2345/J XX.GP

 

ANFRAGE

des Abgeordneten Anschober, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie

betreffend "Tod der Kreuzzugspolitik Österreichs gegen die Kernenergie "

Speziell seit dem Kanzlerwechsel hüllt sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit

einer offensiven Anti-Atompolitik zur Schaffung eines "kernenergiefreien Mitteleuropa" in

Schweigen. Offenbar ist geplant - entgegen früherer Beteuerungen, in dieser Frage speziell

auch innerhalb der EU eine Vorreiterrolle einzunehmen - einen neuen Kurs Richtung

Akzeptanz der Atompolitk der EU und der kernenergienutzenden osteuropäischen Länder

einzuschlagen. Aus einem Interview des BM Bartenstein etwa geht hervor, daß gefährliche

Kernkraftwerke, wenn sie nicht stillgelegt würden, "westlichen Sicherheitsstandards"

genügen sollten (OÖN, 13. 3. 97). Den aktuellen Höhepunkt in dieser Frage stellt aber eine

Aussage des Energie-Sektionschefs Bruno Zluwa dar, der im Standard (28. 4. 97) erklärt,

daß die Kreuzzugspolitik Österreichs gegen die Kernenergie tot sei, man sich auf eine

vernünftige Position zurückziehen, und eine "möglichst große Sicherheit" der AKWs im

Osten anstreben werde.

An den Beispielen der halbfertigen Reaktoren in Temelin und Mochovce zeigt sich, daß mit

dieser Argumentation exakt die Linie der Betreibergesellschaften bzw der nach Aufträgen

schielenden westlichen Atomindustrie übernommen wird. Die Fertigstellung des KKW

Mochovce unter Beteiligung von Frankreich und Deutschland würde in der geplanten Form

nach Expertenaussagen nicht einmal mehr in Rußland selbst genehmigungsfähig sein,

während offiziell von westlichem Standard gesprochen wird. In den Reaktoren der in

Temelin mit der Nachrüstung auf "Weststandard" beauftragten US-Firma Westinghouse ist

es alleine in den letzten 7 Jahren zu rund 300 Störfallen mit teils enormem

Gefährdungspotential gekommen. Abgesehen vom inakzeptablen Sicherheitsrisiko durch den

Ost-West-Technikmix wird in keiner von unabhängiger Seite durchgeführten Berechnung

festgestellt, daß es sich bei den betreffenden Reaktoren um die Least-Cost-Option für die

Energieversorgung des jeweiligen Landes handeln würde. Auch aus einer Studie im Auftrag

der EU und der EBRD zu den geplanten Tschernobyl-Ersatzreaktoren Rovno und

Chmelnitzky in der Ukraine heißt es, daß die erforderlichen Finanzmittel wirtschaftlicher

und effizienter eingesetzt werden könnten .

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1 . Ist es üblich, daß Sektionschefs in den Medien Erklärungen über neue Positionen

Österreichs in wesentlichen Politikbereichen abgeben?

2. Wurde diese Erklärung des Sektionschef Zluwa, wonach "die Kreuzzugspolitik

Österreichs gegen die Kernenergiepolitik tot ist", mit Ihnen bzw innerhalb der

Bundesregierung akkordiert?

3. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Erklärung?

4. Wurde diese neue österreichische Position gegenüber der EU und den betreffenden

kernenergienutzenden Ländern in Osteuropa bereits dargestellt?

5. In welchen relevanten nationalen, internationalen und bilateralen Gremien und zu

welchen Anlässen wurden seitens des Sektionschefs Zluwa bereits gleichlautende

Erklärungen abgegeben?

6. Wann haben Sie sich zuletzt für die Schaffung eines kernenergiefreien Mitteleuropa

ausgesprochen und welche diesbezüglichen Aktivitäten haben Sie zuletzt gesetzt, bzw.

welche konkreten programmatischen und strategischen Punkte zum Erreichen dieser

Zielsetzung sind dann enthalten?

7. Was ist der genaue Zeitplan zur Behandlung der Frage des Umganges mit den

sogenannten "Ost-AKW" im Rahmen der geplanten Osterweiterung der EU?

8. In welchen nationalen, internationalen, bilateralen und/oder EU-Gremien wurde bzw

wird diese Thematik behandelt, wer nahm bzw nimmt seitens Österreich daran teil,

welche Positionen wurden bzw werden dabei vertreten und welche Reaktionen wurden

dabei hervorgerufen?

9. Teilen Sie die Einschätzung des EU-Direktors Benavides Salas, wonach Österreichs

Position zur Zukunft der osteuropäischen Kernkraftwerke im Rahmen der

Osterweiterung der EU eine große Rolle spielen werde (Der Standard, 28. 4. 97)?

10. Wie ist Ihre Position zu den Beschlüssen der Landtage Oberösterreichs und Salzburgs

bezüglich Abschluß von "Atomverträgen" als Voraussetzung für eine Zustimmung

Österreichs zu einem möglichen EU-Beitritt Tschechiens oder der Slowakei?

11. Welche Aktivitäten im Sinne diverser Parlamentsbeschlüsse zur Änderung von

Euratom, zur Widmung von EU-Finanzierungsinstrumenten für die Erstellung und

Umsetzung von Atom-Ausstiegskonzepten in Ostmitteleuropa, bzw im Zusammenhang

mit dem von verschiedensten Seiten geforderten Abschluß von Atomverträgen im

Rahmen der EU-Osterweiterung werden Sie speziell anläßlich der österreichischen

EU-Präsidentschaft im Jahr 1998 setzen, und welche Vorarbeiten dazu wurden bereits

geleistet?

12. Was ist die österreichische Position im Rahmen der Erstellung des "Grundsatzpapieres

der EU-Kommission" zur Zukunft der osteuropäischen KKW bzw zum neuen

Nuklearprogramm der EU-Kommission, PINC, in dem unter anderem der Bau eines

"Euro-Reaktor-Prototyps" für die nächsten zwei bis drei Jahre in Aussicht gestellt

wird?