2537/J XX.GP

 

der Abgeordneten Petrovic, Anschober, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Weitere Verbrechen an kurdischen/iranischen Oppositionellen; Wien als

Terrordrehscheibe; Grenzen der Staatsräson ?

Der Mord an Abdul Rahman Ghassemlou und zwei seiner Vertrauten vom Juli 1989 ist

nicht das einzige Verbrechen an kurdischen/iranischen Oppositionellen, das in Österreich

begangen wurde bzw. dessen Spur nach Österreich führt.

Bereits im Mai 1987 fand in Wien ein bis heute nicht aufgeklärtes politisches Verbrechen

statt. Hamid Reza Chitgar war aus Straßburg nach Wien gelockt worden, angeblich um

Verhandlungen zu führen. In Wien wurde der iranische Exilpolitiker durch Genickschuß

ermordet. Die Leiche wurde erst im Juli in einer Wiener Wohnung in stark verwestem

Zustand aufgefunden.

Der besorgten Ehefrau Chitgars, die zwecks Nachforschungen im Juni 1987 nach Wien

reisen wollte, verweigerte das Generalkonsulat in Straßburg das Visum. Die in damaligen

Medienberichten getroffene Aussage der Sicherheitsbehörden, daß im Mai keine

Abgängigkeitsanzeige erstattet worden sei (siehe profil Nr. 30 vom 27. Juli 1987) entspricht

nicht den Tatsachen. Iranische Oppositionelle haben unmittelbar nach dem Verschwinden

bzw. nach der Ermordung Chitgars die höchste Ebene des Innenministeriums informiert und

auch die politischen Hintergründe bekanntgegeben. Nach kurzer medialer Aufmerksamkeit

geriet der Fall in Vergessenheit; von allfälligen Ermittlungen bzw. deren Ergebnissen

wurde in der Öffentlichkeit nichts bekannt.

Nach den Morden vom Juli 1989 übermittelte das Kölner Büro der iranischen

Volksmodjahedin nachweislich dem Bundeskanzleramt und dem Justizministerium

detaillierte schriftliche Informationen über das iranische Netzwerk des Terrors, das rund um

die Botschaft organisiert ist. lm einzelnen werden islamische Vereine, Kulturhäuser und

Firmen (Speditionen) aufgelistet, die dem Teheraner Regime unterstehen,

nachrichtendienstliche Aktivitäten durchführen und ein logistisches System für allfällige

Terroranschläge bereithalten. Dieses Papier enthält auch die Namen der jeweils leitenden

Personen unter Angabe ihrer Funktion im iranischen Netzwerk.

1990 wurden in der Schweiz iranische Oppositionelle von einem Kommando des iranischen

Geheimdienstes getötet. Die Täter reisten - ausgestattet mit iranischen Diplomatenpässen -

von Genf nach Wien. In Wien - so die Neue Zürcher Zeitung - "verlor sich ihre Spur".

Die Liste der wahrscheinlich oder sicher auf Befehl des iranischen Regimes ermordeten

Oppositionellen ist lang; etwa 50 derartige Fälle sind jedenfalls dokumentiert, wobei es den

Anschein hat, daß bestimmte Staaten - darunter leider auch Österreich - aufgrund laxer

Recherchen bzw. einer bewußten Duldung von Spionage- und Terroraktivitäten des Iran

bevorzugt als Drehscheibe und logistisches Zentrum fungieren.

Es ist doch absolut unwahrscheinlich, daß die Morde von 1987 und 1989 ohne massive

logistische Unterstützung offizieller iranischer Stellen durchgeführt werden konnten. Ebenso

unwahrscheinlich ist, daß die drei bekannten mutmaßlichen Mörder von 1989 allein und

ohne weitere Helfershelfer agiert haben. Als Stützpunkte der iranischen Terror-Logistik in

Wien werden immer wieder ein von der Botschaft genutztes Wohngebäude in Wien 4 sowie

das islamische Zentrum in Wien 6, das dem Vernehmen nach als Kaderschmiede iranischer

"Diplomaten" dient, genannt. Weder im Parlament noch in der Öffentlichkeit wurden

irgendwelche Fakten bekannt, daß es ernsthafte Bemühungen der Justiz- bzw.

Sicherheitsbehörden gegeben hat oder gibt, die Stützpunkte des Teheraner Regimes bzw.

der iranischen Botschaft in Wien zu durchleuchten, um ein offenkundiges Netzwerk des

Terrors zu zerschlagen.

Hingegen wurden Mitte Jänner 1991 in Wien eine Reihe irakischer Oppositioneller - teils

anerkannte politische Flüchtlinge - ausschließlich aufgrund eines 'vertraulichen Hinweises"

einer nirgends genannten Person oder Stelle (der Botschaft?) unter dem Verdacht des

verbrecherischen Komplotts bzw. der Bandenbildung verhaftet. Die

iranisch/irakisch/kurdische Opposition geht (mit Gründen) davon aus, daß es zu Lasten der

(kurdischen) Opposition ein Zusammenwirken iranischer, irakischer und türkischer

Einrichtungen (Botschaften) mit österreichischen Stellen (Stapo, Außenamt) gibt. Der

Komplott-Verdacht konnte nie erhärtet werden, dennoch ist von einer Entschädigung durch

die Republik Österreich nichts bekannt geworden.

Außerdem: Staatlich garantierte Exportgeschäfte mit dem Iran boomen - ebenfalls ohne daß

es darüber transparente Informatitonen gegenüber dem Parlament gibt. Und aus Gründen

einer hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Grenzen niemals öffentlich diskutierten

"Staatsräson" wird eine politische Untersuchung blockiert.

Gleichzeitig drängt die österreichische Bundesregierung auf Einführung von Rasterfahndung

und Lauschangriff als polizeiliche Ermittlungsmethoden. Die Salzburger Nachrichten

mutmaßen dazu in einer Karikatur, daß der Lauschangriff zwecks "Bekämpfung"

ausländischer Terroristen die österreichischen Regierungsstellen rascher davon in Kenntnis

setzen soll, wann wieder eine Polizeieskorte für mutmaßliche Mörder zum Flughafen

benötigt werde.

Im parlamentarischen EU- Hauptausschuß vom 12. Mai 1997 erklärte der Innenminister,

daß es zwar eine Visapflicht für die Inhaber rumänischer Dienst- und Diplomatenpässe gebe

(um allfällige Wirtschaftsflüchtlinge zu verhindern), daß es jedoch nach wie vor - anders als

in anderen europäischen Staaten - völlige Reisefreiheit für iranische "Diplomaten" bestehe

und jetzt erst auf Regierungsebene Verhandlungen in Richtung Visapflicht geführt würden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1) Dem Justizministerium wurden 1989 detaillierte Informationen betreffend das iranische

Netzwerk des Terrors übermittelt. Welche justizbehördlichen Veranlassungen wurden

daraufhin getroffen und mit welchen Resultaten ?

2) Es ist unwahrscheinlich bzw. unmöglich, daß der Terroranschlag von 1989 ausschließlich

von den drei mutmaßlichen und geflohenen Mördern ausgeübt wurde. Welche

justizbehördlichen Verfügungen gab es in Bezug auf allfällige Komplizen dieses

Anschlags ?

3) Bisher völlig unaufgeklärt blieb der Terroranschlag von 1987. Welche justizbehördlichen

Schritte wurden in dieser Angelegenheit gesetzt und mit welchem Ergebnis ?

4) Haben die 1991 zu Unrecht verhafteten irakischen Oppositionellen Entschädigungen

erhalten ? Wenn ja, in welcher Höhe, wenn nein, warum nicht ?