2449/J XX.GP

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Schmidt, Moser, Partnerinnen und Partner

an den Bundesminister für Justiz

betreffend unaufgeklärte Fragen nach Veröffentlichung des Berichts der drei

betroffenen Bundesministerien zu den Kurden-Morden

Das Kapitel des Justizministeriums des am 1 3.5. veröffentlichten Berichts zu den

Kurden-Morden ist nur, was die Zurverfügungstellung von Akten betrifft, der

ausführlichste. Allerdings wird keine Analyse der Vorgänge durchgeführt, sondern

die gegen die Justiz erhobenen Vorwürfe werden einfach zurückgewiesen, das

Vorgehen der Beamten und des damaligen Justizministers wird als völlig korrekt

hingestellt, und es werden sogar gewisse Handlungen und Abläufe, die für das

Entkommen der mutmaßlichen Täter entscheidend waren, nicht erwähnt. Insgesamt

verstärkt der Bericht die Notwendigkeit, einen parlamentarischen

Untersuchungsausschuß einzusetzen.

Um zumindest Klarheit bezüglich der wichtigsten Fragestellungen in Zusammenhang

mit den Ereignissen zwischen 13. Juli und Ende Dezember 1989 zu erlangen, die in

der Verantwortlichkeit des Bundesministeriums für Justiz liegen, stellen die

unterzeichneten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

an den Bundesminister für Justiz:

1. Wie erklären Sie sich die Darstellung im Bericht des Bundesministeriums für

Inneres (S. 10), daß die gemeinsame Linie zwischen Polizei- und Justizbehörden

am 19. Juli 1989 verlassen wurde?

2. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen der Behauptung Ihrer Bericht-

erstatter, gegen Sahraroodi wäre zum Zeitpunkt seiner Ausreise nur ein einziges

Indiz für die Ausstellung eines Haftbefehls vorgelegen (S. 96, BMJ), während im

Bericht des BMI von 8 ganz konkreten Verdachtsmomenten (S. 10) die Rede ist?

3. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden genaue

Informationen über die Geheimverhandlungen der Teilnehmer am 13. Juli

vorlagen und daß als "Ergebnis" drei tote Kurden und drei lebende Iraner zu

verzeichnen waren? Wenn ja, welche Schlußfolgerungen wurden daraus

gezogen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Konsequenzen wurden

daraus gezogen? Wenn nein, warum nicht?

4. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden die

Flucht eines der drei Unterhändler zu denken geben mußte? Wenn ja, welche

Konsequenzen wurden daraus gezogen? Wenn nein, warum nicht?

5. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden aus den

ersten Untersuchungen am Tatort hervorgeht, daß die Schüsse nur von den

gegenüber sitzenden Verhandlungsteilnehmern abgegeben worden sein konnten?

Wenn ja, welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Wenn nein, warum

nicht?

6. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden Dr.

Rasoul als Zeuge liquidiert wurde, auf Sahraroodi aber kein Todesschuß

abgegeben wurde? Wenn ja, welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

Wenn nein, warum nicht?

7. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden die

Tatrekonstruktion die Angaben Sahraroodis über ein hereinstürmendes

Terrorkommando, bestehend aus unbekannten Personen, eindeutig widerlegte?

Wenn ja, welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Wenn nein, warum

nicht?

8. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1 989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden

Sahraroodis Angaben über den Verlauf in eindeutigem Widerspruch zu jenen von

Bozorgian standen? Wenn ja, welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

Wenn nein, warum nicht?

9. War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1 989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden

Sahraroodi bereits am 1 3. Juli aus seinem Hotel ausgezogen war, obwohl für den

1 4. Juli eine weitere Verhandlungsrunde mit den Kurden angesetzt war? Wenn ja,

welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Wenn nein, warum nicht?

10.War dem zuständigen Staatsanwalt und/oder dem zuständigen U-Richter

und/oder dem damaligen Justizminister zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis

(22. Juli 1 989) bekannt, daß nach den Ermittlungen der Polizeibehörden

Sahraroodi nach Aussage des Verkäufers zu 99,9 % Käufer des Fluchtmotorrades

war (wobei die Tatsache zu diesem Zeitpunkt irrelevant ist, daß sich diese

Aussage im November 1 989 vermutlich als falsch herausstellte)? Wenn ja, welche

Konsequenzen wurden daraus gezogen? Wenn nein, warum nicht?

11.Ergibt sich aus den in den Fragen 3 bis 1 O angeführten Indizien, die laut Bericht

des BMI zum Zeitpunkt der Ausreise Sahraroodis vorlagen, ein begründeter

Tatverdacht, der zu einem rechtzeitigen Haftbefehl gegen Sahraroodi hätte

führen müssen, oder sogar ein dringender Tatverdacht, der die Verhängung der

Untersuchungshaft zur Folge hätte haben müssen? Wenn ja, warum ist dies nicht

geschehen? Wenn nein, warum nicht?

12.Aus welchem Grund wurde Sahraroodi bei den Einvernahmen durch U-Richter

Danek bis einschließlich 20. Juli 1989 (vor allem bei der letzten Vernehmung,

siehe Beilagen 14 und 17, BMJ) mit keinerlei belastenden Indizien konfrontiert,

sieht man von der Frage des Motorrades ab?

13.Aus welchem Grund wird der abschließende Aktenvermerk Daneks vom 20. Juli,

Sahraroodi sei weiterhin als Zeuge zu betrachten, der jederzeit ausreisen könne,

in dem Bericht des BMJ keiner Analyse unterzogen?

14.Haben die Justizbehörden einer Eskorte Sahraroodis zum Flughafen vor dessen

Abreise am 22. Juli 1989 zugestimmt? Wenn ja, warum'?

15.Hätte die Möglichkeit bestanden, den Beschuldigten Bozorgian nach der

Vernehmung am 16. Juli 1989, die aufgrund einer Abmachung zwischen dem

Außenministerium und der iranischen Botschaft zustande gekommen war, nicht

mehr in die Botschaft zurückzuschicken, sondern durch sofortige Ausstellung

eines neuerlichen Haftbefehls festzunehmen? Wenn ja, warum wurde dies nicht

getan?

16.Warum brachte Minister Foregger bei seiner Pressekonferenz am 28. Juli immer

noch auschließlich entlastende Argumente zu Sahraroodi vor, obwohl der

Tatverdacht bereits evident war?

17.Wann hatte Minister Foregger welche Kontakte mit diplomatischen Vertretern des

Iran (iranische Botschaft oder Vertreter iranischer Ministerien) und was wurde

dabei jeweils besprochen?

18.Welche Kontakte bestanden zwischen dem Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten und dem Bundesministerium für Justiz betreffend die Kurden-

Morde?

19.Welche Schlußfolgerungen zog Minister Foregger aus den Beschwerden und

Drohungen seitens des Iran, welche ihm gegenüber oder gegenüber dem

Außenministerium vorgebracht wurden?

20.Wurde seitens des Außenministeriums Druck ausgeübt, die Erhebungen gegen

die drei verdächtigen Iraner im Kurdenmord-Fall einzustellen?

21.Ende Juli 1989 wurde ein tonbandprotokolliertes Gespräch zwischen einem

hohen Beamten der Staatsanwaltschaft und dem Journalisten Paul Vecsei

geführt, in dem ersterer behauptet, das Außenamt hätte gern die Ausstellung von

Haftbefehlen interveniert. Zitat: "Grundlage für diese ganze Debatte war unter

anderem auch, daß wer vom Außenministerium angerufen hat und da interveniert

hat. Und mir ist noch dunkel in Erinnerung...daß auch irgendwer Vorhaltungen

gemacht hat, daß es ja nicht sehr angebracht sei, da Haftanträge außezlassen,

weil, was man da alles zerstören kann an Beziehungen mit dem Iran und sonst

wem. . ." Darüber gebe es auch einen Vermerk (APA, 22.4. 1 997). Ist Ihnen die

Aussage dieses Beamten bekannt? Wenn ja, entspricht sie den Tatsachen?

Wenn nein, warum sind Sie dieser Angelegenheit nicht nachgegangen?

23.Welche Stellungnahme gab Minister Foregger beim Ministerrat am 25. Juli 1 989

zu den Kurden-Morden ab bzw. welche Argumente brachte er bei der

dazugehörigen Vorbesprechung vor?

24.Aus welchem Grund hielt Minister Foregger bis zur Veröffentlichung des gerichts-

medizinischen Gutachtens im November 1989 daran fest, daß keine

ausreichenden Verdachtsmomente gegen die drei Iraner vorliegen würden und

daher eine Aufhebung der Haftbefehle zu überlegen seien (vor allem auch

dokumentiert in seinem Brief an Innenminister Löschnak am 20. Oktober 1989, S.

67-68 des Berichts)?

25.Aus welchem Grund fand der gerichtliche Augenschein am Tatort erst am 26. Juli

1989 statt?

26.Aus welchem Grund wurde das gerichtsmedizinische Gutachten, das für die

Ausstellung der Haftbefehle wegen Mordes ausschlaggebend war, erst im

November 1989 fertiggestellt?

27.Warum wurde die verspätete Fertigstellung des Gutachtens keiner Analyse im

Bericht des BMJ unterzogen?

28.Welche Bemühungen haben Sie nach der Ausreise aller drei iranischen

Tatverdächtigen unternommen, um sie in Österreich vor Gericht stellen zu

können?