IV-17 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 20. Mai 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XX. Gesetzgebungsperiode                              Mittwoch, 20. Mai 1998

Tagesordnung

1. RAT 5691/98 JUSTPEN 13

Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis (42499/EU XX. GP)

2. Antrag der Bundesregierung betreffend Herstellung des Einvernehmens hinsichtlich der Benennung des ordentlichen Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank (Vorlage 133 HA)

Beginn der Sitzung: 10.34 Uhr

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder begrüßt die Anwesenden, eröffnet die Sit­zung des Hauptausschusses und verweist auf ein soeben eingelangtes EU-Dokument, das den letzten Stand des Übereinkommens über den Entzug der Fahrerlaubnis enthalte.

Das Dokument – es trägt noch keinen Eingangsstempel des Parlaments, da es unmittelbar vor dieser Sitzung vom Bundesministerium übergeben worden ist – wird an die Mitglieder des Hauptausschusses verteilt. Der Vorschlag, die Tagesordnung zur Verhandlung über dieses Dokument um einen Punkt zu erweitern, wird nicht angenommen.

Die Redezeit zu beiden Tagesordnungspunkten ist mit einer “Europastunde” – also insgesamt 59 Minuten – für alle Fraktionen festgelegt worden. Die Aufteilung erfolgt nach dem bekannten Schlüssel von je 13 Minuten für SPÖ, ÖVP und Freiheitliche sowie je 10 Minuten für Liberales Forum und Grüne.

1. Punkt

RAT 5691/98 JUSTPEN 13

Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis (42499/EU XX. GP)

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder erteilt als erstem Redner dem Abgeord­neten Mag. Schweitzer das Wort.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) verweist darauf, daß mit der Debatte zum 1. Tagesordnungspunkt die entsprechenden Verhandlungen vom 5. Mai 1998 wiederaufgenom­men werden. Die Fraktionen hätten sich inzwischen ausführlich über die unterschiedliche Vor­gangsweise der Exekutive zur Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten informieren können. Insbesondere hätten Vertreter des ÖAMTC alle Parlamentsklubs besucht und umfangreich informiert.

Es sei bemerkenswert, wie unterschiedlich die gesetzlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern und die jeweilige Vorgangsweise der Exekutive tatsächlich seien. Angesichts der Infor­mationen sei die Behauptung zulässig, daß Österreich mit der Zustimmung zum Vorschlag der Kommission die österreichischen Kraftfahrer in einigen Ländern der Willkür der Polizei und der amtshandelnden Organe aussetzen würde. Die Beispiele dafür seien bekannt und reichten von Belgien bis Italien. Es gebe keinen Grund, die Unterlagen des ÖAMTC in Zweifel zu ziehen.

Daher sei der Antrag, den die Freiheitlichen bereits in der letzten Sitzung eingebracht haben, nach wie vor berechtigt, nämlich der Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Lafer und Kollegen betreffend Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis:

“Der Hauptausschuß wolle beschließen:

,Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, dem Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis nicht zuzustimmen, sondern darauf hinzuwirken, daß anstelle dieses Überein­kommens Amtshilfeabkommen ohne bindende Vollstreckungsautomatik abgeschlossen wer­den.‘”

Es dürfe nicht dazu kommen, daß es zum Beispiel in Italien ausreicht, die Nachricht über einen allfälligen Führerscheinentzug an der Amtstafel auszuhängen, und daß daraufhin einem davon betroffenen österreichischen Bürger gegenüber, obwohl er davon keine Kenntnis hat und sich nicht zur Wehr setzen kann, der Entzug rechtskräftig wird. Eine solche Vorgangsweise könne österreichischen Autofahrern, die im Ausland unterwegs waren, nicht zugemutet werden.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne) erachtet eine europaweite Regelung des Entzugs der Fahrerlaubnis für erstrebenswert. Der Idealzustand, den es als Ziel ins Auge zu fassen gelte, bestehe darin, daß es in allen Mitgliedstaaten übereinstimmende gesetzliche Voraussetzungen und die gleiche Vorgangsweise der Exekutive gibt.

In der konkreten gegenwärtigen Situation sei die Ahndung von schweren Verkehrsdelikten durch Füh­rerscheinentzug vorrangig, sodaß sich die Grünen – in Abwägung der verschiedenen Wer­te – für die Vorlage in der heute eingebrachten Form aussprechen.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ) führt aus, daß aus der intensiven Diskussion in der letzten Sitzung ein gemeinsamer Antrag auf Stellungnahme, eingebracht von den Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni, Maria Rauch-Kallat, Peter Schieder und Kollegen, hervorgegangen sei.

Mit diesem Antrag werde sichergestellt, daß der Bundesminister die notwendige Handlungs­freiheit habe, um auf eine Lösung hinzuwirken, die es gewährleistet, daß die österreichischen Behörden von schwerwiegenden Verstößen informiert werden, daß die eigenständige Entschei­dung der österreichischen Verwaltungsbehörden nicht eingeengt wird und daß Österreich die Möglichkeit erhält, gegenüber Personen, die in Österreich ein Delikt begehen und in einem EU-Staat wohnhaft sind, die EU-weit gültige Entziehung der Lenkerberechtigung zu veranlassen.

Damit werde generell der unabhängige Verwaltungssenat in Österreich Einzug halten und die Rechtssicherheit massiv verbessert werden. Des weiteren werde der Führerscheinentzug in Österreich als Strafe manifestiert werden, und nicht länger werde ein Freikaufen wie bisher möglich sein, nicht länger werde sich derjenige, der mehr Geld hat, den Führerschein unbe­grenzt sichern können. Auch werde es künftig möglich sein, Ausländer, die in Österreich ein schweres Verkehrsdelikt begehen, mit dem Entzug des Führerscheines zu bestrafen, statt daß gegen sie nur eine Geldstrafe verhängt und ihnen die Fahrerlaubnis bloß für die Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich abgenommen wird.

Der Bundesminister habe den Auftrag, dafür zu sorgen, daß die Anregungen aus dem Euro­päischen Parlament Berücksichtigung finden. Nach langjähriger Debatte bestehe nunmehr die Möglichkeit, das vorliegende Übereinkommen im Sinne der 15 Mitgliedstaaten abzuschließen.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP) erachtet es grundsätzlich für richtig und not­wendig, daß die europäische Einigung auch im Verkehrsrecht zu mehr Vereinheitlichung führt. Das Führerscheingesetz sei ebenfalls ein wichtiger Schritt in diese Richtung gewesen und erfahre nunmehr eine Weiterführung. Die ÖVP stehe einem Übereinkommen wie dem vorlie­genden grundsätzlich positiv gegenüber.

Es sei jedoch zu bedenken, daß es sich beim Führerscheinentzug um eine sehr heikle Materie handle. Es gehe dabei um ein Grundbedürfnis des Menschen, außerdem stehe diese Maß­nahme oft im Zusammenhang mit der Berufsausübung. Deshalb seien die Umstände, unter denen ein Führerschein entzogen werden kann, sehr genau zu prüfen.

Vor allem müßten die Betroffenen ihre Verteidigungsrechte bei Führerscheinentzug im Ausland voll nützen können. Zu diesem Zweck habe das Europäische Parlament einige Einwände gegen dieses Übereinkommen vorgebracht und mit großer Mehrheit entsprechende Abänderungs­anträge angenommen, auch mit den Stimmen aller österreichischen EU-Abgeordneten. Aus diesem Grund sei in der letzten Sitzung des Hauptausschusses dieses Problem neuerlich zum Thema geworden.

Es sei auch aus demokratiepolitischen Gründen erforderlich, daß der EU-Rat über das Votum des Europäischen Parlaments – umso mehr, als es sich um berechtigte Einwände handle – nicht einfach hinweggehen kann. Die Abänderungsanträge des EU-Parlaments hätten vor allem die Verteidigungsrechte des einzelnen – insbesondere im Fall sprachlicher Probleme in Verhandlungen über den Führerscheinentzug im Ausland – zum Gegenstand.

Deshalb vertrete die ÖVP die Meinung, daß den Bedenken des Europäischen Parlaments Rechnung zu tragen sei. Diese Überlegung liege auch dem nunmehr von den beiden Regierungsfraktionen vorgelegten Ersuchen an den Justizminister, auf Berücksichtigung der vom EU-Parlament beschlossenen Abänderungsanträge zu dringen, zugrunde, nämlich dem folgenden Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni, Maria Rauch-Kallat, Peter Schieder und Kollegen betreffend Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis:

“Der Hauptausschuß wolle beschließen:

,Der zuständige Bundesminister wird ersucht, bei den Verhandlungen zum Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis im Ministerrat für Justiz und Inneres dafür einzutreten, daß die im Europäischen Parlament beschlossenen Abänderungsanträge Berücksichtigung finden.‘”

Insbesondere ziele dies darauf ab, dort, wo es um die Verteidigungsrechte des einzelnen geht, einige Kann-Bestimmungen in Muß-Bestimmungen umzuwandeln.

Freilich sei das Verfahren mittlerweile weit fortgeschritten, da alle Mitgliedstaaten bis auf Österreich dem Übereinkommen bereits informell die Zustimmung erteilt hätten. Daher sei dessen Blockade wenig sinnvoll. Noch dazu werde das Parlament im Zuge des Ratifi­kationsverfahrens neuerlich die Möglichkeit bekommen, Position zu beziehen. Vor der Ratif­izierung werde noch einmal klarzustellen sein, daß die österreichischen Behörden dieses Über­einkommen im Sinne der Abänderungsanträge des Europäischen Parlaments behandeln sollten, damit dessen Intentionen entsprochen werde.

In diesem Sinne sei auch der Antrag auf Stellungnahme zu verstehen. Dadurch werde dem Justizminister zwar Handlungsfreiheit gegeben, zugleich aber werde er darauf hingewiesen, daß im EU-Rat neuerlich die Position der Mehrheit des EU-Parlaments darzustellen sei.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) bedankt sich bei Bundesminister Dr. Michalek für die rasche, persönliche Übermittlung des eingangs erwähnten, mit 18. Mai datierten EU-Doku­mentes, dessen Weiterleitung an das Parlament auf normalem Wege für die heutige Sitzung zu spät gekommen wäre. Dies sei eine unbürokratische Vorgangsweise, deren Befolgung aus Sicht des Hauptausschusses durchaus begrüßenswert sei, denn es komme nicht auf den formellen Eingang an, sondern vielmehr darauf, daß den Abgeordneten die unverzügliche Einsichtnahme ermöglicht wird. Auf diese Weise sei unter anderem klargeworden, daß der letzte Entwurf auch in der Numerierung eine Änderung erfahren habe.

Zu dem von ihm mit eingebrachten Antrag auf Stellungnahme stellt Abgeordneter Schieder klar, daß dieser Antrag das Ersuchen an den Justizminister zum Ausdruck bringe, im Rat darauf hinzuweisen, daß die Vorschläge des Europäischen Parlaments Berücksichtigung finden mögen. Es gehe jedoch nicht um eine zwingende Verpflichtung, dies zu erreichen, und auch nicht darum, dagegen zu stimmen, wenn die Erreichung dieses Zieles nicht möglich ist. Ebensowenig gehe es um einen Zwang, die anderen zu überzeugen.

Wohl aber werde mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht, daß der Justizminister sich selbst vom Anliegen des EU-Parlaments überzeugt geben müsse. Wenn im Zusammenhang mit dem vorliegenden Übereinkommen eine Forderung, die dem Wunsch des Europäischen Parlaments entgegensteht, nur auf rein österreichischem Verlangen beruht, bedeute die Berücksichtigung des Standpunktes des EU-Parlaments, daß diese österreichische Position inhaltlich aufzugeben sei. Es gehe also nicht um eine zwingende Bindung, wohl aber um ein Vorgehen nach Art eines politischen Gentleman.

Oder anders gesagt: Wenn der österreichische Justizminister für die Berücksichtigung der Position des EU-Parlaments eintritt, so heiße das, daß dort, wo diese Position einem von der Arbeitsgruppe auf Verlangen Österreichs eingenommenen Standpunkt entgegensteht, Öster­reich nunmehr die Position des Parlaments zu vertreten und sich gegen seinen zunächst vertretenen Standpunkt auszusprechen habe.

Es gehe also nicht darum, die anderen zu überzeugen, wohl aber darum, selbst im Sinne der Beschlüsse des Europäischen Parlaments überzeugt zu sein.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum) stellt fest, daß das Liberale Forum auch unter den heutigen Gegebenheiten einer entsprechenden Vereinheitlichung zustimme. Es sei dabei sinnvoll, die Anregungen des Europäischen Parlaments neuerlich einzubringen und darauf hinzuwirken, daß sie Berücksichtigung finden.

Abgeordneter Mag. Barmüller fragt Bundesminister Dr. Michalek angesichts der Sorge, daß Verfahrensrechte nicht Beachtung finden oder daß ausländische Behörden mit straffällig gewor­denen Personen unfreundlich umgehen könnten, welche Möglichkeiten es gebe, Berichte über den Vollzug in den einzelnen Ländern zu bekommen und eine kritische Würdigung des jewei­ligen Vollzugs vorzunehmen.

Nach Ansicht des Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) unterscheidet sich das EU-Dokument, das eingangs der Sitzung verteilt worden ist, nicht maßgeblich von den bereits bekannten Positionen. Die Kritik der Freiheitlichen könne daher im wesentlichen aufrecht­erhal­ten werden.

Es sehe nicht danach aus, daß die Abänderungsanträge des Europäischen Parlaments zum Tragen kommen werden, nachdem die Ratsarbeitsgruppe auf Beamtenebene dies schon mehr­fach klargemacht und einstimmige Ablehnung bekundet habe. Unter diesem Aspekt möchte Abgeordneter Mag. Schweitzer von Bundesminister Dr. Michalek wissen, wie er sich verhalten werde, wenn der vorliegende Antrag auf Stellungnahme der Regierungsfraktionen beschlossen wird, jedoch die Abänderungsanträge des EU-Parlaments im Rat keine Berücksichtigung finden werden.

Zu der Aussage des Abgeordneten Mag. Kukacka, das Parlament werde im Zuge des Rati­fizierungsverfahrens neuerlich Position beziehen können, merkt Abgeordneter Mag. Schweitzer an, daß dieses Vorhaben zwar gut klinge, jedoch eine derartige Standpunktdeklaration tat­sächlich völlig uninteressant sei, da es nur die Möglichkeit der Zustimmung oder der Ablehnung gebe.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek erläutert, daß das vorgelegte neueste EU-Dokument eine gemäß dem letzten Stand der Diskussion integrierte Darstellung enthalte, in welche die bisherigen Änderungen Eingang gefunden hätten.

Die – soweit in der kurzen Zeit seit dem Eintreffen feststellbar – einzige inhaltliche Änderung sei die auf einen Einwand des Europäischen Parlaments zurückgehende Aufnahme der Verjährung in den früheren Artikel 4 Abs. 1 und jetzigen Artikel 6 Abs. 1. Im Grundsätzlichen sei der Text unverändert.

Dem Ansinnen, er müsse selbst von den Beschlüssen des Europäischen Parlaments überzeugt sein, stellt Bundesminister Dr. Michalek “ehrlich und offen” die Aussage gegenüber, tatsächlich habe ein Großteil des Inhaltes der Abänderungsanträge des Europäischen Parlaments in ihm nicht die Überzeugung geweckt, daß dies gerechtfertigt sei, und zwar zum einen deshalb, weil den Einwendungen inzwischen ohnehin Rechnung getragen worden sei, zum anderen deshalb, weil die Überlegungen des EU-Parlaments ihrem Kern nach im Entwurf selbst bereits Berück­sichtigung gefunden hätten, und zum dritten deshalb, weil die Einwendungen anläßlich der österreichischen parlamentarischen Aufarbeitung des Übereinkommens autonome Sicher­stel­lung würden erfahren können.

Diese ablehnende Ansicht lasse sich Punkt für Punkt begründen.

Der erste Einwand in der Stellungnahme des Europäischen Parlaments sehe vor, daß der Staat der Zuwiderhandlung den Wohnsitzstaat von der Entscheidung binnen sieben Tagen zu ver­ständigen habe. Dem stehe im Entwurf die Formulierung gegenüber, daß die Verständigung “unverzüglich” zu erfolgen habe. Es sei nicht erforderlich, daß Österreich sich aus der Sorge um den österreichischen Kraftfahrer heraus – noch dazu seien Bedenken, diesem könne etwas geschehen, ungerechtfertigt – für diese Änderung stark macht.

Das zweite Anliegen des Parlaments beziehe sich auf die drei Möglichkeiten zur innerstaatlichen Umsetzung der Schritte des Staates, in dem es zur Zuwiderhandlung gekommen ist. Möglich sei a) die Vollstreckung in Form des automatischen Nachvollzugs im Wohnsitzstaat, b) eine Art Vollstreckungsentscheidung zur Reduktion des Strafausmaßes auf das Höchstausmaß im Wohnsitzstaat oder c) ein eigenes Verfahren im Wohnsitzstaat mit eigener Entscheidung unter Berücksichtigung diverser Aspekte, zum Beispiel im Hinblick darauf, ob das im Ausland Geschehene im Wohnsitzstaat unerlaubt wäre oder ob die Rechtsfolge im Wohnsitzstaat ebenfalls der Führerscheinentzug wäre.

Österreich werde den dritten, möglichst autonomen Weg gehen. Das Übereinkommen sehe vor, daß ein Staat jederzeit seine Vorgangsweise ändern und wahlweise nach a), b) oder c) verfah­ren können solle. Hingegen wolle das Europäische Parlament bestimmen, daß die einmal getroffene Entscheidung zugunsten von b) für alle Zukunft die Möglichkeit c) ausschließt und daß die Festlegung auf a) jede künftige Vorgangsweise nach b) oder c) unmöglich macht.

Es wäre schlichtweg unverständlich, wenn Österreich sich dafür entschiede, sich für diese Meinung des EU-Parlaments stark zu machen. Denn wenn Österreich selbst sich für c) entscheidet und sich damit möglichst viele Vorbehalte offenläßt, könne es nicht glaubwürdig gegen ein Land auftreten, das sich anfangs zum Beispiel für die automatische Umsetzung nach a) entschieden hat und später zu c) wechseln will. Denn damit würde Österreich, obwohl selbst nach c) verfahrend, dieselbe Möglichkeit einem anderen Land verbieten wollen.

Dem Einwurf des Abgeordneten Peter Schieder (SPÖ), daß dies erforderlich sei, da es kein Zurück zum Nationalen geben solle, hält Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek entgegen, daß das Parlament einem Denkfehler unterliege, wenn es die Möglichkeit schafft, daß ein Mitgliedstaat, der selbst für c) optiert hat und den nationalen Behörden die maßgebliche Rolle einräumt, später verhindern kann, daß ein anderer Mitgliedstaat nur wegen einer anfäng­lich anderslautenden Entscheidung nachträglich zu c) wechselt.

Dazu könne man letztlich nicht ja sagen, und insofern stellt Bundesminister Dr. Michalek fest, daß er sich außerstande sehe, sich davon überzeugt zu geben. Wenn der Hauptausschuß ein entsprechendes Verhalten fordere, werde er zwar diesem Wunsch entsprechen, jedoch sei ausdrücklich klarzumachen, daß es schlichtweg unzumutbar sei, sich selbst für c) zu entschei­den und einem anderen Staat, der sich zuerst beispielsweise für b) entschieden hat, ein späteres Umsteigen auf c) zu verbieten. Dies sei unzulässig und unfair gegenüber den anderen.

Die dritte der vom Europäischen Parlament verlangten Änderungen sehe eine Befristung inso­fern vor, als das Verfahren im Wohnsitzstaat nicht länger als vier Wochen dauern dürfe. Wenn aber die Entscheidung der Verwaltungs- oder Justizbehörde im Wohnsitzstaat binnen vier Wochen zu fällen ist, stelle dies insbesondere aus der Sicht des Rechtsschutzes des Betrof­fenen eine Einschränkung dar. Denn gerade dann, wenn die Gewißheit fehlt, daß die im Ausland gewählte Vorgangsweise völlig in Ordnung sei – sodaß ein Verfahren eingeleitet wird und ergänzende Auskünfte von dem Staat, in dem die Zuwiderhandlung erfolgt ist, eingeholt werden –, sei mehr Zeit erforderlich.

Daher sei die zeitliche Befristung der Recherchen der Behörden im Wohnsitzstaat kontra­produktiv aus Sicht des österreichischen Anliegens, denjenigen, dem im Ausland der Füh­rerschein entzogen worden ist, im Inland zu seinem Recht kommen zu lassen. Insofern sei vom Abänderungswunsch Nummer drei des Europäischen Parlaments nichts zu halten.

Die Abänderungswünsche Nummer sechs und neun betreffend die Verjährung hätten – wie bereits festgestellt – im nunmehr vorliegenden Text Berücksichtigung gefunden.

Die Abänderungswünsche Nummer fünf und acht beziehungsweise sieben und zehn seien auf die hier zu diskutierende Grundfrage bezogen. Im ehemaligen Artikel 4 und jetzigen Artikel 6 be­stehe eine Zweiteilung im Hinblick darauf, was der Wohnsitzstaat in seinem Verfahren verwei­gert. Im Abs. 1 sei enthalten, was er sozusagen automatisch und auf jeden Fall verweigert, im Abs. 2 seien die Fälle aufgeführt, die er als Verweigerungsgrund heranziehen kann.

Der Wunsch laute darauf, möglichst viel von dem, was gemäß Abs. 2 verweigert werden kann, in den Abs. 1 zu übertragen, sodaß die Verweigerung ebenfalls zu einem Muß wird. In Abs. a sei folgendes enthalten: Was im Staat der Zuwiderhandlung ein unzulässiges Verhalten darstellt, müsse der Wohnsitzstaat nicht anerkennen, wenn dies dort nicht unzulässig ist. Der ehemalige Abs. c beziehe sich darauf, daß der Sachverhalt im Ausland nach inländischem Recht keinen Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge hat, und Abs. e darauf, daß geprüft wird, ob der Betroffene ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen.

Der Wunsch des Europäischen Parlaments sei dahin gehend, diese Punkte aus dem Abs. 2 – demgemäß der Wohnsitzstaat dies als Verweigerung aufnehmen kann – in den Abs. 1 – demgemäß er dies tun muß – zu übertragen.

Österreich verbinde damit die Überlegung, daß in einem selbständigen Verfahren gegen einen österreichischen Kraftfahrer hierzulande diese Verweigerungsgründe angewendet werden kön­nen. Österreich könne sogar – wie aus Abs. 3 hervorgehe – anläßlich der Notifizierung des Inkrafttretens in Österreich grundsätzlich mitteilen, daß es von diesen Verweigerungsgründen stets ganz oder teilweise Gebrauch machen werde.

Aber selbst dann, wenn dies nicht geschieht, stehe es in der österreichischen Kompetenz, zu bestimmen, ob die österreichischen Behörden in Abwicklung solcher Verfahren von den Verwei­gerungsgründen Gebrauch machen oder nicht. Der österreichische Gesetzgeber könne durch eine Novellierung des Führerscheingesetzes jederzeit auf Gesetzesebene klarstellen, daß die österreichische Behörde in solchen Verfahren die Verweigerungsgründe anzuwenden hat. Es bedürfe daher keiner Umwandlung dieser Kann-Bestimmungen des Übereinkommens in Muß-Bestimmungen, um die österreichischen Kraftfahrer zu schützen, sondern Österreich brauche nur seinen eigenen Behörden durch Gesetz anzuordnen, daß von den Kann-Bestimmungen Gebrauch zu machen sei, damit diese Gründe als Verweigerungsgründe Anwendung finden.

Der nächste Einwand laute darauf, daß ein Betroffener nicht hinreichend Gelegenheit bekom­men habe, sich zu verteidigen. Dieser inhaltliche Einwand ist nach Ansicht von Bundesminister Dr. Michalek der einzige Punkt in der Liste der Abänderungen, über den zu diskutieren sei.

Zu der genannten Möglichkeit, daß sprachliche Schwierigkeiten im Staat der Zuwiderhandlung bestehen könnten, sei zu sagen, daß es zu den Grundsätzen eines fairen Verfahrens gehöre – dies werde die österreichische Behörde prüfen –, daß der Betroffene rechtliches Gehör gefunden hat. Er müsse daher ordnungsgemäß zu einer Verhandlung, in der er sich verteidigen kann, vorgeladen worden sein, und er müsse in ausreichendem Maße Dolmetscherhilfe erhalten haben. Andernfalls liege weder nach österreichischen Vorschriften noch im Sinne der Men­schenrechtskonvention ein faires Verfahren vor. Allerdings könne es zweckmäßig sein, Verwei­gerungsmaßnahmen der österreichischen Behörden für den Fall, daß keine hinreichende Gelegenheit zur Verteidigung bestand, explizit klarzustellen. Dies schließe insbesondere auch hinlänglichen Schutz in sprachlicher Hinsicht ein.

In dieser Hinsicht sei vorstellbar, in dem Bericht, der zu dem Übereinkommen verfaßt wird – vergleichbar mit den Erläuternden Bemerkungen in Österreich –, eine entsprechende Klar­stellung zu erreichen. Nicht nur seitens des Verkehrsministeriums, in dessen Kompetenz die Materie gehört, sondern auch seitens des Justizministeriums könne festgestellt werden – auch wenn dies nicht notwendig sei und nur in dem Sinn, allgemein zur Beruhigung zu dienen, ge­schehe –, daß Österreich die Auffassung vertrete, in den Erläuterungen sei ausdrücklich klarzustellen, daß eine hinreichende Gelegenheit zur Verteidigung selbstverständlich auch die Übersetzungsunterstützung einschließe.

Bundesminister Dr. Michalek sagt daher zu, sich dafür zu verwenden, daß es zu einem Beschluß darüber kommt, dies in den Erläuternden Bemerkungen ausdrücklich klarzustellen.

Der Abänderungswunsch Nummer elf des Europäischen Parlaments beziehe sich auf eine Frage aus dem Bereich des Datenschutzes. Der Vorsitz wolle den Rat eine Erklärung über die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Zweck der Erleichterung einer angemessenen Anwendung des Übereinkommens – insbesondere in bezug auf den früheren Artikel 6 und jetzigen Artikel 8 – beschließen lassen. Ein entsprechendes Ersuchen betreffe die Erstellung eines Berichtes zur Frage des Datenschutzes im Zusammenhang mit dem Übereinkommen innerhalb von sechs Monaten, und zwar unter Berücksichtigung anderer relevanter Diskussionen zum Datenschutz in Rechtsinstrumenten nach Titel VI des EU-Vertrages sowie im Hinblick auf die Ausarbeitung gegebenenfalls notwendiger Maßnahmen.

Somit werde innerhalb von sechs Monaten – also lange, bevor das Übereinkommen tatsächlich in Kraft treten werde – die Frage des Datenschutzes noch einmal geprüft werden, und es werde sich zeigen, ob sich daraus die Notwendigkeit zu Änderungen datenschutzrechtlicher Art ergibt. Im englischen Originaltext sei nicht von “zweckdienlichen” Angaben hinsichtlich des betroffenen Kraftfahrers, sondern konziser und prägnanter von Angaben “to locate”, also zur Identifizierung des Kraftfahrers die Rede. Daher bestehe auch in dieser Hinsicht nicht wirklich ein Problem, aber der Rat werde, da dies auch von anderen Ländern releviert worden sei, eine zusätzliche datenschutzrechtliche Prüfung beschließen.

Der letzte Änderungswunsch des EU-Parlaments betreffe Österreich überhaupt nicht. Er befas­se sich mit der Frage der Verkürzung der im Ausland verhängten Dauer des Entzuges, und im Hinblick auf die realen Verhältnisse in Österreich könne festgestellt werden, daß die Entzugs­zeiträume nirgendwo sonst so kurz wie in Österreich seien.

Die Änderung Nummer dreizehn – daß der Führerscheinentzug durch Verwaltungs- oder Justiz­entscheidungen des Wohnsitzstaates erfolgen solle – sei überflüssig, da bereits anfangs festgelegt werde, daß es sich um Verwaltungs- oder Justizbehörden handle. In allen anderen Mitgliedstaaten sei – wenn nicht am Beginn des Verfahrens, so doch in nächster Instanz – eine gerichtliche Entscheidung vorgesehen. Österreich sei das einzige Land, in dem es darüber nur Verwaltungsentscheidungen gebe. Insofern liege Österreich in bezug auf die einschreitende Behörde – Verwaltungsbehörde oder Gericht – unter dem EU-Standard und hinter allen anderen EU-Mitgliedstaaten.

Bundesminister Dr. Michalek stellt resümierend fest, daß er von der Stichhaltigkeit der Einwendungen des Europäischen Parlaments zum weit überwiegenden Teil nicht überzeugt sei. Davon ausgenommen sei der Bereich, in dem es ohnehin Änderungen gegeben habe, weiters der Bereich, in dem Österreich selbst aufgerufen sei, sicherzustellen, daß seine Behörden die Verweigerungen vornehmen, und außerdem jener Bereich, in dem der Versuch einer Klar­stellung darüber unternommen werde, daß zu einem fairen Verfahren auch ein ausreichender Übersetzungsschutz gehört.

Bundesminister Dr. Michalek sagt zu, daß er sich bemühen werde, im genannten Sinne für Klarstellungen zu sorgen. Aber er selbst könne nicht von der Notwendigkeit, das Überein­kommen zu blockieren oder die Diskussion – noch dazu kurz vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich – neuerlich in Gang zu setzen, überzeugt sein.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder gibt bekannt, daß der von den Regie­rungsfraktionen eingebrachte Antrag auf Stellungnahme inzwischen auch die Unterstützung des Liberalen Forums und der Grünen erhalten habe.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne) begründet die Unterstützung der Grünen für den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Antrag auf Stellungnahme damit, daß dieser Antrag die Bedeutung des Europäischen Parlaments verstärke und überdies zum Ausdruck bringe, daß die Parlamentarier in Österreich parlamentarische Vorgänge auf EU-Ebene für wichtig halten.

Es sei einzuräumen, daß Bundesminister Dr. Michalek in sachlicher Hinsicht stichhaltige Argu­mente gegen einzelne inhaltliche Stellungnahmen des EU-Parlaments vorgetragen habe. Diese Bedenken könnten durchaus geteilt werden, allerdings sei in Abwägung der Prioritäten deutlich zu machen, daß es erstens wichtig sei, den Führerscheinentzug EU-weit zu ahnden, und daß zweitens der Verkehrsminister und der Justizminister darauf dringen sollten, daß die Harmoni­sierung künftig nicht sozusagen von oben nach unten, sondern umgekehrt laufen solle, sodaß die nationale Gesetzgebung in den einzelnen Mitgliedstaaten von vornherein in Einklang gebracht wird und das Überstülpen einer Regelung von oben her nicht mehr notwendig ist.

Dieser Appell an die beiden Bundesminister sei insbesondere im Hinblick darauf erforderlich, daß die Diskussion über den Punkteführerschein auch in Österreich einsetzen werde, denn die­ser sei ebenfalls ein Element, das in erzieherischer Hinsicht zur Verkehrssicherheit beitragen solle.

Zwar weise das Übereinkommen immer noch Mängel auf, aber es komme auf die Prioritä­tenreihung an. Da habe eine politische Entscheidung Vorrang, die dazu führt, daß den Fahr­rowdys auf internationaler Ebene Paroli geboten wird. Um dieses Ziel zu erreichen, nähmen die Grünen die vorhandenen Mängel des Übereinkommens in Kauf.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek führt in Beantwortung der Frage des Abgeordneten Mag. Barmüller nach Evaluierung des Vollzuges in den einzelnen Mitgliedstaaten aus, daß dies eine außerordentlich sinnvolle und zweckmäßige Vorgangsweise wäre. Er werde den Vorschlag an den für die innerstaatliche Umsetzung zuständigen Verkehrsminister weiter­leiten. Allerdings werde es einige Zeit dauern, bis eine solche Evaluierung in Kraft treten wird.

Grundsätzlich sei es auch das Anliegen Österreichs, einen im Inland ausgesprochenen Führer­scheinentzug im Ausland vollstreckt zu wissen. Jemand, der sich auf österreichischen Straßen als Rowdy gebärdet, müsse wissen, daß er dann nicht nur in Österreich, sondern auch zu Hause und überall sonst in der EU nicht weiterfahren darf. Insofern handle es sich um eine präventive Maßnahme, mit der in Österreich eine bessere Fahrweise der Ausländer erreicht werden solle.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt fest, daß die Freiheitlichen, wenn sie – was ohnehin nicht der Fall sei – geneigt gewesen wären, dem Antrag der Regierungs­fraktionen zuzustimmen, davon von Bundesminister Dr. Michaleks Ausführungen mit Sicherheit abgebracht worden wären. Dessen Argumente hätten überzeugend dargelegt, daß es nicht sinnvoll sei, diesem Antrag zuzustimmen.

Hingegen stelle der Antrag der Freiheitlichen, da er darauf abziele, in Kombination mit Amts­hilfeabkommen ein Verfahren im Inland sicherzustellen und damit die Verteidigungsrechte zu wahren, eine weitaus sinnvollere Alternative dar.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) spricht sich dafür aus, daß die Parlamente der Mitgliedstaaten prüfen, ob das Europäische Parlament mit seinen Beschlüssen inhaltlich recht hat, und führt aus, daß seinem Eindruck nach die Arbeitsgruppe vorwiegend die Meinung vertreten habe, das Parlament solle sich heraushalten.

In inhaltlicher Abschätzung sei dem EU-Parlament im Punkt elf – hinsichtlich der “zweck­dienlichen” Angaben – recht zu geben, und es sei ihm die Änderung Nummer dreizehn – auch wenn es sich im Hinblick auf eine zweite Erwähnung um eine Geschmacksfrage handle – trotz mangelnder Notwendigkeit zuzugestehen. Es habe in der Arbeitsgruppe ein “Geist” bestanden, dem zufolge alles, was vom EU-Parlament gekommen war, in der Meinung besseren eigenen Wissens abgelehnt worden sei.

Statt in bezug auf die vier Wochen davon zu sprechen, daß es keine Einspruchsfrist mehr gebe, hätte Bundesminister Dr. Michalek die Antwort geben sollen: Wenn es um vier Wochen geht und davon zwei oder drei für die Einspruchsfrist nötig sind, dann habe die Behörde nur ein bis zwei Wochen zur Verfügung, und diese Zeit sei zu kurz. Diese Reaktion hätte Bundesminister Dr. Michalek zeigen müssen, statt einfach nur zu sagen, daß keine Zeit mehr für die Einspruchsfrist übrigbleibe.

Grundsätzlich werde in der Europäischen Integration die Linie und die Philosophie verfolgt, daß derjenige, der hinten ist und hinten bleiben will, dies tun dürfe, daß aber derjenige, der vorn mitgeht, nicht wieder zurückfallen dürfe. Man könne die EU nicht nur ein Stück des Weges begleiten. Vielmehr gebe es nur die beiden Möglichkeiten, entweder hinter ihr zurückzubleiben oder aber nicht mehr zurückfallen zu dürfen. So verhalte es sich auch bei den Varianten a), b) und c) in der Frage der innerstaatlichen Umsetzung. Wer sich für c) entscheidet, dürfe zurück­bleiben, aber es widerspreche der Integrationsphilosophie, von a) oder b) wieder auf c) zurückzufallen. Daher sei der Standpunkt des Europäischen Parlaments weit besser zu verste­hen als die österreichische Haltung.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP) gesteht Bundesminister Dr. Michalek zu, daß dessen Ausführungen zu einem Teil zweifellos richtig seien. Jedoch habe der Bundesminister aus der Sicht des Normsetzers und -administrierers gesprochen, wogegen das Parlament auch die Sichtweise des Normbetroffenen einbeziehe, also desjenigen, der von den – auch poli­zeilichen – Maßnahmen im Ausland betroffen ist.

Aus der Praxis sei bekannt, daß nicht alles so laufe, wie es laufen soll, sondern daß es auch zu Verfahren komme, in deren Verlauf die Verteidigungsrechte nicht ausreichend gewährleistet seien. Im Ratifizierungsverfahren gehe es darum, daß die Verteidigungsrechte klar gewahrt werden und angewendet werden können. In diesem Sinne sei die ÖVP nach wie vor der Meinung, daß in den beiden Punkten, auf die es in dem Übereinkommen ankomme, die Muß-Bestimmungen tatsächlich sinnvoll wären.

Es sei richtig, auf die Bedenken des Europäischen Parlaments hinzuweisen, diese Thematik im Zuge der Ratifizierung durch das Parlament noch einmal aufzugreifen und es dem österrei­chischen Gesetzgeber allenfalls zu ermöglichen, die Verweigerungsgründe stets anzuwenden.

Obmannstellvertreter MMag. Dr. Willi Brauneder stellt fest, daß zu diesem Punkt keine Wortmeldung mehr vorliegt, schließt diese Debatte und leitet über zur Abstimmung über die vorliegenden zwei Anträge auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Lafer und Kollegen bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni, Maria Rauch-Kallat, Peter Schieder, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Gabriela Moser und Genossen wird mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist der 1. Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

(Es folgt die Beratung zum Tagesordnungspunkt 2.)

Schluß der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 11.21 Uhr

                                        Österreichische Staatsdruckerei: 85 0636