2568/J XX.GP

 

des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend die Postenbesetzung in der Oesterreichischen Nationalbank

Die Postenbesetzung in Unternehmen im staatlichen und staatsnahen Sektor stößt seit

Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, auf Kritik. Insbesondere der sogenannte Proporz, d.h.

die paritätische Vergabe von wichtigen (und weniger wichtigen) Posten an Angehörige v0n

SPÖ und ÖVP verhindert, daß parteilose Persönlichkeiten eine faire Chance erhalten; dies

legt die Vermutung sehr nahe, daß nicht immer die bestqualifizierten Persönlichkeiten zum

Zug kommen.

In der ehemaligen Verstaatlichten Industrie ist die Bedeutung des Proporzes erheblich

reduziert worden. Für die Oesterreichische Nationalbank gilt das nicht. Nach wie vor

wurden und werden so gut wie alle Posten im Generalrat und Direktorium im Verhältnis 1 :

1 von SPÖ und ÖVP besetzt. Es besteht sogar der Eindruck, daß dieser SP/VP-Proporz bis

in die unteren und untersten Ebenen der Hierarchie in der OeNB fortgesetzt wurde und

wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1 . Ist Ihnen die Vereinbarung von SPÖ und ÖVP über die Postenbesetzung in der OeNB

vom 12. Juli 1988, unterzeichnet von Franz Vranitzky (SPÖ) und Alois Mock (ÖVP)

bekannt?

(Die beiden Unterzeichner waren damals Kanzler bzw. Vizekanzler und

Parteivorsitzende von SPÖ bzw. ÖVP.)

2 . Ist Ihnen bekannt, daß OeNB-Präsidentin Maria Schaumayer die Vereinbarung vom

12.7.88 am 17. Mai 1990 mit ihrer Unterschrift in allen Punkten bestätigt hat?

3 . Ist es richtig, daß diese Vereinbarung vom Juli 1988 im Jahre 1993 von SPÖ und

ÖVP bestätigt wurde und nach wie vor gültig ist?

4. Ist es richtig, daß diese Vereinbarung folgenden Passus enthält:

ßen Fraktionen zur Sicherung der Poarität im

Generalrat und Direktorium gilt weiterhin als vereinbart. Dies impliziert ein

Vorschlagsrecht bis jeweils zur Hälfte der existierenden Funktionen in beiden

Gremien. "

5. Ist es richtig, daß weiters zwischen SPÖ und ÖVP folgendes vereinbart wurde:

"Es gilt als vereinbart, daß das Vorschlagsrecht für den Generaldirektor jener großen

Fraktion zugebilligt wird, die nicht den Präsidenten stellt. Das Vorschlagsrecht für

den stellvertretenden Generaldirektor hat jene große Fraktion, die den Präsidenten

nominiert. "

6. Ist es weiterhin richtig, daß SPÖ und ÖVP vereinbart haben,

"daß keine der beiden großen Fraktionen die jeweils andere im Generalrat, im

Direktorium oder im Exekutivkomittee majorisiert. Dies heißt auch, daß vom

Dirimierungsrecht kein Gebrauch gemacht wird. "

7. Wenn Ihrer Meinung nach die SP/VP-Vereinbarung vom Juli 1988 nicht mehr gültig

ist:

a) seit wann ist sie nicht mehr gültig?

b) welche andere Vereinbarung ist an die Stelle der Vereinbarung vom Juli 1988

getreten? und wann war das der Fall?

8. Sind Sie der Meinung, daß SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der

OeNB kein Akt der Vollziehung sind und niemanden etwas angehen?

9. Derzeit sind freie Direktorenposten in der OeNB zur (Nach-) Besetzung

ausgeschrieben.

a) Werden SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der OeNB eine

Rolle spielen?

b) Wenn Sie die Frage 9 a verneinen: Wie gedenken Sie gegenüber den Bewerbern,

gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit klar zu machen und zu

garantieren, daß SP/VP-Vereinbarungen über die Postenbesetzungen in der OeNB

tatsächlich keine Rolle mehr spielen?

10. Wie werden Sie, abgesehen von den derzeit laufenden Besetzungsverfahren (Frage 9),

bei allen künftigen Postenbesetzungen in der OeNB - gleichgültig auf welcher

hierarchischen Ebene - gegenüber den Bewerbern, gegenüber dem Parlament und

gegenüber der Öffentlichkeit klar machen und garantieren, daß SP/VP-

Vereinbarungen über Postenbesetzungen in der OeNB keine wie immer geartete Rolle

spielen werden?