1171/J

 

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft

betreffend Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die österreichische Landwirtschaft

 

 

Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern zählen zu den Verlierern der Europäischen Integration.  Die ersten Erfahrungen mit der EU-Agrarpolitik waren bitter:

 

- dramatischer Preisverfall, der durch die Ausgleichszahlungen nicht kompensiert wird; große Einkommensverluste vor allem für kleinere Betriebe und Betriebe in ungünstigen Lagen

- Verstärkung der sozialen Unausgewogenheit der Agrarförderungen durch das flächen-und tierbestandsbezogene EU-Förderungssystem

- Fremdbestimmung und extreme Abhängigkeit von der EU-Bürokratie und der öffentlichen Hand.

 

Unter dem Titel "Europareife" und "Wettbewerbsfähigkeit' ist ein enormer Strukturwandel im Gange, der die Abwanderung aus der Landwirtschaft in Zeiten eines an . gespannten Arbeitsmarktes noch beschleunigt.  Das Argument, Österreich werde die EU-Agrarpolitik von innen verändern, hat sich bisher als Farce erwiesen.  Der Beitritt Österreichs hat die Gemeinsame EU-Agrarpolitik nicht einmal in Spuren verändert.

 

Von der in Ansätzen vorhandenen "ökosozialen Landwirtschaft' (Besteuerung umweltbelastender Betriebsmittel, Tierbestandsobergrenzen, Bergbauernzuschuß) ist wenig bis gar nichts übriggeblieben: die Düngemittelsteuer wurde abgeschafft, die Tierbestandsobergrenzen wurden um 150% hinaufgesetzt.  Der österreichische Bergbauernzuschuß, der kleine Betriebe mit extremer Erschwernis bevorzugte, wurde abgeschafft zugunsten der EU-Ausgleichszulage für Bergbauern, wo flächen- und tierstarke Betriebe die höchste Zulage erhalten.  Spuren des "ökologischen" Anspruches finden sich zwar noch im Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft", das aber in der Zwischenzeit eingefroren wurde.  Der "soziale" Anspruch wurde zur Gänze aufgegeben.

 

Die EU-Agrarpolitik bewirkt eine hochproduktive Landwirtschaft und eine Auseinanderentwicklung von Produktion und Verbrauch.  Die Überschüsse können nur mit Hilfe von Exportsubventionen am Weltmarkt zu niedrigeren Preisen als in der EU abgesetzt werden.  Die Agrarexportsubventionen verhindern oder zerstören in vielen Entwicklungsländern eine auf die eigene Ernährungssicherheit bedachte landwirtschaftliche Entwicklung.  Anderseits importiert die EU 50 Mio. Futtermittel aus Ländern der 'Dritten Welt' und entzieht so den Menschen in ärmeren Ländern ihre Lebensgrundlagen.

 

Mit dem geplanten Beitritt der Mittel- und Osteuropäischen Länder (MOEL) stößt die EU­Agrarpolitik an die Grenzen ihrer bisherigen Konstruktion und Finanzierbarkeit.  Da viele der MOEL ausgesprochene Agrarstaaten sind, wird der Agrarsektor bei den Beitrittsverhandlungen eine besondere Rolle spielen.  Denn mit dem Beitritt dieser Länder wird sich die landwirtschaftliche Nutzfläche der Europäischen Union um 44%, die Ackerfläche um 55% und die Anzahl der Menschen, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, mehr als verdoppeln.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.       Wieviele bäuerliche Betriebe wurden seit dem EU-Beitritt aufgegeben (bitte auch um eine Aufstellung über die Entwicklung letzten 10 Jahre)?

 

2.       Wieviele Arbeitskräfte sind seit dem EU-Beitritt aus der Landwirtschaft abgewandert (bitte auch um eine Aufstellung über die Entwicklung letzten 10 Jahre)?

 

3.       Wieviele landwirtschaftlichen Betriebe (Voll- Neben und Zuerwerbsbauern) gibt es derzeit in Österreich (bitte auch um eine Aufstellung über die Entwicklung letzten 10 Jahre)?

 

4.       Welche Maßnahmen werden Sie gegen das wachsende Bauernsterben setzen?

 

5.       Der dramatische Verfall der Erzeugerpreise konnte durch die Ausgleichszahlungen nicht einmal annähernd kompensiert werden.  Um wieviel Prozent hat sich das Einkommen der österreichischen Bauern verringert in den Produktionssparten Milch, Getreide, Schweine, Rinder (bitte um Angabe der durchschnittlichen Erzeugerpreise 1995, der jeweiligen degressiven Ausgleichszahlungen und der entsprechenden Einkommensverluste)?  Welcher Trend zeichnet sich für 1996 ab unter Berücksichtigung der nunmehr niedrigeren Ausgleichszahlungen?

 

6.       Die skandinavischen Länder waren bei den Beitrittsverhandlungen mit dem Argument der "arktischen Landwirtschaft" erfolgreich.  Die österreichischen EU-Verhandler

-        jedoch haben es beim Beitritt z.B. verabsäumt, ein Sonderprogramm zur Sicherung und Entwicklung des Berggebietes zu fordern.  Inwiefern werden Sie dieses Versäumnis nachholen und sich für die Einführung eines Zielgebietes 7 zur nachhaltigen Entwicklung der Berggebiete einsetzen?  Gibt es diesbezüglich konkrete Vorschläge, wenn ja, welche?

 

7.       Inwiefern hat Österreich bisher durch das propagierte Konzept der "Ökosozialen Agrarpolitik" die EU-Agrarpolitik positiv beeinflußt?

 

8.       Mit der Rinderseuche BSE zeigt sich einmal mehr, wohin die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Anonymisierung der Märkte führen.  Was werden Sie unternehmen

a)       daß es in der EU zur Abkehr von der Förderung industrieller und exportorientierter Produktionsmethoden hin zu einer ökologischen, tiergerechten, bäuerlichen Erzeugung

          im kommt?

 

b)      daß es zu einer sofortigen Einführung einer einheitlichen, verpflichtenden Kennzeichnung und Kontrolle von tierischen Produkten nach ihrer Herkunft und Art der Tierhaltung kommt?

c)       daß zum Schutz der KonsumentInnen gegebenenfalls über das EU-Recht hinausgehende nationale Schutzbestimmungen ermöglicht werden?

 

9.       Im Koalitionsabkommen wurde festgeschrieben, daß Österreich darauf hinwirken wird, daß die EU bei der Konzeption von Agrarförderungen wesentlich stärker als bisher soziale Kriterien berücksichtigt.  Welche Initiativen werden Sie im Rahmen der EU ergreifen, damit dieses Versprechen erfüllt wird?

 

10.     Werden Sie sich dafür einsetzen, daß bei der Bemessung der Agrarforderungen der erhöhter Arbeits- und Kostenaufwand bei ökologisch ordnungsgemäßer Bewirtschaftung, allfällige Wettbewerbsnachteile von Betrieben mit geringer Flächenausstattung und Bewirtschaftungserschwernisse, besonders in den Berggebieten, besondere Berücksichtigung finden?

 

11.     Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um bereits bestehende, EU-konforme Möglichkeiten für eine stärkere soziale Ausrichtung der Agrarförderungen zu nutzen?

 

12.     Für die verfehlte Gemeinsame Agrarpolitik werden enorme Summen aufgewendet, die Agrarausgaben belaufen sich auf mehr als 50% des gesamten EU-Budgetvolumens.  Rund 70% der Agrarausgaben fließen an Agarindustrie und Handel (Lagerhaltung, Exporterstattungen) und von den restlichen 30%, die die Landwirtschaft erreichen, erhalten 20% der Betriebe 80% der Mittel.  Was werden Sie unternehmen, daß es zu einer gerechteren Verteilung der Mittel und damit zur Erhaltung von klein- und mittelbäuerlicher Strukturen kommt?

 

13.     Flächenstillegungen sind ökologisch insoferne unsinnig, als auf der einen Seite Überschüsse produziert werden durch hohen und ökologisch nicht vertretbaren Fremdstoffeinsatz und auf der anderen Seite Flächen nicht genutzt werden.  Was beurteilen Sie das Instrument der Flächenstillegung?

 

14.     Welche Auswirkungen hat die zu erwartende Osterweiterung der EU auf die österreichische Landwirtschaft?

 

15.     Die Gemeinsame Agrarpolitik ist mit der Osterweiterung nicht kompatibel und muß neu ausgerichtet werden.  Wofür werden Sie sich bei einer Neuausrichtung der GAP einsetzen?

 

16.     Bei der bereits beschlossenen Vor-Beitrittsstrategie schlägt die EU-Kommission u.a. vor, daß die staatlichen Kompensationszahlungen von der landwirtschaftlichen Produktion abgekoppelt werden sollen.  Wie interpretieren Sie diese Forderung der EU­Kommission und unterstützen Sie diese Strategie?

 

17.     Das ÖPUL wurde vor dem EU-Beitritt den österreichischen Bauern so präsentiert, daß der Eindruck entstand, bei einem EU-Beitritt würden die Förderungen nur so fließen.  Bereits im ersten Jahr war das gesamte Förderungsvolumen erschöpft und der Einstiegstop wurde beschlossen.  Heißt das, daß der ökologische Status quo von 1995 ­bis auf wenige Ausnahmen - für die Dauer des Verpflichtungszeitraumes starr gehalten werden wird?

 

18.     Was von Ihnen noch bei der letzten Agrardebatte vor der NR-Wahl groß hervorgehoben wurde, nämlich, daß der "Europavertrag" mit den Österreichischen Bauern einzulösen sei, gilt nun auf einmal nicht mehr.  Das ÖPUL wurde nicht nur eingefroren, die Förderungen (Elementar- Fruchtfolgeförderung) werden jetzt auch noch gekürzt.  Wie erklären Sie diesen Gesinnungswandel?

 

19.     Werden nun auch jene Aktivitäten, mit denen man 1995 begonnen hatte, Projekte aufzubauen, um sie im Folgejahr im ÖPUL anmelden zu können, auf Eis gelegt und welche Auswirkungen hat dies für ökologisch orientierte Kulturlandschaftsprojekte?

 

20.     Die Elementarförderung schreibt eine Obergrenze von max. 2,5 GVE (2,0 GVE ab

1.       1.98) vor: In vielen Regionen Österreichs ("Ungunstlagen") liegt die Großvieheinheit weit unter dem Wert von 2,0 GVE. - Gerade diese Teilflächen sind im betrieblichen Denken oft bereits potentielle "Aufgabeflächen".  Welche Korrekturen werden Sie vornehmen, daß dem allgemeine Trend zur Einteilung der Kulturlandschaft in "intensiv genutzte Flächen" und "aufgelassene Flächen" entgegengewirkt wird?

 

21.     Die Auflagen in der Elementarförderung (GVE, Einhaltung des Grünlandausmaßes, Erhaltung der Landschaftselemente) betrifft vor allem Grünlandbetriebe - den Ackerbaubetrieben in den (meist landschaftlich ausgeräumten) Gunstlagen werden vergleichsweise wenig Bedingungen gestellt.  Welche Korrekturen am ÖPUL werden Sie diesbezüglich vornehmen?

 

22.     Die in der letzten AMA-Gesetz-Novelle vorgeschlagene "soziale Staffelung" der Elementarförderung ist eine Farce.  Werden Sie wirkungsvollere Schritte unternehmen wie z.B. die Festlegung von Förderungsobergrenzen pro Betrieb?

 

23.     Welche Schritte zur Entbürokratisierung und Vereinfachung von Agrarförderungen werden Sie bzw. wird die EU setzen?

 

24.     Die Anzahl der Biobetriebe ist in Österreich während der letzten Jahre sprunghaft angestiegen.  Inwiefern werden Sie diesen Trend durch vorhandene oder noch" zu schaffende Förderungsprogramme unterstützen?

 

25.     Eine wesentlich Voraussetzung für die Ökologisierung der Landwirtschaft ist eine ökologische   Steuerreform, wodurch Impulse gegeben werden sollen zur "umweltgerechten Entfaltung der Marktkräfte".  Welche Impulse werden Sie diesbezüglich innerhalb der EU setzen?