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der Abgeordneten Böhacker
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Schenkungsteuerpflicht des ÖGB aus einer verjährten Darlehensforderung gegenüber
einer belgischer Gewerkschaft
Anfang der 60er Jahre gewährte der österreichische Gewerkschaftsbund einer belgischen
Gewerkschaft aus internationaler Solidarität in Zusammenhang mit einem Streik eine Schenkung in
Millionenhöhe (siehe etwa das kleine Volksblatt, 10.1.61, Nr.7). Nachdem dem ÖGB damals vom
Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Schenkungsteuer vorgeschrieben wurde, wurde
aufgrund politischen Drucks die Schenkung als Darlehen uminterpretiert, womit eine
Schenkungsteuer nicht mehr zu erheben war. Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes
verjähren Forderungen grundsätzlich nach 30 Jahren.
Der Verzicht auf eine Forderung bzw. ein Darlehen ist als Schenkung anzusehen (siehe etwa Dorazil,
Kommentar zum Erbschaft- und SchenkungsteuerG 3. Auflage S 139 f), weshalb sich im
vorliegenden Fall die Frage stellt, was aus der Darlehensforderung des ÖGB gegenüber der
belgischen Gewerkschaft gewordcn ist.
Den unterzeichneten Abgeordneten ist bekannt, daß der ÖGB aufgrund eines - im übrigen gesetzlich
nicht gedcckten - Erlasses als Körperschaft öffentlichen Rechtes anzusehen ist und im § 5 Z 13
KStG sogar eine gesetzliche Steuerbefreiung für ihn geschaffen wurde. Eine solche gesetzliche
Befreiung ist im Erbschaftsteuergesetz nicht vorgesehen, welches nur Zuwendungen von öffentlich
rechtlichen Körperschaften steuerfrei stellt. Mangels eincr eindeutigen gesetzlichen Regelung ist
nach Ansicht der unterzeichneten Abgeordneten daher grundsätzlich Schenkungsteuerpflicht des
ÖGB gegeben, wenn dieser Zuwendungen an ausländische juristische Personen tätigt.
Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Verpflichtung der Abgabenbehörden,
abgabenrechtlich relevante Sachverhalte zu erforschen (§ 115 f BAO), stellen die unterzeichneten
Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende
A N F R A G E
1. Trifft der obcn angeführte Sachverhalt zu, daß die gegenständliche Schenkung von der
Finanzverwaltung in der Folge als Darlehen angesehen wurde?
Wenn ja, inwieweit liegt sodann ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkciten des
bürgerlichen Rechts vor?
2. Hat die belgische Gewerkschaft dem ÖGB das Darlehen zurückgezahlt?
3. Hat der ÖGB verneinendenfalls Bemühungen übernommen, daß das Darlehen gegenüber der
belgischen Gewerkschaft voll oder teilweise zurückbezahlt wird?
4. Wenn nein, wie beurteilen Sie diesen Forderungsverzicht unter Anwendung des Erbschaft- und
Schenkungsteuergesetzes?
5. Wie stufen Sie angesichts der im Jahre 1994 in Kraft getretenen gesetzlichen Steuerbefreiung im
Körperschaftsteuergesetz und eine fehlende Steuerbefreiung des ÖGB im ErbStG die
grundsätzliche Schenkungsteuerpflicht des ÖGB ein?
6. Ist es Ihrer Meinung nach rechtsstaatlich, wenn mittels eines Erlasses ein Verein als öffentlich
rechtliche Körperschaft erklärt und somit von seiner Steuerpflicht weitgehend entbunden wird?
7. Welche Erhebungen werden Sie veranlassen, damit die Schenkungsteucr des ÖGB für den Fall
eines Forderungsvcrzichtes gcgenüber dcr bclgischen Gewerkschaft gcklärt wird?