1380/J

 

 

 

 

der Abgeordneten Wabl, Petrovic, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft

 

betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung

 

Massentierhaltungsanlagen geraten immer mehr in den Blickpunkt einer kritischen

Öffentlichkeit, sei es aus Gründen des Tier- und Konsumentenschutzes oder aufgrund von

Umweltbelastungen und den damit verbundenen Folgekosten. Aufgrund der politischen und

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft ist die Konzentration in der

Tierhaltung tendenziell stark ansteigend. Dieser Umstand führt dazu, daß es in der letzten

Zeit seitens der von den Emissionen betroffenen Anrainer zunehmend zu Beschwerden

wegen enormer Geruchsbelästigungen und des Verdachtes auf Gesundheitsgefährdung

kommt. Neben einem MangeI an speziell auf die Massentierhaltung zugeschnittenen bundes-

und landesgesetzlichen Regelungen gibt es auch eklatante Vollzugsdefizite in der

öffentlichen Verwaltung. Um die Belastungen und Schwierigkeiten der Anrainer, ihre

Rechte durchzusetzen, zu demonstrieren, seien einige Beispiele genannt:

 

In den letzten Jahren hat in Lichtenwörth bei Wr. Neustadt ein erheblicher Anteil der

landwirtschaftlichen Betriebe ihre Betriebsanlage umgestellt von Mischtierhaltung auf

intensive Schweinemast- und Zuchtbetriebe. So fallen 1996 auf 2900 Bewohner dieser

Gemeinde 10.706 Schweine. In Lichtenwörth liegt ein Großteil der landwirtschaftlichen

Betriebe im Ortszentrum, wodurch im Ortskern eine ständige Gestankwolke feststellbar ist.

Besonders belastend ist die Situation für die betroffenen Anrainer. Versuche, die Landwirte

in Einzelgesprächen und Bürgerversammlungen für einen höheren technischen Standard

ihrer Anlagen zu gewinnen, blieben ebenso ergebnislos wie die Interventionen bei den

zuständigen Behörden.

 

Ein anderes Beispiel ist der Legehennenbatteriebetrieb und die Kottrocknungsanlage der

Gnaser Frischeiproduktions GesmbH & Co KG, wo nach Feststellungen des

Gemeindearztes bereits eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung der Anrainer gegeben ist.

 

In St. Johann in Tirol sorgt eine Kälbermastanstalt, die auch Jungrinder importiert, für

Diskussionen u.a. auch deshalb, weil sie ohne Genehmigung errichtet wurde und es

Entsorgungsprobleme mit der Gülle gibt.

 

Es handelt sich bei diesen Betrieben nicht mehr um bäuerliche Betriebe, sondern um

gewerbliche Unternehmen. Dennoch finden nach der Gewerbeordnung den Nachbarschutz

regelnde Bestimmungen für das Betreiben von Anlagen für das Halten von Nutztieren zur

Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse keine Anwendung. Lediglich die

Bauordnungen der Länder kommen kommen zur Anwendung. Wie jedoch allein die jüngste

Gesetzesnovelle des Niederöstereichischen Landtages zeigt, werden auch in diesem

Verfahren die Nachbarn hinausgedrängt. §6 der NÖBauO gibt nur jenen Nachbarn

 

Parteienstellung, welche mit dem geplanten Betrieb eine gemeinsame Grenze haben. Daher

sind Nachbarn von Massentierhaltung ohne behördlichen Schutz.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

1. In der Viehwirtschaftsgesetznovelle 1994 wurden die bestehenden Obergrenzen drastisch

erhöht. Selbst diese hohen Obergrenzen werden von Intensivtierhaltungsbetrieben

erheblich überschritten. Inwiefern wird die Einhaltung der Obergrenzen bei diesen

Betrieben kontrolliert? Wie viele Kontrollen wurden seit 1994 mit welchem Ergebnis

durchgeführt? Gab es bei den genannten Betrieben eine Kontrolle und was war das

Ergebnis?

 

2. Einerseits gibt es im ÖPUL-Programm Förderungsanreize in Richtung ökologischer und

naturnaher Produktionsweisen. Anderseits begünstigt das derzeitige Förderungssystem

hauptsächlich Betriebe mit hohem Tierbestand. Welche Anreize werden bei

Investitionsförderungen gesetzt, damit eine tierschonende umweltfreundliche Produktion

lohnender ist als die Intensivtierhaltung? Mit welchen konkreten Initiativen werden Sie

sich im Rahmen der Mitgestaltungsmöglichkeiten innerhalb der EU dafür einsetzen, daß

tier- und umweltgerechte Produktionsweisen im Förderungssystem mehr als bisher

begünstigt werden?

 

3. Ein großer Teil der SteuerzahlerInnen will in Österreich eine umweltfreundliche,

bäuerliche Landwirtschaft und ist damit einverstanden, daß solchen Betrieben ein hoher

Betrag an Steuermitteln zugute kommt. Allerdings gibt es immer weniger Akzeptanz in

der Bevölkerung, daß ein großer Teil dieser Mittel Massentierhaltungen zufließt, die

enorme Umweltbelastungen und damit auch volkswirtschaftliche Kosten nach sich

ziehen. Inwiefern werden bei der Beratung von Betrieben Akzente gesetzt, damit bei

Investitionen den Forderungen nach einer qualitäts- und umweltbezogenen Produktion

Rechnung getragen wird?

 

4. Offensichtlich greifen die (länderweisen unterschiedlichen) verwaltungsrechtlichen und

zivilrechtlichen Möglichkeiten nicht, solche Emissionen abzustellen. Inwiefern werden

Sie bei der Erabeitung der Wasserechtsnovelle diesen Umstand berücksichtigen?

 

5. Anläßlich der Beschlußfassung zur GewO-Nov 1992 wurde eine Entschließung

betreffend die Durchsetzung eines einheitlichen artgerechten Tierschutzes verabschiedet.

Darin wird die Bundesregierung ersucht, mit den Bundesländern mit dem Ziel in

Gespräche einzutreten , einheitliche gesetzliche Regelungen für den Tierschutz und eine

artgerechte Tierhaltung bei einer gleichzeitigen Ablehnung der Massentierhaltung

festzulegen. Inwiefern wurde von Ihnen dieser Forderung nachgekommen (abgesehen

von der 15a-Ländervereinbarung über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft,

die zwar Ansätze zu einer Vereinheitlichung enthält, aber nur einen Minimalkonsens

darstellt und weder dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch

den technischen Möglichkeiten entspricht)? Inwiefern wurde die Forderung nach einer

Ablehnung der Massentierhaltung von Ihnen politisch umgesetzt?