1386/J

 

 

 

 

der Abgeordneten Petrovic, Wabl Freunde und Freundinnen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz

 

 

betreffend: lmporte von gentechnisch verändertem Soja , sowie die Informationspolitik des

Gesundheitsministeriums hinsichtlich EU-weiter Inverkehrbringungsanträge für

gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und Lebensmittel

 

1) Ab diesen Herbst werden erstmals ungekennzeichnete Lebensmittel in den Verkaufsregalen

stehen, die zum Teil aus genmanipulierten US-Sojabohnen hergestellt wurden. In den USA

werden seit heuer gentechnisch veränderte mit konventionell gewonnenen Sojabohnen

vermischt. In den Verhandlungen mit der EU-Kommission wurde von dem multinationalen

Konzern MONSANTO darauf hingewiesen. daß aufgrund der Vermischung in den USA eine

Unterscheidung in konventionell und gentechnisch erzeugte Sojabohnen nicht mehr möglich

sei. Aus diesem Grund sei auch eine Kennzeichnung wie etwa "gentechnisch verändertes

Produkt" vor allem gegenüber den konventionell anbauenden Landwirten unfair, da ja diese auf

den Einsatz der Gentechnik verzichtet haben. Die EU-Kommission hat daraufhin den

Sojabohnenimporten -ohne Kennzeichnungsvorschriften- aus den USA ihre Erlaubnis erteilt.

Somit werden erstmals im Herbst 1996 gentechnisch veränderte Sojaprodukte

ungekennzeichnet auf den Markt kommen.

 

Die Lebensmittel, die davon am meisten betroffen sein werden, sind Pflanzenfette zum Braten

und Backen, sowie in verarbeiteter Form als Margarine, Brotaufstriche, Kuchen, Süßwaren,

Feinkostsaucen etc. In Österreich wurden 1994 t-und 11.600 t Sojaöl importiert; dies entspricht

rund 6% der Gesamtmenge der auf dem österreichischen Markt befindlichen Pflanzenöle.

Um ein Vielfaches größer sind dagegen die Einfuhren von Ölkuchen und Preßrückständen von

Soja, die hauptsächlich als Futtermittel dienen. Laut Statistik wurden 1994 rund 460.000 t

importiert. Diese Ölkuchen und Preßrückstände werden zu stark eiweißhaltigem Schrot

verarbeitet, der vornehmlich an Schweine und Geflügel verfüttert wird und so über diesen

Umweg in die Lebensmittelkette gelangen kann."

 

2) Die Informationspolitik des Gesundheitsministeriums v.a. hinsichtlich EU-weiter

Inverkehrbringungsanträge gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist äußerst unzureichend

und entspricht in keiner Weise den Anforderungen eines umfassenden Konsumentenschutzes.

Während auf der einen Seite von Gesundheitsministerin Frau Dr. Krammer ständig die

Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel gefordert wird, betreibt Sie auf der

andern Seite eine absolute Geheimhaltungspolitik hnsichtlich der lnverkehrbringungsanträge

gentechnisch veränderter Lebensmittel in der EU. Die Bevölkerung hat jedoch ein Anrecht auf

die rascheste Information über derartige Anträge und über die Begutachtungsergebnisse der

zuständigen Behörde. Doch die Gesundheitsministerin will davon nichts wissen.

In der Anfragebeantwortung vom 25.7.1995 (Anfrage der Grünen) zog sich die

Gesundheitsministerin noch auf den Standpunkt der Vertraulichkeit der Informationen

gemäß Richtlinie 90/220/EWG zurück:

 

''Davon zu unterscheiden ist die Frage der Offenlegung der Antragdossiers. Diesbezüg/ich

sieht das Verfahren der Richtlinie 90/220/EWG eine Übermittlung der versch/ossenen

Antragsunterlagen an ausgewäh/te, der Kommission schriftlich bekanntzugebende Personen

der ''competent authority'' desjeweiligen Mitgliedslandes und eine vertrauliche Behand/ung

dieser Unterlagen vor. Die Unterlagen umfassen detaillierte Informationen zu den GVO,

Anme/der. Umfang und Zweck des Antrag.s, mög/iche gesundheits- und umweltre/evante

Gefahren, Sicherheitsmaßnahmen und Angaben zur Kennzeichnung''.

 

In der Anfragenbeantwortung vom 12.9.1996 änderte die Gesundheitsministerin jedoch die

Argumentationsweise:

''Sowohl die Richtlinie 90/220/EWG a/s auch das österreichische Gentechnikgesetz beinhalten

keine aktive Informationspflicht der Behörde betreffend das Vorliegen von

/nverkehrbringungsanträgen. die bei der EU-Kommission einlangen ''.

 

Diese Wendung in der Argumentation erfolgte nicht zuletzt aufgrund einer

Anfragebeantwortung des Umweltministeriums (21.7.1995), wo darauf hingewiesen wurde,

daß der Großteil dieser Inverkehrbringungsanträge ''nur einige wenige vertrauliche

Informationen'' enthält und es an den zuständigen Behörden liegt, wie die nicht-vertraulichen

Informationen gehandhabt werden. In Norwegen, den Niederlanden und sogar in

Großbritannien erfolgt jedenfalls eine aktive Information der Bevölkerung der zuständigen

Behörde. Dies scheint jedenfalIs nach Ansicht des Gesundheitsministeriums als nicht

anstrebenswert. Nun meint Gesundheitsministerin Frau Dr. Krammer, daß keine aktive

Informationspflicht vorgeschrieben ist und es daher auch nicht notwendig ist, die Bevölkerung

rechtzeitig von EU-weiten Inverkehrbringungsanträgen, sowie über die diesbezüglichen

Behördenentscheidungen, zu unterrichten. Diese Geheimhaltungspolitik der

Gesunheitsministerin ist völlig unverständlich und es ist zu befürchten, daß die Initiativen

hinsichtlich Freisetzungsmoratorium und Kennzeichnungsverordnungen lediglich PR-Chrakter

haben; ernsthafte konkrete Schritte blieben bis heute jedenfalls aus.

 

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für

Gesundheit und Konsumentenschutz folgende

 

 

ANFRAGE

 

1. Ab Herbst 1996 werden erstmals gentechnisch veränderte Sojaprodukte und Lebensmittel,

die gentechnisch verändertes Soja beinhalten "ungekennzeichnet" auf den Markt gelangen.

Über 80% der Österreicherinnen und Österreicher lehnen den Einsatz der Gentechnik in der

Lebensmittelproduktion völlig ab, weit über 90% fordern eine lückenlose Kennzeichnung.

Warum haben Sie hinsichtlich des Inverkehrbringens gentechnischer Sojaprodukte keinen

Gebrauch von Art. 16 der RL 220/90/EWG gemacht bzw. werden Sie diesbezüglich noch

Gebrauch von Art. 16 der RL 220/90/EWG machen?

 

2. Wenn nein; warum nicht?

 

3. Was gedenken Sie heuer, als Ministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz, konkret

im Falle der Importe von Lebensmitteln zu tun, die gentechnisch verändertes Soja

enthalten (können)?

 

4. Sie haben stets behauptet, daß Ihnen die Kennzeichnung gentechnisch veränderter

Produkte ein Anliegen ist. Was gedenken Sie konkret zu unternehmen, damit Ihre

Verordnungsvorschläge auch in die Tat umgesetzt werden?

 

5. Bis wann sollten bzw. müssen Ihrer Meinung nach diese beiden

Kennzeichnungsverordnungen in Kraft treten?

 

6. Wieviele EU-weite Inverkehrbringungsanträge für gentechnisch veränderte Agrarprodukte

und Lebensmittel wurden gemäß RL 220/90/EWG 1995 und 1996 beantragt und haben

Sie als zuständige Behörde begutachtet?

 

7. Für wieviele dieser Anträge wurde bereits eine Genehmigung erteilt?

 

8. Stehen Sie zu einer aktiven Informationspolitik?

 

9. Auch wenn keine aktive Informationspflicht gesetzlich festgeschrieben ist, so steht es

(hnen offen, die Bevölkerung über den non-confidentiaI part von

Inverkehrbringungsanträgen gemäß RL 220/90/EWG sofort zu informieren, wie es

übrigens auch in einigen EU- (EWR-) Staaten regelmäßig getan wird. Das gleiche gilt

auch für das Ergebnis der Stellungnahmen durch Ihre Behörde zu diesen Anträgen. Hat die

österreichische Bevölkerung, Ihrer Meinung nach, kein Anrecht auf ehebaldigste

Information über derartige Anträge, v.a. unter dem Gesichtspunkt, daß dieses Thema

große Besorgnis in der österreichischen Bevölkerung hervorruft und das

Informationsbedürfnis sehr hoch ist?

 

10. Werden Sie in Zukunft die Bevölkerung unverzüglich bei Einlagen von neuen

Inverkehrbringungsanträgen gemäß RL 220/90/EWG informieren. sowie über die

Stellungnahmen Ihrer Behörde und den weiteren EU-weiten Schritten informieren, oder ist

Ihrer Meinung nach eine ausreichende Informationspolitik, wenn die Bevölkerung am

Ende jedes EU-Verfahrens erfährt. daß Sie mit neuen Lebensmitteln beglückt wird, die

Sie ablehnt?

 

11. In der Anfragebeantwortung vom 26. August 1996 (938/AB) sprechen Sie sich gegen ein

Freisetzungsmoratorium in Österreich aus. Wieso behaupten Sie, daß dieses zweijährige

Moratorium von Ihnen nie ins Spiel gebracht wurde, obwohl mehrere Medien davon

berichteten und bedeutet dies, daß ein derartiges Moratorium für Sie überhaupt nicht in

Frage kommt?

 

12. Sie sprechen sich in dieser Anfragebeantwortung auch dafür aus, daß Forderungen des

Gentechnik-Volksbegehrens nur dann für Sie einen Auftrag des Souveräns darstellen,

wenn die rechtliche Umsetzung auch im EU-Recht erfolgt. Verstehen unter dieser

Auffassung eine mutige, Vorreiterpolitik Österreichs in der EU?

 

13. Sind für Sie diesbezügliche nationale Alleingänge in der EU kein adäquates Mittel den

absoluten MehrheitswiIlen der Bevölkerung umzusetzen?