1799/J XX.GP

 

der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Österreichs Vertrag mit der NATO: "Partnerschaft für den Frieden"

Das individuelle Partnerschaftsprogramm Österreichs mit der NATO, das am 10. Februar

1995 angenommen wurde, beinhaltet Kooperationen in den Bereichen Friedenswahrung,

humanitäre Operationen und Katastrophenhilfe unter der Autorität von UN oder OSZE.

Nun wird jedoch gerade in den USA und in der NATO der Begriff der Friedenserhaltung

nicht in dem strengen Sinne wie ihn Österreich in den vergangenen Jahrzehnten ausgelegt

und praktiziert hat verwendet. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, daß mit dem Begriff

Friedensoperationen ein allumfassender Begriff für out of area Einsätze verschiedenster Art

geschaffen wurde. Damit haben NATO- und WEU-Sicherheitsexperten Militäraktionen aller

Art ihren vernebelndenden Titel erteilt: von der mißglückten Geiselbefreiungsaktion in der

US-Botschaft Teheran, zum Golfkrieg 11, über das Somalia-Abenteuer 1994, bis hin zu

Bosnien-Herzegowina mit IFOR; weiters werden auch tatsächlich friedenserhaltende

Einsätze wie auf Zypern und dem Golan, als Friedensoperationen subsumiert. Daraus

entsteht eine Sprachverwirrung der es in der Öffentlichkeit schwer macht, den

sicherheitspolitischen Experten in ihren Diskussionen und Entscheidungen zu folgen, und

tasächlich in diesen wesentlichen Fragen mitzubestimmen, wohin die sicherheitspolitische

Entwicklung beispielsweise Österreichs gehen soll.

Sie, Herr Minister, haben diese Lesart auch insofern unterstrichen, als Sie auf unsere

4.Frage betreffend der T.)Übung in Lejeune, North Carolina - USA, geantwortet haben und

der 1)Überzeugung Ausdruck verliehen haben (14. 11 . 1996, 1 194/AB), daß dort

"friedenserhaltender Einsatz im Sinne des Kapitels 6 der UN-Satzung" vorbereitet wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1 . Sie antworten auf die erste Frage (v. 14. 1 1 . 1996, 1 194 AB), daß "im Vordergrund

der Friedenspartnerschaft die 'Entwicklung kooperativer militärischer Beziehungen

der teilnehmenden Staaten durch gemeinsame Planung, Ausbildung und Übungen, um

ihre Fähigkeit für Aufgaben auf den Gebieten Friedenswahrung, ' steht. Entspricht der

 

Begriff der Friedenswahrung im Rahmendokument Österreichs mit der NATO dem,

was in Kap. 6 der UN-Satzung als friedenserhaltender Einsatz festgelegt ist?

2. Wodurch unterscheidet sich der Begriff des Manövers von dem der "Übung", auf dem

Sie in der Anfragebeantwortung bestehen?

3. Halten Sie es, Herr Minister, für Zufall, wenn in Zeitungen wie der "Presse,' , dem

"Neuen Volksblatt" und der "Neuen Zeit" von "Cooperative Osprey" als "NATO-

Manöver" berichtet wurde?

4. Sie stellen in derzweiten Antwort (v. 14.11.1996, 1194 AB) fest, daß die "Übung"

nicht unter US-Kommando, "sondern unter der organisatorischen Leitung der NATO

gestanden ist". Laut Medienberichten hatte das Oberkommando der "Übung" jedoch

ein US-Offizier inne. Sehen Sie die Frage der nationalen Kommandoführung, die

innerhalb der NATO immer wieder für Konfliktstoff sorgt, für irrelevant?

5 . Welche unterschiedliche Folgewirkung betreffend der Einhaltung des

Neutralitätsgesetzes läßt sich daraus ableiten, ob die Übung unter organisatorischer

Leitung der NATO gestanden hat oder einen US-Offizier als Kommandanten hatte?

6. Beim "Individuellen Partnerschaftsprogramm zwischen Österreich und der NATO für

die Jahre 1996-1998", handelt es sich nach Auffassung der Anfragestellerinnen und

Anfragesteller um einen "politischen" Staatsvertrag i.S. der Art. 50 (1) B-VG.

"Politische Staatsverträge" sind u.a. nämlich solche, die "die Stellung (. . .) eines

Staates in der Staatengemeinschaft berühren" (Walter/Meyer, Grundriß des österr.

Bundesverfassungsrechtes, Rz 227). Dies ist beim "Individuellen

Partnerschaftsprogramm zwischen Österreich und der NATO für die Jahre 1996-

1998 " unzweifelhaft der Fall. Warum wurde das Abkommen dessenungeachtet nicht

dem Nationalrat zugeleitet?

7. Sie halten in der Beantwortung der Anfrage (v. 14.11.1996, 1194 AB) fest, daß die

Evaluierung von - "international als humanitäre Hilfeleistung verstandenen" -

Botschaftspersonal auch das allererste konkrete Feld der Zusammenarbeit zwischen

der EU und der WEU darstellt und auch den Einsatz von Waffengewalt erforderlich

machen könnte. Sehen Sie keine Folgewirkung für die Einhaltung des

Neutralitätsgesetzes, wenn sich damit im Rahmen der WEU österreichische Soldaten

an internationalen Militäraktionen beteiligen wie beispielweise

Geiselbefreiungsaktionen in Botschaften?

8. Halten Sie es für zweckmäßig und den Tatsachen entsprechend, derartige

Militäraktionen als "humanitäre Hilfeleistung" zu bezeichnen?

9. Im "Individuellen Partnerschaftsprogramm Österreichs mit der NATO" ist im Teil 111

unter Schwerpunkten für 1996 bis 1998 die "Entwicklung von Konzepten und

Strategien für die Friedensschaffung und Operationen mit dem Ziel, die nationalen

Strategien und Konzepte entsprechend abzuändern" festgehalten. In welcher Weise

läßt sich diese Aussage von Ihnen Herr Außenminister mit einem adäquaten Vollzug

des Neutralitätsgesetzes vereinbaren?

 

10. Sehen Sie die vorschnelle Zusage Österreichs, selbst an friedensschaffenden Einsätzen

in Zaire teilzunehmen, in diesem Zusammenhang und in welcher Weise läßt sich diese

Aussage von Ihnen Herr Außenminister mit einem adäquaten Vollzug des

Neutralitätsgesetzes vereinbaren?