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der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kollegen
an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie
betreffeud Schaffung von Arbeitsplätzen ünd Betriebsgründungen im Zusammenhang mit
der stoffliche Verwertung von KunststoffabfalI
Im Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 1990) werden 3 Grundprinzipien formuliert:
Abfallvermeidung - Abfallverwertung - Abfallentsorgung.
Der Begriff Abfallverwertung wird wie folgt näher definiert: ''Abfälle sind zu verwerten,
soweit dies ökologisch vorteilhaft und technisch möglich ist, die dabei entstehenden
Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Abfallbehandlung nicht
unverhältnismäßig sind und ein Markt für die gewonnen Stoffe vorhanden ist oder
geschaffen werden kann. ''
In der Studie "Anlagenbedarf zur thermischen Behandlung und Verwertung von Abfällen"1
wird im Bereich der Kunststoffabfälle "zukünftig sowohl mit einer Zunahme des Verbrauches
als auch mit einer Zunahme des Abfallanfalls" gerechnet. Grundsätzlich wird für die
Erhebung der anfaIlenden Mengen eine Datenunsicherheit angegeben, die in erster Linie
darauf zurückgeführt wird, daß eine klare Berechnung aufgrund der unterschiedlichen
Erfassung (KunststoffmateriaI nach der VerpackVO, Kunststoff im Restmüll, Kunststoff in
hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen) nicht möglich ist.
Dem Bundesabfa1lwirtschaftsplan 1995 ist zu entnehmen, daß auf den Bereich (ausgehärtete)
Kunststoffabfälle insgesamt ein jährliches Volumen von rund 430.000 Tonnen entfällt. Aus
dem ''ARA System Report 95 '' geht hervor, daß 1995 81.620 Tonnen Leichtverpackungen
(Kunststoffe und Materialverbunde) gesammelt wurden. Dies entspricht einem Anteil am o.a.
Gesamtvolumen von rund 19%. Von den 81.620 Tonnen Leichtverpackungen müssen laut
VerpackVO mindestens 40% (= 32.648 Tonnen) der stoff1ichen Verwertung zugeführt
werden. Der ''ARA System Report" führt weiters aus: ''Die ÖKK wird stets der stofflichen
Verwertung von Kunststoffverpackungen den Vorzug geben, soweit dies technisch möglich
und ökonomisch sinnvoll ist (...) Die ÖKK überprüft und bewertet neue Recycling -
Technologien, fördert und unterstützt innovative Projekte im Rahmen der
Kunststoffverwertung und unterstützt die Recycler bei der Optimierung der Recyclatqualität.
Dabei setzt sich die ÖKK auch für die Schaffung neuer Märkte für Recycling - Produkte
ein "²
Geht man von der Annahme aus, daß von dem o.a. Gesamtvolumen von rund 430.00 Tonnen
sich lediglich 40% für die stoffliche Verwertung eignen, so wäre das noch immer ein
verarbeitungsfähiges VoIumen von jährlich 172.000 Tonnen. Nimmt man eine
durchschnittliche jährliche Verarbeitungskapazität für einen Betrieb mit stofflicher
Verwertung in der Höhe von 4.000 Tonnen an, so wären damit 43 Betriebe ausgelastet. Ein
solcher Betrieb könnte im Durchschnitt 30 Mitarbeiter3 beschäftigen, was in der Summe die
Bereitstellung von 1.290 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Darüber hinaus würde eine
regionaIspezifische Positionierung derartiger Betriebe Transportkosten minimieren und somit
ein probates Mittel gegen den sogn. ''Mü1ltourismus'' darstellen.
1 BMUJF, Schriftenreihe der Sektion III, Bd 28(Wien 1996)
² ARA System Report '95; S.12
3 Die Praxis zeigt, daß Kunststoffwiederverwertungsbetriebe mit 4.000 t/a Kapazität zwischen 15 und 50
Mitarbeiter beschäftigen können.
Einerseits ist den Ausführungen der ÖKK zu entnehmen, daß der stoffIichen Verwertung von
Kunststoffabfällen zumindest in der Theorie auch von seiten der ÖKK eine wesentliche
Bedeutung zugemessen wird. In Österreich existieren heimische Unternehmen, die eine
solche Verwertung von Kunststoffabfällen durchführen können und ebenso gibt es eine Reihe
von vielversprechenden Projekten für eine ökologisch wie ökonomisch sinnvolle stoff1iche
Verwertung. Andererseits wiederum wird von der ÖKK in einer eigenen Broschüre4 die
Verbrennung von Kunststoffabfall unter dem Titel der ''energetischen Verwertung'' beworben.
In dieser Broschüre wird darauf hingewiesen, daß "für die thermische Nutzung von
KunststoffabfälIen in Österreich erst Anlagen errichtet oder flexible Anlagen spezie1l diesem
"Alternativbrennstoff'' angepaßt werden müssen."5
Derzeit liegen 6 bzw. 5 Projektwerbungen betreffend Müllverbrennung nach dem UVP - G
vor. Aus der 6. Sitzung des Umweltrates vom 12.12.1996 ist hervorgegangen, daß die
Projektwerber mit großem Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung zu rechnen haben
und eine tatsächliche Realisierung damit als fraglich bezeichnet werden kann. Abgesehen
davon wird der Weg von der Projektwerbung bis zu einer etwaigen Genehmigung Jahre in
Anspruch nehmen und für die Behörden wie für die Projektwerber mit entsprechend hohen
Kosten verbunden sein.
Darüber hinaus wurden bisher betreffend die Notwendigkeit von Müllverbrennungsanlagen in
Österreich noch keine entsprechenden regionalspezifischen Bedarfserhebung durchgeführt.
Wirtschaftlichkeitsberechnungen bezüglich der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen
bzw. bezüglich des Kostenaufwandes der Behördenverfahren in Relation zum
voIkswirtschaftIichen Gesamtnutzen fehlen ebenso, wie Erhebungen betreffend die
Sozialverträglichkeit solcher Großprojekte. Weiters wäre anzuführen, daß im Falle einer
Realisierung derartiger Großprojekte dem im AWG festgeschriebenen Grundsatz der
AbfaIlvermeidung nicht mehr entsprochen werden kann, da Anlagen mit solchen
Kapazitäten7 ein entsprechendes jährliches Volumen an Abfall benötigen, um
betriebswirtschaftlich positiv bilanzieren zu können. Eine allgemeine Abfallreduktion wird
daher nicht im Interesse der Betreiber bzw. Investoren liegen.8 Weiters fallen auch bei der
bestentwickelten Verbrennungstechnik Schadstoffe an, die mit den Verbrennungsgasen in die
Atmosphäre gelangen bzw. mit den Filterkuchen und sonstigen Reststoffen gesondert entsorgt
werden müssen.
Dem gegenüber zu stelIen ist, daß bei einer reduzierten Zahl derartiger Großprojekte und
einer gleichzeitigen Forcierung der stofflichen Verwertung einer Vielzah1 von potentiellen
heimischen KIein- und Mittelbetrieben die Möglichkeit geboten wird, sich am
Recyclingmarkt zu etabIieren. Gleichzeitig würden damit die ersten Schritte in Richtung
KreisIaufwirtschaft gesetzt. Entsprechende Projekte betreffend die stoffliche Verwertung von
KunststoffabfäIlen liegen vor, wobei dabei bereits ökologisch wie ökonomisch sinnvol1e
Technologien zur stofflichen Verwertung der sog. "thermischen Restfraktion'' angewandt
werden bzw. Produktionsreife erlangt haben. Darüber hinaus schaffen solche KIein- und
Mittelbetriebe ArbeitspIätze, die für Krisenregionen von entscheidender Bedeutung sind und
dem vo1kswirtschaftIichen Interesse und der permanent von allen poIitischen Parteien
4 ''Energie aus Kunststoff" hrsg. v. Österreichischen Kunststoffkreislauf (ÖKK) und der Österreichischen
Initiative wertvoller Kunststoff (ÖIWK)
5 ebd. S.26
6 Die Müllverbrennungsanlage Ranslhofen mit dem Betreiber ASA untersteht nicht der UVP - Pflicht
' So besitzt etwa die RV Lenzing GmbH eine maximale Verbrennungskapazität von 154.000 t/a.
8 vgl. BMUJF Schriftenreihe der Sektion III, Bd 28(wien 1996); S. 53: "Es gilt als bekannte Tatsache, daß im
Anlagenbau - darunter sind auch Anlagen zur thermischen Restmüllverwertung zu zählen - die spezifischen
Investitionskosten, ausgedrüclt zum Beispiel in Schilling je Jahrestonne Durchsatz, mit kleiner werdenden
Jahresdurchsatz ansteigen. Aus einer konkreten Projektuntersuchung kann angeführt werden, daß die gesamten
Investitionsaufwendungen (ohne Grundstücke) für eine thermische Restmüllbehandlung nach dem letzten Stand
der Technik bei einer Anlagenkapazität von 100.0o0 t/a etwa 1,8 Mrd. öS und für eine Anlagenkapazität von
150.000 t/a am selben Standort ca. 2,3 Mrd. öS ausmachen würde."
geforderten Stärkung bzw. Neugründung von heimischen KIein- und Mittelbetrieben
entsprechen. Der von Vizekanzler Schüssel oftmals angesprochenen "Gründerwelle" wäre
somit näherzukommen. Der Wirtschaftszweig "stoffliche Verwertung von Kunststoffabfall"
birgt ein wirtschaftliches und technisch - innovatives Potential in sich, das mit einer
entsprechenden Forcierung erst ausgeschöpft werden müßte.
Der im Rahmen des Nationalen Umweltplanes (NUP) errichtete Arbeitskreis "Industrie und
Gewerbe" empfiehlt im Zusammenhang mit der Zielformulierung "Nachhaltigkeit" u.a. die
"Entwicklung von Alternativen zu knappen nicht - regenerierbaren Rohstoffen in Form von
Sekundärrohstoffen (Kreislaufschließungen, Wertstoffrückgewinnung)''. In bezug auf die
Sicherung von Arbeit, Einkommen und Lebensqualität für zukünftige Generationen hält der
Arbeitskreis folgendes fest: ''Emissions- und abfallarme Techniken stellen eine Chance dar,
wiederum Arbeit in Regionen abseits der Ballungsräume zu bringen. In Verbindung mit
neuen Entwicklungen der Telematik können diese zu einer Belebung dieser Regionen
beitragen, da die Nutzung lokaler und regionaler Ressourcen die Ansiedlung von Klein- und
Mittelbetrieben des verarbeitenden Gewerbes fördert, saubere (abfall- und emissionsarme)
Technologien sowohl mit der Land- und Forstwirtschaft als auch mit dem Tourismus
vereinbar sind, und Telematik es ermöglicht, die innovativen und geistigen Kapazitäten der
Region vor Ort zu nutzen "9
Mit der Novellierung des WRG (§31b WRG) betreffend die Ablagerung von Abfällen und der
bestehenden Deponieverordnung wird ab 2004 eine Ablagerung von unbehandeltem Abfall
nicht mehr erlaubt sein. Dies eröffnet für die zukünftige Orientierung der Abfallwirtschaft
unter dem Aspekt des immer geringer werdenden Deponievolumens betreffend den
KunststoffabfaIl zwei Möglichkeiten: eine Forcierung der o.a. Müllverbrennung unter
massiven Einsatz von Kunststoffabfällen oder eben ein verstärkter Einsatz der stofflichen
Verwertung. Realistischerweise wird eine Mischvariante für die Zukunft zielführend sein,
wobei jedoch die Schwerpunktverlagerung auf die stoffliche Verwertung den Prinzipien des
AWG sowie der weltweit geführten Diskussion um die langfristig zu etabIierende
Kreislaufwirtschaft am nächsten kommt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für
Umwelt, Jugend und FamiIie folgende
Anfrage
1. Wie beurteilen Sie das ökologische und ökonomische Potential der stofflichen Verwertung
von Kunststoffabfällen?
2. WeIche Maßnahmen bezüglich des Ansteigens des Verbauchs von Kunststoffprodukten
bzw. der damit verbundenen Zunahme des Abfallanfalls werden Sie von seiten Ihres
Ressorts setzen?
3. HaIten Sie die derzeit im Rahmen der VerpackVO festgeschriebene Quote für die
stoffliche Verwertung von Kunststoffabfällen im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang
für ausreichend?
4. Könnte Ihrer Meinung nach die Forcierung der stofflichen Verwertung von
Kunststoffabfall in Österreich arbeitsplatzschaffende Impulse setzen?
5. Wurden von seiten Ihres Ressorts Untersuchungen bezüglich der arbeitsmarktpolitischen
und ökologischen Relevanz der stofflichen Verwertung von KunststoffabfäIlen in
Österreich vorgenommen?
6. Wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Untersuchungen hervorgebracht?
9 Nationaler Umweltplan, Arbeitskreis "Industrie und Gewerbe"; Information für den NUP - Unterausschuß im
Parlament am 14.11.1996
7. Wenn nein, halten Sie es für notwendig derartige Untersuchungen im Sinne der
postulierten ''Nachha1tigkeit'' und der Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen
vorzunehmen?
8. Wie beurteiIen Sie die Chancen eines österreichischen Wirtschaftszweiges ''stoffliche
Verwertung von KunststoffabfalI'' unter Berücksichtigung des europäischen Marktes im
gesamtwirtschaftlichen Rahmen?
9. Sind Ihrer Meinung nach die Grundsätze der AbfaIIvermeidung und AbfaIIverwertung des
AWG unter Berücksichtigung der gepIanten Errichtung der o.a. MüIIverbrennungsanIagen
auch für die kommenden Generationen garantiert?
10.HaIten Sie die derzeitige Strategie der AbfaIlwirtschaft, die Müllverbrennung insgesamt zu
forcieren, für den ökologisch wie ökonomisch optimalen Weg?
11.Wenn ja, auf weIche Überlegungen bzw. Fakten stützen Sie sich?
12.Wenn nein, welche Alternativüberlegungen steIlen Sie an bzw. welche Alternativen
werden von seiten Ihres Ressorts dazu angeboten?
13.Wurden bei der Erstellung der o.a. Studie ''Anlagenbedarf zur thermischen BehandIung
und Verwertung von Abfällen'' der vom Arbeitskreis ''Industrie und Gewerbe'' geforderte
Ansatz ''die Entsorgungswirtschaft muß weiterhin ihre Entwick1ung weg vom
Entsorgungsansatz in Richtung auf ein Dienstleistungsgewerbe vollziehen'' bzw. die
Empfehlung für einen "produktionsintegrierten Umweltschutz" berücksichtigt?
14.Wie beurteilen Sie die Realisierungschancen für die o.a. UVP - G Projektwerbungen?
15.Halten Sie die Realisierung solcher Projekte in Hinblick auf den zu erwartenden
Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung für sozialverträgIich?
16.Werden im Rahmen diesbezüglicher Genehmigungsverfahrens aIle externen Kosten bzw.
Nachfolgekosten berücksichtigt?
17.Wie beurteilen Sie den Kostenaufwand der Behörden und Projektwerber im
Genehmigungsve rfahren in der Relation zum volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen
derartiger Projekte?
18.Wie beurteilen Sie in Hinblick auf die allgemein angestrebte Verringerung des
Abfallvolumens die Tatsache, daß im Anlagenbau (im speziellen die thermische
Restmüllverwertung) die spezifischen Investitionskosten und folgenden Betriebskosten mit
kleiner werdenden Jahresdurchsatz ansteigen?
19.Halten Sie die Verwendung von Kunststoffabfall als ''Brennstoff" in Hinblick auf die
geforderte "Nachhaltigkeit'' und eine zukünftige " Kreislaufwirtschaft" für die ökologisch
wie ökonomisch optimale Variante?
20.Wie hoch schätzen Sie das arbeitsplatzschaffende und volkswirtschaftliche Potential bei
dem in der Studie ''Anlagenbedarf zur thermischen Behandlung und Verwertung von
AbfäIlen'' theoretisch angenommenen Vollausbau der thermischen Restmüllverwertung
ein?
21.Wie beurteilen Sie den Ausbau der thermischen RestmüIlverbrennung unter dem Aspekt
der vom Arbeitskreis ''Industrie und Gewerbe" empfohlenen Maßnahmen wie etwa
Kreislaufschließungen oder Wertstoffrückgewinnung?