1181/J

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Doris Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend Prognosen vor dem EU-Beitritt

 

Vor der EU-Volksabstimmung versprach die Bundesregierung im Fall des EU-Beitritts Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzgewinne.  Für 1995 wurden ein Beschäftigungszuwachs von 0,3 % und 10.000 neue Arbeitsplätze prognostiziertl, für die ersten 6 Jahre nach dem Beitritt 50.000 neue Arbeitsplätze.  Bereits im ersten Jahr der EU­Mitgliedschaft verzeichnete Österreich jedoch erstmals zusätzlich zum Anstieg der Arbeitslosigkeit einen Rückgang der Beschäftigung.  Statt der prophezeiten 10.000 Arbeitsplätze mehr sind es nun 30.000 weniger, und 1997 wird ein weiterer Verlust von 20.000 Arbeitsplätzen erwartet.  Ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit von derzeit 5,9 % (1995) auf 6,5 % (1996) und 6,9 % (1997)3 zeichnet sich ab.

 

Laut Wirtschaftsforscher Breuss wäre ein Wirtschaftswachstum von drei bis vier Prozent notwendig, um die Arbeitslosenquote zu senken.  Aus den vor dem EU-Beitritt vorausgesagten 3,6 % Wirtschaftswachstum wurde ein tatsächliches Wachstum von nur 1,8 % im ersten Jahr der Mitgliedschaft, für 1996 wird laut WIFO ein weiterer Rückgang auf 0,7 % erwartet.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Wann und in welchen Branchen werden sich die von der Bundesregierung antizipierten Arbeitsplatzgewinne einstellen?

 

2.    Wirtschaftsexperten bestätigen, daß der verstärkte Personalabbau im Dienstleistungssektor (Handel, Verkehr, öffentlicher Dienst) auf die verstärkte Konkurrenz nach dem EU-Beitritt zurückzuführen ist.  Im Rahmen des EUROFIT-Programmes hat die Bundesregierung die Einrichtung von Arbeitsstiftungen für von den Folgen des EU­Beitrittes direkt betroffene ArbeitnehmerInnen versprochen.

 

2a) In welchen Branchen wurden diese Arbeitsstiftungen eingerichtet?

 

2b) Wieviele ArbeitnehmerInnen sind von den Arbeitsstiftungen betroffen (aufgegliedert nach Frauen und Männern)?

 

2c) Wieviele bei diesen Arbeitsstiftungen erfaßten DienstnehmerInnen konnten erfolgreich vermittelt werden (aufgegliedert nach Frauen und Männern)?

 

2d) Wieviele bei diesen Arbeitsstiftungen erfaßten DienstnehmerInnen sind jetzt arbeitslos gemeldet (aufgegliedert nach Frauen und Männern)?

 

2e) Wieviele bei diesen Arbeitsstiftungen erfaßten DienstnehmerInnen sind in den Ruhestand getreten (aufgegliedert nach Frauen und Männern)?

 

2f) Aus welchen Mitteln werden diese Arbeitsstiftungen finanziert?

 

2g) Welche Arbeitsstiftungen sind in Planung?

 

 

3.    Heimische und internationale Wirtschaftsforscher warnen vor den Folgen einer von allen EU-Ländern gleichzeitig betriebenen Sparpolitik infolge der Verwirklichung der Währungsunion.

 

3a) In welcher Weise wirken sich die österreichischen Konsolidierungmaßnahmen auf die österreichische Konjunktur aus?

 

3b) In welcher Weise wirken sich die Konsolidierungmaßnahmen der deutschen Regierung auf die österreichische Konjunktur aus?

 

3c) In welcher Weise wirken sich die österreichischen Konsolidierungmaßnahmen auf die Kaufkraft der KonsumentInnen aus?

 

3d) In welcher Weise wirken sich die österreichischen Konsolidierungmaßnahmen auf die Steuereinnahmen aus?

 

3e) Wurden die Auswirkungen der Konsolidierungsmaßnahmen in das von Finanzminister

       Klima am 8. Juli d. J. im Finanzministerrat präsentierte Konvergenzprogramm der

       Bundesregierung einberechnet?

 

4.    Vor der EU-Volksabstimmung versprach die Bundesregierung, die jährlich zu leistenden Beitrittskosten zur EU (Direktzahlungen) würden sich "quasi von selbst finanzieren".  Finanzminister Lacina sprach von "5 Mrd.  Beitrittskosten“, die durch das zusätzliche Wirtschaftswachstum leicht hereingebracht werden könnten.  Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO sprach von "13 Mrd.  Budgetbelastung“, wies jedoch gleichzeitig darauf hin, daß der Wachstumseffekt des Binnemmarktes stark reduziert würde, sollte diese Mehrbelastung durch Steuererhöhungen und/oder Ausgabenkürzungen kompensiert werden".  In Wahrheit beträgt die Budgetbelastung durch den EU-Beitritt nun rund 50 Mrd.  Schilling und das Wirtschaftswachstum ist stark rückläufig.  Die von der Bundesregierung als Kompensation für die Beitrittszahlungen bezeichneten Rückflüsse aus EU-Fördertöpfen sind lediglich "Durchlaufposten", die dem Budget nicht zugute kommen,.  Den Grünen, die wiederholt auf die Belastungen des Budgets durch den EU-Beitritt hingewiesen haben, wurde weder vor dem Beitritt noch jetzt angesichts der Budgetkrise Glauben geschenkt.

 

4a) Welche Höhe haben die Direktzahlungen Österreichs an die EU in den nächsten Jahren?

 

4b) Stehen den Direktzahlungen infolge des EU-Beitrittes zusätzliche aus dem EU-Beitritt resultierenden budgetwirksamen Einnahmen gegenüber?

 

4c) Aus welchen Mitteln werden die Direktzahlungen finanziert?

 

5.    Wurden seit dem EU-Beitritt Österreichs seitens Ihres Ressorts Studien über die Auswirkungen des Beitrittes in Auftrag gegeben?  Geben Sie Arbeitstitel der Studie, den/die AuftragnehmerInnen, sowie Datum und Ort der (geplanten) Präsentation an.

 

6.    Einer Studie des IHS zufolge verursacht der EU-Beitritt einen Verteilungskonflikt sowohl zwischen den Generationen, als auch zwischen Unternehmern/Kapitaleigentümern und ArbeitnehmnerInnen.  Liegen der österreichischen Bundesregierung Studien vor, die die Ergebnisse der IHS-Studie widerlegen?  Sollte eine solche Studie vorliegen, wie lauten deren Begründungen?

 

7.    Infolge des EU-Beitritts wurde die Berechnung der Arbeitslosenquote durch eine EU­konforme Berechnungmethode ersetzt.  Diese Methode zieht u. a. Umfragen zur Berechnung der Arbeitslosigkeit heran, wobei Personen, die einer Erwerbstätigkeit im Umfang von über 1 Stunde pro Woche nachgehen, nicht als arbeitslos gelten.  Die auf diese Weise ermittelte Arbeitslosenquote liegt beträchtlich unter den bisher von Österreich im Rahmen der Erhebungsmethode ermittelten Werten.

7a) Ist eine solche Methode für eine echte Ermittlung der Zahl arbeitssuchender Personen geeignet oder stellt eine solcher Berechnungsmodus nicht eine "Beschönigung" der Arbeitslosigkeit dar?

7b) Erfolgt die Ermittlung der Höhe der Arbeitslosigkeit zukünftig ausschließlich nach der EU-konformen Methode, oder werden die Weite der Erhebungsmethode weiterhin veröffentlicht?

 

8.    Die Bundesregierung hat vor dem Beitritt versprochen, sie werde sich auf EU-Ebene insbesondere für die Förderung von Frauen einsetzen.  Umfragen’- zufolge stehen insbesondere Frauen der EU skeptisch gegenüber.

8ä) Welche frauenfördernden Maßnahmen mit für die Mitgliedstaaten verbindlicher Wirkung hat die EU seit dem Beitritt Österreichs beschlossen?

8b) Welche frauenfördernden Maßnahmen hat Österreich zusätzlich zu den von der EU beschlossenen Maßnahmen gesetzt?

8c) Hat Österreich seit dem EU-Beitritt frauenfördernde Maßnahmen eingeschränkt?  Wenn ja, welche und welche Begründung gibt es dafür?

8d) In welcher Form hat Österreich gegen die Auflösung von frauenspezifischen

       Netzwerken auf EU-Ebene protestiert?

8e) In welcher Form hat Österreich gegen die geringe Höhe der Finanzmittel für das 4.

       Aktionsprogramm zur Förderung der Chancengleichheit protestiert?