2381/J XX.GP

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Haider, Scheibner

und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend das "Management by chaos" der Bundesregierung in Fragen der

Sicherheitsbehörde

Auf dem Gebiet der europäischen Sicherheitspolitik finden entscheidende Entwicklungen und

Weichenstellungen statt. Es steht fest, daß ein Sicherheitssystem in Europa, wie immer es

letztlich aussehen wird, nur mit und um die NATO entstehen wird. Im Bereich der

Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in Europa wird nichts gänzlich Neues entstehen. Ganz

im Gegenteil, die NATO entwickelt sieh mehr und mehr zum Fundament eines neuen

europäischen Sicherheits- und Verteidigungssystems. Im Juli dieses Jahres werden die

Verhandlungen der NATO mit den potentiellen Beitrittskandidatenländern beginnen. Mit

Rußland wird die NATO ein Sondersicherheitsabkommen abschließen. Diese, in der

Geschichte Europas einmalige, sicherheitspolitisch bedeutsame Entwicklung, mit der ein

weiterer Schritt zur Überwindung der Teilung Europas gesetzt wird, droht Österreich aufgrund

des Chaosmanagements der Bundesregierung hinsichtlich der Ausgestaltung der

österreichischen Sicherheitspolitik zu versäumen.

In der SPÖVP-Regierung herrscht über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik

absolute Uneinigkeit. Während die Sozialdemokratische Partei Österreichs Flugblätter mit

dem Wahlspruch "Statt NATO und Waffen Arbeitsplätze schaffen" (siehe Beilage) unters

Volk bringt, hat die Österreichische Volkspartei in allerletzter Sekunde die Zeichen der Zeit

erkannt und den NATO-Beitritt zur Regierungssache mit "Dringlichkeitsstufe römisch eins"

erklärt. Es besteht wenig Hoffnung, daß, obwohl sich auch in der SPÖ einige vernünftige

Stimmen zu Wort melden, sich diese Situation zeitgerecht ändern wird. Vielmehr besteht

akute Gefahr, daß unser Land die sicherheitspolitischen Entwicklungen in Europa versäumt

und völlig auf sich allein gestellt an der Organisation einer optimalen Sicherheit- und

Verteidigungspolitik zu scheitern droht.

Es ist daher an der Zeit, daß die Bundesregierung in der wichtigen Frage der Zukunft der

österreichischen Sicherheitspolitik endlich eine einheitliche und klare Linie verfolgt und

längst fällige Entscheidungen trifft, um die Sicherheit unseres Landes und der Bevölkerung

bestmöglich gewährleisten zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten richten in diesem Zusammenhang an den Bundeskanzler

folgende

ANFRAGE

1 . Entspricht die von Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel am 24. April dieses Jahres

im NATO-Hauptquartier in Mons vertretene Meinung, daß Österreich bereits am NATO-

Gipfel in Madrid eingeladen werden soll, der NATO beizutreten, dem offiziellen

österreichischen Regierungsstandpunkt?

* Wenn ja, wann wird Österreich sein NATO-Beitrittsansuchen stellen?

* Wenn nein, warum wurde die von Außenminister Dr. Schüssel in Mons vertretene

sicherheitspolitische Linie nicht mit Ihnen akkordiert?

* Wenn nein, wie sieht derzeit die gemeinsame und offizielle Regierungslinie aus?

2. Beharren Sie angesichts des Bestrebens des Koalitionspartners nach raschem Beitritt

Österreichs zur NATO ("Dringlichkeitsstufe römisch eins") weiterhin darauf, den

diesbezüglich Regierungsbereich im 1. Quartal 1998 dem Parlament vorzulegen?

* Wenn ja, aus welchen konkreten Gründen?

* Wenn nein, wann soll dieser dem Parlament vorgelegt werden?

3. Existieren im Bundeskanzleramt außen- und sicherheitspolitische Untersuchungen und

Beurteilungen betreffend die Ausgestaltung der künftigen österreichischen Außen- und

Sicherheitspolitik?

* Wenn ja, welche und zu welchem Schluß gelangen diese?

* Wenn nein, warum nicht?

4. Existiert ein sicherheitspolitisches Konzept der Bundesregierung?

* Wenn ja, wie sieht dieses aus?

* Wenn nein, wann gedenkt die Bundesregierung ein solches zu erarbeiten?

5. Wie sieht die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik für den Fall eines Nicht-

Beitritts zur NATO und WEU aus?

* Welche sicherheitspolitische Vorteile erwarten Sie sich durch einen solchen Nicht-Beitritt?

* Wie kann Ihrer Auffassung nach sonst die Sicherheit Österreichs bestmöglich gewährleistet

und gestaltet werden?

6. Wie ist die Aussage der SPÖ-Regierungspartei "Statt NATO und Waffen Arbeitsplätze

schaffen" (siehe Beilage) zu verstehen?

* Besteht zwischen Sicherheitspolitik und Arbeitsplatzpolitik Ihrer Auffassung nach ein

Widerspruch, und wenn ja, wie sieht dieser aus?

* Wenn nein, wie erklären Sie sich diese Aussage der SPÖ im Verhältnis zur

Regierungspolitik?

7. Ist Ihrer Auffassung nach eine NATO-Mitgliedschaft mit den "Kernelementen" der

österreichischen Neutralität vereinbar?

* Wenn ja, weshalb?

* Wenn nein, warum nicht?

8. Ist Ihrer Meinung nach eine WEU-Mitgliedschaft Österreichs mit der Neutralität vereinbar?

* Wenn ja, warum?

* Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

9. Auf welche Höhe werden sich die Kosten eines NATO-Beitritts für Österreich belaufen?

* Gibt es hinsichtlich der diesbezüglichen Kosten im Bundeskanzleramt Berechnungen, und

wenn nein, worauf beruhen Ihre Kostenschätzungen?

* Welche Kosten würden im Bereich der militärischen Landesverteidigung anfallen ?

10. Entspricht es den Tatsachen, daß Sie am 22. Februar 1997 in einem Interview mit den

Salzburger Nachrichten die Behauptung aufgestellt haben, daß Österreich im Falle eines

NATO-Beitritts verpflichtet wäre Nuklearwaffen und/oder fremde Truppen auf seinem

Hoheitsgebiet zu stationieren?

* Wenn ja, woher haben Sie die diesbezüglichen Informationen erhalten?

* Existiert ein NATO-Dokument, daß den Vertragsstaaten die unbedingte Stationierung von

Nuklearwaffen und/oder fremden Truppen vorschreibt?

* Wenn ja, welches?

11 . Welche Kosten würden entstehen, würde Österreich tatsächlich seine Landesverteidigung

nach Schweizer Muster, auf sich allein gestellt als bewaffnete Neutralität, organisieren?

* Wäre Österreich bei der Durchführung seiner Sicherheitspolitik nach Schweizer Vorbild zu

Nachrüstungen im Bereich der militärischen Landesverteidigung gezwungen?

* Wenn nein, warum nicht?

* Wenn ja, auf welche Höhe würden sich die Kosten für eine ernst genommene militärische

Landesverteidigung belaufen?