1724/J XX.GP
der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend dessen rechts- und tatsachenwidriger Beantwortung
der parlamentarischen Anfrage der Abg. Mag. Ewald STADLER und
Kollegen vom 19.September 1996 zu Nr. 1204/J hinsichtlich des
Vereins ,,Freimaurervereinigung des Schottischen Ritus“ wegen gesetz-
und statutenwidriger Handlungen.
1.) In der angeführten Anfragebeantwortung wird behauptet, daß für Strei-
tigkeiten wegen beharrlicher Verweigerung der Durchführung eines
Schiedsgerichtsverfahrens nicht die politische Behörde, sondern das Gericht
zuständig sei.
Diese Rechtsansicht ist falsch:
a) Gemäß Erkenntnis des VfGH. vom 4. Oktober 1949 zu K 1 - 4/49
betreffend „Bejahender Kompetenzkonflikte zwischen Verfassungs-
und Verwaltungsgerichtshof — Zuständigkeit in Vereinssachen“ heißt
es:
„Der Verfassungsgerichtshof betont ausdrücklich,
daß damit dem Verwaltungsgerichtshof nicht etwa
die Kompetenz auf dem Gebiete des Vereinsrechtes
abgesprochen werden soll. Eine solche Kompetenz
ist vielmehr zweifellos anzuerkennen1 Insoweit es
sich um die Frage der gesetzmäßigen Betätigung der
V e r e i n s 0 r g a n e handelt.“
Wenn aber die Zuständigkeit des VwGH. gegeben ist, dann bedeutet
dies folgerichtig, daß der VwGH. über Entscheidung von Verwal-
tungsbehörden in Angelegenheiten des Vereinsrechtes zu befinden
hat.
Daß das Schiedsgericht als Ausfluß des § 4 Abs. 2 des Vereinsge-
setzes 1951 ein Vereinsorgan ist, muß als bekannt vorausgesetzt wer-
den.
b) In der gegenständlichen Anfragebeantwortung wird weiters behaup-
tet, daß „für eine behördliche Vereinsauflösung ein zureichender
Grund, insbesondere im Sinne des Art. 11, Abs. 2 EMRK vorhanden
sein“ müsse.
Korrekterweise hätte dazu aber das Erkenntnis des Verfassungs
gerichtshofes Sig. 3957/1961 in der Anfragebeantwortung berück-
sichtigt werden müssen.
In diesem Erkenntnis heißt es:
„Gegen die §§ 20 und 24 des Vereinsgesetz 1951
hat der Verfassungsgerichtshof weder vom Stand-
punkt des Art 12 StGG. noch vom Standpunkt des
Art. 11 der Europäischen Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten aus Irgend-
weiche Bedenken.“
c) Nach den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes EvBI Nr.
263/1968; OGH 18.11. 1970, zu 6 Ob 255/70 obliegt es der
Vereinsbehörde — und nicht dem Gericht — , für eine statutenmäßige
Betätigung des Vereines zu sorgen. Unter dem Begriff ,, statutenmä-
ßige Betätigung des Vereines“ ist auch die ordnungsmäßige
Abwicklung von Schiedsgerichtsverfahren zu verstehen.
d) Die Anfragebeantwortung enthält darüber hinaus die Behauptung, daß
der Streit zwischen dem Einschreiter und der Vereinsleitung wegen
beharrlicher Verweigerung eines Schiedsgerichtlichen Verfahrens
zivilrechtlichen Charakters“ sei.
Im Gegensatz zu dieser, rechtlich nicht fundierten Behauptung, heißt
es in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. Februar
1964 zu 6 Ob 273/63:
„Die Anordnung des § 4 Abs. 2, ilt. g VereinsG. 1951
sei polizeilicher Natur und habe den Zweck, die Im
öffentlichen Interesse gelegene Aufrechterhaltung
der Ruhe und Ordnung Im Verein dadurch zu si-
chern, daß im vornhinein bestimmt wird, wie etwaige
dieses Interesse gefährdende Streitigkeiten ge-
schlichtet werden sollen. Dagegen habe die V e r -
w a 1 t u n 5 b e h ö r d e keinen Grund, auch für die
Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten in den
Statuten vorzusehen, da hiefür ohnehin die ordent-
lichen Gerichte bestünden. Bloß Streitigkeiten
der Mitglieder untereinander und gegenüber der Lei-
tung des Vereines, also im wesentlichen Disziplinar
sachen, sollen durch diese Schiedsgerichte ent-
schieden werden.“
e) In Peter Fessler/Christine Keller: „Österreichisches Vereinsrecht“,
Wien: 1990, heißt es auf Seite 80:
„Eine beharrliche Verweigerung des schiedsgericht-
lichen Verfahrens stellt daher ein statutenwidriges
Verhalten eines Vereinsorganes dar, das zur behörd-
lichen Auflösung des Vereins führen
kann.“
f) Bezüglich der beharrlichen Verweigerung des schiedsgerichtlichen
Verfahrens muß darauf verwiesen werden, daß es keinesfalls im
Belieben des leitenden Organes eines Vereins liegt, die Bestimmun-
gen der Satzungen — beispielsweise jene, die das Schiedsgericht be-
handeln — entsprechend dem Vereinsgesetz umzusetzen oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind auch
Vereinssatzungen gesetzeskonform zu interpretieren und zwar ebenso
wie generelle Normen (siehe hierzu die Erkenntnisse des Verfas-
sungsgerichtshofes vom 18. Juni 1980. zu B 122/79 und vom 10.
März 1981 zu B 3909/80).
In Dr. Heinrich Skarwada: „Das österreichische Vereins- und Ver-
sammlungsrecht“ Wien: 1950, ist auf Seite 37 zu lesen:
„Ist jedoch durch eine Vereinsangelegenheit, zum
Beispiel die Verweigerung der Einberufung des
Schiedsgerichtes, das das den Vereinsbehörden
zustehende Aufsichtsrecht berührt, so hat der in
seinem vermeintlichen Recht Verletzte das Recht der
Beschwerde an die Vereinsbehörde erster instanz,
z.B. in Wien an die Bundespolizeidirektion. Da es
sich in einem solchen Falle um eine Verletzung der
Statuten handelt, hat die genannte Behörde der
Vereinsleitung die Einberufung des Schiedsge-
richtes innerhalb einer bestimmten Frist aufzu-
tragen. Wird diesem Auftrage nicht nachgekommen,
so wird über Antrag der Sicherheitsbehörde erster
Instanz die zuständige Vereinsbehörde den Verein
wegen Statutenwidrigkeit im Sinne des § 24 des
Vereinsgesetzes behördlich auflösen, da er den
Bedingungen seines rechtlichen Bestandes nicht
mehr entspricht.“
g) In Dr. 5. Freund: „Vereins- und Versammlungsrecht“‘ Wien: 1894 ist
(unter Verwendung der ursprünglichen Schreibweise) nachlesbar:
„Allein neben dieser Gruppe von Rechten gibt es im
Vereinsleben auch Ansprüche, bei deren Verletzung
es sich nicht um die Schädigung eines privatrech-
tes, sondern um die Schädigung eines die correkte
Vereins-Administration beziehenden Interesses han-
delt. Hierher gehört das Interesse, daß die Vereins-
leitung tatsächlich so bestehe und funktioniere, wie
es im Statute vorgeschrieben ist, und das Interesse,
daß die Vereinsmitglieder zur Kundgebung des Ver-
einswillens statutenmäßig Gelegenheit erhalten, etc.
Der diesfalls In seinem Interesse Gekränkte kann
hier nicht den gerichtsbehördlichen Schutz im Wege
der Klage verlangen, sondern er wird die Abhilfe bei
der politischen Behörde suchen, die er durch das
Mittel der Beschwerde anzurufen hat.“
Es muß dazu ausdrücklich festgestellt werden, daß der Oberste
Gerichtshof in seinen Entscheidungen, die Angelegenheiten des Ver-
einsgesetzes zum Inhalt haben, auf den Kommentar von Dr. 5.
Freund: „Vereins- und Versammlungsgesetz“ Bezug nimmt.
h) In Peter Fessler/Christine Keller: „Österreichisches Vereinsrecht“,
Wien: 1990, heißt es auf Seite 81:
„Abhilfe gegen Verletzung des Interesses des
einzelnen Vereinsmitgliedes auf korrekte Vereins—
administration ist nicht bei Gerichte, sondern bei
der Vereinsbehörde zu suchen; dieser obliegt es, für
eine statutenmäßige Betätigung des Vereines zu
sorgen (OGH‘ EvBI. 263; OGH 18.11. 1970, 6 Ob
255170).“
i) Im Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom
9.Februar 1996, Zl.: SD 138/96 heißt es in der Begründung u.a.:
„Richtig Ist, daß die ordentlichen Gerichte nur für
Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und
Rechte aus dem Vereinsverhäitnis zuständig sind,
während die Frage der bloßen korrekten Vereins-
administration Sache der Vereinsbehörde Ist, die für
eine statutenmäßige Betätigung des Vereins zu
sorgen hat.“
Die Zusammenfassung dieser Punkte stellt den in der Anfragebeantwortung
aufgestellten Behauptungen eine Fülle wohlbegründeter Rechtsmeinungen
gegenüber:
Der Oberste Gerichtshof und die einschlägige Fachliteratur (alle Kommen-
tare!) bestreiten die Auffassung, wonach bei Nichtzusammentreten des
Schiedsgerichtes beim zuständigen Zivilgericht Klage erhoben werden
könne. Sie stellen vielmehr die alleinige Zuständigkeit der Vereinsbehörde
fest und stimmen darin im übrigen mit der Spruchpraxis der ihnen
untergeordneten Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien überein. —
Die gleiche Auffassung vertritt auch DDr. Hans W. Fasching in seinem
„Lehrbuch des österr. Zivilprozeßrechtes« Wien: Manz, 1990, wo er in Rz.
2239 festellt, daß „Fragen des öffentlich-rechtlichen Vereinsrechts vor die
Verwaltungsbehörden gehören“; als solche sind sowohl die Frage des
Schiedsgerichtes (§ 42 Abs. 2 VereinsG.) als auch die der Infor-
mationspflicht gem. § 13 VereinsG. zu verstehen.
2.) In der Anfragebeantwortung wird der Einschreiter Tull bezüglich der Gel-
tendmachung seines Anspruches auf Information über die T ä t i g k e i t
und die finanzielle Gebarung des Vereines auf den Zivielrechtsweg
verwiesen.
Diese Gesetzesauslegung beruht auf einem Rechtsirrtum:
a) Sowohl die Information der Vereinsmitglieder über die Tätigkeit des
Vereines und dessen Leitungsorganes als auch über die Verwaltung
des Vereinsvermögens bzw. die geldliche Gebarung fallen unter den
Begriff „korrekte Vereinsadministration“.
b) in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Dezember
1967, zu 1 Ob 235/67 heißt es:
„...daß die Vereinsmitglieder In Ihrem — übrigens
anzuerkennenden Interesse — auf eine ordentliche
Vereinsadminlstration, zu der die Verwendung des
satzungsmäßigen Vereinsnamens ebenso gehört wie
die statutengemäße personelle Zusammensetzung
der Führung des Vereines und die Verwaltung des
Veriensvermögens...beeinträchtigt worden sind. Ab-
hilfe gegen derartige Interessensverletzungen Ist
aber nicht bei den Gerichten, sondern bei der poli-
tischen Behörde zu suchen...und die Verwal-
tungsbehörde ist im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht
auch gehalten, für eine den Statuten gemäße
Betätigung des Vereines zu sorgen“ (vgl. „Freund:
„Vereins- und Versammlungsgesetz“).
c) In Peter Fessler/Christine Keller: „Österreichisches Vereinsrecht“,
Wien: 1990, heißt es auf Seite 93:
„Die beharrliche Weigerung des Leitungsorganes,
seiner Informationspflicht (§ 13 Vereinsgesetz) zu
genügen, kann daher die Behörde zur Vereinsauf-
lösung ermächtigen.“
Es heißt „Behörde“ und n i c h t „Gericht“!
3.) In der Anfragebeantwortung wird behauptet, daß der Einschreiter es unter-
lassen habe, seinen schiedsgerichtsbeisitzer namhaft zu machen.
Diese Behauptung widerspricht den Tatsachen, da ihn der Einschreiter
vielmehr dem Verein ‚,Freimaurervereinigung des Schottischen Ritus“
schriftlich namhaft gemacht hat!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen an den Bundesminister für Inneres
deshalb folgende
ANFRAGE:
Sind Sie vor dem Hintergrund der widerlegten Behauptungen in Ihrer Anfrage-
beantwortung vom 19. September 1996 zu Nr. 1204/J bereit, für eine baldige,
ordnungsgemäße und umfassende Behandlung des vom ehemaligen SPÖ-Abge-
ordneten zum Nationalrat, Dipl.-Vw. Mag. DDr. Stephan Tull, am 16. Februar
1996 eingebrachten Anbringens an die zuständige Vereinsbehörde zu sorgen? —
Wenn nein, warum nicht?