1053/J
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freunde und Freundinnen
an den Bundeskanzler
betreffend die topographischen Aufschriften gemäß Art.7 Staatsvertrag von Wien im Burgenland
Gemäß Art.7 Zif.3 Staatsvertrag von Wien sind in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken des Burgenlandes mit kroatischer oder gemischter Bevölkerung die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in kroatischer Sprache wie in Deutsch zu verfassen. Diese Bestimmung steht im Verfassungsrang.
Der "große Duden", Fremdwörterbuch, zweite Auflage 1966, definiert Topographie wie folgt: "l. Ortskunde, Orts-, Lagebeschreibung". Das Eigenschaftswort "topographisch" wird dort mit "die Topographie betreffend" umschrieben.
Nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 9224/1981) enthalten die Minderheitenschutzbestimmungen konkrete Wertentscheidungen zugunsten des Schutzes und für den Bestand der Minderheit. In diesem Sinne sind auch die Bestimmungen des Staatsvertrages Art.7 betreffend den Minderheitenschutz großzügig zugunsten der Minderheiten auszulegen. Eine schematische rechtliche Gleichbehandlung der Minderheiten allein genügt jedenfalls nicht.
Im Staatsvertrag Art.7 Zif.3 ist ausdrücklich von Bezeichnungen topographischer Natur die Rede. Im Sinne der obigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist daher davon auszugehen, daß nicht nur die Ortstafeln und sonstigen Hinweistafeln, sondern auch die Bezeichnungen der einzelnen Amtsgebäude in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken des Burgenlandes zweisprachig anzubringen sind.
In der Verordnung der Bundesregierung vom BGBl. Nr. 231/1990 wurden die zweisprachigen Gemeinden des Burgenlandes erstmals definiert. In diesen Gemeinden ist laut Artikel 7 des Staatsvertrages von 1955 Kroatisch zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. Es kann also davon ausgegangen werden, daß es vom Standpunkt der Bundesregierung aus ein definiertes Gebiet im Burgenland gibt, in denen die territorial definierten Rechte der kroatischen Bevölkerung des Burgenlandes gelten.
Unbeschadet der Tatsache, daß die Bundesregierung aus nicht erklärlichen Gründen bisher keine Verordnungen für das Burgenland erlassen hat, die den Verordnungen BGBl. NR. 306/1977 und BGBl. NR. 307/1977 bezüglich der zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten entsprechen, besteht also ein definierbares Gebiet, in dem eine noch zu erlassende Verordnung jedenfalls Gültigkeit hätte.
Der Volksgruppenbeirat für die kroatische Volksgruppe hat bereits vor drei Jahren eine einstimmig beschlossene Resolution an das Bundeskanzleramt gerichtet, entsprechend der gesetzlichen Lage auch tatsächlich für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln im Burgenland zu sorgen.
Ohne auf die Streitfrage der Notwendigkeit von Durchführungsbestimmungen zur Realisierung der zweisprachigen Topographie einzugehen, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
ANFRAGE:
1 . Weshalb wurden bisher im Burgenland keine zweisprachigen topographischen Aufschriften - trotz einstimmiger Empfehlung des zuständigen Volksgruppenbeirates - angebracht?
2. Wann werden Sie die Aufstellung veranlassen, um den Wünschen der kroatischen Volksgruppe und der gesetzlichen, verfassungsrechtlichen und letztlich auch völkerrechtlichen Verpflichtung Österreichs nachzukommen?
3. Teilen Sie die Auffassung, daß der derzeitige Zustand ohne zweisprachige Ortstafeln der gesetzlichen Lage widerspricht?
a) wenn nein, wie begründen Sie diese Auffassung?
b) wenn ja, sehen sie Handlungsbedarf für Ihr Ressort, daß eigentlich
zuständig wäre?