1734/J

 

 

 

 

der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kollegen

an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie

betreffeud Schaffung von Arbeitsplätzen ünd Betriebsgründungen im Zusammenhang mit

der stoffliche Verwertung von KunststoffabfalI

 

Im Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 1990) werden 3 Grundprinzipien formuliert:

Abfallvermeidung - Abfallverwertung - Abfallentsorgung.

Der Begriff Abfallverwertung wird wie folgt näher definiert: ''Abfälle sind zu verwerten,

soweit dies ökologisch vorteilhaft und technisch möglich ist, die dabei entstehenden

Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Abfallbehandlung nicht

unverhältnismäßig sind und ein Markt für die gewonnen Stoffe vorhanden ist oder

geschaffen werden kann. ''

In der Studie "Anlagenbedarf zur thermischen Behandlung und Verwertung von Abfällen"1

wird im Bereich der Kunststoffabfälle "zukünftig sowohl mit einer Zunahme des Verbrauches

als auch mit einer Zunahme des Abfallanfalls" gerechnet. Grundsätzlich wird für die

Erhebung der anfaIlenden Mengen eine Datenunsicherheit angegeben, die in erster Linie

darauf zurückgeführt wird, daß eine klare Berechnung aufgrund der unterschiedlichen

Erfassung (KunststoffmateriaI nach der VerpackVO, Kunststoff im Restmüll, Kunststoff in

hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen) nicht möglich ist.

Dem Bundesabfa1lwirtschaftsplan 1995 ist zu entnehmen, daß auf den Bereich (ausgehärtete)

Kunststoffabfälle insgesamt ein jährliches Volumen von rund 430.000 Tonnen entfällt. Aus

dem ''ARA System Report 95 '' geht hervor, daß 1995 81.620 Tonnen Leichtverpackungen

(Kunststoffe und Materialverbunde) gesammelt wurden. Dies entspricht einem Anteil am o.a.

Gesamtvolumen von rund 19%. Von den 81.620 Tonnen Leichtverpackungen müssen laut

VerpackVO mindestens 40% (= 32.648 Tonnen) der stoff1ichen Verwertung zugeführt

werden. Der ''ARA System Report" führt weiters aus: ''Die ÖKK wird stets der stofflichen

Verwertung von Kunststoffverpackungen den Vorzug geben, soweit dies technisch möglich

und ökonomisch sinnvoll ist (...) Die ÖKK überprüft und bewertet neue Recycling -

Technologien, fördert und unterstützt innovative Projekte im Rahmen der

Kunststoffverwertung und unterstützt die Recycler bei der Optimierung der Recyclatqualität.

Dabei setzt sich die ÖKK auch für die Schaffung neuer Märkte für Recycling - Produkte

ein "²

Geht man von der Annahme aus, daß von dem o.a. Gesamtvolumen von rund 430.00 Tonnen

sich lediglich 40% für die stoffliche Verwertung eignen, so wäre das noch immer ein

verarbeitungsfähiges VoIumen von jährlich 172.000 Tonnen. Nimmt man eine

durchschnittliche jährliche Verarbeitungskapazität für einen Betrieb mit stofflicher

Verwertung in der Höhe von 4.000 Tonnen an, so wären damit 43 Betriebe ausgelastet. Ein

solcher Betrieb könnte im Durchschnitt 30 Mitarbeiter3 beschäftigen, was in der Summe die

Bereitstellung von 1.290 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Darüber hinaus würde eine

regionaIspezifische Positionierung derartiger Betriebe Transportkosten minimieren und somit

ein probates Mittel gegen den sogn. ''Mü1ltourismus'' darstellen.

 

 

1 BMUJF, Schriftenreihe der Sektion III, Bd 28(Wien 1996)

² ARA System Report '95; S.12

3 Die Praxis zeigt, daß Kunststoffwiederverwertungsbetriebe mit 4.000 t/a Kapazität zwischen 15 und 50

Mitarbeiter beschäftigen können.

 

Einerseits ist den Ausführungen der ÖKK zu entnehmen, daß der stoffIichen Verwertung von

Kunststoffabfällen zumindest in der Theorie auch von seiten der ÖKK eine wesentliche

Bedeutung zugemessen wird. In Österreich existieren heimische Unternehmen, die eine

solche Verwertung von Kunststoffabfällen durchführen können und ebenso gibt es eine Reihe

von vielversprechenden Projekten für eine ökologisch wie ökonomisch sinnvolle stoff1iche

Verwertung. Andererseits wiederum wird von der ÖKK in einer eigenen Broschüre4 die

Verbrennung von Kunststoffabfall unter dem Titel der ''energetischen Verwertung'' beworben.

In dieser Broschüre wird darauf hingewiesen, daß "für die thermische Nutzung von

KunststoffabfälIen in Österreich erst Anlagen errichtet oder flexible Anlagen spezie1l diesem

"Alternativbrennstoff'' angepaßt werden müssen."5

Derzeit liegen 6 bzw. 5 Projektwerbungen betreffend Müllverbrennung nach dem UVP - G

vor. Aus der 6. Sitzung des Umweltrates vom 12.12.1996 ist hervorgegangen, daß die

Projektwerber mit großem Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung zu rechnen haben

und eine tatsächliche Realisierung damit als fraglich bezeichnet werden kann. Abgesehen

davon wird der Weg von der Projektwerbung bis zu einer etwaigen Genehmigung Jahre in

Anspruch nehmen und für die Behörden wie für die Projektwerber mit entsprechend hohen

Kosten verbunden sein.

Darüber hinaus wurden bisher betreffend die Notwendigkeit von Müllverbrennungsanlagen in

Österreich noch keine entsprechenden regionalspezifischen Bedarfserhebung durchgeführt.

Wirtschaftlichkeitsberechnungen bezüglich der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen

bzw. bezüglich des Kostenaufwandes der Behördenverfahren in Relation zum

voIkswirtschaftIichen Gesamtnutzen fehlen ebenso, wie Erhebungen betreffend die

Sozialverträglichkeit solcher Großprojekte. Weiters wäre anzuführen, daß im Falle einer

Realisierung derartiger Großprojekte dem im AWG festgeschriebenen Grundsatz der

AbfaIlvermeidung nicht mehr entsprochen werden kann, da Anlagen mit solchen

Kapazitäten7 ein entsprechendes jährliches Volumen an Abfall benötigen, um

betriebswirtschaftlich positiv bilanzieren zu können. Eine allgemeine Abfallreduktion wird

daher nicht im Interesse der Betreiber bzw. Investoren liegen.8 Weiters fallen auch bei der

bestentwickelten Verbrennungstechnik Schadstoffe an, die mit den Verbrennungsgasen in die

Atmosphäre gelangen bzw. mit den Filterkuchen und sonstigen Reststoffen gesondert entsorgt

werden müssen.

Dem gegenüber zu stelIen ist, daß bei einer reduzierten Zahl derartiger Großprojekte und

einer gleichzeitigen Forcierung der stofflichen Verwertung einer Vielzah1 von potentiellen

heimischen KIein- und Mittelbetrieben die Möglichkeit geboten wird, sich am

Recyclingmarkt zu etabIieren. Gleichzeitig würden damit die ersten Schritte in Richtung

KreisIaufwirtschaft gesetzt. Entsprechende Projekte betreffend die stoffliche Verwertung von

KunststoffabfäIlen liegen vor, wobei dabei bereits ökologisch wie ökonomisch sinnvol1e

Technologien zur stofflichen Verwertung der sog. "thermischen Restfraktion'' angewandt

werden bzw. Produktionsreife erlangt haben. Darüber hinaus schaffen solche KIein- und

Mittelbetriebe ArbeitspIätze, die für Krisenregionen von entscheidender Bedeutung sind und

dem vo1kswirtschaftIichen Interesse und der permanent von allen poIitischen Parteien

 

4 ''Energie aus Kunststoff" hrsg. v. Österreichischen Kunststoffkreislauf (ÖKK) und der Österreichischen

Initiative wertvoller Kunststoff (ÖIWK)

5 ebd. S.26

6 Die Müllverbrennungsanlage Ranslhofen mit dem Betreiber ASA untersteht nicht der UVP - Pflicht

' So besitzt etwa die RV Lenzing GmbH eine maximale Verbrennungskapazität von 154.000 t/a.

8 vgl. BMUJF Schriftenreihe der Sektion III, Bd 28(wien 1996); S. 53: "Es gilt als bekannte Tatsache, daß im

Anlagenbau - darunter sind auch Anlagen zur thermischen Restmüllverwertung zu zählen - die spezifischen

Investitionskosten, ausgedrüclt zum Beispiel in Schilling je Jahrestonne Durchsatz, mit kleiner werdenden

Jahresdurchsatz ansteigen. Aus einer konkreten Projektuntersuchung kann angeführt werden, daß die gesamten

Investitionsaufwendungen (ohne Grundstücke) für eine thermische Restmüllbehandlung nach dem letzten Stand

der Technik bei einer Anlagenkapazität von 100.0o0 t/a etwa 1,8 Mrd. öS und für eine Anlagenkapazität von

150.000 t/a am selben Standort ca. 2,3 Mrd. öS ausmachen würde."

 

geforderten Stärkung bzw. Neugründung von heimischen KIein- und Mittelbetrieben

entsprechen. Der von Vizekanzler Schüssel oftmals angesprochenen "Gründerwelle" wäre

somit näherzukommen. Der Wirtschaftszweig "stoffliche Verwertung von Kunststoffabfall"

birgt ein wirtschaftliches und technisch - innovatives Potential in sich, das mit einer

entsprechenden Forcierung erst ausgeschöpft werden müßte.

Der im Rahmen des Nationalen Umweltplanes (NUP) errichtete Arbeitskreis "Industrie und

Gewerbe" empfiehlt im Zusammenhang mit der Zielformulierung "Nachhaltigkeit" u.a. die

"Entwicklung von Alternativen zu knappen nicht - regenerierbaren Rohstoffen in Form von

Sekundärrohstoffen (Kreislaufschließungen, Wertstoffrückgewinnung)''. In bezug auf die

Sicherung von Arbeit, Einkommen und Lebensqualität für zukünftige Generationen hält der

Arbeitskreis folgendes fest: ''Emissions- und abfallarme Techniken stellen eine Chance dar,

wiederum Arbeit in Regionen abseits der Ballungsräume zu bringen. In Verbindung mit

neuen Entwicklungen der Telematik können diese zu einer Belebung dieser Regionen

beitragen, da die Nutzung lokaler und regionaler Ressourcen die Ansiedlung von Klein- und

Mittelbetrieben des verarbeitenden Gewerbes fördert, saubere (abfall- und emissionsarme)

Technologien sowohl mit der Land- und Forstwirtschaft als auch mit dem Tourismus

vereinbar sind, und Telematik es ermöglicht, die innovativen und geistigen Kapazitäten der

Region vor Ort zu nutzen "9

Mit der Novellierung des WRG (§31b WRG) betreffend die Ablagerung von Abfällen und der

bestehenden Deponieverordnung wird ab 2004 eine Ablagerung von unbehandeltem Abfall

nicht mehr erlaubt sein. Dies eröffnet für die zukünftige Orientierung der Abfallwirtschaft

unter dem Aspekt des immer geringer werdenden Deponievolumens betreffend den

KunststoffabfaIl zwei Möglichkeiten: eine Forcierung der o.a. Müllverbrennung unter

massiven Einsatz von Kunststoffabfällen oder eben ein verstärkter Einsatz der stofflichen

Verwertung. Realistischerweise wird eine Mischvariante für die Zukunft zielführend sein,

wobei jedoch die Schwerpunktverlagerung auf die stoffliche Verwertung den Prinzipien des

AWG sowie der weltweit geführten Diskussion um die langfristig zu etabIierende

Kreislaufwirtschaft am nächsten kommt.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für

Umwelt, Jugend und FamiIie folgende

 

Anfrage

 

1. Wie beurteilen Sie das ökologische und ökonomische Potential der stofflichen Verwertung

von Kunststoffabfällen?

2. WeIche Maßnahmen bezüglich des Ansteigens des Verbauchs von Kunststoffprodukten

bzw. der damit verbundenen Zunahme des Abfallanfalls werden Sie von seiten Ihres

Ressorts setzen?

3. HaIten Sie die derzeit im Rahmen der VerpackVO festgeschriebene Quote für die

stoffliche Verwertung von Kunststoffabfällen im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang

für ausreichend?

4. Könnte Ihrer Meinung nach die Forcierung der stofflichen Verwertung von

Kunststoffabfall in Österreich arbeitsplatzschaffende Impulse setzen?

5. Wurden von seiten Ihres Ressorts Untersuchungen bezüglich der arbeitsmarktpolitischen

und ökologischen Relevanz der stofflichen Verwertung von KunststoffabfäIlen in

Österreich vorgenommen?

6. Wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Untersuchungen hervorgebracht?

 

 

9 Nationaler Umweltplan, Arbeitskreis "Industrie und Gewerbe"; Information für den NUP - Unterausschuß im

Parlament am 14.11.1996

 

7. Wenn nein, halten Sie es für notwendig derartige Untersuchungen im Sinne der

postulierten ''Nachha1tigkeit'' und der Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen

vorzunehmen?

8. Wie beurteiIen Sie die Chancen eines österreichischen Wirtschaftszweiges ''stoffliche

Verwertung von KunststoffabfalI'' unter Berücksichtigung des europäischen Marktes im

gesamtwirtschaftlichen Rahmen?

9. Sind Ihrer Meinung nach die Grundsätze der AbfaIIvermeidung und AbfaIIverwertung des

AWG unter Berücksichtigung der gepIanten Errichtung der o.a. MüIIverbrennungsanIagen

auch für die kommenden Generationen garantiert?

10.HaIten Sie die derzeitige Strategie der AbfaIlwirtschaft, die Müllverbrennung insgesamt zu

forcieren, für den ökologisch wie ökonomisch optimalen Weg?

11.Wenn ja, auf weIche Überlegungen bzw. Fakten stützen Sie sich?

12.Wenn nein, welche Alternativüberlegungen steIlen Sie an bzw. welche Alternativen

werden von seiten Ihres Ressorts dazu angeboten?

13.Wurden bei der Erstellung der o.a. Studie ''Anlagenbedarf zur thermischen BehandIung

und Verwertung von Abfällen'' der vom Arbeitskreis ''Industrie und Gewerbe'' geforderte

Ansatz ''die Entsorgungswirtschaft muß weiterhin ihre Entwick1ung weg vom

Entsorgungsansatz in Richtung auf ein Dienstleistungsgewerbe vollziehen'' bzw. die

Empfehlung für einen "produktionsintegrierten Umweltschutz" berücksichtigt?

14.Wie beurteilen Sie die Realisierungschancen für die o.a. UVP - G Projektwerbungen?

15.Halten Sie die Realisierung solcher Projekte in Hinblick auf den zu erwartenden

Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung für sozialverträgIich?

16.Werden im Rahmen diesbezüglicher Genehmigungsverfahrens aIle externen Kosten bzw.

Nachfolgekosten berücksichtigt?

17.Wie beurteilen Sie den Kostenaufwand der Behörden und Projektwerber im

Genehmigungsve rfahren in der Relation zum volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen

derartiger Projekte?

18.Wie beurteilen Sie in Hinblick auf die allgemein angestrebte Verringerung des

Abfallvolumens die Tatsache, daß im Anlagenbau (im speziellen die thermische

Restmüllverwertung) die spezifischen Investitionskosten und folgenden Betriebskosten mit

kleiner werdenden Jahresdurchsatz ansteigen?

19.Halten Sie die Verwendung von Kunststoffabfall als ''Brennstoff" in Hinblick auf die

geforderte "Nachhaltigkeit'' und eine zukünftige " Kreislaufwirtschaft" für die ökologisch

wie ökonomisch optimale Variante?

20.Wie hoch schätzen Sie das arbeitsplatzschaffende und volkswirtschaftliche Potential bei

dem in der Studie ''Anlagenbedarf zur thermischen Behandlung und Verwertung von

AbfäIlen'' theoretisch angenommenen Vollausbau der thermischen Restmüllverwertung

ein?

21.Wie beurteilen Sie den Ausbau der thermischen RestmüIlverbrennung unter dem Aspekt

der vom Arbeitskreis ''Industrie und Gewerbe" empfohlenen Maßnahmen wie etwa

Kreislaufschließungen oder Wertstoffrückgewinnung?