1177/J

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend Neutralität, NATO und WEU

 

Im Rahmen der EU-Regierungskonferenz 1996 wird über sicherheitspolitische Kompetenzen der Europäischen Union verhandelt.  Nach wie vor ist eine enge Kooperation - bis zu einem institutionellen Zusammenschluß - von EU und Westeuropäischer Union (WEU) unter Einbindung der NATO in Rede.  Andererseits hat sich bei der NATO-Ratstagung in Berlin herauskristallisiert, daß die WEU zum westeuropäischen Pfeiler der NATO weiterentwickelt wird.

Offenbar sehen Sie eine Kompetenzverlagerung bei nichtmilitärischen sicherheitspolitischen Maßnahmen von Österreich hin zur EU, wenn Sie in Ihrer Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage vom 11.07.96 betreffend "Immerwährende Neutralität" ausgeführt haben, daß die "Union alle ihre Handlungsmöglichkeiten ausschöpft: Im Rahmen der Außen-, der Innen- und

Justizpolitik sowie der Handels- und Entwicklungspolitik".

 

Der Verteidigungsminister und hohe Repräsentanten des Bundesheeres, nicht zuletzt dessen Oberbefehlshaber Bundespräsident Klestil, treten auch bei den militärischen Maßnahmen immer wieder in Worten und auch in Taten für einen Beitritt Österreichs zu WEU und NATO ein.

Aufgrund der innenpolitischen Debatte in Österreich wird das Einverständnis von Spitzenpolitikern der SPÖ/ÖVP-Koalition mit diesen Vorhaben deutlich.  Vor kurzem meinte etwa der SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahlen Hannes Swoboda "Österreich hat keine Berührungsängste mit sicherheitspolitischen NATO-Kooperationen.  " (11. 6.1996). Darüber hinaus sprach sich der EU-Spitzenkandidat der SPÖ Hannes Swoboda im Streitgespräch mit Johannes Voggenhuber für eine Volksabstimmung aus: "Wenn die Regierung zur Meinung kommt, ein konstitutives Merkmal der Nachkriegsgeschichte wie die Neutralität sei nicht mehr angebracht, muß eine Befragung stattfinden.  " (NEWS 20/96, S. 19.)

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.    Machen Sie einen etwaigen Beitritt zu WEU und NATO und die damit verbundene Aufgabe der Neutralität wie der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahlen Hannes Swoboda von einer Volksabstimmung abhängig?

 

2.    In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Neutralitätsgesetzes (598 d. Beil.  VII GP) heißt es ausdrücklich: "Der Gesetzesbefehl der Vorlage (des Neutralitätsgesetzes, Anm.) richtet sich auch an die vollziehende Gewalt und insbesondere an die Bundesregierung".

 

2.1.         Erachten Sie sich an diesen Gesetzesbefehl weiterhin gebunden?

 

2.2.      Durch weiche Maßnahmen werden Sie sicherstellen, daß auch die Mitglieder Ihrer Bundesregierung, insbesondere Minister Schüssel und Fasslabend, in ihren Aussagen und Handlungen (z.B. bei der Regierungskonferenz) hinkünftig, diesem Gesetzesbefehl Rechnung tragen?

 

3.    Schließen Sie aus, daß nicht nur keine Atomwaffen stationiert werden, wie Sie dies auch in Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage vom 10.07.96 unterstrichen haben, sondern

daß auch keine Durchfuhr oder Lagerung von Atomwaffen oder anderem nuklearen

Material stattfinden wird?

 

4.    Sind Sie für eine Anpassung der österreichischen Kriegsmaterialiengesetzgebung an die Regelungen der EU?

 

4.1  Wenn ja; sehen Sie darin nicht die Gefahr einer weiteren Aushöhlung der Neutralität?

 

5.    Bei der 9. Tagung(, der Regierungsbeauftragten am 6.06.96 wurde im Hinblick auf die Frage der Entscheidungsfindung- einer Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU von den anderen neutralen EU-Mitgliedern Schweden und Finnland die Beibehaltung einer Veto-Möglichkeit gefordert, während sich Österreich für Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit ausgesprochen hat.  Wie erklären Sie die abweichende Haltung Österreichs unter diesen drei Neutralen?