2550/J XX.GP
der Abgeordneten Dr. Grollitsch, DI Schöggl, Dr. Brauneder, DI Hofmann und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
betreffend die Standortfrage für das EU-Großforschungsprojekt "Euro-Cryst"
Seit Jahren wird offiziell großes öffentliches Interesse an der Ansiedlung des EU-Groß-
forschungsprojektes "Euro-Cryst" in Österreich bekundet, das als Kristallforschungszentrum
europäischen Ranges beworben wird. Auch in der jüngsten Regierungserklärung wurde ein
deutliches Bekenntnis zur Ansiedlung einer Großforschungseinrichtung abgelegt.
Ihr Vorgänger im Wissenschaftsministerium, Dr. Rudolf Scholten, beauftragte Mitte vorigen
Jahres den Rektor der Technischen Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Peter Scalicky, mit der
Sondierung des europäischen Bedarfs fiir die Großprojekte "Euro-Cryst" und "Austron". Die
European Scientific Society wurde zu einer Stellungnahme eingeladen, weiters liegt seit
langem eine Fasibiuty-Studie vor. Scalicky, selbst Präsident des "Austron"-Vereines,
übernahm es, die Europäer davon zu überzeugen, daß Österreich der ideale Standort für ein
solches "Center of Excellence" sei. Eine diesbezügliche EU-Entscheidung sollte durch das
1996 von der Bundesregierung abgegebene Versprechen erleichtert werden, ein Drittel der
Finanzierungskosten - mindestens eine Milliarde Schilling - zu übernehmen. Abgesehen
vom wissenschaftlichen Nutzen, so wurde damals argumentiert, würden 80 Prozent des
Gesamtbudgets Österreich als Gastland zugute kommen.
In die engere Standortwahl für das "Euro-Cryst"-Projekt wurde seit einiger Zeit Leoben
genommen. Der stellvertretende steirische Landeshauptmann und SP-Politiker Schachner-
Blasicek wertete es im Zuge der letzten Gemeinderatswahlen in der Steiermark sogar als so
gut wie sicher, daß die Stadt als Heimstätte fiir "Euro-Cryst"den Zuschlag bekommen werde
- zumindest wurde dies auf Wahlplakaten so dargestellt.
Nun scheint es, als werde das Projekt bewußt verzögert, die Medien sprechen vom "Tod der
Großforschung in Österreich" und davon, daß "Euro-Cryst" im Out sei. Sie meinen im
"Wirtschafts.Blatt", in Österreich zahle sich Großforschung nicht aus und beziehen sich
dabei auf eine Studie der Fraunhofer Management Gesellschaft in München, die feststellt,
daß "Euro-Cryst" öffentlicher Zuschüsse bedürfe, weil die Industrie zuwenig Aufträge an
das Forschungsinstitut erteilen würde. Abgesehen davon, daß die Studie sich auf den
möglichen Standort Innsbruck bezieht, dürfte unberücksichtigt geblieben sein, daß die
Montanuniversität Leoben bereits jetzt als Zentrum der Werkstoffwissenschaften gilt, und
somit als Keimzelle für den Aufbau einer großangelegten Kristallforschung bestens geeignet
wäre. Es gilt in Fachkreisen als unbestritten, daß kein anderer Raum in der Lage wäre, so
rasch und effizient in diesen Forschungs- und Entwicklungsbereich einzusteigen.
Eine Entscheidung steht an. Es besteht sonst Gefahr, daß das Projekt an Aktualität verliert,
und Österreich und Leoben endgültig die einmalige Chance verpassen, ein EU-Großprojekt
mit all den wirtschaftlichen und für die
Forschung wichtigen Vorteilen zu beherbergen
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Wissenschaft
und Verkehr nachstehende
Anfrage:
1 . Die Bundesregierung macht eine endgültige Entscheidung über die Ansiedlung vom Rat
der EU-Scientific Community abhängig. Existieren von seiten dieser bereits Stellung-
nahmen?
Wenn ja welche?
2. Werden im Budget 1998/99 Bundesmittel für die Großforschung vorgesehen sein?
Wenn ja wieviel?
Wenn nein, warum nicht?
3. Ist das Projekt "Euro-Cryst" besonders berücksichtigt?
4. Wie stehen Sie zur Möglichkeit einer Realisierung von "Euro-Cryst" auf modularer
Basis, d.h. zur stufenweisen Umsetzung des Vorhabens?
5. Sind sonstige Vorbereitungen personeller und materieller Art getroffen worden, um
Österreich als Standort attraktiv zu gestalten?
6. Wurde bereits eine Standortwahl zugunsten Österreichs getroffen?
Wenn ja, welche Standorte sind neben dem Raum Leoben noch im Gespräch bzw. werden
andere Standort werden präferiert?
Wenn nein, was spricht gegen Leoben als Standort?
7. Die Bundesregierung hat 1996 sogar eine Zusage getroffen, eine etwaige Ansiedlung des
Euro-Cryst-Projekts mit 30 % mitzufinanzieren.
lst diese Zusage noch aufrecht?
Wen nein, was führte zu diesem Meinungsumschwung?
8. Wie läßt sich die Verzögerung von "Euro-Cryst" mit dem Bekenntnis zur Forschung in
der letzten Regierungserklärung vereinbaren?
9. Gibt es Stellungnahmen der Industrie, vor allem der Anwenderindustrie zur Ansiedlung
des "Euro-Cryst"-Projekts im Großraum Leoben?
Wenn ja, sind sie im großen und ganzen positiv?
10.Stimmt es, daß die Wiener SP-Politikerin Mag. Brigitte Ederer das "Euro-Cryst"-Projekt,
gegebenenfalls unter einem anderen Namen, für Wien reklamiert (hat)?
Wenn ja,
a) worin liegen die Standort-Vorteile Wiens im Vergleich zu Leoben?
b) wie weit sind die diesbezüglichen
Vorbereitungen in Wien gediehen?
11.Werden noch zu lukrierende Privatisierungserlöse fiir die Finanzierung der Großfor-
schung in Österreich, wie dies im benachbarten Bayern bei Forschungsvorhaben gang
und gäbe ist, bereitgestellt?
Wenn ja,
a) an welche Privatisierungserlöse ist dabei gedacht?
b) In welchen Größenordnungen bewegen sich diese?
12.Laut einem Artikel im "Wirtschafts.Blatt" vom 23. Mai 1997 sind Sie der Ansicht, daß
sich Großforschung in Österreich nicht auszahle, und daß Sie daher die nötige Milliarde
Bundeszuschuß für die rund drei Milliarden Schilling teuren Forschungszentren
"Austron" oder "Euro-Cryst" nicht bereitstellen würden.
Halten Sie Ihre Ablehnung auch für einen "Euro-Cryst"-Standort Leoben aufrecht, wo es
intensive und fruchtbare Forschungskooperationen mit der Industrie gibt?
Wenn ja, warum?
13.Gründen Sie Ihre Ablehnung auf eine Studie der Münchener Fraunhofer Management
Gesellschaft, die von Tirol fiir den Standort Mieming in Auftrag gegeben wurde?
Wenn ja, was bewegt Sie dazu, das ablehnende Ergebnis dieser Studie, das sich
ausschließlich auf den Standort Mieming bezieht, zu verallgemeinern?
14.Wie begründen Sie die mit der Ablehnung einhergehende Brüskierung jener, die, wie
Rektor Scalicky oder Prof. Preininger, der Vater des "Euro-Cryst"-Projekts, mit der
ursprüglichen Zusage Ihres Ministeriums rechnend, 30 Prozent der Finanzierugskosten
für "Austron" oder "Euro-Cryst" zu übernehmen, diese Projekte europaweit vorange-
trieben haben?
15.Österreich liegt bei den F&E-Ausgaben an vorletzter Stelle im europäischen Vergleich
und es besteht gigantischer Nachholbedarf in der österreichischen Forschungsförderung.
Sehen Sie in der Verzögerung des "Euro-Cryst"-Projekts nicht die Gefahr, eine weitere
Chance, diesen Nachholbedarf aufholen, zu verpassen?