1178/J
ANFRAGE
des Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend immerwährende Neutralität
Die Vertreter der österreichischen Bundesregierung argumentieren in bezug auf Österreichs Neutralität widersprüchlich. Durch Sprachschöpfungen werden die wahren Absichten, nämlich die Unterwerfung unter die verteidigungspolitischen Vorgaben aus Brüssel, verschleiert. Doppelzüngige Botschaften zur Neutralität, je nachdem ob sich ein Regierungsvertreter in Brüssel oder Wien befindet, beherrschen den diesbezüglichen Diskurs.
Die Bundesregierung ist an der Aufgabe, die Neutralitätspolitik nach der West/Ost-
Konfrontation jetzt auch als spezifischen Beitrag für eine europäische und globale
Friedensordnung zu entwickeln, gescheitert. Ebenso gescheitert ist sie an der
Weiterentwicklung, der Kreisky'schen.Politik der Neutralität im Nord/Süd-Konflikt.
Im Rahmen der EU-Regierung(,skonferenz 1996 wird über sicherheitspolitische Kompetenzen der Europäischen Union verhandelt. Nach wie vor ist von einer engen Kooperation - bis zu einem institutionellen Zusammenschluß - von EU und Westeuropäischer Union (WEU) unter Einbindung der NATO die Rede. Andererseits hat sich bei der NATO-Ratstagung in Berlin herauskristallisiert, daß die WEU zum westeuropäischen Pfeiler der NATO weiterentwickelt wird.
Aufgrund der innenpolitischen Debatte in Österreich wird das Einverständnis von
Spitzenpolitikern der SPÖ/ÖVP-Koalition mit diesen Vorhaben deutlich. Angesichts der kaum überbrückbaren Differenz zwischen den Positionen der österreichischen Bundesregierung, den Meinungen fahrender Koalitionspolitiker und der überwältigenden Neutralitätsbefürwortung der Österreicherinnen und Österreicher muß vor einer etwaigen weiteren sicherheitspolitischen Vertiefung der europäischen Integration eine Volksabstimmung über die Zukunft der österreichischen "immerwährende Neutralität" und damit den völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs abgehalten werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Machen Sie einen etwaigen Beitritt zur WEU und NATO und die damit verbundene Aufgabe der Neutralität von einer Volksabstimmung abhängig?
2. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Neutralitätsgesetzes (598 d. Beil. VII GP) heißt es ausdrücklich: "Der Gesetzesbefehl der Vorlage richtet sich auch an die vollziehende Gewalt und insbesondere an die Bundesregierung".
2.1. Erachten Sie sich an diesen Gesetzesbefehl weiterhin gebunden?
2.2. Wenn ja: Durch welche Maßnahmen werden Sie sicherstellen, daß auch die österreichischen Repräsentanten des Bundesheeres sich an diesen Gesetzesbefehl gebunden fühlen?
3. Schließen Sie sich der Überzeugung an, daß der nationale Konsens über das Ziel eines atomfreien Europas selbstverständlich die Forderung mit einschließt, alle Atomwaffen zu beseitigen und dieser nationale Konsens jedenfalls einen Beitritt zu einem nuklearbewaffneten Militärbündnis ausschließt?
4. Von welchem Bedrohungsbild gehen die derzeitigen Beschaffungspläne und Verteidigungsstrategien des Verteidigungsministeriums aus?
5. Welches Bedrohungsbild für die Landesverteidigung, glauben Sie prognostizieren zu können, sobald die Tschechische Republik, Ungarn und Slowenien der NATO beitreten wird?
6. Sie haben in einer 'Pressestunde im Februar d.J. einen Beitritt zu WEU und NATO
als 'ungeheuer kostensparend weil man 'nicht alles selbst ausprobieren und auch nicht alle Waffenin den erfoderlichen Quantitäten selbst beschaffen müßte" (APA093; 4.02.96) bezeichnet. Sind Sie bereit, die Kosten von einem unabhängigen Institut analysieren zu lassen und offen zu legen, die durch einen Beitritt zu NATO oder WEU dem österreichischen Steuerzahler erwachsen würden?
7. Sind Sie für eine Anpassung der österreichischen Kriegsmaterialiengesetzgebung an die Regelungen der EU?
7.1. Wenn ja; sehen Sie darin nicht die Gefahr einer weiteren Aushöhlung der Neutralität?
8. Sind Sie bereit, die sich aus den bestehenden Einstimmigkeitsregeln ergebenden Möglichkeiten in Frauen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, bei der Regierungskonferenz dazu zu nutzen, ein tatsächliches System gleicher und gemeinsamer Sicherheit unter der Oberhoheit von UNO und OSZE anzusteuern, anstatt NATO und WEU als Rahmen für eine militärisch ausgerichtete westeuropäische Sicherheitspolitik als gegeben anzunehmen?