1384/J

der Abgeordneten Wabl, Petrovic, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie

betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung

Massentierhaltungsanlagen geraten immer mehr in den Blickpunkt einer kritischen

Öffentlichkeit, sei es aus Gründen des Tier- und Konsumentenschutzes oder aufgrund von

Umweltbelastungen und den damit verbundenen Folgekosten. Aufgrund der politischen und

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft ist die Konzentration in der

Tierhaltung tendenziell stark ansteigend. Dieser Umstand führt dazu, daß es in der letzten

Zeit seitens der von den Emissionen betroffenen Anrainer zunehmend zu Beschwerden

wegen enormer Geruchsbelästigungen und des Verdachtes auf Gesundheitsgefährdung

kommt. Neben einem Mangel an speziell auf die Massentierhaltung zugeschnittenen bundes-

und landesgesetzlichen Regelungen gibt es auch eklatante Vollzugsdefizite in der

öffentlichen Verwaltung.

Um die Belastungen und Schwierigkeiten der Anrainer, ihre Rechte durchzusetzen, zu

demonstrieren, seien einige Beispiele genannt:

In den letzten Jahren hat in Lichtenwörth bei Wr. Neustadt ein erheblicher Anteil der

landwirtschaftlichen Betriebe ihre Betriebsanlage umgestellt von Mischtierhaltung auf

intensive Schweinemast- und Zuchtbetriebe. So fallen 1996 auf 2900 Bewohner dieser

Gemeinde 10.706 Schweine. In Lichtenwörth liegt ein Großteil der landwirtschaftlichen

Betriebe im Ortszentrum, wodurch im Ortskern eine ständige Gestankwolke feststellbar ist.

Besonders belastend ist die Situation für die betroffenen Anrainer. Versuche, die Landwirte

in Einzelgesprächen und Bürgerversammlungen für einen höheren technischen Standard

ihrer Anlagen zu gewinnen, blieben ebenso ergebnislos wie die Interventionen bei den

zuständigen Behörden.

Ein anderes Beispiel ist der Legehennenbatteriebetrieb und die Kottrocknungsanlage der

Gnaser Frischeiproduktions GesmbH & Co KG, wo nach Feststellungen des

Gemeindearztes bereits eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung der Anrainer gegeben ist.

In St. Johann in Tirol sorgt eine Kälbermastanstalt, die auch Jungrinder importiert, für

Diskussionen u.a. auch deshalb, weil sie ohne Genehmigung errichtet wurde und es

Entsorgungsprobleme mit der Gülle gibt.

Es handelt sich bei diesen Betrieben nicht mehr um bäuerliche Betriebe, sondern um

gewerbliche Unternehmen. Dennoch finden nach der Gewerbeordnung den Nachbarschutz

regelnde Bestimmungen für das Betreiben von Anlagen für das Halten von Nutztieren zur

Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse keine Anwendung. Lediglich die

Bauordnungen der Länder kommen kommen zur Anwendung. Wie jedoch allein die jüngste

Gesetzesnovelle des Niederöstereichischen Landtages zeigt, werden auch in diesem

Verfahren die Nachbarn hinausgedrängt. §6 der NÖBauO gibt nur jenen Nachbarn

Parteienstellung, welche mit dem geplanten Betrieb eine gemeinsame Grenze haben. Daher

sind Nachbarn von Massentierhaltung ohne behördlichen Schutz.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Der Distriktarzt macht bezüglich der Kottrocknungsanlage der Gnaser

Frischeiproduktions GesmbH die Feststellung, daß in der Nachbarschaft dieses Betriebes

im Verlaufe der letzten Jahre auffallend gehäuft Erkrankungen (Hustenanfälle,

Bindehautentzündungen, Schleimhautreizungen der Nase) von dort wohnenden Leuten

auftraten, die sonst eigentlich so konzentriert nicht bei der Bevölkerung vorkommen.

Welche Maßnahmen werden Sie im Zusammenhang mit § 17 Abs.2 UVP ergreifen,

wonach Immissionen jedenfalls zu vermeiden sind, die das Leben oder die Gesundheit

von Menschen gefährden, oder durch nachhaltige Einwirkungen erhebliche Belastungen

der Umwelt verursachen oder zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn führen?

2. Werden die typischen Krankheitsbilder von Geruchseinwirkungen in Östereich als

Gesundheitsgefährdung anerkannt?

3. Für Anrainer ist es meist sehr schwierig, Belästigungen bzw. Gefährdungen durch

Massentierhaltungsanlagen nachzuweisen. Gibt es Studien, die sich mit der

gesundheitlichen Auswirkungen der Geruchsreize bzw. der toxischen Bestandteile der

Abluft bei solchen Anlagen befassen? Wenn ja, welche? Wenn nein, werden sie solche in

Auftrag geben?

4. Der Landeshygieniker für Steiermark stellt in einer umwelthygienischen Beurteilung der

Kottrockungsanlage der Gnaser Frischeiproduktions GesmbH & CoKG fest: "Unter

Einbeziehung des Kotbehandlungsverfahrens wird durch den derzeitigen Tierbestand die

ortsübliche Geruchszahl um 118 % überschritten'' , . . . .werden im Bereich des WR in bis

zu 35 % der Jahreszeit das ortsübliche Ausmaß überschreitende und zum Teil stark

wahrnehmbare Geruchsbelästigungen verursacht. . .deren Intensität kann im Abstand von

ca. 100-150 Metern noch sehr stark sein - mitunter bei sehr ungünstigen Bedingungen

sogar ekeleregend. '' Welche Maßnahmen werden Sie gegen diese eklatanten

Geruchsbelästigungen unternehmen?

5. Beabsichtigen Sie angesichts der genannten Gesundheits- und Umweltgefährdungen und

angesichts der Tatsache, daß bisher kein anderes Verfahren die Rechte der Nachbarn

schützt, eine Herabsetzung der Schwellenwerte im UVP-Gesetz? Wenn nein , warum

nicht?

6. Anläßlich der Beschlußfassung zur GewO-Nov 1992 wurde eine Entschließung

betreffend die Durchsetzung eines einheitlichen artgerechten Tierschutzes verabschiedet.

Darin wird die Bundesregierung ersucht, mit den Bundesländern mit dem Ziel in

Gespräche einzutreten, einheitliche gesetzliche Regelungen für den Tierschutz und eine

artgerechte Tierhaltung bei einer gleichzeitigen Ablehnung der Massentierhaltung

festzulegen. Inwiefern wurde von Ihnen dieser Forderung nachgekommen (abgesehen

von der 15a-Ländervereinbarung über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft,

die zwar Ansätze zu einer Vereinheitlichung enthält, aber nur einen Minimalkonsens

darstellt und nicht dem gegenwärtigen S tand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und

technischen Möglichkeiten entspricht)?