1587/J

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Grollitsch, Rosenstingl, DI Hoffmann, Dr. Povysil und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Einschränkungen im Flugrettungswesen

 

 

 

Die Zukunft des bestens bewährten österreichischen Notarzthubschraubersystems ist mehr als

ungewiß. Nach einer rigorosen Kürzung der Bereitstellungszeiten für Rettungshubschrauber

durch Weisung des Innenministeriums, nämlich eine Beschränkung auf den Zeitraum eine

Stunde vor Sonnenuntergang - die sog. ,,bürgerliche Abenddämmerung'' , wird nunmehr der

völlige Rückzug des Bundes aus dieser Sparte überlegt. Die vorläufige Übernahme der vom

Bund eingesparten Kosten durch die Länder, wie im Falle der Steiermark, stellt nur eine

vorübergehende Linderung, nicht aber eine dauerhafte Lösung des Problems dar.

 

In der vom Bundesministerium für Inneres in Auftrag gegebenen Studie zur geplanten

Einstellung des Flugrettungswesens werden bloß Kostenrechnungen angestellt und umge-

setzt, während volkswirtschaftliche Nutzenrechnungen unter Berücksichtigung moralischer

und ethischer Grundsätze kaum Beachtung fmden. Es liegt überdies der Verdacht nahe, daß

bewußt kostenerhöhende Kriterien herangezogen wurden, um einen Rückzug des Bundes aus

der Flugrettung vorzubereiten bzw. zu rechtfertigen.

 

Die Überlegung, daß es um die Erstversorgung von Schwerstverletzten geht, und somit um

die Rettung von Menschenleben und die Hintanhaltung von schlimmstem Leid, wird von der

Ministerialbürokratie weitgehend negiert und insofern abgewehrt, als vom Bundesministerium

für Inneres "entwicklungsorientierte Problembeschreibungen" explizit "moralisierenden" (sic!)

vorgezogen werden.

 

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres

nachstehende

 

 

Anfrage

 

 

1. Wurde in der vom Bundesministerium für Inneres angeforderten, von Frau Mag. Susanne

Geyer durchgeführten Studie eine Effektivitätsteigerung bzw. höhere Ökonomisierung im

Flugrettungswesen als mögliche Alternative zur Kürzung der Flugstunden ins Auge

gefaßt?

 

2. Wurde erwogen, auch die Einsatzpläne zu durchforsten und auf der Basis von Erfahrungs-

werten effektiver und ökonomischer zu gestalten?

 

3 . Ist in der in Rede stehenden BMI-Studie berücksichtigt, daß ein großer Teil der Gemein-

kosten, etwa für die Hangarisierung, die Instandhaltung, den administrativen Betrieb und

die Flugeinsatzstellen, die mit 40 % der Flugrettung zugerechnet werden, auch nach der

eventuellen Einstellung des Flugrettungswesens aufgewendet werden müßte?

 

4. Ist es richtig, daß die Kosten für die Ausbildung der Piloten und Techniker in die Kosten-

rechnung der Studie einbezogen wurden, obwohl auch ausgebildetes Personal aufgenom-

men werden könnte/sollte bzw. bestimmte Wartungsarbeiten von privaten Unternehmen

besser und billiger besorgt werden könnten?

 

5. Ist es richtig, daß trotz rückläufiger Flugleistung in der Flugrettung und vermehrter EDV-

Unterstützung der Personalstand im administrativen Bereich der Zentralstellen - nicht etwa

bei Piloten und Technikern! - von 17 Beschäftigten im Jahre 1994 auf 27 Beschäftigte im

Jahre 1997 aufgestockt wurde?

 

6. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz in der Berechnung der kalkulatorischen Risken bzw.

in der Dokumentation der Anzahl der Schadensfälle zwischen der offiziellen Kosten-

rechnung der BMI-Studie und den Aufzeichnungen der Pilotenvereinigung, die sich wie

folgt ergibt:

 

BMI-Studie: 11 Unfälle in 17 Jahren Flugrettungsbetrieb

Pilotenvereinigung: 2 Unfälle in 10 Jahren Flugrettungsbetrieb

 

7. Welche anderen sachkundigen Stellungnahmen außer der BMI-Studie haben Sie für Ihre

diesbezüglichen Entscheidungen herangezogen?

 

8. Wurden in der vom BMI-Studie auch die gesundheitlichen Folgeschäden in die volkswirt-

schaftliche Beurteilung miteinbezogen?

 

9. Die öffentliche Hand ersparte sich z.B. allein durch einen rechtzeitig versorgten Herzin-

farkt-Patienten viermal soviel Geld wie ein Jahr Pilotenstunden kosten. Ist sich das Minis-

terium bei seiner Argumentation gegen die Aufrechterhaltung des Rettungsflugwesens

bewußt, daß die Nichtberücksichtigung volkswirtschaftlicher Nutzenrechnungen die vor-

gebliche Sparabsicht konterkariert?

 

10. Am 2. März 1996., knapp nach 17 Uhr, hatte sich ein zwölfJähriger Judenburger nach

einem Snowboardunfall eine Gehirnblutung zugezogen. Sein Leben konnte nur durch

einen neurochirurgischen Eingriff in Graz infolge eines spontanen Rettungshubschrauber-

einsatzes unmittelbar nach der ,,bürgerlichen Abenddämmerung" gerettet werden.

Sind dem Ministerium dieser und ähnliche Fälle bekannt, wo die Kürzung der Flugeinsatz-

stunden nachweislich zum Tod oder zur drastischen Verschlimmerung eines Krankheits-

bildes geführt hätte?

 

10a. Wenn ja, wieviele und welche?

 

10b. Wenn nein, finden solche Fälle in der ,,entwicklungsorientierten Problembeschreibung"

keine Berücksichtigung?

 

11. In den Fremdenverkehrsregionen werden in der Regel die Schilifte erst nach 16 Uhr

gespert, und man weiß, daß gewöhnlich die meisten und schlimmsten Unfälle auf der

Piste bei der letzten Abfahrt, häufig nach l6 Uhr passieren. Mit Beginn der Winterzeit

dürfen aber in den betroffenen Gebieten Rettungshubschrauberpiloten nur mehr von acht

bis 16 Uhr fliegen.

Wie rechtfertigt das Ministerium diesen sowohl volkswirtschaftlich als auch ethisch-

moralischen Schildbürgerstreich?