichen. Dadurch überschuldeten sich die öffentlichen Haushalte, was per Saldo einerseits zu einer Akkumulation von privatem Reichtum auf den Kapitalmärkten und andererseits zu einer Verarmung der Nationalstaaten geführt habe.

Damit sich langfristige Investitionen in Europa wieder rechnen und somit auch Beschäftigung geschaffen wird, müsse daher das Zinsniveau gesenkt werden und müssen die Konvergenz­kriterien zumindest annähernd von möglichst vielen Staaten erfüllt werden.

Im Zusammenhang mit den immer wieder beklagten Lohnnebenkosten sei es zwar richtig, daß es ein Ansteigen der Arbeitskosten in Österreich gegeben habe, obgleich Österreich hinsichtlich der Lohnstückkosten die beste Performance in ganz Westeuropa aufweise. Und hätte es die Währungsturbulenzen in den Jahren 1993/1994 nicht gegeben, läge Österreich in bezug auf die Höhe der Arbeitskosten nicht an vierter, sondern an viertletzter Stelle in der Europäischen Union. Der Finanzminister habe schon darauf hingewiesen, daß die Währungsturbulenzen Österreich 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum gekostet haben, und das sei bedeutend mehr als die Nachfrage- und Wachstumseinbuße, die durch das Anstreben der Konvergenzkriterien stattfinde.

Für Abgeordneten Dr. Gusenbauer ist die politische Zielsetzung klar: Österreich muß daran interessiert sein, daß möglichst viele seiner europäischen Handelspartner zum ehestmöglichen Zeitpunkt Mitglieder der Wirtschafts- und Währungsunion werden, damit stabile Währungs­relationen erreicht werden können.

Außerdem dürfe nicht mit dem Rechenschieber auf Punkt und Komma berechnet werden, wer die Konvergenzkriterien einhält und wer nicht, sondern es müsse eine politische Entscheidung und eine politische Bewertung geben. Letztendlich sei eine stabililtätsorientierte Politik auch eine Voraussetzung dafür, zusätzliche Beschäftigung in Europa zu schaffen.

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche) nimmt zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Gusenbauer Stellung und wirft ihm mit Bezug auf das amerikanische Jobwunder der Bundesregierung vor, mit der Neuregelung der Werkverträge – Billigarbeit ohne kollektiv­vertragliche Absicherung, ohne 13. und 14. Gehalt, ohne Kündigungsschutz, ohne Arbeits­losenversicherung – auf dem besten Weg zu amerikanischen Verhältnissen zu sein. Sie stimme mit Abgeordneten Voggenhuber überein, daß bezüglich der Beschäftigungspolitik in der EU der Ball lediglich hin- und hergeschoben werde.

Nun, da Sparpakete geschnürt werden, haben die Betriebe nicht mehr die Möglichkeit, zusätzliche Beschäftigung zu bieten, denn die Kostenstruktur sei so straff, daß jeder Unter­nehmer Personal einspare. Es erscheine unmöglich, in dieser Situation auf nationaler Ebene Geld für eine Beschäftigungsinitiative in diesem Bereich zu lukrieren.

Die Einführung der Währungsunion könne nur im Zuge einer Harmonisierung des Steuersystems erfolgen, Österreich habe jedoch immer noch zu hohe Steuersätze auf Dienstleistungen und hebe – als einziges Land in Europa – Getränkesteuer ein. Diesbezüglich stelle sich die Frage, warum die Regierung nicht schon längst initiativ wurde und überprüfen ließ, ob die Getränkesteuer überhaupt EU-konform ist.

Auch die KÖSt scheine in nächster Zeit ein großer Kostenfaktor für die Regierung zu werden, da 26 000 Berufungen im Laufen sind, was bedeutete daß es zu einer Rückzahlung von über einer Milliarde Schilling kommen kann. Dies würde wiederum das Budget für nationale Beschäfti­gungs­initiativen schmälern.

Von seiten der EU sind europäische Beschäftigungsinitiativen überhaupt nicht vorgesehen. Die großen Fraktionen im Europaparlament, die Europäische Volkspartei und die Europäische Sozialistische Partei, gehen den Weg einer nationalen Beschäftigungsinitiative. Es stelle sich die Frage, wo Österreich in Zukunft das Geld dafür hernehmen wird.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP) vertritt die Meinung, daß es ein gemein­sames Europa entweder als Währungsunion oder überhaupt nicht geben werde. Ein Binnen­markt ohne gemeinsame Währung sei ein Torso, ein Fragment, das auf Dauer nicht bestehen könne, daher sei die Währungsunion eine hochpolitische Herausforderung.

Abgeordneter Dr. Stummvoll kritisiert, daß viele Redner die Maastricht-Kriterien für die Budget­konsolidierung verantwortlich gemacht und diese als unsozial bezeichnet hätten. Höchst unsozial wäre es jedoch, budgetpolitisch nicht zu agieren, den, eine ständige Verschuldung bedeutet eine politisch-moralische Verantwortung der Jugend gegenüber. Man könne nicht ständig über seine Verhältnisse leben und erwarten, daß die Kinder alles zurückzahlen. Daher ist eine Budgetkonsolidierung notwendig – mit oder ohne Maastricht.

Aus den genannten Gründen habe Budgetkonsolidierung für die nächsten Jahre absolute Priorität, aber auch deshalb, weil durch eine Nichtteilnahme an der Währungsunion Österreichs Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte durch die Reaktion der internationalen Finanzmärkte in der ersten Phase Mehrbelastungen von 20 bis 30 Milliarden Schilling hinnehmen müßten.

Ein konsequentes Festhalten an dieser Politik sei absolut notwendig. Jeder Änderung der Maastricht-Kriterien müsse daher energisch entgegengetreten werden, damit der Euro genauso stabil wird, wie es der Schilling ist. Außerdem müsse durch intensive Zusammenarbeit mit den anderen Staaten dahin gehend gewirkt werden, die sich aus der zeitlichen Spanne ergebende Diskrepanz zwischen den Ins und Pre-Ins möglichst rasch auszugleichen.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) nimmt zu den Ausführungen des Abgeord­neten Gusenbauer bezüglich Arbeitsmarktpolitik Stellung und hebt hervor, daß die von ihm erwähnten neugeschaffenen Arbeitsplätze durch das Assoziierungsabkommen mit der Türkei zumindest für die Österreicher verlorengegangen seien, da ja hinzukommende neue Arbeitskräfte diese Arbeitsplätze teilweise wieder besetzen. (Obmann Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit sei festzuhalten, daß Österreich die höchste Zahl an Frühpensionisten aufweise. Waren es Jahr 1990 noch 115 000, seien es jetzt bereits 197 000, also 20 Prozent der Gesamtanzahl der Pensionisten.

Darüber hinaus würden in Österreich die Studenten nicht in die Arbeitslosenrate eingerechnet, und es werde auch nie erwähnt, daß Österreich das niedrigste Pensionsalter in ganz Europa aufweist, daß sich viele Leute in die Pension flüchten, die in Wirklichkeit zu den Arbeitslosen gezählt werden müßten.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé meint, man solle sich lieber darum kümmern, die bereits bestehenden Kriterien durchzusetzen, anstatt eine neue Zielbestimmung wie die Voll­beschäftigung zu schaffen, die nur deklaratorischen Charakter habe und deren Erreichung von Experten ohnehin angezweifelt werde.

Diesbezüglich verweist sie auf das Papier “Für Beschäftigung in Europa: ein Vertrauenspakt”, in dem viele Punkte genannt seien, die aber in Österreich nicht verwirklicht würden. Dazu gehöre beispielsweise die Verbesserung der Arbeitsmarktverwaltung. Obwohl die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung 100 Millionen Schilling gekostet habe, sei sie nach wie vor ineffizient. Die Arbeitslosigkeit werde in Österreich nach wie nur vor verwaltet, die in den Kriterien geforderte persönliche Betreuung und Bemühungen, die Arbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, werden einfach nicht durchgeführt.

Daher fordert Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, jene Kriterien, die es bereits gibt, durchzusetzen, Rahmenbedingungen, steuerliche Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen für die Unter­nehmer, für die Investitionsprogramme zu schaffen.

Bezugnehmend auf die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Höchtl, daß die Verankerung des Zieles Vollbeschäftigung von allen ein bestimmtes Maß an Anstrengungen erfordere, sei festzustellen, daß es nicht an Grundsätzen mangle, sondern an der Durchführung.

Da immer wieder erwähnt wurde, man dürfe sich nicht auf die Lohnnebenkosten konzentrieren, vielmehr die Stückkosten beachten, weist Abgeordnete Dr. Partik-Pablé darauf hin, daß auch im Bereich der Stückkosten eine beträchtliche Verschlechterung eingetreten sei und es daher keinen Grund gebe, sich zu beweihräuchern. Sie schließt ihre Ausführungen mit der Auf­forderung an die Regierungsparteien, endlich zu handeln.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) bringt, da die Sitzung um 13 Uhr mit der Mehrheit der Regierungsparteien vermutlich abgebrochen wird, einen ihr sehr wichtigen Antrag ein.

Sie weist auf die Sitzung des ECOFIN-Rates hin, der am 14. Oktober in Dublin den Stabilitäts­pakt für die Währungsunion beraten wird. Der Stabilitätspakt sei ein wichtiger Verhandlungs­gegenstand, sei jedoch in der Sitzung bisher zu kurz gekommen, obwohl er doch in einem engen Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik als solcher stehe.

Sie erwähnt weiters den “Blauen Brief” vom Juli, in welchem Österreich aufgefordert wird, noch restriktivere Maßnahmen im Zuge des Sparpakets zu setzen und ab 1998 weitere Sanierungsschritte zu tätigen. Maßnahmen wie diese seien für die Grünen – aber auch für führende Wirtschaftswissenschafter – ein Grund für die hohe Arbeitslosigkeit in Europa. Dieser Stabilitätspakt sehe vor, daß Teilnehmer auch nach Bildung der Währungsunion verpflichtet sind, ihre Staatsverschuldung beziehungsweise ihre Defizite entsprechend niedrigzuhalten beziehungsweise zu reduzieren. Bei Nichteinhaltung dieser Kriterien seien offensichtlich auto­matische Sanktionen vorgesehen, die bis zu Strafeinlagen reichen können.

Abgeordnete Mag. Kammerlander unterstreicht die Notwendigkeit, die Beratungen im Ausschuß aufzunehmen und einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG einzubringen, daß der zuständige Regierungsvertreter sich in den Organen der Europäischen Union, insbesondere im Rat der Finanzminister, im ECOFIN, und im Europäischen Rat gegen die Verabschiedung des sogenannten Stabilitätspaktes für die Währungsunion aussprechen solle, sollte dieser Pakt eine oder mehrere folgender Maßnahmen vorsehen: die Verpflichtung der Teilnehmerländer, das Defizit oder die Staatsverschuldung auch nach Bildung der Währungs­union auf unter 3 Prozent beziehungsweise 60 Prozent des BIP zu reduzieren, die automatische Sanktion bei Nichteinhaltung der Konvergenzkriterien durch ein Teilnehmerland oder die Sanktionen in Form von Strafeinlagen beziehungsweise Geldbußen bei Nichteinhaltung der Konvergenzkriterien.

Dies sei deshalb besonders wichtig, weil die Politiker der Regierungsparteien wiederholt – auch im Zuge des Wahlkampfes – den Eindruck erweckt haben, dieses Sparpaket würde nur eine einmalige Maßnahme und nicht eine fortdauernde sein. Besonders überrascht zeigt sie sich über die unkritische Haltung sozialdemokratischer Minister – beispielsweise Minister Klima –, während sozialdemokratische Politiker anderer Länder durchaus kritischere Positionen einnehmen und den Zusammenhang zwischen der Beschäftigungspolitik, der hohen Arbeits­losigkeit und der Wirtschafts- und Währungsunion sehen. In Deutschland bestätigen führende Wirtschaftswissenschafter aller möglichen Couleurs – auch der sozialdemokratischen –, daß die rigide Sparpolitik in allen Ländern Europas zu einer Rezession und zu einer höheren Arbeits­losigkeit führt. – Daher auch dieser Antrag auf Stellungnahme.

Abschließend stellt Abgeordnete Mag. Kammerlander mit Erstaunen fest, daß die Freiheitliche Partei das Geschäft der Regierungsparteien komplett übernommen habe und mitspiele, diesen Hauptausschuß zur Farce zu machen, anstatt sich mit Dringlichem, wie zum Beispiel dem ECOFIN-Rat am 14. Oktober, zu beschäftigen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche) beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, daß das sicherste Merkmal für Mißerfolg sei, wenn man den Erfolg anderer nicht mehr anerkennen könne. Er bezieht sich damit auf Abgeordneten Dr. Gusenbauer, der gemeint hat, mit dem Mindestlohn in Amerika könne man lediglich verhungern. Dem sei zu entgegnen, daß man mit 1 000 Dollar Mindestlohn in Amerika – das entspricht 60 S Stundenlohn – wesent­lich besser leben könne als in Österreich.

Die von Abgeordneten Gusenbauer erwähnten 35 Milliarden Investitionssumme seien nichts anderes als Rationalisierungsinvestitionen. Er nennt als Beispiel die KMB in Gratkorn, die mittlerweile mit ihrer 6-Milliarden-Investition knapp vor einem Out, was zur Folge habe, daß 300 Mitarbeiter abgebaut werden.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn schließt seine Ausführungen mit dem Vorwurf, daß sich Abgeordneter Dr. Gusenbauer seine Informationen nicht vor Ort, sondern vom desolaten verstaubten Statistischen Zentralamt hole, das noch dazu nach seiner Pfeife tanze.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) bittet um Klarstellung, ob die vorliegenden Anträge im Einklang mit der Geschäftsordnung stünden, da mehrere Anträge, von denen angekündigt wurde, daß sie zurückgezogen würden, nicht zurückgezogen, sondern nur in einer händisch modifizierten Form wieder eingebracht wurden.

Obmann Dr. Heinrich Neisser weist auf die Bestimmung des § 31d Abs. 3 der Geschäfts­ordnung hin, wonach bei Anträgen auf Stellungnahme auch Ausführungen darüber enthalten zu sein haben, ob das Vorhaben durch ein Bundesgesetz oder ein Bundesverfassungsgesetz umzusetzen ist oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist, der bundesgesetzliche oder bundesverfassungsgesetzliche Angelegenheiten betrifft. Der Sinn dieser Bestimmung ist natürlich, daß in einer Argumentation dieses Erfordernis nachvollzogen wird.

Obmann Dr. Heinrich Neisser nimmt die Anträge jedoch zur Kenntnis, weil sie zumindest formalita eine Aussage enthalten, daß die Vorhaben durch Bundesgesetz oder Bundes­verfassungsgesetz umzusetzen seien, macht aber darauf aufmerksam, daß dies natürlich die Festlegung einer gewissen Praxis für die Zukunft bedeutet. Aus Sicht des Obmannes sind die Anträge mit dem § 31d des Geschäftsordnungsgesetzes vereinbar.

Es folgt die Abstimmung über fünf Anträge auf Stellungnahme nach Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Als erster steht der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend “Beschäftigungspolitik – österreichische Vorschläge, Arbeitspapier der österreichischen Dele­gation” (6405/EU XX. GP) zur Abstimmung. – Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Doris Pollet-Kammerlander betreffend “Für Beschäftigung in Europa: ein Vertrauenspakt” (9870/EU, XX. GP) wird ebenfalls abgelehnt.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Frischenschlager betreffend Beschäftigung (9870/EU, 8875/EU, 6405/EU XX. GP) wird abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Nowotny, Ing. Maderthaner, Reitsamer, Dr. Höchtl betreffend Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene wird mit Mehrheit ange­nommen.

Der zuletzt von Frau Abgeordneter Mag. Pollet-Kammerlander erläuterte Antrag betreffend Beschäftigungspolitik (6405/EU XX. GP) wird abgelehnt.

2. Punkt

Wirtschafts- und Währungsunion (8604/EU, 9336/EU, 11489/EU, 11979/EU und 12394/EU XX. GP)

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) meldet sich gleich zu Beginn der Debatte zur Geschäftsbehandlung und ersucht, da es üblich sei, eine derartige Debatte vom zuständigen Regierungsmitglied beziehungsweise von dem Regierungsmitglied, das zur Ver­tretung der anderen Regierungsmitglieder im Ausschuß anwesend ist, einzuleiten, den Bundes­minister um einen entsprechenden Bericht zum Thema Währungsunion und Stabilitäts­pakt.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) erwidert darauf, daß genau dies die Absicht war und daß im Vorbereitungskomitee vereinbart wurde, daß zu jedem der vier Punkte das zuständige Regierungsmitglied 10 Minuten einleitend Stellung nimmt.

Des weiteren sei vereinbart worden, daß jeder Redner sich nur zweimal zu Wort meldet und jeweils nur 4 bis 5 Minuten redet. Dies wurde leider von der freiheitlichen Fraktion nicht eingehalten, außerdem hätten die freiheitlichen Abgeordneten durch sehr viele Wortmeldungen die Möglichkeit der Einleitung durch die Minister vereitelt.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) entgegnet, seine Fraktion hätte keine Vereinbarung gebrochen. Laut Mitteilung des Dritten Präsidenten war von einer derartigen Vereinbarung auch nicht die Rede. Jetzt stelle sich aber einzig die Frage, ob die Regierung nun die Debatte mit ihrem Standpunkt einleite oder nicht.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) findet es ebenfalls bedauerlich, daß die immens spezifischen Äußerungen nicht stattfinden, weist aber darauf hin, daß man daraus lernen werde müssen. Wenn der Handschlag nicht gelte und die Urkunde nichts nütze, dann helfe alles nichts.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) war in dieser Vorbereitungssitzung anwesend und bestätigt, daß eine Diskussion abgeführt wurde, die darauf gerichtet war, die vier Tages­ordnungspunkte in einem zeitlichen Rahmen zu begrenzen – auch was die Verfügbarkeit der Regierungsmitglieder anbelangt.

Der von der freiheitlichen Fraktion anwesende Präsident Brauneder habe in dieser Sitzung auch nicht beeinsprucht, pro Tagesordnungspunkt etwa eine Stunde vorzusehen. Das Fax, daß die freiheitliche Fraktion danach geschickt habe, müsse zur Kenntnis genommen werden, man habe keine andere Wahl.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) hält zunächst fest, daß er es ablehne, daß der Präsident als “Kasperl” bezeichnet werde. Er weist ferner darauf hin, daß Präsident Brauneder folgendes schriftlich festgehalten habe: Seitens der freiheitlichen Fraktion wurde in der Besprechung davon ausgegangen – gemeint ist das Vorbereitungskomitee –, daß es keinen strikten Zeitrahmen für jeden Tagesordnungspunkt geben soll, sondern vielmehr jene Zeit zur Verfügung stehen müsse, die eine ausführliche Erörterung gewährleiste.

Ein grober Rahmen von etwa einer Stunde sei ausschließlich zwecks Orientierung der einzelnen Bundesminister denkbar. Im Sinne des eben Gesagten müsse aber damit gerechnet werden, daß dieser Rahmen der eben ausführlich erwähnten Erörterung wegen überschritten werde, was einerseits von der Länge der Einleitungsbemerkungen der einzelnen Bundesminister abhänge, andererseits von der Rededauer eines jeden Abgeordneten – als Richtzahl gelten 5 Minuten – und von der Zahl der Abgeordneten pro Klub.

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP) nimmt zu dem Vorwurf des Abgeordneten Stadler Stellung, welcher behauptet hat, Präsident Brauneder sei als Kasperl bezeichnet worden. Er weise dies entschieden zurück. Richtig sei vielmehr, daß er, Kiss, in einem Zwischenruf als Replik auf die Vorgangsweise des Abgeordneten Stadler gemeint habe, damit würde dieser seinen eigenen Präsidenten Brauneder zum Hampelmann und Kasperl diskreditieren.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche) findet es nicht in Ordnung, daß man im Hauptausschuß zu einer derart ernsten Frage wie Wirtschafts- und Währungsunion neben dem Innenminister auch den Landwirtschaftsminister begrüßen dürfe, der dafür zuständige Minister aber nicht anwesend sei.

Ein Bekenntnis zum Europäischen Wirtschaftsraum beziehungsweise zur Europäischen Union abzulegen, sei für die Freiheitlichen nichts Neues. Das Problem, das sich stelle, sei, daß bezüglich des Vertrages von Maastricht die Regierung der Opposition einfach nicht zugestehen wolle, daß diese Anregungen hat, wie man Verträge besser verhandeln kann. So hätte seine Fraktion bereits Fehler im Vertrag von Maastricht aufgezeigt, die auch andere europäische Länder mittlerweile schon kritisieren.

Finanzminister Klima etwa habe versprochen, Österreich sei frühestens dann bereit, auf den Schilling zu verzichten, wenn der ECU gleich hart wäre wie der Schilling. In vielen internationalen Zeitungen werde jedoch prognostiziert, daß der ECU schwächer sein wird als die D-Mark.

Es wurde weiters versprochen, die Währungsunion werde erstens nicht so schnell kommen, zweitens werde es sie erst dann geben, wenn ausreichend starke Währungen vorhanden seien.

Diese Dinge haben die Freiheitlichen veranlaßt, einen Antrag zu stellen, wonach diese Maastricht-Kriterien durch die Aufnahme von Arbeitslosenhöchstraten zu erweitern wären, da der Sozial- und Beschäftigungspakt eigentlich ein Larifari sei, das nur auf beinharten Milton-Friedmann-Überlegungen basiere, in Wirklichkeit jedoch die Sozial- und Beschäftigungskomponente in keinster Weise beinhalte. Doch da zum Beispiel Deutschland an dieser Aktion federführend beteiligt sei, befinde sich Österreich natürlich im Schlepptau in bezug auf Ablehnung der Sozial- und Beschäftigungskomponenten.

Was die Einführung des Euro betreffe, so müsse diese auf jeden Fall am Ende einer Binnenmarktentwicklung stehen. Die fünf wichtigsten Handelspartner sollten auf jeden Fall an dieser Währungsunion erster Stufe beteiligt sein, da Österreichs stark außenwirtschafts­orientierte Situation Einbrüche wie die Währungsturbulenzen von 1992/93 nicht vertrage.

Die Freiheitlichen seien natürlich der Meinung, daß die Konvergenzkriterien eingehalten werden müssen, meinen jedoch – wie viele andere Länder auch –, daß der Zeitplan nicht mehr stimme. Es sei doch lächerlich, ein Europa, das man über Jahrhunderte sehr konsequent und klug aufgebaut habe, jetzt wegen politischer Panikreaktionen aufs Spiel zu setzen. Ein Schritt zu schnell nach vor mit dem Euro könnte zwei Schritte zurück bedeuten. Wenn die wichtigsten Handelspartner nicht dabei seien, könnte Österreich leicht als Verlierer dastehen. Ferner müßten die Bedingungen der Strafsanktionen geklärt werden

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP) stellt fest, daß die Erfüllung der sogenannten Konvergenzkriterien Grundbedingung dafür sei, daß ein Land in die dritte Stufe der Währungsunion eintreten dürfe. Die Autoren des Vertrages von Maastricht waren bemüht, diese Stabilitätskriterien im Vertrag möglichst sinnvoll zu definieren. Diese Definitionen seien allerdings auf zwei verschiedene Paragraphen des Vertrages selbst und auf zwei der Zusatzprotokolle verteilt. Beim Lesen dieser Texte werde durchaus klar, daß diese Konvergenz­kriterien einigen Spielraum für Interpretation offenlassen. Österreich müsse daher bemüht sein, daß diese Interpretationen nicht zur Aufweichung der Kriterien führen, denn nur so könne sichergestellt werden, daß ausschließlich Länder mit starken Volkswirtschaften aufgenommen werden, was auch eine Vorbedingung für die Stabilität und Sicherheit der kommenden europäischen Währung sei.

Daher bringen die Abgeordneten Stummvoll, Nowotny, Rauch-Kallat und Gusenbauer folgenden Antrag auf Stellungnahme ein:

Es sollen die gemäß Maastricht-Vertrag vorgesehenen Maßnahmen sowohl im Rahmen der EU als auch in Österreich konsequent weiterverfolgt werden, um sicherzustellen, daß die erforder­lichen Vorbereitungsschritte zur Einführung der einheitlichen Währung auch zeitgerecht ergriffen werden können.

Weiters ist jeder Änderung der Konvergenzkriterien strikt entgegenzutreten, da die europäische Gemeinschaftswährung die gleiche Stabilität und Kaufkraft wie der österreichische Schilling haben soll. Außerdem soll durch intensivierte Zusammenarbeit mit jenen EU-Mitgliedstaaten, die noch nicht beginnend mit 1. Jänner 1999 an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungs­union teilnehmen werden, sichergestellt werden, daß möglichst bald alle Mitgliedstaaten der Wirtschafts- und Währungsunion angehören können.

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetze umzusetzen beziehungsweise auf die Erlassung von unmittelbar anwendbaren Rechtsakten gerichtet, die Angelegenheiten betreffen, die durch Bundesgesetz umzusetzen wären.

Abgeordnete Rauch-Kallat ersucht um Kenntnisnahme dieses Antrages.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne) beantragt gemäß § 31c Abs. 3 eine Umstellung der Tagesordnungspunkte und schlägt vor, den 4. Tagesordnungspunkt – BSE – zu behandeln und die Anwesenheit des Herrn Minister Molterer zu nützen.

Obmann Dr. Heinrich Neisser läßt darüber abstimmen, ob die Beratungen zu Punkt 2 unterbrochen werden sollen, um den Punkt 4 zu behandeln. – Dieser Antrag wird mit Mehrheit angenommen. Daher werden die Beratungen zu Punkt 2 unterbrochen.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum) beantragt, den Tagesordnungspunkt 3 mangels Zeit auf die nächste Sitzung des Hauptausschusses zu vertagen. Gemäß der Geschäftsordnung ist es jedoch nicht möglich, einen derartigen Antrag während der Ausschuß­beratung zu stellen.

4. Punkt

BSE (11658/EU, 12852/EU und 12867/EU XX. GP)

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer meint, daß seit Bekanntwerden der Möglichkeit, daß BSE auf den Menschen übertragen werden könne, die Diskussion bei den Betroffenen – bei den Bauern wie auch den Konsumenten – entflammt sei. Die Krise habe von Großbritannien ihren Ausgang genommen, und es stehe außer Frage, daß in Großbritannien die Maßnahmen zu lange nicht konsequent genug umgesetzt wurden.

Österreich hingegen habe entsprechend gehandelt und sei daher auch BSE-frei. Die Veterinär­verwaltung habe rasch gehandelt, aber auch in der Struktur der agrarischen Produktion seien nicht jene Fehler gemacht worden, die sich in anderen Regionen jetzt als nachteilig erweisen.

Da jedoch auch zusätzliche Maßnahmen und Aufklärungen notwendig seien, um Gefährdungen der Konsumenten auszuschließen, vertrete Frau Gesundheitsministerin Dr. Krammer als Auskunfts­person im Europäischen Parlament die notwendigen österreichischen Interessen.

Österreich habe sehr rasch gehandelt. Mit 30. Mai 1990 sei die Einfuhr lebender Wiederkäuer aus dem Vereinigten Königreich gesperrt, im August 1990 sei diese Einfuhrbeschränkung als Einfuhrverbot ausgeweitet worden. Bereits am 27. November 1990 wurde in Österreich die Verfütterung von Fleisch und Tiermehlen an Wiederkäuer verboten, 1991 hat Österreich im Tierseuchengesetz BSE als anzeigepflichtige Krankheit verfügt. Seit Mai 1991 werden in der Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling alle Verdachtsfälle auf BSE untersucht. Trotz dieses intensiven Untersuchungsprogramms sei jedoch kein einziger Fall von BSE in Österreich festgestellt worden.

Im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union habe Österreich auch die ent­sprechenden Bestimmungen der Europäischen Union übernommen, und es sei gelungen, die Aufrechterhaltung des Importverbotes von Rinderembryonen aus Großbritannien sicher­zu­stellen.

Bundesminister Mag. Molterer weist darauf hin, daß Österreich auch sehr rasch gehandelt habe, als im heurigen Jahr die entsprechenden Berichte aus Großbritannien über die mögliche Über­tragbarkeit bekanntgeworden seien. Bereits am 22. März dieses Jahres wurde ein Einfuhrverbot für britische Rinder und Rinderprodukte erlassen und am 26. März dieses Jahres ein Einfuhrverbot gegenüber der Schweiz verhängt.

Österreich habe auch in der Europäischen Union sehr konsequent die BSE-Haltung, die auch im Hauptausschuß mit einer einstimmigen Beschlußfassung zum Ausdruck gekommen sei, umgesetzt. In der Europäischen Union wurde seitens der Kommission bereits am 27. März dieses Jahres über Großbritannien ein generelles Verbot für den Export lebender Tiere, Fleischprodukte und anderer Produkte nicht nur in die Staaten der EU, sondern auch in Drittländer verhängt.

Österreich habe sich in der Folge auch in den Agrarräten immer ganz klar für die konsequente Einhaltung der Beschlüsse des Rates vom März und vom April dieses Jahres eingesetzt. Das betreffe etwa die konsequente Einhaltung des britischen Schlachtprogrammes, das betreffe die Frage der Marktentlastungen, aber auch der Direkteinkommenshilfen für die Bauern. Es wurden zusätzliche Ansprüche gestellt, wie zum Beispiel die dringend notwendige Kennzeichnung von Rindfleisch und von lebenden Rindern.

In diesem Zusammenhang sei, so der Bundesminister, das Ergebnis des Europäischen Rates von Florenz vom Juni dieses Jahres von besonderer Bedeutung, wo Vorstöße Großbritanniens zur Lockerung des Exportverbotes abgelehnt wurden.

Obwohl in Österreich kein BSE-Fall aufgetreten sei, leiden die österreichischen Rinderbauern unter den Markt- und Preisschwierigkeiten. Daher wurde die entsprechende Unterstützung seitens der Europäischen Union, der BSE-Ausgleich, bereits Ende August des heurigen Jahres ausbezahlt.

Österreich nimmt auch an den Maßnahmen der Europäischen Union teil, zum Beispiel an den Interventionsregelungen, und es sei erfreulich, daß die Kommission sich geeinigt habe, den Vorschlag für die Kennzeichnung von Fleisch und lebenden Rindern, der auf einer Initiative Österreichs beruhe, zeitgerecht zu beschließen, und daß dieser Vorschlag der Kennzeichnung jetzt auch in Europa entsprechend akzeptiert wurde.

Österreich habe nie einen Zweifel an der konsequenten Bekämpfung von BSE gelassen. Es vertrete in der Europäischen Union genau die Position, die der Hauptausschuß einstimmig beschlossen hat, und stelle außerdem klar, daß der Konsumentenschutz, die Sicherheit für die Konsumenten, der Verbraucherschutz oberste Priorität habe. Österreich trete in der Europäischen Union dafür ein, daß auch für den schwierigen Sektor Rindermarkt für die Rindererzeuger entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche) unterstreicht, daß die österreichischen Rinderbauern keine Schuld an der derzeitigen BSE-Krise hätten, dennoch würden sie höhere Verluste als die britischen Verursacher erleiden.

Nach Berechnungen der europäischen Bauernvertretung COPA bezifferte auch der Vorsitzende der österreichischen Präsidentenkonferenz, Abgeordneter Schwarzböck, den Verlust pro Rind im Durchschnitt auf 3 500 S. Die Direktzahlungen im Rahmen des BSE-Einkommensausgleichs belaufen sich auf rund 336 Millionen Schilling insgesamt. Daraus ergebe sich für den einzelnen Bauern als BSE-Ausgleichsmaßnahme ein Betrag von 727 S pro Stück für Stiere, Ochsen und Schlachtkalbinnen und 532 S für Zucht- und Nutzkalbinnen, also nur ein Bruchteil des wirklichen Schadens, den die österreichischen Rinderbauern hinnehmen müssen.

Außerdem fallen durch den von Österreich gewählten Auszahlungsmodus insbesondere die Bergbauern, die Tiere unter einem Jahr an die Einsteller oder Mäster verkaufen beziehungs­weise Ochsen und Mutterkühe länger als zwei Jahre im Betrieb halten, durch den Rost. Gerade in den Alpenregionen und anderen benachteiligten Gebieten sei jedoch die Rindermast für die kleinstrukturierte Landwirtschaft von besonderer Bedeutung.

Abgeordneter Ing. Reichhold weist auch auf die Interventionskäufe der Europäischen Union in der Höhe von 315 Millionen Schilling sowie die Exportstützungen im Ausmaß von 150 Millionen Schilling hin, die den Rindfleischmarkt stützen sollen. Diese Maßnahmen der Europäischen Union seien, so Abgeordneter Ing. Reichhold, für die Rinderbauern bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Daher habe die freiheitliche Fraktion schon seit längerem ein nationales Hilfsprogramm für die österreichischen Rinderhalter gefordert, Landwirtschaftsminister Molterer jedoch sei dazu nicht bereit, während man in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel in Deutschland, Frankreich oder auch Italien längst auf nationaler Ebene reagiert und eigene, von der EU unabhängige nationale Zusatzprogramme entwickelt habe.

Kommissar Fischler überlege, die entstandenen Verluste durch eine Prämienkürzung im Ackerbau zu finanzieren. Ing. Reichhold meint, daß dieses Problem von so großer Bedeutung sei, daß es über die rein agrarische Sichtweise hinaus gelöst werden müsse. Es gehe nicht allein um die Existenz der Bauern, sondern um die Glaubwürdigkeit der europäischen Politik insgesamt, sodaß auch Finanzierungsmittel aus anderen Töpfen als jene der Agrarleitlinie herangezogen werden sollten.

Abgeordneter Ing. Reichhold führt weiter aus, daß die Meinung der Freiheitlichen im Einklang mit der der deutschen Bauern stehe, und weist darauf hin, daß Kommissar Fischler bei Demonstrationen in Brüssel bereits als “Henker” der deutschen Bauern bezeichnet wurde. Dies könne man sogar im “Agrar l’Europe” nachlesen.

Um den Rindfleischmarkt kurzfristig zu entlasten, solle nach den Plänen Dr. Fischlers und mit Zustimmung des Landwirtschaftsministers die Intervention erhöht werden. Aus Sicht der Freiheitlichen sei jedoch diese Interventionspolitik der Europäischen Union keine Lösung, sondern verschiebe die Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt, wenn nämlich jene Fleischkontingente, die jetzt in Kühlhäusern gelagert werden, wieder aufgetaut werden müssen und wieder auf den Markt kommen, sofern sie nicht in Drittstaaten “entsorgt” werden, was natürlich wieder hohe finanzielle Mittel in Anspruch nehmen würde. Dabei verdienen nicht die Bauern, sondern die Lagerhalter, die Händler und die Kühlhausbesitzer. Außerdem würde mit dieser Form der Politik der Marktspekulation Tür und Tor geöffnet.

Das Vorhaben der EU-Kommission, nämlich die Tötung von bis zu 20 Tage alten Kälbern zu unterstützen und diese von der Lebensmittelkette auszuschließen, könne wohl nur das Ergebnis ratloser Kommissare sein und sei für die Freiheitlichen ein Beleg, daß diese Form der Gemeinsamen Agrarpolitik in Zukunft nicht mehr fortgesetzt werden könne. Die sogenannte “Herodesprämie” widerspreche in Anbetracht der Tatsache, daß 500 000 Jungrinder und Kälber aus den MOL-Staaten in die Europäischen Union importiert werden, jedem gesunden Menschenverstand.

Aufgrund dieser Fakten hat die freiheitliche Fraktion auch einen eigenen Antrag auf Stellungnahme verfaßt, der eine strikte Trennung der Vergabe von Mitteln der Europäischen Union vorsieht:

a) zur Tierseuchenbekämpfung und Ausmerzungsentschädigung für den Rinderwahn und

b) für die Unterstützungsaktionen für den zusammengebrochenen Markt an einwandfreiem Rindfleisch.

Diesbezüglich sei es den Freiheitlichen ein Anliegen, daß eine volle Abgeltung bäuerlicher Verluste, eine Exportstützung auch für Drittlandexporte und eine Ankurbelung des Inlandsverbrauches mit einer eigenen Marketingoffensive erfolge. Allerdings dürfe das nicht so vor sich gehen, daß die Agrarmarkt Austria, die für Marketingfragen zuständig ist, in der größten Krise der Rinderwirtschaft Österreichs eine Werbeoffensive für Geflügel und Eier vornehme.

Abgeordneter Ing. Reichhold fordert eine Importreduktion von Lebendvieh und Fleischprodukten aus den MOL-Staaten, weil es einfach nicht einsehbar sei, daß in einer Phase eines schrumpfenden Marktes – es werden zirka 20 Prozent weniger Rindfleisch verbraucht – die Importverträge und die bilateralen Abkommen der Europäischen Union mit den Oststaaten neu verhandelt würden. Im Notfall müsse man sich vielleicht sogar auskaufen.

Ein weiterer große Bereich sei die schrittweise Umstellung der EU-Rinderproduktion von der industriellen Massentierhaltung auf eine flächenbezogene Haltung, die in Österreich für die Aufrechterhaltung einer gepflegten Landschaft notwendig sei und für die kleinbäuerliche Struktur die Basis des Einkommens darstelle.

Abgeordneter Ing. Reichhold wendet sich an Bundesminister Mag. Molterer mit der Frage, wieso die Maßnahmen Österreichs vom 30. Mai 1990 plötzlich im August insofern gelockert wurden, daß sich das Importverbot nicht mehr auf alle Wiederkäuer bezog, sondern nur noch auf Rinder.

Außerdem interessiere ihn, wieso sich die Skandinavier, insbesondere die Schweden, im EU-Beitrittsvertrag mannigfaltig veterinärrechtliche Kontrollvorbehalte ausbedungen haben.

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Dr. Martina Gredler (Liberales Forum) weist darauf hin, daß 1,3 Milliarden ECU notwendig seien, um die Probleme der BSE-Krise meistern zu können. Davon fehlen zurzeit noch 500 Millionen. Kommissar Fischler habe anscheinend vor, den Bauern die Getreideförderungen später auszuzahlen, um die fehlenden 500 Millionen auftreiben zu können.

Abgeordnete Dr. Gredler weist darauf hin, daß die ersten Auszahlungen ohne juristische Grundlage erfolgt seien. Es wurde weder der eine noch der andere Teil der Budgethoheit damit befaßt.

Im Hinblick auf die Wortmeldung des Abgeordneten Ing. Reichhold glaube sie nicht, daß man sich aus Verträgen auskaufen könne, denn dazu fehle das Geld. Die Intentionen der MOL-Staaten seien im Hinblick auf eine künftige Erweiterung zu sehen, und es scheine unmöglich, zum jetzigen Zeitpunkt die Importe zu stoppen, vielmehr müsse neu verhandelt werden, um eine Reduktion zu erreichen.

Im Hinblick auf die Tatsache, daß Gelatine und Samen wieder frei gehandelt werden dürfen, obwohl eine Übertragungsmöglichkeit bei TSE wie auch BSE nachgewiesen wurde, spricht sich Abgeordnete Dr. Gredler dafür aus, diese Freizügigkeit wieder einzuschränken, solange eine potentielle Gefahr für den Konsumenten und die Konsumentin bestehe.

Zum Antrag der Grünen sei anzumerken, daß da offensichtlich irrtümlich zwei Dinge vermengt wurden. Einerseits gibt es die Antibiotikaressistenz aufgrund von antibiotischen Zufütterungen bei Tieren im allgemeinen – das betreffe allerdings vor allem die Hühner –, andererseits habe das mit BSE insofern nichts zu tun, als die Seuche nicht mit antibiotischen Mitteln bekämpft werden könne.

Nichstdestotrotz gebe es ein Problem mit Chlorphenykol, da laut einem Bericht in Deutschland 30 Prozent des Fleisches mit Chlorphenykol verseucht seien. Dr. Gredler fragt nach den Maßnahmen der Bundesregierung, da in Österreich dieses Produkt schon seit längerer Zeit verboten sei und von den Medizinern auch aufs schärfste verurteilt wurde.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) kritisiert, daß Abgeordnete des Europäischen Parlaments die nationalen Abgeordneten fragen, wie diese oder jene Regelung aussehen werde. Offensichtlich seien die nationalen Abgeordneten besser informiert als die Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Abgeordneter Schwarzenberger unterstreicht, daß auch seine Fraktion für sehr strenge Maßnahmen sei, denn obwohl in Österreich noch kein einziger BSE-Fall aufgetreten sei, haben die österreichischen Bauern durch den Rückgang des Rindfleischkonsums große Ertrags­einbußen erlitten.

Abgeordneter Schwarzenberger distanziert sich von den Aussagen des Abgeordneten Ing. Reichhold, der die Interventionsregelung kritisiert habe. Durch diese Interventionsregelung wurden dem österreichischen Markt 27 000 Stiere entzogen, um nicht einen weiteren Preisabsturz zu erleiden. Dadurch konnte das Preisniveau – wenn auch auf niedrigem Niveau von etwa 35 S – nun doch stabilisiert werden.

In erster Linie sei es notwendig, das Vertrauen der Konsumenten in gesundes Rindfleisch wieder herzustellen. Deshalb sei – auch wen dies mit zusätzlicher Bürokratie verbunden sei – die nun beschlossene Kennzeichnungspflicht zu begrüßen, wonach mit Hilfe von sogenannten Tierpässen das Rind EDV-unterstützt durch alle Stationen des Verkaufs kontrolliert werden könne.

Die Maßnahme, die Intervention auf die Einsteller auszurichten, soll das Angebot dem geringeren Fleischverbrauch anpassen, um auf diese Art und Weise im kommenden Jahr große Mengen an Interventionen zu verhindern.

Abgeordneter Schwarzenberger spricht sich dafür aus, den Importstopp gegenüber England so lange aufrechtzuerhalten, bis alle Maßnahmen, die verfügt werden, auch vollzogen seien, um die Seuche BSE zu stoppen.

In der Schweiz werden alle Rinder, die vor dem 1. Dezember 1990 geboren sind, in einer Notschlachtaktion aus dem Markt gezogen, wobei dieses Fleisch nicht für den menschlichen Verzehr zur Verfügung stehen wird.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Johannes Voggenhuber (Grüne) weist als Mit­glied des Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zur BSE-Affäre darauf hin, daß Grundlage für die Arbeit des Untersuchungsausschusses Dokumente aus dem Jahr 1990 Ausgangspunkt seien, die im wesentlichen beweisen beziehungsweise beinhalten, daß hohe Behördendienststellen der EU bis hin zum Vorgänger des Kommissars Fischler eine Desin­formationskampagne beschlossen, wissenschaftliche Untersuchungen unterdrückt und Vete­rinärinspektionsreisen in Großbritannien eingestellt hätten, daß es weiters zu großen unkontrol­lierten Schmuggelbewegungen dieses Tiermehls und sogar noch zu Exporten von Risikokälbern in die Dritte Welt und nach Osteuropa gekommen sei, obwohl die Gesund­heits­gefährdung be­reits bekannt war.

Abgeordneter Voggenhuber stellt die Frage in den Raum, ob Österreich tatsächlich so schnell wie behauptet reagiert habe. Diesbezüglich ruft er die Chronologie des Ausschusses, der das bisher erarbeitet habe, kurz in Erinnerung: 1980 trat die Änderung der Tiermehlproduktion in Form von Reduzierung der Temperatur und der Beseitigung der Lauge zur Abscheidung des Fettes in Kraft, was schließlich zum Ausbruch der Seuche geführt hat. 1982 sind bereits die ersten Rinder der BSE-Seuche zum Opfer gefallen, 1986 wurden die EG-Mitgliedsstaaten informiert. Dann folgte das Fütterungsverbot von Tiermehlen in Großbritannien, 1988/89 auch in Deutschland. Man wußte schon über die Zusammenhänge der Seuche und über die Übertragbarkeit Bescheid.

Abgeordneter Voggenhuber erklärt, daß zu dem Zeitpunkt, als Österreich das Importverbot verhängt habe, bereits bekannt war, daß die Seuche auf andere Säugetiere übertragbar sei. Es sei daher nicht verständlich, warum man diese Verordnung kurz nach Erscheinen der ersten Gutachten über die Übertragbarkeit zurückgenommen habe.

Angesichts dieser Chronologie erscheint es Abgeordneten Voggenhuber als glücklicher Zufall, daß Österreich von der Seuche nicht betroffen ist, wenn man bedenkt, daß in der Schweiz etwa 11 Tonnen Tiermehl, das nicht kontrolliert worden war, zum Ausbruch der Seuche geführt haben.

Österreich müsse sich natürlich auch mit den politischen Konsequenzen dieses Vorganges beschäftigen. Die BSE-Seuche sei nicht irgendeine skurrile Randerscheinung an der Peripherie des Binnenmarktes, sondern eine beinahe zwingende Folge der Deregulierung des Abbaues von Gesundheitsauflagen, der Diskreditierung von Kontrollmechanismen als Bürokratie. Es ist im Grunde genommen die erste massive Auswirkung eines liberalisierten Marktes, auf dem Umwelt- und Gesundheitspolitik als Wettbewerbshemmnis gesehen werden. England sei auch nicht zufällig der Ausgangspunkt, vielmehr sei es jenes Land, in dem die heutige EU-Politik im Umwelt- und Gesundheitsbereich bereits zehn Jahre vorher praktiziert wurde. Eine ähnliche Entwicklung könnte heute jederzeit auch im Bereich der Gentechnologie, der Pharmaindustrie und im Bereich der Massentierhaltung auftreten.

Man müsse sich angesichts der Entwicklungen überlegen, ob dieser vielbemühte schlanke Staat nicht die Möglichkeit verliert, die Gesundheit und die Interessen seiner Bürger zu schützen.

Es stelle sich die Frage, ob die Entscheidungsprozesse in der EU soweit transparent und kontrollierbar seien, daß man in der Lage sei, damit einer solchen Seuche Herr zu werden. Abgeordneter Voggenhuber kritisiert, daß die sogenannten wissenschaftlichen Ausschüsse in Wahrheit Ausschüsse seien, die aus Vertretern nationaler Interessen bestünden, so zum Beispiel auch der berühmte Allgemeine wissenschaftliche Veterinärrat, der in Wahrheit kein wissenschaftlicher Ausschuß sei, sondern hinter dem Paravent von Wissenschaftlichkeit nationale Wirtschaftsinteressen austrage.

Obmann Dr. Heinrich Neisser macht darauf aufmerksam, daß er, sofern die Debatte um 13 Uhr nicht zu Ende ist, unterbrechen werde, da ein Zeitrahmen von 9 bis 13 Uhr vereinbart worden war.

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP) meint bezugnehmend auf die Ausführungen des Europa-Abgeordneten Voggenhuber, daß dieser versucht habe, den BSE-Skandal als einen Skandal, der aus den Innenmechanismen der EU resultiere, darzustellen. Recht habe er allerdings mit der Aussage, daß die liberalen Ansätze in England zu dieser Krise geführt hätten, was beweise, daß man mit der EU-Politik auch vieles verbessern könne, wovon letztendlich in Hinkunft sicherlich nicht nur England, sondern hoffentlich Gesamteuropa und auch Österreich profitieren könnten.

Bezüglich der Aussage des Abgeordneten Ing. Reichhold, der die Ausgleichsmaßnahmen, die aus EU-Mitteln neben dem Hartwährungsausgleich Anfang September den Rinderbauern in Österreich in der existentiellen Krise übermittelt wurden, als zu geringfügig und als Tropfen auf den heißen Stein dargelegt habe, meint Abgeordneter Schwarzböck, es wäre doch schlimm, wenn die in Mitleidenschaft gezogenen Rinderbauern Entschädigungen schon im vorhinein überwiesen bekämen. Als das BSE-Problem in der Karwoche beziehungsweise knapp davor auftrat, begannen im ersten Quartal die Entschädigungszahlungen. Im Moment könne man nur prognostizieren, welcher Schaden gesamt auf über ein Jahr beziehungsweise zwei Jahre entstehen könnte, und man werde, sobald der Schaden bilanzierbar sei, alles tun, um die Situation zu lindern.

Abgeordneter Schwarzböck kritisiert die Aussagen des Abgeordneten Ing. Reichhold bezüglich der Haltung des Deutscher Bauernverbandes gegenüber Agrarkommissär Fischler. Er führt aus, daß auch die ÖVP sehr enge Kontakte mit dem Deutschen Bauernverband habe und er sogar Zeuge war, als der Präsident des Bayrischen Bauernverbandes und Vertreter des Deutschen Bauernverbandes in der COPA, im Europäischen Bauernverband, mit Kommissar Fischler in Niederösterreich die Situation diskutiert haben.

Die Bauern protestieren hauptsächlich dagegen, daß Fischler plant, gemeinsam mit dem Rat auch den Rindfleischmarkt in Ordnung zu bringen. Diesbezüglich stand zur Diskussion, Extensivierungsförderungen nur mehr dann zu geben, wenn die Viehintensität pro Hektar gesenkt werde. Dies werde vom Deutschen und Bayrischen Bauernverband massiv bekämpft, da die Region den intensivsten Rindermarkt Europas aufweise.

Abgeordneter Schwarzböck bezieht sich auf den Antrag der Freiheitlichen, die unter Punkt 2 eine flächenbezogene Förderung und Haltung besser belohnt wissen wollen. Diesbezüglich stimme die ÖVP mit den Freiheitlichen, jedoch werden wahrscheinlich noch einige Diskussionen zwischen Freiheitlichen und ÖVP und dem Bayrischen Bauernverband ausgetragen werden müssen. Die Freiheitlichen seien dazu herzlich eingeladen, sollten es aber aufgeben, den großen Schulterschluß mit dem Deutschen Bauernverband in den Ausschuß einzubringen und gleichzeitig gegensätzliche Positionen in ihren Anträgen zu formulieren.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ) bemerkt, daß in dem bereits zitierten Haupt­ausschuß am 24. April die Freiheitlichen das Ausmaß dieser BSE-Krise offensichtlich nicht ganz abgeschätzt haben oder abschätzen konnten, da damals lediglich die beiden Regierungs­parteien, das Liberale Forum und die Grünen dieser Stellungnahme zugestimmt hätten. Damals wurde schon sehr deutlich auf die Notwendigkeit des Exportstopps hingewiesen.

Abgeordneter Dietachmayr kritisiert, daß Abgeordneter Ing. Reichhold kein einziges Mal die Interessen der Konsumenten erwähnt habe, wenn auch in erster Linie an die finanzielle Entschädigung der betroffenen Bauern gedacht werden müsse. Er weist ferner darauf hin, daß der Herr Bundesminister in Wels anläßlich der Messe bekanntgegeben habe, daß die BSE-Hilfe und der Hartwährungsausgleich in Gesamthöhe von 769 Millionen Schilling bereits an rund 88 Bauern angewiesen wurde. Da könne man doch kein Versäumnis nachweisen.

Auch wenn die Schweiz 230 000 Kühe notschlachten ließ, könne – so Abgeordneter Dietach­mayr – das Vertrauen der Konsumenten nicht wiederhergestellt werden. Es müßten andere Maßnahmen und Schritte als Zahlungen gesetzt werden.

Abgeordneter Dietachmayr wendet sich an Bundesminister Mag. Molterer mit der Frage, welche Maßnahmen hinsichtlich der Kennzeichnung von Rindfleisch und Rindfleischprodukten bisher durchgeführt wurden beziehungsweise wie es sich mit dem für Jänner 1997 angekündigten “Austropickerl” verhält.

Weiters erkundigt er sich um den Stand der Forschungsbemühungen bei BSE, um Über­tragungswege dieser Krankheit zu klären und weitere Potentiale der Gesundheits­gefähr­dung auszuschalten.

Abschließend macht er Abgeordneten Voggenhuber darauf aufmerksam, daß kein politisch Verantwortlicher leichtfertig die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel setzen würde, und meint, er solle sich in dieser Frage bei seiner Begründung mäßigen.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) korrigiert Abgeordneten Voggenhuber inso­fern, als in England bereits 1979 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Senkung geschaffen worden und 1980 umgesetzt worden seien.

Abgeordneter Mag. Haupt meint, daß man durch geeignete Tilgungsmaßnahmen den Konsu­menten am meisten nützen könne. Daher sei auch der Vorwurf, daß man den Konsumenten mit keinem Wort erwähnt habe, nicht gerechtfertigt. Die Bemühungen der Freiheitlichen, die Rinderseuche zu tilgen und damit den Markt von BSE-belastetem Fleisch langfristig freizuhalten, sei das Effektivste für den Konsumenten.

Abgeordneter Mag. Haupt erinnert weiters daran, daß er 1989 der erste österreichische Abge­ord­nete war, der dieses Thema in einer Anfrage releviert und dann nach der Nationalratswahl am 29. Mai 1990 neuerlich eingebracht habe. Die Bundesregierung habe reagiert, und mit der Verordnung 79 500/103/VIII-10/90 von Bundesminister Ettl seien sämtliche lebende Wieder­käuer mit einem Importverbot belegt und auch entsprechenden Anregungen der Freiheitlichen, wie etwa das Fütterungsverbot von Tierkörpermehl für Wiederkäuer, generell im Bereich des Landwirtschaftsministeriums umgesetzt worden. Diese Maßnahmen seien maßgeblich dafür verantwortlich, daß Österreich als eines der wenigen Länder mit Lebendviehimporten und Importen von Embryonen und Samen von dieser Seuche bis heute noch nicht betroffen sei.

Es sei schade, daß diese – aus freiheitlicher Sicht erfolgreiche – Maßnahme gewissermaßen releviert worden sei, da sich das Importverbot nur auf Rinder beziehe und nicht auf andere Wiederkäuer ausgedehnt worden sei.

Abgeordneter Mag. Haupt macht den Bundesminister darauf aufmerksam, daß in einem Artikel im “New England Medical Journal” am 26. September dieses Jahres zu lesen sei, daß sowohl für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit als auch für BSE Maßnahmen der Diagnostik und der Prophylaxe zur Verfügung stünden, und fordert ihn auf, das in seine Zukunftskonzepte miteinzubinden.

Die Schweiz sei Weltmeister im Ausarbeiten statistischer Methoden, um mit Hilfe von effizienten Lebensmittelkontrollen ihren Markt von Salmonellen und Hormonprodukten freihalten zu können. Auch für Österreich seien ähnliche statistische Methoden der diagnostischen Untersuchung vorzusehen, um erstens einen flächendeckenden epidemiologischen Überblick auf wissenschaftlicher Basis zu bekommen, mit dessen Hilfe man Zukunftsoptionen wahrnehmen könne, und zweitens damit auch zu verhindern, daß schwarze Schafe sich in die Kette der Tilgungsmaßnahmen einschleichen und für nicht gerechtfertigte Maßnahmen EU-Steuergelder lukrieren.

Aufgrund der Kompetenzüberschneidungen zwischen der EU und Österreich wäre es sinnvoll, diese Maßnahmen heute hier festzusetzen. Er teile nicht die Meinung der Gutachter des Fleischmehlverbandes, daß die festgehaltenen Methoden geeignet sein werden, diese Embryonenerkrankungen einzudämmen. Man würde damit auf der einen Seite versuchen, Kosten zu sparen, auf der anderen Seite aber die Konsumenten neuerlich gefährden.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche) reagiert auf die Wortmeldung des Abgeordneten Schwarzböck und korrigiert, daß er nicht der Sprecher des Deutschen Bauernverbandes sei, sondern nur klarstellen wollte, daß Fischler und offenbar die gesamte Kommission, ja die gesamte EU-Agrarpolitik damit überfordert sei, das Problem BSE für die Bauern zufriedenstellend zu lösen. Er könne dies sogar mit mitgebrachten Artikeln belegen.

Abgeordneten Schwarzböck wirft Ing. Reichhold vor, als Verteidiger der Regierung aufzutreten und nicht als Interessenvertreter der Bauern. Er sei nicht in der Lage gewesen, dem Hauptausschuß auch nur eine Idee vorzulegen, mit welcher den Bauern, die wirklich unter Existenznöten leiden, geholfen werden könne.

Abschließend meint Ing. Reichhold, die freiheitliche Fraktion würde ständig nationale Pro­gramme fordern, der zuständige Minister drücke sich jedoch immer wieder vor der Verant­wortung.

Obmann Dr. Heinrich Neisser unterbricht die Sitzung des Hauptausschusses auf unbe­stimmte Zeit und weist darauf hin, daß in der nächsten Sitzung der nun unterbrochene Tagesordnungspunkt 4 wie auch der unterbrochene Tagesordnungspunkt 2 fortzusetzen seien – dafür sei noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Nowotny registriert –, außerdem sei in der nächsten Sitzung die restliche Tagesordnung zu erledigen.

Schluß der Sitzung: 13.10 Uhr

                                         Österreichische Staatsdruckerei: 61 1077                                        


 



[1] Eine Protokollierung erfolgt nur von EU-Vorlagen, nicht jedoch von HA-Vorlagen.