1562/J
der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend geplante Gedenkstätte "Feliferhof"
Nach der Schließung der Elementarschießhalle am " Feliferhof" 1995 entschloß sich das
steirische Bundesheer zu einer internationalen Ausschreibung einer Gedenkstätte für Opfer
des Nationalsozialismus auf dem "Feliferhof" , der jährlich von 1().000 Angehörigen von
Heer und Exekutive für Ausbildungszwecke genutzt wird. Einige hundert Menschen
(Soldaten, Zivilisten, Widerstandskämpfer) waren nämlich zwischen 1941 und 1945 auf
diesem Schießplatz wegen ihres Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime
hingerichtet worden. Am 26. Februar l996 entschied sich eine Jury für das Projekt von
Esther und Jochen Gerz. Auch die Finanzierung des Projektes in Höhe von 500.000
Schilling ist gesichert. Am 12. März bestätigte die Landesregierung den Künstlern den
Entscheid der Jury. Esther und Jochen Gerz erhielten inzwischen für dieses Projekt den
Bochumer "Peter-Weiss-Preis " zuerkannt.
Nun wird das Projekt trotz positiven Jurybescheids vielleicht doch nicht realisiert, weil das
Bundesheer mit den Texten auf den Fahnen, die den zentralen Teil der Gedenkstätte bilden,
angeblich nicht einverstanden ist. ''AufMut steht der Tod'', ''Barbarei ist die
Soldatenbraut ", "Verrat am Land wird dekoriert " und ''Soldaten so heissen wir auch '',
lauten die Sentenzen auf den Fahnen des Kunstwerks. Das Verteidigungsministerium
äußerte sich laut Standard vom 24. l0. 1996 dazu folgendermaßen: " Eine Gedenkstätte für
die Erschossenen wird umgemünzt in Anwürfe gegen die Institution. " Die Formulierungen
der Künstler seien "undifferenziert" , Heeresangehörige würden pauschal angegriffen und
damit die " Opfer diskriminiert" , zitiert der Standard weiter.
Jochen Gerz begründet diese Sätze am 25.5. 1996 im "Standard" folgendermaßen:
" Es geht um das Paradox, daß Begriffe wie Tradition, Disziplin, Tapferkeit, Selbstaufgabe
und Gehorsam in jeder Armee präsent sind, aber auch im Zusammenhang mit Barbarei,
Diktatur, Unmenschlichkeit, Folter, Morden usw. auftauchen Unser Vorschlag dreht sich
um dieses Paradox. Der Militärkommandant der Steiermark, Divisionär Manner, meinte
kürzlich: , Sie machen es uns aber nicht leicht' . Darauf sagten wir: ' Sie machen es uns auch
nicht leicht! ' . Wenn man in einer Kunstschule ist, dann traümt man auch nicht davon, auf
einem Schießplatz einen solchen grauenhaften Ort zu finden. "
Eine der wichtigsten Erkenntnisse bei der Errichtung von Gedenkstätten formulieren Esther
und Jochen Gerz in ihrem Brief an den " Standard" vom 21 . 10. l996: " Eins ist sicher: Die
Arbeit Die Gänse vom Feliferhof wird umso bekannter werden, je länger sie verhindert
wird " . Man kann das auch so interpretieren: Die Diskussion über Gedenkstätten setzt erst
die eigentliche Bewußtseinsbildung in Gang , und daher ist eine öffentliche Diskussion über
den Inhalt des künstlerischen Projektes einer der wesentlichen Bestandteile eines derartigen
Projektes.
Am 23. November l996 berichtet die Grazer " Neue Zeit" , daß das Projekt von Esther und
Jochen Gerz nicht realisiert werden soll. Als Begründung wird im Artikel angeführt, daß es
besonders der Satz "Barbarei ist die Soldatenbraut" gewesen sei, der zu dieser
Entscheidung seitens des Militärs geführt habe.
(m Widerspruch zu dieser angeblichen Entscheidung stehen Aussagen des Adjudanten des
Bundespräsidenten, Hubertus Trauttenberg , der bei der Eröffnung der Ausstellung " Die
Verbrechen der Wehrmacht" in Linz am 22. l 1 . 1996 formulierte:
" Es geht nicht nur darum, nach der historischen Wahrheit zu suchen. Es geht vielmehr
darum zu untersuchen, wieso es möglich war, daß so viele an so Entsetzlichem teilnahmen
oder auch nur zusehen konnten. Nur in einem schmerzlichen Erinnerungsprozeß werden wir
langsam ertragen lernen, was an Grausamkeiten und an Greueln in diesem Abschnitt unserer
Geschichte geschehen ist. " (Der Standard, 23. 11. 1996, S 41)
Anerkennenswert ist nicht nur diese Aussage eines hohen Offiziers des Österreichischen
Bundesheers, anerkennenswert sind auch die Bemühungen des steirischen
Militärkommandos , sich der Erinnerungsarbeit, von der Trauttenberg spricht, zu stellen,
denn diese Bemühungen haben ja überhaupt erst die Diskussion in Gang gesetzt und zu
einem Wettbewerb über die Gestaltung der Gedenkstätte geführt. Anerkennenswert ist auch
die Tatsache, daß das Militärkommando Steiermark nun eine Projektsteuerungsgruppe
eingesetzt hat, die nach einer Dokumentations- und Bewußtseinbildungsphase konkrete
Vorschläge für die Realisierung einer Denkmallösung vorlegen soll. Allerdings erfolgt die
Einrichtung einer solchen Gruppe etwas spät und vor allem darf diese Gruppe nicht von
vornherein eine weitere Zusammenarbeit mit Esther und Jochen Gerz ausschließen.
Sollte aber eine Entscheidung gegen das Gerz-Mahnmal schon gefallen sein, wie die Neue
Zeit berichtet, dann würde das nur zeigen, daß diese von Trauttenberg geforderte
Erinnerungsarbeit im Bundesheer nur sehr, sehr zögerlich vonstatten geht, denn die negative
Entscheidung über das Gerz-Mahnmal am Feliferhof stünde in einer Reihe mit anderen
Entscheidungen seitens des Militärs , die eines gemeinsam hätten: Die Wahrheit ist dem
Militär nur schwer oder gar nicht zumutbar.
So hat die Heeeresunteroffiziersakademie in Enns geplant, Ende November eine
Gedenktafel für Oberstleutnant Robert Bernardis , den einzigen österreichischen Offizier,
der am Attentat gegen Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt war und in der Folge hingerichtet
wurde, anzubringen. Während in Deutschland schon am 20. Juli l961 in S igmaring eine
Kaserne nach Stauffenberg benannt wurde, hat das Bundesministerium für
Landesverteidigung diese Gedenktafelanbringung bisher verzögert.
Weiters berichtete die Tageszeitung " Die Presse" am 17. l . l995 , daß Simon Wiesenthal die
Anbringung einer Gedenktafel im Bundesministerium für Landesverteidigung für Johann
Friedländer, den ranghöchsten österreichischen Offizier, der als KZ-Häftling ermordet
wurde, angeregt hat. Bis heute wurde keine derartige Gedenktafel angebracht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE :
1) In allen Kriegen ist ein Faktum stets präsent: Der Krieg führt (fast) immer auch zu
Barbarei. Man erinnere sich nur an die Vergewaltigungen der Frauen und die
Massenhinrichtungen im Krieg in Ex-Jugoslawien oder daran, was derzeit in der
zuletzt in Kärnten gezeigten Ausstellung "Die Verbrechen der Wehrmacht" zu sehen
war. Die Erschießungen am "Feliferhof" gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Inwiefern ist also etwa der Satz von Esther und Jochen Gerz Barbarei ist die
Soldatenbraut, abgesehen von der notwendigen künstlerischen Zuspitzung
"undifferenziert" , eine Diskriminierung der Opfer und ein "Anwurf gegen die
(nstitution" ? Und inwiefern ist dieser Satz vor allem im Hinblick auf das , was am
Feliferhof stattgefunden hat, "undifferenziert" , eine Diskriminierung der Opfer, ein
" Anwurf gegen die Institution" und nicht ein künstlerischer Ausdruck der
barbarischen Wahrheit?
2) Jeder Krieg , auch das ist ein bekannte Tatsache, führt zum Tod von Soldaten, von
mutigen und weniger mutigen. Und während der Nazidiktatur führte der mutige
Widerstand gegen das verbrecherische Regime meist zu einem Todesurteil und in
weiterer Folge zur Hinrichtungsstelle, wie auch der Feliferhof eine war. Inwiefern ist
demnach der Satz von Esther und Jochen Gerz Auf Mut steht der Tod, abgesehen von
der notwendigen künstlerischen Zuspitzung , "undifferenziert" , eine Diskriminierung
der Opfer bzw. ein Anwurf gegen die (nstitution?
3) Esther und Jochen Gerz haben mit ihren Sätzen auf dem Mahnmal künstlerisch auf das
Geschehen auf dem " Feliferhof" in den Jahren 1941 bis 1945 Bezug genommen. Sie
beschreiben, künstlerisch zugespitzt, die dunkle Seite dessen, was in jeder Armee
präsent ist. Halten Sie es für unangebracht und illegitim die Soldaten und anderen
Benützern des Schießplatzes mit dieser Wahrheit zu konfrontieren?
4) Ist es nicht gerade für die Armee eines demokratischen Staates unumgänglich, an die
latent vorhandene Schattenseite (Unmenschlichkeit, Folter, Barbarei) der eigenen
Institution erinnert zu werden, noch dazu an einem Ort, wo diese Seite in der
Vergangenheit offen zutage trat, um die Sensibilität gegenüber dieser stets
gegenwärtigen Gefahr aufrechtzuerhalten?
5) Was spricht für das Verteidigungsministerium gegen die Errichtung des Gerz-Denkmals ,
obwohl es bei der Auswahl der Künstler maßgeblich mitgewirkt hat und eigentlich
hätte wissen müssen, wer Esther und Jochen Gerz sind und in welcher Weise sie in
ihren Denkmälern mit der Vergangenheit umgehen - noch dazu, wo die Jury sich für
dieses Projekt aussprach?
6) Werden Sie sich im Sinne der beständigen Vergegenwärtigung und Bewußtseinsbildung
betreffend der latenten Gefahren einer Institution wie der Armee, für die Errichtung
dieses Denkmals von Esther und Jochen Gerz einsetzen? Wenn nein: Warum nicht?
7) Wird die Projektsteuerungsgruppe, die nun eingesetzt werden soll, den Kontakt mit
Esther und Jochen Gerz suchen, um doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung mit
den Künstlern zu gelangen? Wenn ja: Wird das Verteidigungsministerium diese
Zusammenarbeit unterstützen und eine positive Entscheidung für das Gerz-Mahnmal
mittragen?
8) Werden Sie sich dafür einsetzen, daß im Sinne Hubertus Trauttenbergs der schmerzIiche
Erinnerungsprozeß in Gang gesetzt wird, um "ertragen zu lernen, was an
Grausamkeiten und an Greueln in diesem Abschnitt unserer Geschichte geschehen
ist"? Wenn ja: Würde das nicht im Widerspruch zu einer Verhinderung der Errichtung
des Mahnmals von Esther und Jochen Gerz stehen, das genau die Absicht verfolgt,
diesen Erinnerungsprozeß in Gang zu setzen?
9) Warum hat das Bundesministerium die Anbringung einer Gedenktafel für Oberstleutnant
Robert Bernardis an der Heeresunteroffiziersakademie Enns bisher nicht zugelassen,
obwohl die HUAK selbst eine derartige Anbringung befürwortet?
l0) Was spricht gegen die Anbringung einer Gedenktafel für Feldmarschall-Leutnant
Johann Friedländer im Verteidigungsministerium?