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ANFRAGE
der Abgeordneten Langthaler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz betreffend strafrechtliche Verfahren zur MVA Flötzersteig Ill
Im Jänner dieses Jahres wurde die Bürgerinitiative Flötzersieig von der Zurücklegung der Strafanzeige gegen Johann Hatzl, Felix Hartwagner und unbekannte Täter wegen § 176 StGB und anderer Delikte (27 b St 70.848/87 und 27 a Vr 1626/88) benachrichtigt. Trotz der zweifachen Zusicherung des Justizministeriums in Beantwortungen von parlamentarischen Anfragen der Grünen (Nr. 4986/J vom 7. 2. 1990 und Nr. 487/J vom 18. 2. 1991), die zügige und gewissenhafte Durchführung des Verfahrens zu überwachen, dauerten die Vorerhebungen mehr als acht Jahre und wurden nach Ansicht des Rechtsanwalts der Bürgerinitiative äußerst mangelhaft durchgeführt. Die Einstellung des Verfahrens stützt sich auf zwei Gutachten und zwar auf ein Immissionsgutachten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und ein toxikologisches Gutachten von Prof. Dr. Schulte-Herrmann. Die 52-seitige Stellungnahme des BI-Anwalts zu diesen Gutachten, welche dem Justizministerium gesondert übermittelt wird, kritisiert die unsachliche Eingrenzungen des Untersuchungsgegenstandes. Es wurde demnach lediglich der Schadstoffausstoß der Jahre 1987 bis 1993 untersucht, im wesentlichen das Dioxin in der Abluft und andere Schadstoffe und Schadstoffpfade gröblich vernachlässigt sowie bei diesem Schadstoff die langfristigen Auswirkungen im Ergebnis außer acht gelassen. Das Gutachten von Prof. Dr. Schulte Hermann sei nicht nach den Regeln der Wissenschaften erstellt worden, widersprüchlich, unvollständig und dunkel, kritische Werte würden mit Stillschweigen übergangen. Es sei daher im Sinne § 126 Abs 1 StPO bedenklich.
An der Hausmüllverbrennung scheiden sich die Geister. Die unterfertigten Abgeordneten sind der Auffassung, daß sie die Gesundheit der Bevölkerung unzumutbar gefährdet und unzweckmäßig ist. Sie lehnen daher eine Abfallpolitik ab, die vornehmlich auf diese Entsorgungstechnologie setzt. Der Strafrichter ist sicherlich nicht in erster Linie berufen, falsche Weichenstellungen in der Abfallpolitik zu rügen, zumal der Gesetzgeber das Umweltstrafrecht (leider) verwaltungsakzessorisch ausgestattet hat. Es ist aber festzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof die (Umwelt)strafbestimmungen im Dienste des umfassenden Umweltschutzes einsetzt (OGH vom 18. 2. 1991, 13 Os 68/91) und insbesondere eine Gefährdung von Leib und Leben nach § 180 StGB schon dann annimmt, wenn bei abstrakter Betrachtung die - ernstliche und nicht völlig lebensfremde - Möglichkeit eines schädlichen Erfolgs eröffnet wird. (OGH vom 25. 6. 1991, 11 Os 61/91). Im Fall der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig wurden eklatante Grenz- und Richtwertüberschreitungen bei den Luft- und Abwasserschadstoffen gemessen, die gesamte Anlage (laut
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Prüfungsbeschluß vom 24.4.1990 des VWGH, ZI A 72/90, 85/05/0133, gesetzwidrig) in ein Wohngebiet neben vier Spitäler gebaut und gegen Meß- und Sanierungspflichten gravierend verstoßen. Es ist den unterfertigten Abgeordneten daher nicht verständlich, warum dieser Verstoß gegen die Rechtsvorschriften durch die Betreiber der MVA Flötzersteig und die angesichts der hohen Grenz- und Richtwertüberschreitungen gegebene Gefährdung der Bevölkerung nicht zu einer Bestrafung führte. Die spätere sogenannte "Sanierung" der MVA vermag die strafrechtliche Beurteilung der Vorfälle vor dem Jahre 1990 wohl nicht zu beeinflussen. Jedenfalls besteht hoher Klärungsbedarf insbesondere als das Verfahren vorn Justizministerium "überwacht" wurde.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. a) Aus welchen Gründen wurden die Anzeigen iZm der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig zurückgelegt?
b) Welche Gutachtenaussagen waren für den Staatsanwalt für die Zurücklegung entscheidend?
2. a) Wie wurde der tatsächliche Schadstoffausstoß (siehe Anfragebeantwortung 2 zu
Nr. 49861J) für die Zeit vor und nach der sogenannten "Sanierung" erhoben, welche Daten (Schadstoffe, Schadstoffpfade, Konzentrationen, Zeitpunkt der Messung) lagen der Staatsanwaltschaft vor und wurden zur weiteren sachverständigen Beurteilung weitergeleitet?
b) Wurden die zuständigen Behörden zur Überwachung der Anlage nach dem
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DKEG bzw. LRG-K und dein WRG kontaktiert und um Weitergabe der Meßergebnisse ersucht? Wenn nein, warum nicht?
c) Wie wurde die Rechtskonformität des MVA-Betriebs inkl. des Rückstandstransports vor und nach der "Sanierung" geprüft und welches Ergebnis zeitigten diese Erhebungen?
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3. a) Mit welchen Gutachten wurde die Gefährdung durch den erhobenen Schadstoffausstoß (MVA, Transport, Deponie) untersucht? Wurden alle in der Anfragebeantwortung Nr. 487/J angekündigten Gutachten erstellt und herangezogen?
b) Wurde bei der Fragestellung für diese Gutachten vorn Begriff der potentiellen
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Gefährdung, wie er durch OGH vorn 25. 6. 1991, 11 Os 61/91 interpretiert wird, ausgegangen? Wenn nicht, von welchem Gefahrenbegriff dann?
c) Wie ist nach Ansicht des Justizministeriums die gegebene Einschränkung des Unterrichtsgegnstandes zu rechtfertigen, warum wurde nur der Schadstoff
im
Dioxin untersucht, warum nur der Zeitraum 1987 bis 1993 und warum nur die
akute Wirkung von Dioxin und nicht auch die Langzeitwirkungen desselben, wie dies Stand des Wissens ist?
4. a) Warum wurde die Voruntersuchung trotz der Tatsache nicht eingeleitet, daß
selbst von Prof. Dr. Schulte-Herrmann der offene Transport der Rückstände der MVA als bedenklich beurteilt wurde und eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen wurde?
b) Wäre die Beweiswürdigung nicht Sache des Richters gewesen?
5. Warum wurde trotz der angemeldeten Bedenken gegen Prof. Dr. Schulte-Herrmann, welcher ja auch schon für die Betreiber der MVA Flötzersteig tätig geworden ist, an diesem Gutachter festgehalten und nicht ein ausländischer Gutachter herangezogen?
6. Wie oft hat sich der Justizminister über dieses Verfahren unterrichtet?
7. Hat der Justizminister in diesem Verfahren Weisungen erteilt, wenn ja welcher Art?
8. Wird der Justizminister nach Durchsicht der schriftlichen Stellungnahme des BIAnwalts die formlose Wiederaufnahme des Verfahrens veranlassen?