1279/J

 

 

 

 

der Abgeordneten Dr. KhoI, Dr. Maria Fekter, Kiss

und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend: Möglichkeiten der Exekutive zum Scheinkauf

 

 

Der Bundesminister für Justiz wurde am 19. September 1996 im Zuge der Debatte

über einen Dringlichen Antrag zum Thema ,,Schutz unserer Kinder" u.a. ersucht, bis

zu einer eindeutigen gesetzIichen Regelung des § 25 StPO im Einvernehmen mit

dem Bundesminister für Inneres kIarzustellen, welche Möglichkeiten

Sicherheitsbehörden im Rahmen der verdeckten Ermittlung zur Verfügung stehen.

 

lm Zuge der Debatte hat der Justizminister u.a. folgendes ausgeführt:

,, Was den heute angesprochenen § 25 StPO, also die verdeckte Ermittlung, etwa

durch den Scheinkauf, anlangt, möchte ich darauf hinweisen, daß es anerkannt ist,

daß die mit dem sogenannten Scheinkauf, insbesondere von Suchtgift, und anderen

Formen der verdeckten Ermitt/ung durch Organe der Sicherheitsbehörden

verbundenen Fragen über die bestehende summansche Regelung des

Sicherheitspolizeigesetzes hinaus einer klaren strafprozessualen Rechtsgrundlage

bedüen.

 

Dabei geht es einerseits um handhabbare und effiziente Vorschnften für das

kriminalpolizeiliche Vorgehen, andererseits um das Abstecken von Grenzen, um ein

unerwünschtes Ausufem solcher besonderer Ermittlungsmaßnahmen, aber auch

darin, eine Verstnckung von Beamten in die knminelle Szene zu verhindern. lm

einzelnen sind dabei sicher schwienge rechtsstaatliche Fragen zu lösen.

 

Es ist kein Zufall, daß dies bisher nur in sehr wenigen Staaten gelungen ist und daß

zumeist erst in der Praxis beziehungsweise im Einvernehmen zwischen Justiz und

Sicherheitsbehörden Handlungsspielräume und Grenzen ausgelotet werden.

 

Das gleich gilt für die Rechtsprechung derjeweiligen Höchstgenchte. Die

Entwicklung ist intemational im Fluß. In Österreich wurde aufgrund einer schon vor

Jahren einvernehmlich gefundenen restnktiven lnterpretation des § 25 StPO eine,

wenn auch nur provisorische, aber doch weitgehend praxisgerechte Basis für die

Arbeit der Strafveolgungsbehörden gefunden. Mit dem lnnenressort besteht

Übereinstimmung, daß die dabei getroffene Lösung nicht nur für den Bereich des

Ankaufs von Suchtgift Geltung hat. Eine darüber hinausgehende gesetzliche

Regelung ist, wie ich schon erwähnt habe, wünschenswert und im Rahmen der

Reform des strafprozessualen Vorveahrens auch geplant, aber nicht in wenigen

Wochen kurzfnstig realisierbar.

 

Abgesehen von diesen grundsätzlichen Überlegungen besteht aus der Sicht beider

Ressorts zur Zeit kein Bedarf nach einer weiteren Klarstellung der Rechtslage,

 

eventuell in Form von Erlässen oder dergleichen. Unser Standpunkt ist allen

Beteiligten ausreichend bekannt. "

 

Auf die Frage, ob der Scheinkunde also erlaubt sei, ergänzte der Bundesminister für

Justiz:

,, Wenn es so durchgeführt wird, wie es nach unseren Vorstellungen zum

Suchtgiftbereich geschieht, so sehe ich überhaupt keine Veranlassung, das nicht

auch auf andere Bereiche vergleichbarer Art auszudehnen. Natürlich muß man sich

darüber klar sein, daß eine Provokation nicht zulässig ist, aber das scheinbare

Eingehen aufAnbote fällt jedenfalls unter die getroffene Regelung, die sogenannte

Foregger-Doktrin. "

 

Dem Erstanfrager ist durchaus bekannt, daß sich schon der Gesundheitsausschuß

anläßlich der Behandlung der Suchtgiftgesetznovelle 1 980 (420 d.B., XV.GP) mit

diesem Problem auseinandergesetzt hatte und sich ausdrücklich zur verdeckten

Fahndung im Bereich der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und zur

Rechtsansicht bekannt hatte, daß eine solche Fahndung weder durch die

Bestimmungen der Strafprozeßordnung noch des Strafgesetzbuches noch durch

andere gesetzliche Bestimmungen verhindert sei.

 

Zu dieser Problematik wird im Kommentar zum Suchtgiftgesetz von Foregger-Litzka²

(Manz 1985) zu § 12 SGG folgendes ausgeführt:

,,Er (§ 25 StPO) verbietet es, auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder die

Übeührung eines Verdächtigen hinzuwirken, daß dieser zur Unternehmung,

Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Hand/ung verleitet wird. Auszugehen

ist davon, daß im Zuge verdeckter Fahndung kein noch nicht Tatentschlossener zur

Tatbegehung ("Unternehmung") verleitet werden da. Daß zB ein V-Mann der

Polizei einen Dntten veranlaßt, im Ausland Suchtgift einzukaufen, es einzuführen

und sodann hier in Verkehr zu setzen, wäre nicht nur dem Strafgesetzbuch, sondern

auch § 25 StPO zuwider. Dasselbe gilt für die Vollendung eines Suchtgiftdelikts,

soweit dieser Begnff matenell verstanden wird. Der V-Mann da also nicht bewirken,

daß Suchtgift an Verbraucher oder unkontrollierbare Zwischenhändler

weitergegeben wird. Die bloß formelle Deliktsvollendung durch eine wegen

Versuches oder einer strafbaren Vorbereitungshandlung bereits straffä/lig

gewordenen Person muß aber nicht als vom Begnff der ,, Vollendung" im § 25 StPO

eaßt angesehen werden, zumal auch die Begriffe ,, Unternehmung und Fortsetzung"

offenbar nicht im strengen Sinn des Deliktsaufbaus zu verstehen sind. Der Begriff

,,Fortsetzung" einer strafbaren Handlung im § 25 StPO, der zwischen

,, Untemehmung" und Vollendung" steht, bedeutet offenbar die Wiederho/ung

deliktischer Handlungen und nicht lediglich das Verharren im Versuchsstadium. Vor

allem aber sollte man den Begnff" Verleiten" nicht überdehnen. Wer sich als

Kaufinteressent genert, verleitet noch nicht, und zwar nicht bloß nicht im Sinn der

Bestimmungstäterschaft nach § 12 StGB, sondern auch nicht im allgemeinen

Wortsinn. Er erweckt nicht einen Tatentschluß, sondern täuscht einem

Tatentschlossenen vor, daß er ein geeignetes Objekt für einen Kaufabschluß sei. "

 

Es ist nicht wirkIich überraschend , daß manche Exekutivbeamte über mangelnde

Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Suchtgiftdelikten, und wie sich im

Zusammenhang mit den jüngsten Vorfällen der Kinderpornographie gezeigt hat,

 

 

auch in diesem Bereich klagen. Für den einzelnen Beamten ist es nicht zumutbar,

die durchaus fundierten rechtlichen Ausführungen in der täglichen Praxis auch real

umsetzen zu können. Umso mehr verwundert es, wenn angeblich kein Bedarf nach

einer weiteren Klarstellung der Rechtslage besteht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz

nachstehende

 

Anfrage:

 

1 . Wie beurteilen Sie die Frage der praktischen Anwendbarkeit der Bestimmung über

den Scheinkauf (§ 25 StPO) für den einzelnen Sicherheitsbeamten, der im

Moment über sein Verhalten entscheiden muß, wenn dazu seitenweise

Ausführungen in Kommentaren notwendig erscheinen?

 

2. Wieso glauben Sie im Lichte der Komplexität dieser Materie, daß - abgesehen von

der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, die Sie ja auch selbst

unterstreichen - eine erlaßmäßige Regelung nicht notwendig ist?

 

3. Besteht aus lhrer Sicht nicht die Befürchtung, daß Exekutivbeamte wegen der

schwierigen Abgrenzungsfragen eher von den ihnen grundsätzlich eingeräumten

Möglichkeiten nicht Gebrauch machen, um sich nicht der Gefahr einer

strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, wodurch es schließlich zu einer

Beeinträchtigung der Strafverfolgung kommt?

 

4. Wurden gegen Exekutivbeamte in den letzten Jahren Strafverfahren eingeleitet,

weil sie als Scheinkunden aufgetreten sind?

Wenn ja, wieviele?

Wie war der Ausgang dieser Verfahren?

 

5. Bleiben Sie dabei, daß eine erIaßmäßige Regelung dieser Fragen nicht notwendig

ist oder sind Sie bereit, gemeinsam mit dem lnnenminister die komplexen

Ausführungen praxisnahe zu formulieren, um Mißinterpretationen zu vermeiden?