1077/J

 

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Haigermoser und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend die Rückführung österreichischer Kulturgüter aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion

 

 

 

In der Anfragebeantwortung 1264/AB aus der XIX.  Gesetzgebungsperiode hat die damalige Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Frau Elisabeth Gehrer, bestätigt, daß detaillierte Listen von in den Kriegswirren des Jahres 1945 in die damalige Sowjetunion "verbrachten" Kulturgütern vorhanden sind und diese auch am 6. Februar 1992 dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten mit der Bitte übermittelt wurden, alle nur möglich erscheinenden Schritte zur Wiedererlangung der in Verlust geratenen Objekte zu unternehmen.  Diese Bemühungen dürften bisher nicht vom Erfolg gekrönt worden sein, da Rußland offensichtlich nicht bereit ist diese Kunstschätze wieder herauszugeben.

 

Eine derartige Vorgangsweise der russischen Behörden ist nicht nur eine zwischen

befreundeten Staaten unübliche, sie hält auch jeglicher moralischen Bewertung nicht stand.  Vor allem da Österreich entsprechend der Moskauer Deklaration nicht als kriegführendes, sondern als okkupiertes Land angesprochen wird und die nach Rußland "verbrachten" österreichischen Kulturgüter somit keine Kriegsbeute darstellen können.

 

Vertröstet wurden Vertreter Österreichs immer wieder mit dem Hinweis auf "notwendige Gesetze", die in Ausarbeitung seien und derartige Ansprüche - auch Frankreich und die Niederlande stellen solche - regeln sollen.  Nun ist vor wenigen Tagen vom russischen Parlament ein Gesetz beschlossen worden, das alle Kulturgüter, die sich im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs auf russischem Gebiet befinden, als "Ausgleich für die während des Krieges erlittenen Verluste" betrachtet - unabhängig davon, in wessen faktischem Besitz sich die Gegenstände heute befinden und wie sie in diesen Besitz gekommen sind.

 

Obwohl laut dem russischen Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Wladislaw Terechow, die Formulierungen noch nicht endgültig und offiziell sind, läßt dieser Gesetzesbeschluß befürchten, daß Rußland sich auch gegenüber Österreich weiterhin weigern wird, besagte Kulturgüter, die neben dem unermeßlichen ideellen auch einen enormen materiellen Wert darstellen, zurückzugeben.

 

Andererseits wird zur Zeit in der Öffentlichkeit auch kolportiert, daß die Republik Österreich Rußland einen Schuldennachlaß von rund 35 Milliarden Schilling gewährt haben soll.

 

Ohne diesen Nachlaß an sich näher bewerten zu wollen, erscheint es doch verwunderlich, daß Rußland trotz dieses Entgegenkommens seine seit nunmehr über 50 Jahren unter den verschiedensten Vorwänden praktizierte Weigerung, österreichische Kulturgüter den

 

rechtmäßigen Eigentümer, nämlich der Republik Österreich bzw. seinen Staatsbürgern zurückzugeben, auch noch in Gesetzesform gießt.

 

Auf jeden Fall wäre es aber angebracht die österreichischen Rechte unter Hinweis auf etwaige Schuldenerlässe erneut und dezidiert einzufordern.

 

Da das beschriebene Anliegen nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Ministerien, nämlich des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und des Bundeskanzleramtes, mit Aussichten auf Erfolg verfolgt werden kann, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler, als Koordinator innerhalb der Bundesregierung, die folgende parlamentarische

 

 

ANFRAGE

 

 

1.    Wie hoch ist der bereits zugesagte bzw. durchgeführte Schuldenerlaß für die russische Republik exakt?

 

2.    Sind noch weitere solche Verzichte auf Forderungen zugunsten von Rußland bzw. anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion geplant?

 

3.

a)  Haben Sie im Sinne der Wahrnehmung des österreichischen Rechts auf Rückgabe der nach dem Zweiten Weltkrieg in die damalige Sowjetunion "verbrachten" Kulturgüter diese Frage mit der Zusage von Forderungsverzichten entsprechend junktimiert?

 

b)  Wenn ja, wie sieht diese Vereinbarung im Detail aus?

 

c)  Wenn nein, warum nicht?

4.

a)  Werden sie in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten alle möglichen Schritte unternehmen, um zu verhindern, daß durch den oben angeführten russischen Parlamentsbeschluß Österreich seine derzeit in Rußland befindlichen Kunstschätze wohl endgültig verliert?

 

b)    Wenn ja, wie werden Sie vorgehen?

 

c)    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Werden Sie, sollte Rußland die österreichischen Interessen nicht anerkennen, für einen Stop der Schuldenerlässe eintreten?

 

a)    Wenn nein, warum nicht?