2566/J XX.GP
des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde
an den Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend die Postenbesetzung in der Oesterreichischen Nationalbank
Die Postenbesetzung in Unternehmen im staatlichen und staatsnahen Sektor stößt seit
Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, auf Kritik. Insbesondere der sogenannte Proporz, d.h.
die paritätische Vergabe von wichtigen (und weniger wichtigen) Posten an Angehörige von
SPÖ und ÖVP verhindert, daß parteilose Persönlichkeiten eine faire Chance erhalten; dies
legt die Vermutung sehr nahe, daß nicht immer die bestqualifizierten Persönlichkeiten zum
Zug kommen.
In der ehemaligen Verstaatlichten Industrie ist die Bedeutung des Proporzes erheblich
reduziert worden. Für die Oesterreichische Nationalbank gilt das nicht. Nach wie vor
wurden und werden so gut wie alle Posten im Generalrat und Direktorium im Verhältnis 1 :
1 von SPÖ und ÖVP besetzt. Es besteht sogar der Eindruck, daß dieser SP/VP-Proporz bis
in die unteren und untersten Ebenen der Hierarchie in der OeNB fortgesetzt wurde und
wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1 . Ist Ihnen die Vereinbarung von SPÖ und ÖVP über die Postenbesetzung in der OeNB
vom 12. Juli 1988, unterzeichnet von Franz Vranitzky (SPÖ) und Alois Mock (ÖVP)
bekannt?
(Die beiden Unterzeichner waren damals Kanzler bzw. Vizekanzler und
Parteivorsitzende von SPÖ bzw. ÖVP.)
2 . Ist Ihnen bekannt, daß OeNB-Präsidentin Maria Schaumayer die Vereinbarung vom
12.7.88 am 17. Mai 1990 mit ihrer Unterschrift in allen Punkten bestätigt hat?
3. Ist es richtig, daß diese Vereinbarung vom Juli 1988 im Jahre 1993 von SPÖ und
ÖVP bestätigt wurde und nach wie vor
gültig ist?
4. Ist es richtig, daß diese Vereinbarung folgenden Passus enthält:
" Das Vorschlagsrecht der beiden großen Fraktionen zur Sicherung der Parität im
Generalrat und Direktorium gilt weiterhin als vereinbart. Dies impliziert ein
Vorschlagsrecht bis jeweils zur Hälfte der existierenden Funktionen in beiden
Gremien. "
5. Ist es richtig, daß weiters zwischen SPÖ und ÖVP folgendes vereinbart wurde:
"Es gilt als vereinbart, daß das Vorschlagsrecht für den Generaldirektor jener großen
Fraktion zugebilligt wird, die nicht den Präsidenten stellt. Das Vorschlagsrecht für
den stellvertretenden Generaldirektor hat jene große Fraktion, die den Präsidenten
nominiert. "
6. Ist es weiterhin richtig, daß SPÖ und ÖVP vereinbart haben,
"daß keine der beiden großen Fraktionen die jeweils andere im Generalrat, im
Direktorium oder im Exekutivkommittee majorisiert. Dies heißt auch, daß vom
Dirimierungsrecht kein Gebrauch gemacht wird. "
7. Wenn Ihrer Meinung nach die SP/VP-Vereinbarung vom Juli 1988 nicht mehr gültig
ist:
a) seit wann ist sie nicht mehr gültig?
b) welche andere Vereinbarung ist an die Stelle der Vereinbarung vom Juli 1988
getreten? und wann war das der Fall?
8. Sind Sie der Meinung, daß SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der
OeNB kein Akt der Vollziehung sind und niemanden etwas angehen?
9. Derzeit sind freie Direktorenposten in der OeNB zur (Nach-) Besetzung
ausgeschrieben.
a) Werden SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der OeNB eine
Rolle spielen?
b) Wenn Sie die Frage 9 a verneinen: Wie gedenken Sie gegenüber den Bewerbern,
gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit klar zu machen und zu
garantieren, daß SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der OeNB
tatsächlich keine Rolle mehr spielen?
10. Wie werden Sie, abgesehen von den derzeit laufenden Besetzungsverfahren (Frage 9),
bei allen künftigen Postenbesetzungen in der OeNB - gleichgültig auf welcher
hierarchischen Ebene - gegenüber den Bewerbern, gegenüber dem Parlament und
gegenüber der Öffentlichkeit klar machen und garantieren, daß SP/VP-
Vereinbarungen über Postenbesetzungen in der OeNB keine wie immer geartete Rolle
spielen werden?