2504/J XX. GP

Eingelangt am 04.06.1997
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

(Am 18.06.2012 erfolgte eine datenschutzkonforme Adaptierung)

 

 

Anfrage

2504/J XX.GP

der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Dr, Ofner

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend das Verhalten der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof

im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen N.N.

 

Die Innsbrucker Ärztin N.N. hat im Zusammenhang mit ihrem Scheidungsverfahren im Jahr 1994 beim Bezirksgericht Innsbruck ein außerstreitiges Verfahren zur Feststellung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnsitznahme eingeleitet. Dieses Verfahren behing zur Zahl 27NclS4/94 x BG Innnsbruck.

Im Zuge des außerstreitigen Verfahrens fand am 13. 12, 1994 eine Tagsatzung statt, in der N.N. als Partei einvernommen wurde. Sie tätigte als Partei, unter anderem zur Schilderung des partnerschaftswidrigen Verhaltens ihres damaligen Ehegatten, folgende Aussage' "Im übrigen möchte ich noch erwähnen, daß am 6.1.1994 vom Antragsgegner eine ärztliche Hilfeleistung für meine Mutter verweigert wurde. "

Dieser Aussage lag der Sachverhalt zugrunde, daß die Mutter von Frau N.N. bei einem gemeinsamen Publikumseislauf im Eisstadion Innsbruck stürzte und sich einen komplizierten Bruch im Bereich des rechten Handgelenkes zuzog.

Nachdem Frau N.N. Erste Hilfe geleistet hatte, begab sie sich im eigenen PKW zusammen mit ihrer Mutter auf den Weg zur Unfallchirurgie, verständigte noch während der Fahrt ihren Gatten telefonisch, bat ihn, in das Krankenhaus zu kommen und sich die augenscheinlich komplizierte Verletzung ihrer Mutter anzusehen. Das lehnte der damalige Ehemann brüsk ab.

Die Aussage seiner Gattin nahm N.N.1 zum Anlaß, eine Privatklage wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB beim Bezirksgericht Innsbruck einzubringen.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß es sich bei dem Privatankläger um einen gerichtlich beeideten Sachverständigen handelt, der als Unfallchirurg insbesondere vom Bezirksgericht Innsbruck regelmäßig zu Begutachtungen herangezogen wird, unter anderem auch von der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richterin Dr. Ursula Summereder die über die Privatanklage zu entscheiden hatte.

N.N. wurde sowohl vom Bezirksgericht Innsbruck als erste Instanz, als auch in zweiter Instanz vom Landesgericht Innsbruck (AZ 1 81 365/59) für schuldig im Sinne der Privatanklage befunden.

Daraufhin beauftragte Frau N.N. den anerkannten Ordinarius für Stratfecht Univ.-Prof Dr. Christian Bertel mit der Erstellung eines Privatgutachtens. Univ,-Prof Dr. Christian Bertel kam in seinem Gutachten zu dem Schluß, daß die Verurteilung von N.N. rechtswidrig erfolgte.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum trotz der in der Anregung an die Generalprokuratur auf Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes vom 29,11.1995 dargelegten offensichtlichen Rechtsverletzungen der Gerichte erster und zweiter Instanz unter Beischließung des oben genannten Rechtsgutachtens die Generalprokurator keine Veranlassung sah, ein Verfahren zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtshof einzuleiten, sondern in einer formlosen Mitteilung vom 19.12.1995 (GW 418, 419/95) bekanntgab, daß sie keine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben werde. Aufgrund des oben angeführten Sachverhalts richten die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Justiz nachstehende


 

ANFRAGE

1 ) Bot die Sachverhaltsdarstellung an die Generalprokuratur unter Beischließung eines Rechtsgutachtens des Ordinarius für Strafrecht Univ. Prof Dr. Christian Bertel nicht ausreichend Grund, ein Verfahren beim Obersten Gerichtshof zur Wahrung des Gesetzes einzuleiten?

2) Ist es üblich, daß sich ein Richter, der einen gerichtlich beeideten Sach- verständigen regelmäßig mit der Erstellung von Gutachten beauftragt, nicht für befangen erklärt, wenn dieser Sachverständige als Partei in der Abteilung des Richters ein Verfahren anhängig macht?

3)      Aus welchen Gründen setzte sich die Generalprokuratur bei der Überprüfung des Sachverhaltes über den klaren Gesetzeswortlaut des § 111 StGB. über die herrschende Rechtssprechung sowie über das Rechtsgutachten des Herrn Univ. -Prof Dr-. Christian Bertel hinweg?

4)      Halten Sie es persönlich für vertretbar, daß N.N. dafür, daß sie in Ausübung eines Rechtes eine Aussage getätigt hat, strafrechtlich verurteilt wird, und zwar gegen den klaren Wortlaut des § 114 StGB?