1253/J

 

 

 

der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Anschober, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Landesverteidigung

 

betreffend Nuklearwaffenstationierung in Österreich durch einen NATO-Beitritt

 

 

Gemessen an den Aussagen des Verteidigungsressorts könnte der Eindruck entstehen, als

wäre absolut auszuschließen, daß in Östereich im Falle eines NATO-Beitrittes jemals

Nuklearwaffen stationiert werden könnten, nicht zuletzt deshalb, weil es in Europa gar

keine NATO-Atomwaffen mehr gebe. Bei näherer Betrachtung ist diese Linie massiv

anzuzweifeln, mehr noch scheint eine Nuklearwaffenstationierung sehr realistisch, und

lassen vor alIem die dokumentierten Beinahe-Katastrophen im Umgang mit den derzeit 520

NATO-A-Bomben in Europa für Östereich auch ein massives "konventionelles" Strahlen-

Risikopotential befürchten.

 

Denn jenseits der Aussagen Minister Fasslabends, es gebe keine "bodengestützten" NATO-

Nuklearwaffen in Europa, ist von einer Anzahl von rund 520 -außerhalb ihrer

Besitzerländer- in Westeuropa stationierten Atombomben auszugehen (Greenpeace, "520

Forgotten Bombs"). Diese amerikanischen und britischen taktischen Sprengköpfe sind an 14

Orten in Deutschland, Großbritannien, Belgien, Niederlande, Italien, Griechenland und der

Türkei stationiert. Die beiden Bombentypen haben eine Sprengkraft von jeweils bis zu 400

Kilotonnen, ihre Gesamtsprengkraft beträgt etwa 98 Megatonnen. Das entspricht dem mehr

als 7500-fachen Potential der Hiroshima-Bombe bzw. der sechzehnfachen Sprengkraft aller

im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Bomben. Die in den letzten Jahrzehnten dokumentierten

Berichte über Unfälle und Beinahe-Katastrophen im Umfeld dieser NATO-

Atomwaffenstationierung nnd ihres Transportes lassen den Schluß zu, daß nahezu alles an

theoretischen Unfallszenarien, sei es noch so unbeabsichtigt oder unwahrscheinlich, als

Möglichkeit in Betracht gezogen werden muß. Die Rede ist etwa von

nuklearwaffenbestückten Flugzeugen, die im Mittelmeer versunken sind und nach wie vor

als vermißt gelten, von irrtümlich ausgeklinkten Atombomben, die in der Folge

Lokalbevölkerung langfristig verstrahlte, von ganzen LKW-Ladungen Nuklearraketen , die

bei Unfällen über Felshänge gestürzt sind.

 

Aus dem NATO-Strategiepapier "Study On NATO Enlargement" vom September l995 und

diversen Aussagen etwa Generalsekretär Solanas geht hervor, daß es im Beitrittsfall zu

einem Transport oder einer Stationierung von Nuklearwaffen auch in Österreich kommen

kann.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Wie kann die Mitteilung des Verteidigungsministeriums, "Gegen den Willen eines

Staates ist die Stationierung von Atomwaffen nicht möglich. Eine entsprechende

Bedingung wäre allenfalls auch von NA TO-Neubewerbern bei den

Aufnahmeverhandlungen einzubringen " (apa, 30.7.1996) mit der Aussage folgender

Zeitungsmeldung (Die Presse, 30.4./1.5.1996) ''NA TO-Generalsekretär Javier Solana

hat potentielle Mitglieder der Allianz darauf hingewiesen, daß sie prinzipiell zur

Stationierung von Atomwaffen aufihrem Territorium bereit sein müssen '' in

Übereinstimmung gebracht werden, bzw. welche konkreten Garantien gibt es, daß in

Österreich im Falle eines NATO-Beitrittes unter keinen Umständen und zu keiner Zeit

Atomwaffen stationiert würden?

 

2. In einer Studie der NATO über die Osterweiterung der Allianz (Study On NATO

Enlargement, September 1995) heißt es: ''Die höchste Garantie der Sicherheit der

Bündnispartner besteht in den strategischen Kernwaffen des Bündnisses. Die neuen

Mitglieder genießen die Vorteile und Verpflichtungen, die sich daraus ergeben, in der

gleichen Weise wie alle anderen Bündnispartner in Übereinstimmung mit dem

strategischen Konzept. Es wird erwartet, daß die neuen Mitglieder das Konzept der

Abschreckung sowie die wesentliche Rolle unterstützen, die Kernwaffen für die

Bündnisstrategie der Kriegsverhinderung gemäß dem strategischen Konzept spielen ''.

Welche Verpflichtungen würden sich daraus für Österreich ergeben? Bekennt sich

Österreich zum Konzept der nuklearen Abschreckung und unterstützt es dieses

Konzept?

 

3. Weiter heißt es in dieser Studie: ''Die neuen Mitglieder werden zur Entwicklung und

Umsetzung der NA TO-Strategie einschließlich ihrer nuklearen Bestandteile beitragen ".

In welcher Weise würde Östereich an der Umsetzung der nuklearen NATO-Strategie

teilhaben?

 

4. In Artikel 13. (Verbot von Spezialwaffen) des Staatsvertrages heißt es u.a. , daß

Östereich Atomwaffen weder besitzen, herstellen, noch zu Versuchen verwenden

soll. Würden Sie -abgesehen von der streng juristischen Auslegung- einen

sinngemäßen Widerspruch zwischen diesem Teil des Staatsvertrages und einer

Atomwaffenstationierung in Östereich sehen?