2199/J XX.GP

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Van der Bellen ,Langthaler, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend ökologische Nachbesserung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe

Die Einführung einer Elektrizitäts- und Erdgasabgabe mit 1. Juni 1996 in der Höhe von

10 g/kWh bzw. 60 g/m3 hätte ein wesentlicher erster Schritt zur Ökologisierung des Steuer-

systems sein können. Da die konkrete Ausgestaltung bzw. Umsetzung der genannten Ab-

gaben jedoch teilweise als sehr unglücklich bezeichnet werden muß, hält sich die ökologi-

sche Lenkungswirkung dieser beiden Abgaben in engen Grenzen. ln einem Punkt muß so-

gar davon ausgegangen werden, daß die Abgaben in ihrer Ausgestaltung ökologisch kontra-

produktiv wirken.

Konkret sind folgende Schwächen zu nennen- Die Elektrizitätsabgabe ist als Endenergie-

abgabe ausgeführt. Dies hat zwar einerseits den Vorteil, daß damit auch Stromimporte

erfaßt werden, hat jedoch andererseits den Nachteil, daß sämtliche Stromerzeugungsformen

- unabhängig von der damit verbundenen Umweltbelastung - gleich hoch besteuert werden.

Die Kilowattstunde Strom aus einem Windkraftwerk unterliegt somit der gleichen Steuerlast

wie jene aus einem Atomkraftwerk.

Die Steuerbefreiung für Anlagen, die ausschließlich der Elektrizitätserzeugung dienen, be-

nachteiligt Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Gesamtenergieanlagen). Dies fiihrt zur para-

doxen Situation, daß Stromerzeugungsanlagen, die die Abwärme nicht nutzen, keiner Erd-

gasabgabe unterliegen, sehrwohl jedoch Anlagen, die - ökologisch vorteilhaft - die Ab-

wärme etwa für Heizzwecke nutzen.

Die Plafondierungsregelung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe in der Sachgüterproduktion

mit maximal O,35 Prozent des Nettoproduktionswertes begünstigt insbesondere die energie-

intensive Grundstoffindustrie. Durch die Plafondierungsregelung entfällt für energieinten-

sive Branchen jede ökologische Lenkungswirkung. Denn ab einem Energiesteueraufkommen

von O,35 % des NPW unterliegt jede weitere Kilowattstunde Strom bzw. jeder weitere

Kubikmeter Gas keiner Energiesteuer. Der Anreiz der Energiebesteuerung, durch steigende

Grenzkosten Energieeffizienzmaßnahmen betriebswirtschaftlich rentabler zu gestalten, fällt

damit weg.

Die genannten Nachteile der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe bzw. der Energieabgabenver-

gütung könnten jedoch - abgesehen von der PLAFONDIERUNGSREGELUNG - durch vergleichsweise

einfache Korrekturmaßnahmen beseitigt werden:

Die umweltfreundliche Stromerzeugung mittels Alternativenergien (Windkraft, Biomasse,

Photovoltaik, Biogas etc.) könnte durch eine Rückvergütungsregelung nach dänischem oder

niederländischem Vorbild begünstigt werden. Der Betreiber etwa einer Windkraftanlage

zahlt zwar keine Elektrizitätsabgabe für die Kilowattstunden, die er ins öffentliche Netz ein-

speist. In weiterer Folge jedoch, bei der Belieferung des Endverbrauchers durch das

Elektrizitätsversorgungsunternehmen, wird auch für die Elektrizität aus Windkraftanlagen

eine Elektrizitätsabgabe abgeführt. Die Rückvergütungsregelung könnte nun so gestaltet

sein, daß auf Antrag des Betreibers der umweltfreundlichen Stromerzeugungsanlage ein

Betrag refundiert wird, der sich aus der Höhe der Elektrizitätsabgabe je Kilowattstunde und

der nachweislich ins öffentliche Netz eingespeisten Strommenge ergibt. Damit käme es zu

einer Besserstellung der Alternativenergien gegenüber konventionellen Erzeugungsformen.

Der ökologische Steuerungseffekt einer Energieabgabe bliebe erhalten. Auch die EU-

Kommission spricht sich für ein derartiges System aus. Im Grünbuch ',Energie für die

Zukunft: Erneuerbare Energiequellen" vom 20.11.96 schlägt die Kommission eine Steuer-

befreiung für erneuerbare Energieträger in Fonn von "Steuerrückzahlungen" vor (Kapitel

6.3.1).

Die Benachteiligung von KWK-Anlagen gegenüber reinen Stromerzeugungsanlagen könnte

sehr einfach beseitigt werden, indem für beide Verwendungszwecke die gleichen Erdgas-

steuersätze gelten (dies gilt selbstverständlich auch für die Mineralölsteuer auf Heizöle).

Eine administrativ aufwendigere, jedoch ökologisch sinnvolle Alternative, wäre die

Besteuerung der ungenutzten Abwärme der Stromerzeugungsanlagen.

Da diese ökologischen Nachbesserungsmaßnahmen ehebaldigst umgesetzt werden sollten,

stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

schriftliche

ANFRAGE:

1 . Welche ökologischen Korrekturmaßnahmen an der Gestaltung der Elektrizitäts- und

Erdgasabgaben halten Sie für notwendig und sinnvoll?

2. Halten Sie eine Rückvergütung der Elektrizitätsabgabe für stromerzeugende Alternativ-

energien ähnlich wie in Dänemark oder in den Niederlanden für zweckmäßig und

machbar? Wenn nein, warum nicht?

3. Wie beurteilen Sie die EU-Konformität einer Rückvergütungsregelung der Elektrizitäts-

 abgabe für die Stromerzeugung aus Alternativenergien?

4. Falls die EU-Konformität aus Ihrer Sicht nicht gegeben ist: Auf welches EU-Recht be-

ziehen Sie sich dabei? Und wie beürteilen Sie den Umstand, daß etwa in Dänemark

oder in den Niederlanden vergleichbare Regelungen in Kraft sind und sich die EU-

Kommission in ihrem Grünbuch ,'Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energie-

quellen" ausdrücklich für eine Steuerbefreiung für erneuerbare Energieträger in Form

von "Steuerrückzahlungen" ausgesprochen hat?

5. Wäre es für Sie auch vorstellbar, den Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung aus

Alternativenergien (Windkraftanlagen etc.) nicht nur 100 % der Elektrizitätsabgabe

sondern - im Sinne der vom Nationalrat geforderten Förderung umweltfreundlicher,

dezentraler Stromerzeugung aus Alternativenergien - beispielsweise den doppelten oder

dreifachen Betrag der Elektrizitätsabgabe je Kilowattstunde rückzuvergüten, womit

auch der Forderung des Nationalrates auf Verbesserung der Einspeisebedingungen für

Strom aus Alternativenergien ins öffentliche Netz entsprochen werden würde?

6. Welche Korrekturen halten Sie für zweckmäßig, um KWK-Anlagen (Gesamtenergie-

anlagen) nicht länger gegenüber reinen Stromerzeugunganlagen zu benachteiligen?

7. Halten Sie die Einführung einer Abwärmeabgabe für sinnvoll und machbar? Wenn ja,

wie könnte diese Abgabe gestaltet werden? Wenn nein, warum nicht? Wie beurteilen

Sie diesbezüglich die aktuellen Steuervorschläge der GD XXI der EU-Kommission?

8. Welche Korrekturmaßnahmen halten Sie für sinnvoll und machbar, damit die Elektri-

zitäts- und Erdgasabgabe auch im Bereich der energieintensiven Sachgüterproduktion

ihre ökologische Lenkungswirkung im Hinblick auf die Erhöhung der Grenzkosten des

Energieeinsatzes entfalten kann?

9. Wie hoch war das Aufkommen aus der Elektrizitätsabgabe im Jahr 1996?

1 O. Falls die Autkommenshöhe der Elektrizitätsabgabe von dem im Budget veranschlagten

Wert abweichen sollte: Worauf führen Sie diese Abweichungen zurück?

1 1 . Wie hoch war das geschätzte Aufkommen der Elektrizitätsabgabe im Jahr 1996 durch

private Haushalte?

12. Wie hoch war das Aufkommen aus der Erdgasabgabe im Jahr 1996?

1 3 . Falls das Aufkommen aus der Erdgasabgabe von dem im Budget veranschlagten Wert

für 1996 abweichen sollte: Worauf führen Sie diese Abweichungen zurück?

14. Wie hoch war das Aufkommen der Erdgasabgabe im Jahr 1996 durch private Haus-

halte?

15. Wie hoch waren die Vergütungen der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe auf Basis des

Energieebgabenvergütungsgesetz im Jahr 1 996?

16. Wieviele Unternehmen haben eine Vergütung# der Energieabgabe beantragt?

17. Wie verteilen sich diese Unternehmen auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche

(Fachverbände)? Wie hoch wäre das jeweilige Aufkommen aus der Elektrizitäts- und

Erdgasabgabe durch diese Unternehmen ohne Vergütung?

18. Beabsichtigen Sie, die Steuersätze auf Erdgas und Elektrizität bzw. die geltenden Mine-

ralölsteuersätze in absehbarer Zeit (etwa zur Erstellung des nächsten Budgets) anzu-

heben? Wenn ja, für welche Energieträger und in welchem Umfang?

19. Wie beurteilen Sie die aktuellen Energiesteuervorschläge der EU-Kommission (GD

XXI) zur Anhebung bzw. Ausweitung der geltenden Mindeststeuersätze? Werden Sie

die Vorschläge der EU-Kommission unterstützen? Wenn nein, warum nicht?